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One more Cup of Coffee

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08.02.2006
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One more Cup of Coffee

One more Cup of Coffee
GANZ SCHÖN FREI NACH BOB DYLAN

Dein Atem ist süß, süßer als der beißende Rauch der Zigarette. Aber ich mag, wenn es beißt. Ich mag den Geruch von Terpentin und frische Farbe und Benzin. Andere Menschen mögen das nicht, aber ich genieße es. Es hat etwas von einem Oxymoron, etwas Widersprüchlichem. Bittere Süße, das ist ein Oxymoron, das ist widersprüchlich, das schließt sich aus und ist doch das einzig wahre für mich. Einige Lebensmittel schmecken eigentlich nicht, doch gerade diese gelten in Kennerkreisen als besondere Delikatessen. Man sagt, nur Kenner wüssten ihre Größe zu schätzen. Kinder mögen Wein nicht, weil er eben nicht schmeckt, wenn man einen ungetrübten, natürlich-fein kindlichen Geschmackssinn hat. Mein Geschmackssinn ist verdorben, verwarzt und es dringt nur wenig durch den Wüstenstaub, der sich auf meine Zunge gelegt hat. Wer sagt, Wein schmecke, der lügt entweder oder spricht von einem getrübten oder verzerrten Sichtpunkt aus. So ist es auch mit Kaffee. Kaffee schmeckt nicht und er ist nicht gesund und trotzdem trinke ich ihn mit beständiger Häufigkeit und Genuss. Aber es soll die letzte Tasse sein bevor ich hinunter gehen werde ins Tal.
Dein Atem ist süß, deine Augen sind wie zwei Juwelen im Himmel. Gerade weil dein Atem nach Kaffee und Rauch, beißend und sauer riecht, ist er so süß für mich. Deine Augen waren noch nie besonders für mich. Sicherlich, ja, es sind Augen und zu Augen kann man immer Komplimente machen. Es gibt ja keine hässlichen Augen, aber deine Augen waren wirklich nie besonders. Nur jetzt, da sie eben geschlossen waren, da sie verächtlich gelinst haben, da sie hassend zusammengezogen waren und nun sich tränengefüllt öffnen. Nur jetzt sind sie schön für mich. Jetzt mag ich sie und lassen mich sogar zu einem schmalzigen Vergleich hinreißen, ja, sie sind wie zwei Juwelen im Himmel, nur ohne Tränen, ohne Tränen haben sie nie geglänzt. Doch jetzt sind sie sogar schöner, als das weiche Braun, in welchem mein Kaffee schimmert und ich denke, dass dieser wohl der letzte Kaffee sein wird.
Dein Rücken ist gerade und dein Haar fällt weich auf das Kissen, auf dem du liegst. Aber ich fühle keine Zuneigung, keine Dankbarkeit, keine Liebe. Und du bist mir nicht treu. Zu Treue, so würdest du sicher sagen, zu Treue wärest du, ja, so würdest du es ganz sicher behaupten, zu Treue wärest du nur dem Sternenhimmel allein verpflichtet sein. Nur dem Sternenhimmel willst du verpflichtet sein und ich nehme noch einen Kaffee bevor ich gehe, ja, ich trinke wohl noch eine Tasse und rühre noch eine Weile bevor ich hinunter ins Tal gehe.
Woher hast du diesen eigenartigen Stolz bei der Untreue überhaupt? Vielleicht hast du ihn ja von deinem Vater, diesem gesetzlosen Wanderhändler. Er war so ein Mensch, dem man nicht einmal bis zur nächsten Kaktee trauen konnte, dabei aber eine gewisse Offensichtlichkeit besaß, sodass sich jeder ausmalen konnte, dass er nichts für heilig anerkannte, außer vielleicht den Sternenhimmel. Dein Vater, er glaubte, dass er vor allem fliehen, alles hintergehen, alles in den Wüstenstaub ziehen könnte, außer vielleicht den Sternenhimmel, unter dem er jeden Abend schlief. Von ihm hast du sicherlich auch gelernt, so präzise mit dem Messer zu werfen. Oh, wie ich gestaunt habe, als du mit einem amazonenhaft starkem Wurf mit einem rostigen Buttermesser meine Hand trotz ihres Hornhautüberzuges doch beachtlich zu verletzen gewusst hast. Ich habe mir damals voll staunen das Blut von der Hand geleckt, wobei ich den Geschmack von Blut ja auch mag. Es muss wohl einen Zusammenhang haben, dass Blut immer nach rostigem Messer schmeckt, auch wenn die Wunde nur durch ein raues Seil zustande gekommen ist. Eine letzte Tasse, so denke ich mir in kaffeemüder Coffeinnervosität auf dich blickend, werde ich noch trinken.
