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Nicht alles gefallen lassen
Nicht alles gefallen lassen
„Verdammte Scheiße!“, schallte es durch ein Haus im Hunteweg.
Wütend wischte Tina mit der Hand über ihr Gesicht. Neben ihr stand ihre 17jährige Schwester Tatjana, die ihr was über den Kopf gekippt hatte, um sie aufzuwecken. Was es war, wollte Tina eigentlich noch nicht einmal wissen. Sie war 14 Jahre alt und wurde von ihrer Schwester immer nur geärgert und gequält. Es kam schon öfters vor, dass Tinas Hausaufgaben plötzlich zerrissen waren, vor ihrem Schwarm plötzlich ihre Hose runterrutschte oder während einer Theateraufführung ein Eimer mit Maden auf sie kippte. Sie ging schnell ins Bad um sich zu duschen, wer weiß was ihr diesmal auf dem Kopf rumkrabbelte. Als sie fertig war, fühlte sie sich schon etwas besser. Sie war zwar immer noch wütend, aber sie wollte sich den Tag nicht von Tatjana verderben lassen. Tina zog ihr Lieblingsoutfit an und flocht sich einen Zopf. Als sie sich dann vor den Spiegel stellte um sich zu schminken, schrie sie laut auf. Angelockt von dem Schrei erschienen ihre Eltern, Tatjana und ihr 6jähriger Bruder Tim. Tim bekam prompt einen Lachkrampf und Tinas Mutter ging besorgt auf sie zu: „Bitte nicht jetzt Tinalein, dass sieht doch ganz... außergewöhnlich aus. Zumindest können Papa und ich dir nicht helfen, wir sind sowieso schon spät dran.“ Tina war außer sich vor Wut, ihre Eltern hatten nur ihren Job im Kopf, so dass sie nie bemerkten, wie sie von Tatjana gequält wurde. Sie brüllte: „So kann ich doch nicht in die Schule gehen! Wie soll ich mich da denn mit knallgrünen Haaren blicken lassen?!“ Ihre Mutter sah sie mitleidig an: „Setz dir doch ein Cappy auf, mit dem kleinen grünen Zopf sieht das bestimmt ganz gut aus.“ Na super, der Tag war für Tina schon mal gelaufen. Am Ende setzte sie dann doch den Vorschlag ihrer Mutter in die Tat um.
Auf dem Weg zur Schule mit ihrer besten Freundin Annika regte sie sich immer noch auf: „ Ich kann mich doch nicht bis sie auszieht von ihr fertig machen lassen! Gibt es nicht irgendein Amt für gemeingefährliche Schwestern, die nichts mit ihrer Zeit anzufangen wissen?“ Tim, der immer mit Annikas Bruder Benny 5m hinter ihnen lief kam angerannt und sagte: „Für mich klingt das ganz nach Psychiatrie, und da werde ich dich und Tatjana auch bald hinbringen!“ Er und Benny liefen lachend davon. Tim hatte Tina nie wirklich geglaubt, wie sie von ihrer Schwester geärgert wurde. Annika wollte sie beruhigen: „Zahl es ihr doch einfach heim!“ „Ha“, rutschte es Tina heraus, „ das klappt nie, sie hängt eh pausenlos mit ihrer supertollen Clique rum, die machen mich dann mal eben so alle!“ „Gut so, dann kannst du sie vor ihren Freundinnen blamieren!“, meinte Annika. Doch auch das heiterte Tina nicht auf. Annika bemerkte es und sagte:
„ Komm, du kannst dir doch nicht alles von ihr gefallen lassen!“ Tina seufzte: „Ja da hast du wohl Recht!“ Annika grinste: „Hab ich doch immer!“ Sie wurde wieder ernst: „Komm wir setzen uns gleich mit den Cats zusammen, wir finden schon eine Lösung!“ Die Cats war die Clique von Tina. Der Name wurde aus den Anfangsbuchstaben ihrer Namen gebildet. Die Clique bestand aus Catjella, eine Spanierin, Annika, Sina und Tina. In der ersten Pause setzen sich die vier an ihren Stammtisch im Schulcafe und besprachen, während sie ihre Milchshakes tranken, die Sachlage. „Wir müssen sie irgendwie vor ihren Freundinnen blamieren, das zieht am besten!“, meinte Sina. „Soweit waren wir auch schon“, erklärte Annika, „die Frage ist bloß wie!“ Die Blicke von Annika, Tina und Sina wandten sich fast synchron zu Catjella. Catjella war ziemlich neu in der Klasse. Sie war sehr temperamentvoll und einfallsreich. Catjella hatte dies wohl erwartet, denn sie begann mit einem halben Vortrag, und zwar ohne Punkt und Komma: „ Ich würde sagen, wir müssen an all den Sachen nagen, auf die sie besonders stolz ist, dass heißt wir verschandeln ihr Äußeres sowie ihre Poster. Wenn das immer noch nicht so richtig zieht wird sie bald ein paar Spinnen, Maden, Kakerlaken und ähnliches in ihrem Bett finden.“ Bei diesen Worten quietschte Sina auf. Sie hasste alles was nicht in die Kategorie Haustier und nicht in „Oh mein Gott ist der süß!“ passte. Doch Casjella fuhr unbeirrt fort: „Am besten werden wir ihr auch noch ihren Freund, wie heißt er doch gleich, Klo zunichte machen.“ „Joe“, verbesserte Tina sie. Wieder achtete Casjella nicht darauf: „ Okay, ich würde mal sagen, wir teilen uns das mit den Aufgaben auf, und ihr beide“, sie zeigte auf Tina und Annika, „versucht eure Brüder auf unsere Seite zu bringen, dass könnte von großem Nutzen sein!“ „Geht klar“, ertönte es im Chor. Sie verabredeten, dass sie am nächsten Donnerstag zuschlagen würden, denn da würde im Hause eine große Party steigen, denn Tatjana feierte ihren Geburtstag nach. Sie bereiteten alles haargenau vor, und es gelang Tina und Annika sogar, Benny und Tim auf ihre Seite zu ziehen, wofür aber ganz schön viele Chips ihren Besitzer gewechselt hatten.
