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OI! OI! OI! Euthanasie!

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28.04.2005
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OI! OI! OI! Euthanasie!

Argumente hast du keine, Diskussion verlorene Zeit;
Überzeugung nicht mit Worten, zu Gewalt bist du bereit!
Ich bedien mich deiner Sprache, sie allein kannst du verstehn,
wenn du genug geprügelt wirst, so wirst du vielleicht sehn...
(WIZO – Nix und Niemand)

Das Mädchen saß an der Theke und hatte wunderschöne blonde Haare. Bevor ich wusste, was ich tat, saß ich schon neben ihr und sprach sie an.
„Hallo, darf ich dir etwas bestellen?“
Sie schaute mich kurz von der Seite aus an und ließ den Blick dann wieder sinken, sagte kein Wort.
„Alles OK mit dir? Du siehst traurig aus.“ Keine Phrase. Sie hatte wirklich tiefe Ränder unter den Augen.
„Lass mich, ich hab ’nen Freund!“ Fahrig strich sie sich eine Strähne aus der Stirn, sah mich aber immer noch nicht wieder an.
„Wie heißt du eigentlich?“
Keine Antwort. Ich sah auf das Bier vor mir und spielte mit dem Bierdeckel.
„Warum ist er heute nicht hier? Man lässt ein so hübsches Mädchen doch nicht einfach allein los ziehen“, lächelte ich ihr zu und tatsächlich blickte sie kurz hoch. Ich musste an ein sehr scheues Tier denken. Dieses Mädchen hatte nicht viel Gutes mit gemacht. Zumindest nicht in der letzten Zeit.
Wir saßen einen Moment schweigend nebeneinander und ich überlegte an einem neuen Gesprächseinstieg, denn sie war wirklich niedlich, als sie von sich aus wieder anfing.
„Ich heiße Caro. Und mein Freund... Er sitzt im Rollstuhl“, ihre Stimme zitterte und ohne hochzusehen kramte sie nach einem Taschentuch.
„Das tut mir Leid.“ Das entwickelte sich gar nicht prima. Ach, scheiß drauf. „Wie ist es denn passiert?“
„Es war... ein verdammter Pflasterstein.“ Jetzt liefen die Tränen offen und ich war mit der Situation ein wenig überfordert. Taschentücher hatte ich nicht dabei und wusste mir auch sonst nicht groß zu helfen... Geschweige denn ihr.
Nach ein paar Sekunden hatte sie sich dann aber wieder im Griff.
„Einer von diesen beschissenen Punks!“
Ich räusperte mich kurz.
„Punks? Warum sollten Punks denn einfach anfangen Steine auf deinen Freund zu schmeißen?“
Ich erntete einen verächtlichen Blick, den ich ruhig erwiderte. Erstaunt sah ich, dass sie errötete und die Augen niederschlug.
„Ach, ist doch auch scheißegal Alles ist scheiße!“
„Hey, so schlimm wird es schon nicht ...“ Ich biss mir auf die Zunge. Immerhin saß ihr Freund im Rollstuhl. „Willst du nicht von Vorne erzählen?“
„Ich hätte doch gerne etwas zu trinken!“ Wenigstens nickte sie dabei.
Ich bestellte ihr eine Cola und wir warteten gemeinsam schweigend bis sie sie vor sich stehen hatte.
„Mein Freund und ich sind... waren in einer Kameradschaft. Die Kameradschaft ‚Freie Front’. Vor drei Wochen waren wir auf einer Demo und... und...“, ich wartete bis sie sich wieder etwas beruhigt hatte.