Ich bin mir sicher, das Messerwerfen hast du von deinem schmierigen Vater, genauso wie diesen Stolz zur Untreue und das Herrscherische. Wobei du nicht die plumpe Dominanz hast, die eine herrische, schwarze Küchenchefin auf einem Mississippidampfer hat, die ihre Burschen zum Kartoffelschälen antreiben muss, sondern viel eher die Dominanz deines Vaters. Ich sehe ihn bildlich vor mir, wie seine tequilabeseelte Stimme zittert, wenn er nach einer weiteren Fleischplatte in einer Dorflokalität schreit, wohl wissend, dass er auch diese weder bezahlen kann, noch wird, noch muss. Ja, so sehe ich ihn und dich bildlich vor mir, während ich in meinem Kaffee rühre, gedankenverloren in meine Kaffe rühre, dem letzten wohl bevor ich dann gehe werde.
Nicht wenige Eingeschafften scheinst du von deiner Familie zu haben, du bist schon traditionell mies. Ich erinnere mich da an deine hektische Schwester, die mir die Zukunft lesen wollte. Mein Gott, war das lächerlich, wie sie mit ihren löcherigen Tüchern herumgewirbelt und dazu so seltsam gemurmelt hat. Dabei könnte ich doch ein jüdisches Wanderlied nicht von einer ungarischen Kriegshymne unterscheiden. Sie wollte meine Zukunft lesen und ich sage dir, das Gemurmel, dieses Wirrwarr aus fremden Zisch- und Schnurrlauten zur Einleitung war mit schon genug Zukunftsdeutung, mir war schon klar wohin all das gehen würde.
Von deiner Schwester, so denke ich, hast du diese ungelehrte Magie. Ich bin mir sicher, dass sie viele Regale besitzt, aber keines mit Büchern darin und trotzdem mit löchrigen Tüchern und wilden Zischbeschwörungen die Zukunft herbeiholen will. Und doch möchte ich nicht anzweifeln, dass sie mehr von der Zukunft sieht, als irgendjemand anderes, als ich in der schimmernden Flüssigkeit in meiner Kaffeetasse, die wohl die wohltuende letzte sein wird, bevor ich hinunter ins Tal gehe.
Dein leerer Gesichtsausdruck passt kaum zu deinen sonst so ausdrucksstarken Gesichtszügen. Wenn sie auf Holzmasken festgehalten wären und ich sie sehen würde, so im Vorbeigehen, oder mich hätte jemand darauf hingewiesen, ich hätte sie bestimmt übertrieben gefunden, unrealistisch. Aber du kannst dich wirklich unbegrenzt freuen. Wenn ich mich freue huscht meist nur ein flüchtiges Lächeln wie eine kleine Brise über mein Gesicht. Bei dir sieht das mehr aus, wie ein Wüstensturm, der alle Zelte wegbläst und die Bäume auswurzelt und wenn man denkt, es wäre wieder Windstille, dann folgt schlagartig ein noch heftigerer Orkan. Deine Freude kennt wirklich keinerlei Grenzen. Nur die bitteren Gesichtsausdrücke beherrschst du nicht. Sie sehen bei dir immer gleich aus, immer leer, dabei kann es doch so bezaubernd aussehen, wenn eine Frau wütend ist. Dafür könntest du eine dieser Holzmasken gebrauchen.
Gedankenverloren und stumm starrst du auf die aufgeschlagene Zeitung, die auf dem Fußboden liegt. Dass du nicht lesen kannst, hat mich seltsamerweise nicht verwundert. Aber die Zeitung ist eh alt, von vorgestern oder noch älter. Was darin steht ist weder Gegenwart, noch Geschichte, sondern irgendetwas bedeutungsloses dazwischen. Ich kann alte Zeitungen nur schwerlich wegwerfen und werde wohl doch noch eine Tasse, eine letzte Tasse trinken, zum Abschied.
Herzlich – das kann man dir nicht aberkennen – warst du schon. Nur habe ich nie verstanden, nach welchem System du deine Zuneigung verteilt hast. Nie habe ich irgendeine Gesetzmäßigkeit, nie irgendeine Begründbarkeit in deiner Zuwendung gesehen. Und deine Haut war weich, weicher als manch andere. Auch die schrofferen Stellen, die Hornhaut, die Vernarbungen, die Unebenheiten habe ich gemocht, fast noch lieber eigentlich. Letztendlich sehe ich dein Herz, wieso auch immer ich mich dazu hinreißen lasse, wie einen Ozean, mysteriös und dunkel. Zwiespältig, süß und bitter, ein wenig wie der letzte Schluck Kaffee, den ich mir jetzt einschenke. Obwohl ich mir während ich meinen Kopf zur Tasse neige und ein paar Haare in meine Stirn fallen, denke, dass der Kaffee, also der hier, schon etwas Zucker vertragen könnte. Aber was soll’s, es ist ja der letzte bevor ich hinunter ins Tal gehe.