Am Donnerstag dann war großer Trubel im Haus, Tina hatte den Rest der Cats einladen dürfen und Tim hatte Benny und Catjellas Bruder Michio zu Besuch. Tatjana hatte ca. 30 Leute eingeladen, und natürlich war Joe dabei. Während unten die Party stieg sollten die „Kleinen“ in ihren Zimmern bleiben. Taten sie aber nicht, denn sie verteilten sich im ganzen Haus. Ein paar gingen in Tatjanas Zimmer. Andere in die Küche und wiederum andere auf das Klo. Tatjana bekam davon nichts mit, sie war mit ihren Freunden im Wohnzimmer am tanzen. Um 23.00 Uhr wurden die Cats und Tim mit Freunden ins Bett geschickt. Die Zimmer von Tina und Tim waren durch eine Tür dazwischen miteinander verbunden. Das hatte die Beiden bis jetzt immer genervt, aber ausnahmsweise waren sie glücklich darüber. Die Jungs gingen rüber in Tinas Zimmer und dort warteten alle gemeinsam auf den großen Tumult der bald ausbrechen würde. Auf der Party war unterdessen der Krach und das Chaos nicht mehr ganz so extrem. Alle waren nun kaputt und Tatjana wurde darum gebeten das Mitternachtsbüfett zu eröffnen. Sie ging in die Küche mit ihren Freundinnen und holte die Tabletts mit dem Essen. Schon beim Anblick lief einem das Wasser im Munde zusammen. Alle lobten Tatjana für ihre Kochkünste und Tatjana lobte innerlich den Erfinder des Partyservices. Doch als alle gierig zugriffen und sich kunterbunt durcheinander die Leckereien in den Mund stopften liefen plötzlich immer mehr Leute hastig zum Klo. Tatjana verstand das nicht und probierte selber. Was hatten denn die anderen? Das schmeckte doch gut. Doch als sie aufhörte zu kauen und plötzlich sich etwas in ihrem Mund bewegte, dachte sie das nicht mehr. Sie nahm sich schnell eine Serviette zur Hand und spuckte die Made hinein. Entsetzt schaute sie zum Büfett, auf dem sich bei genaueren Hinsehen viele Spinnen, Maden, Kakerlaken und Asseln tummelten. Es gab viele angeekelte Schreie und die Schlange beim Klo wurde immer länger. Tatjana griff zum Telefon und rief den Partyservice an. Als sich jemand meldete zeterte sie sofort los: „Was fällt ihnen eigentlich ein? Das ganze Essen ist voller ekliger Insekten!“ Der Mann vom Partyservice hielt es für einen Scherz: „Ist gut für ihren Eisenwert, waren sie denn gut geröstet?“ Tatjana wurde nur noch wütender: „Ich finde das überhaupt nicht witzig, ich will mein Geld zurück!“ Der Mann begriff das sie es ernst meinte: „Also bitte, wir sind der beste Partyservice des Landes, und so eine unsinnige Beschwerde ist mir noch nie zu Ohren gekommen. Einen schönen Abend noch!“ Tatjana knallte wütend den Hörer auf die Gabel. Sie drehte sich zu ihren Gästen um und meinte: „Der Partyservice Meyerhoff ist echt nicht weiterzuempfehlen.“ „Achja“, meinte Cara, ihre beste Freundin, „ich dachte du hättest gekocht!“ Tatjana wurde knallrot, da hatte sich wohl ganz schön blamiert. Von da an sprach den Rest der Party über, jeder sehr verhalten mit ihr. Oben in Tinas Zimmer dagegen wurde sich gegenseitig gratuliert, Schritt eins hatte geklappt.