„Und auf einmal stand da der schwarze Block!“
„Der was?“
„Na, die AntiFa. Die Roten. Zecken.“
„Hmmm... Zecken. Ich verstehe. Werden so nicht die Leute genannt, die keine Arbeit haben und Sozialgelder beziehen?“
„Klar, die saugen dem deutschen Staat das Blut und uns das Geld aus der Tasche raus.“
„Und was hat nun dieser schwarze Block mit der Demo und deinem Freund zu tun? Machen die da irgendwie mit?“
„Quatsch! Der schwarze Block ist der Feind!“
„Der Feind... Soso“, murmelte ich. Zum Glück leise genug, dass sie mich nicht verstand. Das Mädchen hatte sich inzwischen ziemlich in Rage geredet.
„Vor ein paar Jahren ging es noch hoch her. Da war ich leider noch nicht dabei, aber da gab es richtige Straßenschlachten. Inzwischen trauen sich die Schweine das ja nicht mehr. Die Bullen riegeln uns von denen total ab, aber wenn die anfangen ihre Steine zu schmeißen, meinste die tun dann was?“
„Nicht?“
„Nein, im Gegenteil. Wenn wir uns dann versuchen zu wehren, dann kommen die auch noch mit ihren Wasserwerfern an, sprühen ihr scheiß Pfefferspray und buchten uns reihenweise ein!“
„Wenn wer sich wehrt? Du und dein Freund?“
„Wir alle. Wir Deutschen.“
Sie sieht nicht, dass ich eine Augenbraue hochziehe, doch ich sage nichts.
„Und dann hat ihn ein Stein am Kopf getroffen. Überall war Blut. Er lag mit dem Kopf in meinem Schoß und hat sich nicht mehr bewegt.“ Sie stockte wieder, doch ich ließ ihr Zeit. Ich wollte nicht so unhöflich sein, einfach zu gehen.
„Aber wenigstens haben sie das Schwein erwischt und verknackt. Jetzt darf er einen dicken Batzen Schmerzensgeld zahlen. Jeden Monat!“ Sie lachte ein leises, boshaftes Lachen.
„Die ‚Zecke’ zahlt nun also sein Sozialgeld an euch weiter?“
„Ne, ne. Die verschaffen dem ständig neue Jobs. Wenn er da nicht hingeht, geht er in den Knast.“ Wieder dieses böse Lachen. „Wird dem Scheißkerl eine Lehre sein!“
Sie schwieg wieder einen Augenblick und ihr Mund krampfte sich zusammen.
„Jörg heißt er... Mein Freund. Und seine Kameraden... seine Kameraden haben ihn seit dem Tag nicht ein einziges Mal mehr wieder gesehen. Weil er jetzt behindert ist. Weil er jetzt geistig zurückgeblieben ist... ‚Euthanasie’ nennen sie das. Säuberung der Rasse...“, der Rest ging in einem langen Schluchzen unter.
„Sind seine Kameraden nicht auch deine?“
Sie sah mich aus roten Augen an... Das Blau war kaum noch zu sehen.
„Es sind keine Kameraden! Sie haben sich bloß so genannt! Sonst würden sie ihn doch mal besuchen und mir helfen... oder? Oder?“ Sie sah mich hoffnungsvoll an.
„Habe ich das richtig verstanden? Ein ‚linker’ Steineschmeißer, der nun für sein Opfer Geld aufbringen muss, dass er wegen seiner politischen Einstellung hasst. Ein ‚Rechter’ den seine Freunde verstoßen, weil er sein Erbgut nicht mehr arisch rein weiter geben kann. Und ein Mädchen, das blind genug ist die Freunde als falsch zu erkennen, aber an die Ideologie zu glauben?“
Sie sah mich verwirrt an.
„Und du?“

