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Notgeil
Auf Reisen trifft man ja manchmal die seltsamsten Leute. So ist mir das in meinem letzten Urlaub auch passiert, als ich abends in der All-Inclusive Snackbar herumhing und eigentlich mehr gelangweilt als wirklich interessiert einige Schnecken beobachtete, die sich gerade die Teller mit Fisch und Salat voll schaufelten. Beide waren kaffeebraun und ziemlich nett anzusehen, und obwohl ich ihr Geschnabbel nicht verstand, wusste ich, dass sie sich über den Kerl unterhielten, der vor ihnen seinen Teller mit einem Berg an unterschiedlichsten Speisen belud.
‚Mann, mach Bretter drumrum, dann passt mehr drauf.’, dachte ich so bei mir und sah den beiden Kaffeebrauen nach, die aber einen Gang weiter liefen und sich dort irgendwo hinsetzten.
Ich biss in mein Brötchen und sah aus den Augenwinkeln, dass sich der Kerl mit dem überfüllten Teller näherte und an den Nachbartisch mir gegenüber hinpflanzte. Er trug sogar zwei Teller vor sich her, in der Zwischenzeit musste er sich noch einen Teller organisiert haben und hatte ihn komplett voll Pfirsiche gepackt. Sechs, acht - neun Pfirsiche waren es genau. Fasziniert beobachtete ich, wie er sich schwerfällig auf seinen Stuhl plumpsen lies. Meine Faszination wich jedoch schnell einem Ekelgefühl, als er anfing zu essen.
Der Kerl an sich war schon echt ekelhaft, extrem braungebrannt und sehr fett. Seine Haare waren salzverkrustet vom Meer – da musste er heute Nachmittag gewesen sein und bisher hatte er wohl nicht geduscht – und sein Mund schnappte beim Essen auf und zu wie ein Froschmaul, sodass sein wabbeliges Kinn aussah wie ein wässriger Wackelpudding. Fett lief ihm am Mund herab und auch über die Finger und Unterarme. Echt unappetitlich, der Kerl!
Selber bekam ich keinen Bissen mehr runter, so sehr war ich gleichzeitig fasziniert und abgestoßen von seinen widerlichen Essmanieren. Ich musste ihn einfach weiter beobachten.
Irgendwann war er mit seinem ersten Teller fertig und machte sich jetzt über die Pfirsiche her. Drei aß er ganz auf, zwei biss er nur kurz an und legte sie neben sich auf den Tisch. Den Rest steckte er sich in die Tasche, wohl für später. Mir wurde bewusst, dass ich ihn immer noch anstarrte, als er mich nun seinerseits musterte.
„Bss u dtsch?“, fragte er mich brummend und kam rüber zu mir.
„Bitte?“, fragte ich ihn viel zu freundlich, weil ich kein Wort verstanden hatte und versuchte mich ganz in die Ecke zu drücken.
„Bist du deutsch?“, fragte er noch mal und setzte sich an meinen Tisch. Frische Saftflecken zierten sein T-Shirt und seine Hände glänzten ölig.
„Ja, aus Münster“, antwortete ich pflichtschuldig und hätte mich sofort selber in den Hintern treten können. Warum unterhielt ich mich überhaupt mit dem Widerling? Ich hatte nicht die geringste Lust dazu.
„Wo finde ich hier was zu ficken?“, äffte er und fixierte mich abwartend.
Aha, daher wehte der Wind! Der Kerl war ein alter, fetter und zudem noch ziemlich geiler Opa.
„Da ist Tunesien wohl eher das verkehrte Land dafür...“, begann ich vorsichtig und überlegte, ob ich ihm tatsächlich einen Tipp geben oder ihm lieber irgendeinen Scheiß erzählen sollte. Nur, um ihn schnell loszuwerden.
„Muss hier doch irgendwo was zu ficken geben!“, pöbelte er weiter. Schien ihm tatsächlich ernst zu sein. Nun, dem Mann konnte geholfen werden, hatte ich doch schon selber vorsichtige Erkundigungen eingezogen.
„Schon mal beim Reitstall versucht? Einer der Reitlehrer hat angeblich ein paar nette Stuten im Stall stehen. Natürlich Prostituierte. Sollen gar nicht teuer sein.“
Der Kerl schnaufte.
„Ja? Reitstall, hä? Geh’ ich gleich mal gucken.“
Er stand umständlich auf und ging. Einfach so. Kein ‚Danke für den Tipp’ oder ‚Wir sehen uns’. Weg war er.
Na ja, am nächsten Tag sah ich ihn wieder, auch abends. Aber diesmal saß er draußen und verhandelte gerade mit einer der einheimischen Animateurinnen. Interessiert verfolgte ich von Weitem seine Bemühungen, die scheinbar von Erfolg gekrönt waren. Jedenfalls zeigte er ihr seinen Zimmerschlüssel mit seiner Bungalownummer. Dann ging er. Kurze Zeit später lief sie auch in die selbe Richtung, dieses junge, kaffeebraune Ding. Wohl schnell mal 30 - 40 Dinar verdienen, bevor das Abendprogramm los ging. Ein wenig neidisch blieb ich zurück.
Am nächsten Tag hörte ich an der Rezeption von einem Gast, der am gestrigen Abend einen Herzinfarkt erlitten haben soll und dabei gestorben war. Sofort musste ich an den notgeilen Widerling denken, sicher war er es gewesen. Denn seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen. Vielleicht ist er aber auch nur abgereist...