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Neulich im Gemeindebau (Wienerisch)

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Neulich im Gemeindebau (Wienerisch)

Neulich im Gemeindebau

Neulich im Gemeindebau

Weltverständnis im Kleinformat


Papa: Geh Mama, host no an Aufstrich draußn?
Mama: Schweinsleber oder Liptauer?
Papa: Na kaunnst olle zwa bringa.
Mama: Zum Trinken habts no genug?
Papa: Raffael! De Mama hot di wos gfrogt!
Bua: Jaaa - siehst eh, dass ich noch was hab.
Papa: Heast, sei net so frech.
Bua: Bin nicht frech.
Papa: Daunn gib a gscheide Auntwurt.
Bua: Hab ja eh gsagt, dass ich noch was hab. Niicht, Mama! Ich hab noch was im Glas! Wieso schenkst ma noch was ein?
Mama: Jetzt sei net so blöd, du trinkst das ja eh aus.
Bua: Haaach. Ich wollt das aber zerst austrinken.
Papa: Jetzt gib amoi a Rua, heast, i hea jo nix.
Bua: Dann mach die Ohren auf.
Mama: Raffael!
Papa: A so a freche Bemerkung no und du kaunnst di glei ins Bett legn!
Bua: Aua!
Mama: Geh Fredl, des wor jetzt aber a net notwendig.
Papa: Daunn soll a de Pappn hoitn. Des geht ma jetzt scho laungsaum wo hi. Kaunn i net amoi in Ruhe fernschauen neman essen? Jetzt schau net so bled und iss weida.

Papa: Des san doch Trottln heast, wos?
Mama: Wos denn?
Papa: Na de Deitschn. Jetzt tans wieda deppat umanaund.
Mama: Aso.
Papa: Des is scho so lächerlich des Gaunze, der Saddam muaß si a wos denken, heast.
Mama: Wieso denn?
Papa: Na wie schautn des aus?
Mama: Najo, des is hoit a net so leicht, des Gaunze, nm?
Papa: Na wos haßt "net so leicht"? De soin endlich aufaunga und a Rua is. Is jo woa.
Mama: Najo.
Papa: Na wos? Des is jo wirkli scho a Witz. Des geht jetzt scho drei Monat oder so. Wirst scho segn, de werdn so laung umanaund tuan, bis erna wieda a Flieger am Schädl foit und daunn schauns wieda deppat.
Mama: Najo, oba des wor jo da Bin Laden, net?
Papa: Geh bitte, de steckn doch olle unter ana Deckn. Der Bush hot schon recht. Wenn de amoi weg san, is a Rua, wirst schon segn.

Papa: Na und glei da nächste Trottl. Wos der eigentlich wü, waß a kana oder?
Mama: Scho a bissl komisch. Zerst mit de Blauen, jetzt mit de Grünen.
Papa: Des wird eh nix, wirst eh segn. Papierln tuat as. Am End werdns eh wieda die Blauen.
Mama: Glaubst? Net Schworz-Rot?
Papa: Geh.

Papa: Schau da den au, heast, i hoit den net aus. Bringt kan grodn Sotz aussa, der Van der Bellen.
Bua: Was isn eine Koalition?
Mama: Na das is Politik, Raffael.
Bua: Na weiß ich eh, hamma eh schon in der Schule glernt, aber was is eine Koalition?
Mama: Na die Regierung. Also wenn zwei Parteien zsamm gehen, dann heißt das so.
Bua: Und wieso habn die Parteien Farben?
Mama: Na dass ma weiß, wer wer is. Schau, die Grünen heißen zum Beispiel so, weils was für die Umwelt machen.
Bua: Und die Blauen?
Mama: Na ... weil das sind die Freiheitlichen, also die nennen sich so. Oder wie kaumma des erklären, Fredl?
Bua: Hm?
Mama: Na wart, lass en Papa einmal fernschauen, er erklärts da dann nachher, gut?

Mama: Wart, kömma kurz auf die "Seitenblicke" schaun?
Papa: Geh wort a bissl, i wü eh nur schaun, wie da Mayer gfohrn is.
Bua: Kann ich noch a bissl aufbleiben?
Papa: Wos wüstn? Is eh nix für di im Fernsehen.
Bua: Na nur so.
Mama: Geh, Schatzl, morgen is ja wieder Schule, hm?
Bua: Büüütte!
Papa: Gehts scho wieda los? Wüst ane faungan?
Bua: Haaach.
Papa: Na wos?
Bua: Mmmh.
Papa: Geh, Abmarsch.

