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22.04.2010
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Gundula ist tot.

Heute Morgen kam Markus vorbei um es mir zu sagen. Die Kaffeetasse in meiner Hand hatte leicht gezittert. Markus schaute mich erwartungsvoll an. Was bitte schön sollte ich ihm denn zeigen? Trauer, Betroffenheit, Erleichterung, Schock? Ich ging wortlos aus der Küche in mein Schlafzimmer und legte mich aufs Bett. Nach langen stillen Minuten fiel die Haustuer ins Schloss.

Gundula, das war doch meine Studienfreundin! Wir hatten uns so ziemlich am ersten Tag an der Uni kennen gelernt. Durch den Regen sind wir zusammen gelaufen um den verhexten Copy-Shop zu finden. Dort standen schon ungefähr 50 Mitstudenten an um den gleichen Seminartext zu kopieren. In den zwei Stunden, die wir anstanden, erfuhren wir voneinander unsere aktuellen Beziehungs- und Kontostände, unseren Musikgeschmack und familiären Verhältnisse. Zwei Tage später schlief Gundula das erste Mal bei mir im Zimmer auf der Matratze – nach einem Ausflug in die Karaokebar. Singen, stellten wir damals fest, können wir beide nicht.

Gundula, das war doch meine Rettung! Was hätte ich ohne sie getan, als Markus mit mir Schluss gemacht hat, nach fünf Jahren Beziehung auf Wolke sieben. Zu diesem Zeitpunkt wohnten wir längst in der gleichen WG. Gundula buk mir Dampfnudeln und sorgte für immer ausreichend Rotweinvorrat in der Küche. Stundenlang diskutierte sie mit mir, was in Markus gefahren sein könnte. Wir überlegten, ihn bei der GEZ zu melden, verwarfen diese Idee aber schließlich wieder, weil sie uns feige erschien. Und Gundula war diejenige, mit der ich in diesem ersten Jahr der Trennung in den Urlaub fuhr. An den Ostseestrand, jawohl!

Gundula, das war doch die größte Prokrastiniererin, die man sich vorstellen kann! Hausarbeit abzugeben? Referat vorzubereiten? Prüfung in zwei Wochen? Gundula tat in diesen Zeiten des Stresses grundsätzlich alles, was sie sonst nicht tat: Fenster putzen, gewagte Kuchenmischungen backen, ihre CD-Sammlung sortieren, am Computer „Siedler“ spielen. Mein dezent fragendes „Und?“ tat sie selbstsicher ab: „Ach, ist doch noch Zeit.“ Am Abend vor dem Event war ihre Zimmertuer dann geschlossen, und bis fünf Sekunden vor dem großen Ereignis steckte ihre Nase dann in der „empfohlenen Literatur“. Ging dann später am Tag die Haustuer auf, lautete Gundulas Gruss: „Ich hätte vielleicht doch ein bisschen früher anfangen sollen.“ Aber sie hat es immer geschafft.

Gundula, das war doch meine Arbeitskollegin! Wunderbare Hörfunkstimme. Geniale Themenbeiträge. Die kreativsten Einfälle, nicht nur für unsere Sendungen, sondern auch für die Kollegen. Einmal ging sie zu Weihnachten in den Zoo und nahm die Geräusche im Tropenhaus auf: „Für alle, deren Lieben dieses Jahr in Übersee feiern, hier ein kleiner Trost.“ Gundula hatte schon bald ihr eigenes Büro und die stellvertretende Leitung der Sendung inne. Mit ihr vor meinen Augen wurden meine Sendebeiträge immer unbedeutender, klischeehafter. „Doch nicht schon wieder Hitzesommer“, stöhnte der Chef bisweilen als Reaktion auf meine Vorschläge. „Wie soll man dass denn außerdem radiogemäß ansprechend umsetzen?“ Zwei Jahre arbeiteten wir zusammen, dann wurde mir vom Chef nahe gelegt, es doch eher bei der Zeitung zu probieren.

Gundula, das war doch Markus Frau! Ja, es war ein Weilchen her dass wir uns nicht mehr gesprochen hatten. Mein neuer Job bei der Zeitung ließ mir nicht viel Zeit. Für einen Mann und Freunde schon gar nicht. Und dann sah ich sie eines Nachmittags im Café, die Ärmel ihres orangeroten Pullis hochgeschoben, die erste Frühlingssonne genießend. Ich stand vor ihrem Tisch und starrte auf sie herunter. Als sie mich bemerkte, wurde sie rot: „Mein erster freier Nachmittag seit sieben Monaten!“ Ich saß noch keine fünf Minuten neben ihr, als Markus auftauchte. „Oh, hallo Denise…hallo, äh, Schatz.“ Mein Mund stand offen.

