Nur ein Job
„Nur ein Job“
Es war schon sein fünftes Bier an diesem Abend.
Die Feier war in vollem Gange, seit etwa drei Stunden. Die meisten Gäste waren damit beschäftigt, mit Bekannten an der Bar zu sitzen oder auf der Tanzfläche zu flirten. Ein paar Jungs fielen auf, weil sie sich bei dem Versuch, ein Mädchen mit ihrem Tanzstil zu beeindrucken, hoffnungslos blamierten.
Diego hatte zum Zeitvertreib ein Buch mitgenommen. Er saß etwas abseits an der Garderobe der Partyhalle. Keiner schien zu merken, dass er eigentlich nicht auf dieser Party sein dürfte.
Denn genau genommen war er gar nicht eingeladen.
Aber niemand beachtete ihn, außer einer Kellnerin, die ihm soeben mit einem freundlichen Lächeln das fünfte Bier gebracht hatte und ihn immer wieder fragte, warum er nicht auch tanzen gehe.
Ab uns zu sah Diego von seinem Buch „Das Leben nach Eden“ auf und schaute kopfschüttelnd in die tanzende und feiernde Menge. Die Musik war ihm zu laut und die Luft zu stickig, aber das störte wohl niemanden.
Irgendwo mittendrin sah er Nadja, wegen der er heute gekommen war. Sie wurde 25, daher die Party.
Diego schaute auf seine Uhr, dann fiel sein Blick auf eine große, schwere Lampe, eine von vielen Kugellampen, die über der Tanzfläche hingen.
Du hast noch Zeit, mach dir bloß keinen Stress, dachte er.
Als ihm plötzlich jemand auf die Schulter tippte, schaute Diego überrascht auf.
„Hey du! Dich habe ich heute noch gar nicht gesehen. Sitzt du schon länger hier?“, fragte eine junge Frau, höchstens neunzehn und leicht betrunken. Genau genommen konnte sie schon nicht mehr gerade stehen.
Diego zuckte mit den Schultern.
„Komm, lass uns tanzen gehen, dann können wir uns gleich besser kennen lernen!“, meinte sie und kicherte albern.
„Nein danke, ich kann jetzt nicht tanzen“, blockte Diego ab.
„Ach komm schon, lass uns tanzen“, drängte die junge Frau. Diego blickte nervös auf die Uhr. Nein, zum Tanzen blieb ihm keine Zeit. Er seufzte. Das, was er jetzt tun würde, tat er eigentlich gar nicht gerne.
„Es geht jetzt wirklich nicht“, meinte Diego ernst und schnipste unter dem Tisch unauffällig mit den Fingern.
Ein Ruck ging durch die Frau.
„Ach weißt du, ich hab eigentlich auch gar keine Lust mehr, mir ist eh’ schon so komisch. Ich schnapp mir mein Auto und fahr nach Hause“, sagte die Frau unvermittelt.
Diego schaute sie überrascht an. So hatte er sich das eigentlich nicht vorgestellt, aber die Frau hatte sich schon umgedreht.
„Mhmm, nein, “ sagte sie plötzlich zu sich selbst, „Yvonne du Dummerchen, bei dem Alkohol, den du schon getrunken hast. Hol dir lieber ein Taxi!“ Mit diesen Worten verschwand sie nach draußen.
Diego atmete auf. Wieder ein Menschenleben gerettet.
Er schaute nochmals auf die Uhr, betrachtete die Lampe und erhob sich seufzend.
Es wird Zeit, dachte er, trank den Rest seines fünften Bieres in einem Zug aus und legte das Geld auf den Tisch. Dann zog er sich den Mantel an und steckte das Buch in eine der weiten Taschen.
Diego blickte auf die Tanzfläche. Schnell entdeckte er Nadja.
Noch 20 Sekunden!