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Nein, wir haben keine Probleme

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06.11.2001
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Nein, wir haben keine Probleme

Wumm, schon wieder traf seine geballte Faust ihr Gesicht. Sie spürte wie Tränen und Blut sich vermischten und ihren Hals herabliefen. Wenn er nur endlich aufhören würde.
Wie soll ich das Morgen nur wieder vor den Kindergärtnerinnen von Alexs Kindergarten verbergen, die schauen mich in letzter Zeit immer so komisch an, ob sie wohl etwas bemerkt haben? Sicher glauben sie mir die Geschichte mit dem Sturz nicht mehr. Wenn
jetzt bloss Alexander nicht aufwacht, er soll diese Ausrutscher von seinem Vater nicht miterleben müssen.
Nun schlug er sie sogar mit dem metallenen Teil eines Kleiderbügels. Wie ein
verstossener und beschimpfter Strassenköter kauerte sie sich jetzt in eine Ecke des Schlafzimmers, machte sich möglichst klein um den Schlägen zu entkommen. Schon vor langer Zeit hatte sie es aufgegeben ihn zu beschwichtigen zu wollen, genützt hatte es noch nie etwas.
Warum schaffe ich es nie mich jemandem anzuvertrauen? Obwohl, wer würde mir
schon glauben, meine wenigen Freundinnen beneiden mich um diesen liebevollen
Ehemann, mein Vater ist begeistert von ihm, und an jemanden Fremden würde ich mich nie wenden. Stimmt ja, er ist erfolgreich, und gegen aussen hin liebevoll, aber wie er mich wirklich behandelt weiss niemand. Er war nicht immer so brutal und gemein gewesen. Natürlich nicht, sonst hätte ich ihn ja auch niemals geheiratet.
Seit fast zwei Jahren ging das schon so, und noch nie hatte sie sich gewehrt. Die Schläge liess sie unbeteiligt über sich ergehen, als ob es gar nicht ihr Körper sei. Erst später, wenn sie im Bad vor dem Spiegel stand, ihren verunstalteten und geschändeten Körper betrachtete kamen ihr die Tränen.
Wie lange war ich schon nicht mehr im Schwimmbad? Wann konnte ich das letzte Mal ein T-Shirt tragen? Warum gerade ich?
Er hatte von ihr abgelassen, liess sie am Boden liegen, vor Schmerzen gekrümmt. Abfällig schaute er auf sie herab.
Wie ich diesen Blick verabscheue. Früher, da hat es ihm danach noch leid getan und er hat sich bei mir entschuldigt, doch jetzt behandelt er mich wie Dreck, als ob ich sein privater Boxsack wäre.
Das leichte Grinsen, welches ihr bei diesem abstrakten Gedanken über das Gesicht huschte blieb zum Glück unbemerkt. Ihr Mann hatte sich von ihr abgewendet, kalt präsentierte er ihr seinen Rücken.
Wie gerne würde ich ihm jetzt dass riesige Messer, welches ich seit einem halben Jahr unter meiner Seite vom Bett verstecke, in den Rücken stechen, dann hätte für mich diese Qual ein Ende. Alex und ich wären sicher.
Von diesem Gedanken ahnte ihr Mann nichts, aber es interessierte ihn ja schon lange nicht mehr was sie dachte oder fühlte. Sie sollte auf Alex aufpassen, gekocht haben wenn er von der Arbeit zurückkam und immer genau das tun was er wollte. Noch immer lag sie am Boden, welch erbärmlicher Anblick.
Wenn doch jetzt meine Mutter noch leben würde. Sie könnte mich beschützen, wie sie es früher gemacht hat, als mein Vater mich schlagen wollte. Sie hat die ganzen Schläge auf sich genommen. Weinend bat sie mich dann immer, später nicht den gleichen Fehler wie sie zu machen. Habe ich den gleichen Fehler gemacht? Sieht ganz so aus. Erkenntnis sei der erste Schritt zur Besserung, sagt man.
Als sie sich langsam den Kopf hebt sieht sie unter dem Bett das Messer, es liegt immer noch am selben Ort. Mühselig erhebt sie sich, bleibt mit gekrümmtem Rücken ein paar Sekunden stehen, schleicht dann möglichst unauffällig in das Bad um die Spuren der Schläge zu beseitigen und geht dann in die
Küche um das Abendbrot vorzubereiten.
Was ist nur aus mir geworden? Wo sind meine Träume geblieben? Genau die Dinge, die ich früher verabscheut habe sind eingetroffen: ein gewalttätiger Ehemann, kein eigener Job, Gewalt und Angst. Aber jetzt werde ich etwas ändern, so wird es nicht weitergehen.
Ja, etwas wird geschehen!
Sie öffnet die Küchenschublade, nimmt das grosse Messer heraus und beginnt damit die Zwiebeln zu zerhacken, wäscht es danach ab und versorgt es wieder.
Das Essen verlief wie gewohnt sehr ruhig und zurückhaltend.
Nach dem Essen wusch sie das Geschirr ab, brachte Alex ins Bett und bügelte die Wäsche.
Ich mache die ganze Arbeit und er sitzt vor dem Fernseher. Warum ist mir das früher nicht aufgefallen? Aber lange geht das nicht mehr so weiter!
Sie bügelte die Wäsche und ging zu Bett. Eine halbe Stunde später kam auch er ins Bett und obwohl sie noch am lesen war löschte er das Licht, drehte sich zur Seite und schlief schnarchend ein.
Auch sie drehte sich vorsichtig um, ihr rechter Arm hing wie leblos unter der Bettdecke hervor und baumelte am Bettgestell hinunter.
Unter dem Bett lag, metallig im fahlen Licht des Mondes glänzend, das grosse, lange Messer.

