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Nichts als Konsequenzen
Nun stehen sie vor uns und zeigen auf uns, die drei großen Gebilde unserer Menschheit: die Wissenschaft, die Philosophie und die Religion. Die Wissenschaft ernst und verantwortungslos; die Philosophie schweigend und bedrohlich und die Religion so unglaubwürdig wie nie zuvor.
Das ist mein Abschied - bescheiden und trostlos. Ein Hoch und ein Tief. Ich falle. Sehe weder einen Vorsprung, an dem ich mich klammern könnte, noch den Boden, der mich erlösen könnte. Nichts, und sie haben mich dazu getrieben.
Ich sehe einen Mann mit einem Stab. Er schreit und schlägt und wütet in einem Porzellanladen. Tassen und Schüsseln, Jahrhunderte alt, waren so harmonisch auf den Regalen angeordnet. Jetzt sind sie zerbrochen - Scherbenchaos. Gerechtigkeit, Wahrheit, Freiheit, Moral - alles liegt in Trümmern. Durch den wütenden Mann. Dieser wischt sich seinen Schweiß von der Stirn, zupft seinen Kragen zurecht und geht - wie nach getaner Arbeit. Er lässt uns alleine. In den Trümmern. Und wir jubeln ihm zu. Und wir zerstören weiter. Und jubeln. Und zerstören.
Ich sitze hier an meinem Tisch und schreibe meinen Abschied. Aus dem Nichts gekommen und aus dem Nichts gegangen. Ich verlange Rechenschaft.
Erinnerungen tauchen auf. Ein Kind lacht und weint. Die Bilder sind schnell. Es wächst heran, naiv und einfältig, lachend und weinend. Doch irgendwann lässt es das Spielen, es beobachtet, es beschreibt. Fragen über Fragen, es hangelt sich entlang. Eine Frage ergibt zwei Fragen. Ein Schritt vor und zwei zurück. Fragen über Fragen. Zuerst sagt es "Fortschritt" dann "Regression". Nichts und alleine.
Die Wissenschaft, die Philosophie und die Religion sitzen vor mir. Ich blicke in ihre schwarzen Augen und sehe mich: einen kleinen mageren Krüppel. Mich, der sich darin spiegelt und spiegelt. Verkehrt. Unendlich. Warum habt ihr das getan, frage ich sie endlich. Verwunderung. Kopfschütteln. Sie wollen davon nichts wissen.
Das Wissen schmeckt sauer. Als Schokolade angepriesen und als Zitrone verkauft. Ihr saurer Saft löst mich auf, brennt mich leer. Ich will erbrechen, doch ich spucke Blut. Das Bild verschwimmt.
Durch die beißende Leere in mir, ziehe ich Grenzen. Teile in ein Innen und Außen. Nenne das Individualität. Will mir mehr Bedeutung geben. Vergeblich. Innerlich ein Wrack - äußerlich schein-lebendig und so künstlich makellos.
Ich sehe mich blutend in einer Bar wieder an der Theke sitzend. Neben mir weitere einsame Gestalten, die ihr leeres Glas ins Licht halten um sich noch einmal zu vergewissern, ob sie schon wirklich alles ausgetrunken hatten. Nur wenige Leute versuchen weiterhin zu tanzen und sich zu unterhalten. Wir alle in diesem Raum teilen ein Schicksal. Wir alle müssen bluten - mehr oder weniger. Aus dem Mund. Und aus den Augen. Wir sind eben anders, weil wir nun die Konsequenzen ziehen.