Als die meisten Gäste gegangen waren und nur noch Joe mit seinem bestem Freund Roy und die Clique von Tatjana, die auch aus insgesamt vier Mädchen bestand da war, ging Tatjana ins Bad um sich für Joe schick zu machen. 5 Minuten später riss ein greller Schrei die gesamte Nachbarschaft aus dem Schlaf. Tatjanas Gäste kamen herbeigestürmt. Als sie Tatjana sahen gab es verschiedene Reaktionen. Joe und Roy lachten sich halb tot, Chila und Tara, die auch in Tatjanas Clique waren grinsten schadenfreudig und Cara ging zu Tatjana und meinte, während sie sich das Lachen verkniff: „Das ist doch nicht so schlimm, ist doch mal was neues!“ Tatjana wäre am liebsten im Erdboden versunken. Die Maske, die sich gemacht hatte, hatte einen schlimmen Ausschlag auf ihrem Gesicht hinterlassen, ihr Haarspray hatte ihren Haaren einen knalllila Glanz verliehen und ihr Mundwasser hatte alles in ihrem Mund blau gefärbt. Die Cats, Tim, Benny und Michio hatten sich in der Zwischenzeit aus ihren Zimmern geschlichen und beobachten das ganze Spektakel von der Treppe aus. Tina grinste, strich über ihre inzwischen wieder braunen Haare, die sie sich überfärbt hatte und meinte: „Tja, so ähnlich hatte meine Familie reagiert, aber bei den Freunden und dem Schwarm ist das ja was anderes.“ Alle bekamen darauf einen Lachanfall. Unten drehte sich Joe zu ihnen um. Die Rächer bemerkten es und gingen schnell wieder in Tinas Zimmer. Tatjana ging mit ihren Freundinnen auf ihr Zimmer, sie sollten retten, was zu retten war. Unter Tränen bat sie Joe und Roy darum nach Hause zu gehen, was die Beiden auch gerne taten. Als die Beiden schon draußen standen ging Joe noch mal kurz rein und in Tinas Zimmer, wo die Jungs gerade die Szene unten im Bad nachspielten. Als sie Joe erblickten sprangen alle schnell in ihre Betten und Sina, die in Joe verknallt war setzte sich so hin, wie sie es mal in einer Modelzeitschrift gesehen hatte. Joe übersah das wohlweislich. Er blickte zu Tina und meinte: „Ich weiß das Tatjana dich immer ärgert und finde diese Racheaktion echt genial. Außerdem muss ich mich wohl bei euch bedanken, denn ich glaube, dass ich es ab sofort leichter haben werde Tatjana loszuwerden. Ihr wisst ja gar nicht, wie die nerven kann. Die will einfach nicht begreifen, dass ich schon `ne Freundin hab`!“ Bei diesen Worten schielte er zu Sina rüber, die dass aber nicht bemerkte. Beleidigt sackte sie in einen normalen Schneidersitz. Joe verließ das Zimmer mit einem „Gute Nacht“ und die Kinder legten sich danach auch schlafen, führ heute war keine Rache mehr geplant.
Am nächsten Morgen kamen Tatjana, Cara, Chila und Tara recht verschlafen und „verschnupft“ in die Küche zum Frühstück. Tinas Eltern die über Nacht von einer Geschäftsreise zurückgekommen waren deckten noch den Tisch. Als die Mutter die vier Partygirls sah meinte sie nur: „Man sollte sich eben nicht so frei anziehen!“ Außer den Kindern wusste ja niemand, dass sie in einem Gemisch aus Nies- und Juckpulver geschlafen hatten. Später machten sich alle auf den Weg zur Schule.
In der Pause zog Tatjana Tina aufs Klo und meinte wütend: „Du entschuldigst dich sofort bei ALLEN Gästen und erklärst das du das warst!“ Tina entschied sich dumm zu stellen: „Wovon redest du? Was kann ich dafür, wenn du dich mit dem Partyservice verrätst?“ Tatjana grinste hinterhältig: „Woher weißt du von der Sache mit dem Partyservice?“ Tina ließ sich nicht beirren: „Die ganze Schule redet darüber, aber auch egal!“ Tatjana biss sich auf die Unterlippe und Tina jubelte innerlich. Nach einer endlosen Stille setzte Tatjana zur Buße an: „Es tut mir leid, dass ich dich immer geärgert habe, bloß du durftest immer Sachen, die ich in deinem Alter nicht gedurft habe, und dass hat mich so sauer gemacht, dass ich so meine Wut rausgelassen habe!“ Tina war verwundert: „Das ist normal, Tim darf auch vielmehr als wir!“ „Es hat mich trotzdem sauer gemacht. Ich verspreche dir, dass ich dich nie mehr Ärger, aber bitte erkläre den anderen die Sache!“ Tina gab sich gütig: „Na schön“, Tatjana hörte erleichtert auf ihre Trinkpackung zu zerquetschen, die die ganze Zeit schon gelitten hatte, „aber...“, die Trinkpackung wurde wieder verschandelt, „du erklärst es den anderen und ich bin nur Zeuge, falls sie es dir nicht glauben!“ Tatjana war darüber sehr sauer, aber ihr blieb keine andere Wahl. Es wurde den Partygästen erklärt und nicht wenige davon gratulierten später noch den Cats oder den drei Jungs. Joe drückte jedem von ihnen sogar 10 € in die Hand. Tatjana hatte sich seitdem auch etwas geändert, sie war freundlicher und nicht mehr so arrogant, trotzdem war Tina froh, als sie nach 1 Jahr nach Hamburg zog um da zu studieren.