 

Hallo Sander,

wenn ein Autor als Titel seiner Geschichte denjenigen eines Dylan-Songs wählt, weckt er damit hohe Erwartungen bei mir und dementsprechend hohe Ansprüche muss diese Geschichte auch erfüllen, was deinem Text - soviel vorweg - leider nicht gelingt.
Alles in allem lässt mich deine Kaffeetasse eher ratlos bis zwiespältig zurück.
Auf der einen Seite, gelingt es dir, die Stimmung und Atmosphäre des Songs passend zu reproduzieren. Dazu trägt sicherlich auch bei, dass du viele Bilder aus dem Liedtext einfach übersetzt wiederverwendest.
Auf der anderen Seite passiert in deiner Geschichte einfach nichts. Jemand sitzt irgendwo rum, trinkt einen Kaffee nach einem anderen und denkt über seine (Ex-)Freundin nach.
Meiner Meinung nach ist das so einfach keine Geschichte, sondern die Nacherzählung eines recht lyrischen Liedtextes, und das macht noch keine Kurzgeschichte. Ich denke, dass das Lied durchaus Potential für eine Geschichte enthält, aber dafür müsste es eben noch freier interpretiert werden als "ganz schön frei" (denn das ist es eben nicht, es ist noch sehr dicht am Original). Das Wichtigste, denke ich, wäre die Perspektive zu wechseln. Nicht den Kaffeetrinker sich nur erinnern lassen, sondern zeigen, wie er die Frau trifft, die Familie kennenlernt, wie er schließlich zu der Person wird, die da sitzt und einen Kaffee nach dem anderen trinkt, um sich davor zu drücken, ins Tal hinunter zu gehen. Wäre vielleicht einen Versuch wert.
Wie gesagt, ich finde den Text nicht schlecht, sprachlich sind einige schöne Sachen drinnen (allerdings auch einige weniger schöne, am störendsten finde ich die Verwendung des Begriffes Oxymoron im Text, der passt da so überhaupt nicht rein), aber es ist nicht unbedingt eine Geschichte.

Gruß,
Teetrinker

 

Hallo Sander,

mir hat die kleine Geschichte gefallen. Dein Protagonist sitzt irgendwo herum und denkt über seine Ex-Freundin nach (wobei ich am Anfang eher dachte, eine Frau denkt über ihren Ex-Freund nach, warum, weiß ich nicht... :P). Deine Sprache fand ich wirklich gut, teilweise sehr metaphorisch.

Allerdings muß ich sagen; ich kenne den Bob Dylan-Song nicht, von daher weiß ich nicht, welche Bilder Du aus dem Lied übernommen hast. Kann mich daher nur an Deinem Text orientieren, der mir soweit ganz gut gefallen hat.

Gruß,
stephy

 

Da schau her. Es ist eine Menge vom Dylan Song. Das soll aber auch so sein.

 

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