 

Und? Sie wird das Messer dort liegen lassen. Das ist eine der Sachen, die ich an Frauen absolut nicht verstehe - wieso sie nicht die Kraft oder den Mut aufbringen, solche Typen zu verlassen. Und wenn sie es dann doch mal schaffen, dann braucht es 10 Pferde, um sie davon abzuhalten, nach einer Woche wieder zu ihm zurückzukehren.

 

@webmaster:
also dazu muß ich jetzt was sagen. Ich behaupte, daß die Frauen, die tatsachlich bei so einem Typen bleiben (würden), die Ausnahme sind. Die allermeisten würden doch NIEMALS so mit sich umspringen lassen. Die Sache ist ganz einfach die, daß eine "normale" Frau mit "normalem" Selbstwertgefühl es nie soweit kommen lassen würde, sondern bei der ersten Ohrfeige oder noch früher weg wäre.
Ich WÄRE heute mit einem prügelnden Mann verheiratet, wenn ich meine Grenzen nicht so absolut klar und unmißverständlich abgesteckt und ihn verlassen hätte, bevor es soweit gekommen ist!
Und nicht einmal 100 Pferde könnten mich je wieder zu einem brutalen und agressiven Mann zurückbringen, ganz egal, was passiert. Ich denke, ich spreche hier für den Großteil der Frauen.

Ich habe allerdings auch einige kennengelernt, die sich noch wesentlich mehr erniedrigt haben, als die Frau n der Geschichte, die nicht einmal etwas unternommen haben, als der Mann die Kinder halbtot geprügelt hat. Aber frag mich bitte nicht, was in denen vorgeht, ich habe nicht die geringste Ahnung und kann mich in keiner Weise mit ihnen indentifizieren.

Zur Story: Die Tatsache, daß das Messer dort liegt, zeigt doch, daß sie zumindest schon daran denkt, sich zu wehren, und früher oder später wird sie es meiner Meinung nach benutzen, es ist nur einfach noch nicht soweit. Aber wird sie das frei machen? Sicher nicht!

 

Mahlzeit!

@Mirko: Ja, das stimmt wohl. Meine Schwägerin leitet das Frauenhaus hier in der Gegend. Die erzählt auch oft von Frauen, die immer und immer wieder zu ihren schlagenden Ehemännern zurück kehren. Ob das Phänomen mal jemand untersucht hat?

Man erfährt es halt nie, es ist ein Tabu und außer nem großen SAT1-Film wird nicht darüber berichtet.

Ein ernstes Thema, dein Text. Und ganz gut aufbereitet.

Heiko

 

Die Sache ist ganz einfach die, daß eine "normale" Frau mit "normalem" Selbstwertgefühl es nie soweit kommen lassen würde, sondern bei der ersten Ohrfeige oder noch früher weg wäre.
Eben nicht.

 

@raven

Ich hab bisher in meinem Leben acht Fälle dieser Art kennen gelernt. Mehr oder minder schwere, was den Umfang der Gewalt angeht (ohne jetzt eine Wertung abzugeben). Alle acht Frauen sind noch bei ihren Männern. Egal, ob man sich den Mund fuslig redet oder 2 Jahre Kopfstand macht. Man hört immer nur: Ja, aber ... früher war er doch nicht so ... er hat's schwer im Job ... usw.