Gundula, das war doch ein kleines Häufchen Elend im hellblauen Nachthemd! Wo waren eigentlich ihre knalligen Pyjamas geblieben, die sie in der WG immer getragen hatte? Waren sie ihr nicht passend fürs Krankenhaus erschienen? Von der Frau im orangeroten Pulli war nicht mehr viel übrig. Sie schien kleiner, natürlich dünner, und – unwichtiger. Ruhiger. Weinen sah ich sie nur einmal, als ich gehen wollte nach meinem ersten Besuch. Tapfer hatte sie gesagt: „Gar kein Rotwein dabei?“ Mein betroffenes Gesicht hielt sie nicht aus. „Verdammt, nur ein halbes Jahr früher, und sie hätten es operieren können…“Den Rest verstand ich kaum, ihr gebogener Rücken zuckte.

Gundula ist tot. Und Denise?

 

Hallo liebe Leute,
ich freu mich auf eure Reaktionen und möchte mich schonmal vorab entschuldigen, wenn ich nicht gleich antworte, werde in den nächsten Wochen viel unterwegs sein und nicht immer Internetanschluss haben. Trotzdem konnte ich mich jetzt nicht zurückhalten, die Geschichte einzustellen.

Besten Gruss,
Camara

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Camara,

und ein herzliches Willkommen von mir, wenn auch etwas später ;).

Mir hat die Geschichte gefallen. Auch, wenn sie etwas eindimensional ist, Gundula kann alles, bekommt alles. Die Protagonisten kann sich in ihrer Nähe nur minderwertig fühlen. Am Ende stirbt Gundula. Das ist der Moment, da sie als Siegerin hervor gehen könnte, aber dieser Sieg fühlt sich nicht gut an.

Mir gefällt, wie Du mit wenigen Ereignissen die Geschichte der beiden erzählst. Die Flaschen Rotwein, sind z.B. ein liebevolles Detail, das den Text so lebendig macht.

Textkram:

Was bitte schön sollte ich ihm denn zeigen?

Den Satz empfinde ich irgendwie ungelenk - Was bitte schön, hat er denn erwartet? Wie sollte ich denn seiner Meinung nach reagieren? Welche Reaktion erwartete er von mir? - So was halt.

Wir hatten uns so ziemlich am ersten Tag an der Uni kennen gelernt.

So Füllwörter - die machen selten einen Satz besser ;).
Wir hatten uns in den ersten Tagen ... Da haben sich einige in den Text gemogelt (schon - schließlich - doch - immer ...)

Durch den Regen sind wir zusammen gelaufen um den verhexten Copy-Shop zu finden.

logisch zusammen

Dort standen schon ungefähr 50 Mitstudenten an um den gleichen Seminartext zu kopieren.

"Um" ist jetzt nicht ein so schönes Wort, dass man es so oft verwenden sollte.

Am Abend vor dem Event war ihre Zimmertuer dann geschlossen, und bis fünf Sekunden vor dem großen Ereignis steckte ihre Nase dann in der „empfohlenen Literatur“. Ging dann später am Tag die Haustuer auf,

Und dann sollte man "dann" den gar aus machen :). Ebenso dem ein oder anderen im weiteren Verlauf.

„Oh, hallo Denise…hallo, äh, Schatz.“

„Oh, hallo Denise_…_hallo, äh, Schatz.“
Punkte brauchen Freiräume - jeweils ein Leerzeichen davor und eines dahinter.

Gundula, das war doch ein kleines Häufchen Elend im hellblauen Nachthemd!

Sicher mit dem Ausrufezeichen? Für mich wirkt es sarkastisch. Schon klar, Du willst auf das Krankenhaushemdchen hinaus, aber ich beziehe es auf das Häufchen Elend. Mach zwei Sätze draus, wenn Du am ! hängst.

operieren können…“Den Rest

Hier will einiges mehr Luft (Leerzeichen).

Gundula ist tot. Und Denise?

Diese Frage, die dem Leser da so präsentiert wird, empfinde ich als Freiheitsberaubung seiner eigenen Gedanken :D. Den Bogen noch mal aufzumachen, um Gundelas Tod festzulegen, finde ich gut, nur gefällt mir hier die Umsetzung nicht.
Markus kam heute vorbei und sagte: "Gundula ist tot.", wäre mein Vorschlag, aber eben auch nur ein Vorschlag.

