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Nacktschwimmen
Peinlich, einfach nur peinlich. Am liebsten hätte sie sich unsichtbar davongestohlen. Aber sie stand im Wasser und klapperte mit den Zähnen. Wieso ging er nicht endlich weg? Naja streng genommen wollte sie ja gar nicht, dass er ging. Sie mochte seine Gesellschaft. Aber verdammt, wenn sie nicht bald aus dem Wasser kam, würde sie erfrieren. Tod durch Erfrieren oder sich lieber zu Tode schämen? Wenn sie jetzt das Wasser verliesse, würde er sich am Boden kugeln vor lachen. Wie war sie bloss auf die dumme Idee gekommen, nackt schwimmen zu gehen und das so früh im Frühling? Es mochte noch so ungewöhnlich warm sein, der See war noch eiskalt.
Nervös schwamm sie ein paar Runden und liess dabei den Typen am Ufer nicht aus den Augen. Ihr Bikini hing rechts von ihm an einem Ast. Sie hatte ihn dorthin gehängt, damit er trockne. Ausserdem hatte sie gedacht, sie könnte ihn so genug schnell schnappen, falls jemand ihn die Nähe käme. Eigentlich hatte sie überhaupt nicht damit gerechnet, dass jemand diesen Teil des Sees besuchte. Die Bäume und das Unterholz standen hier so dicht, dass die Leute den Sandstrand auf der anderen Seite des länglichen Sees bevorzugten. Aber sie hatte eines Tages dieses ruhige Plätzchen entdeckt und kam seitdem regelmässig hierher, um sich auszuruhen oder eben zu schwimmen.
Sie war ja selber schuld. Spontan hatte sie sich entschieden auszuprobieren wie es sich anfühlt, nackt zu schwimmen. Und jetzt wusste sie es: Es war ein schönes Gefühl. Wenn nur das Wasser nicht so verdammt kalt wäre! Und dieser hübsche Junge am Ufer, wieso kam er ausgerechnet in diesem Moment hierher? Er stand am Ufer und lächelte sie an.
„Eigentlich glaube ich nicht an Nixen. Aber wenn ich dich so sehe, bin ich mir da nicht mehr so sicher. Du schwimmst nun schon seit zehn Minuten im kalten Wasser. Bist du noch nicht durchfroren?“, fragte er sie. Doch, sicher, sie war schon bald ein Eiszapfen. Bemerkte er denn nicht wie ihre Zähne klapperten? „Nein. Das Wasser ist ganz angenehm“, log sie.
„Na gut, dann werde ich dir ein wenig Gesellschaft leisten“, beschloss er und wollte sich umdrehen, um seine Kleider bei seinem Rucksack hinter sich zu deponieren.
Sie erkannte die Gefahr sofort. Wenn er sich nach rechts drehte, würde er zweifellos ihren Bikini am Baum hangen sehen und mit Sicherheit den richtigen Schluss daraus ziehen.
„Äh, halt!... Was ist deine Lieblingsfarbe?“, schrie sie um ihn aufzuhalten. Es wirkte, er hielt inne und sah sie verdutzt an.
„Äh... wie bitte?“, fragte er verwirrt. Mist, jetzt musste sie sich schnell etwas Gescheites einfallen lassen, um nicht völlig bescheuert zu wirken.
„Ich finde, die Lieblingsfarbe sagt viel über den Charakter eines Menschen aus, weisst du?“, erfand sie.
„Aha. Okay. Meine Lieblingsfarbe ist blau. So blau wie deine Lippen. Willst du nicht endlich aus dem Wasser kommen?“, sagte er. Sie wäre errötet, wenn sie nicht vor Kälte blau gewesen wäre.
„Nein. Nixen können das Wasser doch nicht verlassen, weisst du das denn nicht?“, wich sie aus. Er lachte.
„Ach ja, das hab ich ganz vergessen. Dann komm ich eben zu dir!“
Er wirbelte herum... und stutzte. Ein bisschen irritiert starrte er den Bikini auf dem Ast an. Dann huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Er drehte sich zu ihr zurück und grinste:
„Ist das deiner?“
Am liebsten wäre sie untergetaucht und nie mehr an die Wasseroberfläche zurückgekehrt.
„Nein, bestimmt nicht“, log sie. Er überging ihre Antwort.
„Schwimmst du etwa nackt?“ Ungläubig musterte er sie. Plötzlich hatte sie das Gefühl, dass er durch das klare Wasser ihren nackten Körper sehen könnte. Schnell wandte sie sich von ihm ab.
„Nein, nein! Ich habe zwei Bikinis dabei. Der eine hängt dort zum Trocknen.“ „Also ist er doch deiner!“, sagte er triumphierend.
„Äh, ja...“, gab sie zu und tauchte kurz unter.
„Und du bist bestimmt nicht nackt?...“
„Nein!“, unterbrach sie ihn viel zu schnell.
„...Denn wenn du nackt wärst, könnte ich verstehen, dass du lieber erfrierst, als vor mir aus dem Wasser zu steigen.“ Er schaute sie durchdringend an.
Verlegen kaute sie auf ihrer blauen Unterlippe. Mist, warum nur hatte sie vorhin behauptet, zwei Bikinis dabei zu haben? Jetzt war sie in einer noch blöderen Situation, denn sie schämte sich für beides: Das Nacktschwimmen und die Lügen, die sie ihm aufgetischt hatte. Verflixt, was sollte sie bloss tun?
„Ich zähle jetzt bis drei, wenn du bis dann nicht aus dem Wasser gestiegen bist, werde ich dich holen kommen“, drohte er. „Eins...“ Fieberhaft überlegte sie, hin und her. „...Zwei...“ Wenn er jetzt zu ihr ins Wasser stieg, würde das Ganze nur noch peinlicher werden. „...Drei! Ich komme“ Bereits zog er sein T-Shirt aus. Sie musste ihn aufhalten! Jetzt musste sie es ihm sagen!
„Nein, stopp! Okay, ich gebe es zu... Komm nur bitte nicht ins Wasser!“ So, jetzt war es raus. Sie fühlte sich ein wenig erleichtert. Triumphierend grinste er. „Könntest du dich bitte... umdrehen?“ fragte sie kleinlaut und beschämt. Er hob eine Augenbraue, doch dann kehrte er ihr brav den Rücken zu.
Schnell schwamm sie ans Ufer, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Wehe, er drehte sich um! Hastig stieg sie aus dem Wasser, schnappte sich ihren Bikini und kehrte ihm ihrerseits den Rücken zu, um den Bikini anzuziehen. Dann rannte sie zu ihrem von der Sonne aufgewärmten Badetuch und wickelte sich zitternd darin ein.
„Du kannst dich jetzt umdrehen“, sagte sie. Er wandte sich ihr wieder zu. Sein Blick schweifte zum Ast, an dem ihr Bikini gehangen hatte und dann zu ihr. Ein breites Grinsen erhellte sein Antlitz. Sie vergrub ihr Gesicht in ihrem Badetuch.
Wortlos zerrte er sein eigenes Badetuch aus seinem Rucksack und legte es ihr zusätzlich um die vor Kälte zitternden Schultern. Mit dunkelblauen Lippen schaute sie verlegen zu ihm hoch. Da konnte er nicht mehr anders: Er brach in schallendes Gelächter aus. Es klang so ansteckend, dass sie miteinstimmte, obwohl ihr das Ganze immer noch sehr peinlich war.