Ich kenn einen Fall, da ist es umgekehrt. Da schlägt sie ihn. Und dann kenn ich da noch ein paar Paare, da ist sie voll psycho drauf und ihm rhetorisch überlegen und putzt ihn runter bis er nur noch Kartoffelbrei ist. Sehr grotesk das alles. Das hat viel mit Vorgeschichte, Jugend und Erziehung zu tun. Und das wird noch sehr lange dauern, bis dieses männliche Gewaltmonopol kultiviert ist.

Heiko

 

Ja, wie gesagt, ich kenne auch solche Frauen. Trotzdem behaupte ich, daß sie die Ausnahme darstellen.
Es gibt wohl kaum einen Mann, der von einem Tag auf den anderen vom lieben Kuschelbär zum brutalen Schläger mutiert. Meine Erfahrung ist die: Es beginnt damit, daß er wütend und laut wird, wenn ihm etwas nicht paßt. Irgendwann beginnt er, massiv zu brüllen, dann Sachen durch die Gegend zu werfen. Und an dem Punkt, wo er mich gepackt und auf den Wäschekorb geschmissen hat, weil ich mir nicht den Mund hab verbieten lassen, war ich weg. (Und das war nur einer von dreien, die ich verlassen habe, weil sie meinten, nur weil ich klein bin, könnten sie mich rumschubsen. Ohje, irgendwie scheine ich die anzuziehen, was?)
Ansonsten wäre es so weitergegangen: Irgendwann hätte er mir eine Ohrfeige gegeben, aus der wären mehrere geworden und bis zum ersten richtigen Prügeln wären vielleicht Jahre vergangen.

Ja, es gibt viel zu viele Frauen, die sich schlagen lassen - so wie es zu viele Männer gibt, die prügeln. Doch ich weigere mich zu glauben, daß diese Frauen repräsentativ für das weibliche Geschlecht sind - oder prügelnde Männer für das männliche.

Viele Frauen geraten irgendwann an so eine kranke Type, aber die meisten lassen ihn fallen, bevor es ausartet.

Was meint das restliche Weibsvolk dazu???
raven

 

hab mich sehr über die Beiträge gefreut, vorallem über die, die aus eigener Erfahrung schreiben.
Ich möchte allerdings hinzufügen, dass ich hoffe, dass die meisten Frauen es nicht so weit kommen lassen. Bis jetzt habe ich es aber leider anderst erfahren müssen. Eine Verallgemeinerung wäre hier sicherlich nicht angebracht. Die Geschichte soll einfach ein Fallbeispiel darstellen.

 

Oh mein Gott..!
Das waren meine ersten Gedanken.
Die Wut auf alle Männer, die ihre Frauen oder/und Kinder schlagen,kann nicht einmal durch das Unverständnis meinerseits, übertroffen werden.
Nicht die Frauen müssen weggehen.
Die Männer müssen aufhören zu schlagen!!
Wenn man Unkraut immer nur abschneidet wird man es nicht los.
Packt das Problem an den Wurzeln und macht es für immer unschädlich!!

 

Oh mein Gott..!
Das waren meine ersten Gedanken.
Die Wut auf alle Männer, die ihre Frauen oder/und Kinder schlagen,kann nicht einmal durch das Unverständnis meinerseits, übertroffen werden.
Nicht die Frauen müssen weggehen.
Die Männer müssen aufhören zu schlagen!!
Wenn man Unkraut immer nur abschneidet wird man es nicht los.
Packt das Problem an den Wurzeln und macht es so für immer unschädlich!!

 

Ich finde deine Geschichte ist gut geschrieben und sie stimmt einem nachdenklich.
Sighard: die Hauptperson hat das messer nicht mit ins bett genommen, sondern es lag schon die ganze zeit unter dem bett.

 

Deine Geschichte hat mich sehr nachdenklich gemacht.In einer solchen oder ähnlichen Situation befinden sich mehr Frauen als man denkt! Sie finden einfach nicht den Mut ihren Mann zuverlassen. Meist suchen sie die Fehler sogar bei sich selbst.
Ich hätte noch gern einen tieferen Einblick in die Hass- und Angstgefühle der Frau gehabt. Deine Geschichte hat mir wirklich gut gefallen!

 

hey baba! deine geschichte hat mir auch gefallen. vorallem der schluss! man weiss einfach nicht, was die frau nun machen wird. so wie es in der geschichte beschrieben ist, wird sie sich wahrscheinlich vornehmen, dass sich etwas ändern muss. und das messer wird weiterhin unter dem bett liegen bleiben. oder nicht...?

 

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