Ich bin kein Profi von Kommasetzung, aber mir scheint, Dein Text könnte noch das ein oder andere vertragen.

Feiner, kleiner Text.
Beste Grüße Fliege

 

Hallo Camara,

ich konnte erst lange nichts zu deiner Geschichte schreiben, weil sie mir einerseits gefiel, andererseits aber unstimmig erschien und ich nicht so genau wusste, woran es lag. Nach einigen Tagen wurde es mir deutlicher.
Denise scheint etwas sehr altruistisch in ihrer Erinnerung. Natürlich überwiegen angesichts des Todes die positiven Erinnerungen, aber die Freundin noch im Krankenhaus zu besuchen, nachdem sie einem bei Job und Mann den Rang abgelaufen hat, erfordert schon viel. Okay, der Mann wurde nicht fliegend gewechselt, die berufliche Leistung stand nicht zur Diskussion, die Gefühle müssen also nicht zwingend ausgeprägt negativ gewesen sein. Von Wut steht nichts in der Geschichte, nur von einem offenen Mund und von Gundulas Scham beim Treffen nach langer Zeit.
Ein Problem habe ich mit Aufbau und Struktur der Geschichte, wenn auch nur an einem Punkt. Für den Leser kommt Gundulas Tod überraschend. Der Text ist so aufgebaut, als wäre dies auch für Denise der Fall. Erst im letzten Absatz erfährt man, dass es nicht so ist. Aufnahme der und Reaktion auf die Nachricht hängen aber normalerweise sehr davon ab, ob sie zu erwarten war, in diesem Fall vielleicht sogar für Gundula Erlösung bedeutete.
Auch wird die Frage, was Markus erwartete aus dem ersten Absatz dadurch unstimmig, denn wenn Denise dessen jetzige Frau trotz der Vorgeschichte im Krankenhaus besucht, ist eher zu erwarten, dass einige Dinge geklärt sind.

Ich hoffe, das war einigermaßen hilfreich.

Liebe Grüße
sim

 

Hallo sim und Fliege,

also erstmal ganz herzlichen Dank dass ihr euch so intensiv mit dieser Geschichte auseinandergesetzt habt, ich finds klasse dass ihr euch sogar die Muehe macht einzelne Saetze auseinander zu klamüsern, ohne Zweifel sind eure Gedanken sehr hilfreich.
Vielleicht kurz zu sim und zum Gesamteindruck der Geschichte:
"Altruistisch" ist glaube ich nicht die richtige Charakterisierung für Denise. Vielmehr hat sie ein ambivalentes Verhaeltnis zu ihrer ehemaligen Freundin, da sie mit dieser schoene und schlechte Zeiten durchgemacht hat. Am Ende fragt sie sich einfach, ob sie eine Freundin oder eine Feindin verloren hat. Aber da sie beide keine jungen Maedchen mehr sind (es gibt zwar keine Zeitdimension in der Geschichte, aber durch die Ereignisse wird eine gewisse Reife vielleicht klar) ueberwiegt doch das vergebende Auge.
Unter dieser Perspektive ist vielleicht auch die Ratlosigkeit zu verstehen, mit der Denise die Neuigkeit von Gundulas Tod aufnimmt, vor allem auch noch ueberbracht von demjenigen, der einen massgeblichen Keil in ihre Freundschaft getrieben hat.

Wenn dieser Hintergedanke nicht deutlich genug herauskommt, bin ich immer dankbar fuer Verbesserungsvorschlaege...

Nochmals herzlichen Dank, und sorry fuer die verspaetete Antwort!

Camara

 

Hallo,

die Dynamik der Geschichte ist ja genauso tot wie ihre Protagonisten. Wenn ich mir so die Form anschaue, denke ich mir, da hat es sich jemand zu einfach gemacht, das ist so monoton runtergeleiert.

Im Grunde hast du zwei Prots, zwei Gegensätze und beschreibst eintönig aus der Sicht der anderen den Verlauf ihrer Leben. Wenn die Geschichte also nicht durch einen ungewöhnlichen Schreibstil brilliert, dann kann sie nur in meinen Augen verlieren. Sie verliert.

Gibt es interessante Figuren? Für mich nicht, es sind die typischen Gewinner-und Verlierer-Typen und wie in allen Geschichten sieht sich die Verliererin natürlich in der Opferrolle. Dass sie auch noch die Ich-Erzählerin ist und niemand (naja wenige) mal auf die Idee kommt, sowas auch mal aus der Sicht eines schuldbewußten Täters zu beschreiben, ist einfach nur ärgerlich.
Das langweilt mich.

JoBlack

 

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