Und ich? Ich musste lachen.

 
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Hallo Zensur,
mir hat die Geschichte leider auch nicht gut unterhalten. Den Grundgedanken, also wie du die Geschichte aufbaust finde ich gar nicht schlecht, aber die Unterhaltung deiner beiden Prots erscheint mir ein wenig weit hergeholt, irgendwie realitätsfern. Vielleicht könntest du die kg stimmiger gestalten, wenn du den Dialog ausbaust und mehr auf das Innenleben der Personen eingehst. Vielleicht ist es ganz interessant zu erfahren warum sie an die Ideologie glaubt. Aus welchem Grund sie auf die Straße geht usw...
Dennoch eigentlich eine nette kleine Geschichte für Zwischendurch.

Einen lieben Gruß...
morti

 

Hallo morti,

mich hat die Geschichte leider auch nicht gut unterhalten. (...) Dennoch eigentlich eine nette kleine Geschichte für Zwischendurch.
Schön, dass es dir gefallen hat, dass dir die Geschichte nicht gefallen hat. Oder gefiel dir nicht, dass sie dich doch unterhalten hat? :D
Aber im ernst, habe schon verstanden, wie du es meintest. ;)

Die Anmerkung zu den Dialoge ist sicherlich berechtigt und sollte bei einer Überarbeitung ihren Platz finden. Ich werde mich mal darum bemühen die Klischees doch ein wenig weiter in den Hintergrund zurücken und die Handlung dafür zu vertiefen.
Habe nur noch keine genaue Vorstellung davon, wie ich es umsetze, aber das wird schon noch werden. :D

Ich danke auf jeden Fall für deinen Vorschlag.

Gruß, Zensur

 

Hi Zensur,

ich habe deine Geschichte schon vor ein paar Tagen gelesen und auch die Kommentare überfolgen.

Im Grunde genommen kann ich nicht viel Neues sagen.
Klischeehaft fand ich die Geschichte schon teilweise - andererseits ist es natürlich tatsächlich so, dass viele gesellschaftlich relavanten Probleme sich gut mit Klischees darstellen lassen.
Ein wesentlich größeres Problem hatte ich mit dem Ich-Erzähler, denn ich eigentlich durchgängig als unsymphatisch empfunden habe. Anfangs scheint er unwissen, zielt aber mit jeder Frage genau auf die richtige Antwort ab. Er möchte das Mädchen angraben, interessiert sich im Grunde aber in keinster Weise für ihr Schicksal...

Die Aussage deines Textes hingegen fand ich wirklich gut, gerade, weil du nicht wertest. Im Grunde genommen fallen alle ihrer eigenen Ideologie zum Opfer - sie treffen sich auf einer Veranstaltung und müssen am Ende im Prinzip genauso werden, wie sie nie sein wollten.

Gerne gelesen,

LG
Bella

 

Hallo Bella,

lieben Dank für das Lesen und deinen Kommentar.

Ein wesentlich größeres Problem hatte ich mit dem Ich-Erzähler, denn ich eigentlich durchgängig als unsymphatisch empfunden habe. Anfangs scheint er unwissen, zielt aber mit jeder Frage genau auf die richtige Antwort ab. Er möchte das Mädchen angraben, interessiert sich im Grunde aber in keinster Weise für ihr Schicksal...
Hm, dies ist ja eigentlich auch genau so beabsichtigt, aber es kommt tatsächlich überhaupt nicht gut, wenn der Leser keine einzige Identifikationsmöglichkeit in den Prots findet. Ich hoffe, dass das nach der Überarbeitung der Gespräche und des generellen Aufbaus entspannt wird.
Die Aussage deines Textes hingegen fand ich wirklich gut, gerade, weil du nicht wertest. Im Grunde genommen fallen alle ihrer eigenen Ideologie zum Opfer - sie treffen sich auf einer Veranstaltung und müssen am Ende im Prinzip genauso werden, wie sie nie sein wollten.
*lach* ja, das war ganz genau der Fingerzeig dieser Geschichte. Freut mich, dass das Nicht-Werten passt. ;)
Gerne gelesen,
Nochmals danke.

Lieben Gruß, Zensur

 

Hi Zensur,
ueber die Story breite ich mal den Mantel des Schweigens. Aber als alter WIZO Fan gebe ich Dir einen Bonuspunkt.
Proxi

 

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