Mama: Erklärst eam no des mit der Politik?
Papa: Fia wos? Der kapiert des eh net.

 

Hallo Visualizer!

Das liest sich fast wie das Fallbeispiel im Buch "So mache ich meinem Kind eine Neurose"! :lol:

Auch, wenn ich nicht so gern reine Dialoge lese und mich am Anfang ein bisschen überwinden mußte, war ich dann doch gespannt, wie es weitergeht, was Du uns hier vermitteln willst.
Ich weiß nicht, ob ich Deine Intention getroffen habe, aber für mich stellt sich die Familiensituation so dar, daß der Vater den Sohn und die Mutter gefühl- und rücksichtslos beherrscht und die Mutter sich auch nichts dagegen sagen traut. Und der Sohn wird von beiden bevormundet, wie etwa das Beispiel zu Beginn mit dem Nachschenken zeigt. Er hat das alles erst mal in sich reinzufressen - sagen darf er ja nichts und für dumm wird er auch gehalten. Die besten Voraussetzungen, ein gesundes Selbstwertgefühl aufzubauen...

Wenn Du das darstellen wolltest, ist es Dir in meinen Augen zwar gelungen, doch könnte ich mir das ganze auch in eine Geschichte mit Text außerhalb der direkten Reden vorstellen.

Was mir noch auffällt: Der Sohn spricht schöner als seine Eltern. Das ist zwar sehr schön, daß er das tut, aber was Du damit bezweckst, ist mir nicht so ganz klar, ich tappe etwas im Dunkeln.

Keine ausfühliche Fehlerauflistung, aber eins muß ich noch anbringen:

"draussen"
- nach langen Selbstlauten und nach Zwielauten (au, ei, eu, usw.) gehört ein scharfes ß, wie beispielsweise in "draußen".
Dieser Regel folgend müßten dann auch Wörter wie "muass" mit scharfem ß geschrieben werden. "ua" ist zwar ein spezieller wiener Zwielaut, aber doch immerhin ein Zwielaut (oder Diphtong). - muaß

"Zum trinken"
- entweder Zum Trinken oder zu trinken

Alles liebe,
Susi

 

Hi Häferl,

hab ich ja fast darauf gewettet, dass - wenn eine Kritik auf diesen Text kommt - sie von dir beigesteuert wird. Zumindest als Erste. ;)

Die Familiensituation hast du treffend analysiert, so in etwa war's gemeint. Klar könnte man auch eine Geschichte draus machen, aber ich sah keinen Anlass dazu, weil sich das Wesentliche aus den Dialogen ergibt. Außerdem wollte ich, als "Allwissender Erzähler", keinen Standpunkt einnehmen, sondern diese drei Menschen für sich sprechen lassen. Was auch reicht, meiner Meinung nach.

Dass der Sohn "schöner" spricht, als seine Eltern ist Absicht. Hab ich fallweise auch so in der Realität beobachtet.
Der Papa spricht durchgehend Dialekt, die Mama spricht mit Papa im Dialekt, aber bei ihrem Sohn bemüht sie sich, etwas mehr nach der Schrift zu sprechen. Der Sohn erfährt also durch seine Mutter und sicherlich auch durch die Schule (was ja kein unwesentlicher Einflussfaktor ist), eine schönere Sprache und folgt dem instinktiv. Außerdem wollte ich den Sohn dadurch etwas gescheiter erscheinen lassen, als es ihm seine Eltern, insbesondere sein Vater, zugestehen wollen.

Das mit dem scharfen ß ist mir natürlich grundsätzlich klar, war mir aber auch nicht sicher, ob das in diesen Fällen jetzt sein muss oder nicht.
Zum Beispiel bei: "Bringt kan grodn Sotz aussa", würd ich aus dem Bauch heraus eher nicht mit ß schreiben, auch wenn's hier nach einem Zwielaut folgt.
Aber "draußen" und "muaß" hab ich jedenfalls geändert.

Grüße
Visualizer

 

hallo!

ich fand die geschichte wirklich toll!

1. weil ich eine familie kenne, wo das tagtäglich wirklich genauso gelebt wird, wie hier geschrieben. was ich eigentlich schlimm finde!

