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Ohne Titel
Ich erwachte mitten in der Nacht. Ich wusste, irgendwas hatte mich geweckt, ich wusste nur nicht, was es war.
Ich schaute mich um. Es war stockfinster, ich setzte mich im Bett auf, es war kühl, aber nicht kalt, draußen stürmte und regnete es. Ich dachte nach, warum ich aufgewacht bin. Ich konnte mich an nichts erinnern, weder an einen Traum, noch an irgendwelche Geräusche.
Ich legte mich wieder hin, hatte aber plötzlich das starke Bedürfnis, wenigstens kurz das Licht anzumachen, um zu sehen, ob alles im Zimmer in Ordnung ist. Dieses Gefühl hatte ich noch nie, aber ich knipste meine Bettleuchte trotzdem an. Es wurde hell, meine Augen konnten sich nicht so schnell an das Licht gewöhnen, so konnte ich nichts sehen, denn mit einem Zischen erlosch die Lampe. Ich bekam Panik. So etwas hatte ich noch nie erlebt, es war, als würde ich keine Luft bekommen, meine Kehle war wie zugeschnürt.
Ich war ganz allein in meiner Wohnung, es war ein Altbau, noch von vor dem Krieg, ich habe die Geschichte schon oft gehört. Hier hatten sich einige Juden versteckt, damals war mein Schlafzimmer das Hinterzimmer, in dem sich die Leute versteckt haben. Es gab kein Fenster, nur einen kleinen Fluchtweg in das Nebengebäude das heute nicht mehr steht, stattdessen ist hier jetzt ein Fenster. Damals wurden sie verraten, mitten in der Nacht, es war stockfinster, kam die Polizei. Sie wehrten sich, es wurde geschossen, die kleine Tochter wurde getötet, ihre Familie wurde weggebracht, keiner hat je erfahren, wohin. Das Mädchen wurde am nächsten Tag beerdigt, am Straßenrand zur Stadt raus.
Ich habe gehört, das nie lange jemand in dieser Wohnung gewohnt hat, das hat mich an ihr fasziniert. Der Vermieter hat mich gewarnt, keiner meiner Freunde kommt mehr zu mir, nachdem sie einmal da waren, denn diese Wohnung hat ihren eigenen Charakter. Die Küche ist noch von 1940, die Tapete im Flur ebenso, niemand hat sich je richtig getraut, die Wohnung zu renovieren. Von außen ist das Haus renoviert worden, auch die anderen Wohnungen hier, doch diese wurde bis auf das Hinterzimmer mit dem neuen Fenster niemals angerührt. Außerdem war die Wohnung sehr günstig, auch deshalb nahm ich sie, ich konnte zu Fuß zur Uni und zum Supermarkt gehen, es war perfekt. Ich habe die Wohnung etwas umgestaltet, aber da ich nicht so viel Geld zur Verfügung hatte, beließ ich es bei ein paar neuen Vorhängen und einem neuen Teppich.
Warum niemand hier lange gewohnt hat, weiß ich nicht. In jener Nacht lag ich also in meinem Bett, ohne Licht, bekam kaum Luft, es wurde plötzlich sehr stickig im Zimmer, obwohl es eben noch eher kühl war. Ich hörte ein Flüstern, ein Wispern, ohne jedoch Worte verstehen zu können. Ein lautes Poltern folgte, als ob jemand die Treppen hochstürmt. In meinem Zimmer war es nun nicht mehr nur stickig, ich hatte das Gefühl, dass eine panische Atmosphäre entstand, ich wusste nicht, woher das kam.
Irgendetwas zog mich zum Fenster, aber dort war kein Fenster, dort war eine winzige Holzklappe, dahinter waren Steine. Ich war eingemauert. Doch die Steine fielen wie von Geisterhand heraus, meine Zimmertür sprang auf, ich hörte so etwas wie Schüsse, nur leiser. Ich stieg durch den Durchlass, hörte ein kurzen Aufschrei, es klang wie ein kleines Mädchen. Ich schloss die Augen und ließ den Rahmen los, um durch den Durchgang zu laufen. Ich spürte einen Luftzug, einen kalten, starken Luftzug und plötzlich spürte ich gar nichts mehr.
Als ich erwachte, war um mich herum alles weiß, steril und kalt. Etwas war an meiner rechten Hand befestigt, ich versuchte mich zu bewegen, doch ich konnte nicht. Ich verfiel in einen leichten Schlaf und wurde von jemandem geweckt. Iich erfuhr, dass ich in einem Krankenhaus war, ein Taxifahrer hatte mich auf der Straße gefunden, ich war bewusstlos. Ich wurde gefragt, warum ich mich mitten in der Nacht aus dem Fenser gestürzt habe....
Ein paar Wochen später wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen, aber ich ging nicht in meine Wohnung zurück, ich brachte es nicht einmal fertig, dort hinein zu gehen um meine Sachen zu holen.
Eine Freundin ging in den Raum, kam aber nach ein paar Sekunden kreidebleich wieder raus, sie fragte mich, warum ich im Schlafzimmer die Tapeten abgerissen hätte. Ich lief in mein Schlafzimmer.
Damals wurden die Tapeten einfach überklebt, die neuen Tapeten hatten sich gelöst, die alten Tapeten mit dem Blut des Mädchens waren zu sehen.
Ich rannte aus der Wohnung, ich wollte von den Sachen nichts mehr haben, wollte nur noch weg.
Heute habe ich erfahren, das der Tag meines Unfalls der Jahrestag, nein, wohl eher Jahresnacht der Nacht war, in der die Familie gefunden und das Mädchen umgebracht wurde.
Ich lebe jetzt in einem kürzlich fertiggestelltem Neubau, auf dem es weder Streit noch einen Un- oder Todesfall gegeben hatte.