2. weil ich am wochenende mit meinen eltern vor dem fernseher gesessen bin, als gerade die nachrichten waren und mein vater auch gemeint hat, dass wir höchstwahrscheinlich eine blau-schwarze koalition bekommen werden.

außerdem stimmt das mit dem "schönerreden". meine schwester und ich haben beide matura gemacht und haben eine ganz andere sprechweise wie meine eltern bzw. grosseltern, einfach durch die schule eben!

also, mir gefiel diese geschichte wirklich gut, ein typischer tag eines typischen österreichers! *g*

lg mara

 

Hallo Visualizer,

der Dialog hat mir auch gerade wegen der sprachlichen Feinheiten gefallen. Er zeigt auch ein interessantes Phänomen: Wer wenig weiß, will auch die anderen Leute dumm halten, Argumentation wird durch Agression ersetzt. Nur soll keiner glauben, dies gäbe es nur bei Dialekt sprechenden Personen...

Tschüß... Woltochinon

 

Hi mara und Woltochinon,

Danke für's Lesen und Kommentieren!

@ Woltochinon

Wer wenig weiß, will auch die anderen Leute dumm halten, Argumentation wird durch Agression ersetzt. Nur soll keiner glauben, dies gäbe es nur bei Dialekt sprechenden Personen...
Geb ich dir absolut recht! Wollte sowieso noch anmerken, dass "geschliffene" Sprache noch lange kein Indiz für Intelligenz ist. Ich halte sogar Menschen, die sich hervorragend auszudrücken wissen, für mitunter weitaus gefährlicher, wenn sie gleichzeitig nicht wirkich intelligent sind. Wobei ich auch intelligente Menschen für potentiell gefährlich halte, wenn sich ihre Intelligenz rein nach dem IQ bemisst und nicht auch hohe soziale und emotionale Intelligenz miteinfließt. (Denn auch wer viel weiß, will seine Menschen manchmal dumm halten oder für dumm verkaufen ...)

Im Falle "meiner" Familie (ich mein die Geschichte), hab ich den Vater als eindeutig dumm/simpel gestrickt gezeichnet. Das "Gute" daran - für Außenstehende - ist, dass solche Menschen leicht zu durchschauen sind. Kinder, die so aufwachsen, haben's aber verdammt schwer, denk ich, sich irgendwann aus dieser Art der "Erziehung" zu befreien. Da braucht es doch wiederum ziemlich intelligente Erwachsene außerhalb der Familie, die sie auf horizonterweiternde Bahnen führen.

Mir tut's einfach immer leid um die Kinder, wenn ich solche Szenarien irgendwie miterlebe und sei's nur ein kurzes "Intermezzo" während einer Straßenbahnfahrt.

@ mara
zu Punkt 1: siehe meinen letzten Satz an Woltochinon
zu Punkt 2: Dass ich nach diesem Wochenende wieder etwas mehr in Richtung der "Koalitions-Prognose" aus meiner Geschichte rücken würde, hab ich mir zwar nicht unbedingt erwartet (erhofft?), aber allzu realistisch war diese Konstellation (Schwarz-Grün) ohnehin nicht.

Dass es ein "typischer Tag" eines "typischen Österreichers" ist, wollen wir aber nicht hoffen oder? ;)

Grüße
Visualizer

 

die hoffnung, dass es nicht so ist, habe ich noch, aber in der realität seh ich doch immer wieder, dass es viele solcher familien gibt! leider, leider!

schwarz-grün, war unrealistisch, aber ich hätte es mir trotzdem gewünscht, vielleicht hätte sich doch etwas geändert. naja, man wird sehen...

hoffentlich kommt bald wieder eine geschichte...

lg mara

 

Hoffentlich kommt bald wieder eine Geschichte?
Meinst du mich damit? Wenn ja, kennst du denn schon alle meiner bisher hier veröffentlichten Stories? Wenn nein, gleich hier unten auf "Stories" klicken! ;)

Grüße
Visualizer

 

Dass der Sohn "schöner" spricht, als seine Eltern ist Absicht. Hab ich fallweise auch so in der Realität beobachtet.
Stimmt auch, gut beobachtet. Ich mach das ja selbst genauso, daß ich mit meinem Sohn schöner spreche als sonst. - Keine Ahnung, warum ich bei Deiner Geschichte diesbezüglich so auf der Leitung gestanden bin. :D :lol:

 

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