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Onkel Julius
Wird überarbeitet
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Onkel Julius
Wird überarbeitet
Hallo @HerrLehrer,
Mit diesem Absatz würde ich einsteigen. Alles, was zuvor geschieht, hängt für mich im luftleeren Raum, jede Szene weckt eine Erwartung bei mir und verläuft dann im Sande. Das zieht sich auch durch den Rest der Geschichte. Klar, es geht um Onkel Julius, und der Leser soll sich ein Bild von ihm machen, aber es ist kein Thema erkennbar. Ich hätte es z.B. interessant gefunden, wenn der Prot am Schluss tatsächlich was über Onkel Julius herausgefunden hätte, das meinem anfänglichen Eindruck von ihm widerspricht. Aber so ist es für mich nur eine Sammlung aneinandergereihter Anekdoten, die keine richtige Geschichte ergeben.Onkel Julius ist tot."
"Oh."
Ich fühle nichts. Aber auch mein Vater am anderen Ende der Leitung scheint nichts zu fühlen. Er ist einundachtzig, Onkel Julius war dreiundneunzig geworden. In dem Alter ist der Tod wahrscheinlicher als das Leben.
Den Anfang finde ich gut. Den Sommertag würde ich aber schon eher unterbringen, die Info kommt für mich zu spät. Vielleicht: Es war ein heißer Sommertag, und unser Nachbar Günter Hecking ...Wir waren schon auf dem Dach, als Onkel Julius angeradelt kam.
"Dat olle, klapprige Gestell", sagte mein Vater, und ich wusste nicht, ob er das Fahrrad oder seinen Bruder meinte.
Unser Nachbar Günter Hecking, der wirklich Dachdecker war und auch die richtige Montur trug, blieb oben, während mein Vater und ich am Gerüst hinunterstiegen, um Onkel Julius zu begrüßen.
Es war ein heißer Sommertag.
Den Sack Mehl bekomme ich nicht mit den dünnen Beinchen in Einklang, ich denke, man versteht die Geste auch ohne den Vergleich.Dann zog er das andere Bein über die Stange, als wäre es ein Sack Mehl, und ließ es geradezu auf den Boden plumpsen
Diese Info würde ich weglassen, sie treibt die Geschichte nicht voran. Seine Frau ist mir auch etwas zu formal. Der Prota kennt seine Tante ja, also frage ich mich, wem er das erklärt?hatte Tante Frieda, seine Frau, gesagt und die Augen verdreht, als er uns seine Hilfe angeboten hatte. Aber mein Vater brachte es nicht übers Herz, ihm abzusagen.
Das Fette würde ich weglassen, weil du es dann ja in der wörtlichen Rede erzählst. Außerdem ist mir grüßen etwas zu allgemein. Bin da kurz hängengeblieben, weil ich dachte, ja, was sagt er denn? Hallo?Onkel Julius schlug die Hacken zusammen und grüßte.
"Dachziegel im Container entleeren, aye, aye, Captain."
kamen.Wie wir auf den Krieg zu sprechen kam, weiß ich nicht mehr.
Das ist eines der Beispiele, das Erwartungen bei mir weckt, die dann im Sande verlaufen. Ich finde, da hättest du mehr draus machen können, z.B. Neugierde wecken, damit der Prota einen Grund hat, später mehr über den Onkel erfahren zu wollen.Ich hätte gerne noch mehr Geschichten gehört, aber Onkel Julius wollte nicht.
Mir ist dieser ganze Absatz zu erklärend, ohne, dass er zur Geschichte beiträgt. Am Schluss denke ich, es wird eine neue Figur eingeführt - Anja - aber auch sie hat keine weitere Bedeutung. Onkel Julius' Tochter ist auch wieder so an den Leser gerichtet. Sie ist doch seine Cousine, oder?Sie waren Familie und sie waren es doch nicht. Alle meine Onkels und Tanten hatten eine andere Mutter, mein Vater teilte nur den Papa mit ihnen. Halbbruder klang so schwammig, man gehörte wahlweise dazu oder eben nicht. Ich merkte es daran, dass alle unsere Cousinen und Cousins väterlicherseits zwanzig Jahre älter waren als wir.
Als Anja, Onkel Julius' Tochter, heiratete, da waren wir auch eingeladen. Das war nicht selbstverständlich.
Gefällt mir.Machste gut", sagte er, und ich glaubte ihm, weil er nicht lächelte.
Auch hier wird bei mir wieder eine Erwartung geweckt, und dann passiert nichts. Er findet eine Kiste, das schreit doch nach einem Spannungsmoment. Vielleicht findet er etwas, das das positive Bild des Onkels trübt?Auf dem Dachboden meiner Erinnerung liegt eine Kiste mit seinem Namen drauf. In den Tagen, Wochen und Monaten nach seinem Tod öffne ich sie. Manchmal öffnet sie sich auch von alleine. Viel finde ich nicht darin. Aber jetzt erscheint mir alles unendlich kostbar.
Das habe ich nicht verstanden. Was verheimlichen Falten denn?voller Falten und Furchen, die gelebtes Leben gleichzeitig offenbaren und doch verheimlichen
Gefällt mir.Ich denke an Max Frisch, der gesagt hat: "Wer von denen, die tot sind, fehlt uns denn wirklich?" Vielleicht war es auch Dürrenmatt.
Fettes würde ich weglassen, sonst klingt es, als ob hellblaue Augen nicht schmal sein können.Die schmalen, aber hellblauen Augen, d
Sind die wirklich gerobbt? Auf dem Bauch? Ich kriege das Bild irgendwie nicht zusammen.Wir Kinder robbten zehn Meter hinter ihnen her und lasen die Drillinge auf.
Ja, also wie gesagt, mir fehlt da der rote Faden, der das Ganze zusammenhält. Die Vorlage hättest du ja schon, die sehe ich in einigen Szenen angelegt, wo der Prota etwas hören/sehen/erfahren könnte, das die Figur des Onkels brechen würde. So kommt es mir noch etwas zu glatt daher, der Onkel ist durchweg gut, der Prota handelt ohne Motivation, überlegt mal dies, dann das, und am Schluss macht er gar nichts.
Statt vieler beliebiger Szenen, könntest du nur eine oder zwei wählen und die vertiefen. Die sind ja eigentlich schon im Ansatz interessant, z.B. die Hochzeitsszene mit den Ringen. Da würde ich ansetzen.
Einen schönen Restsonntag wünscht Chai.
Hallo @Herr Lehrer,Auf dem Dachboden meiner Erinnerung liegt eine Kiste mit seinem Namen drauf. In den Tagen, Wochen und Monaten nach seinem Tod öffne ich sie. Manchmal öffnet sie sich auch von alleine. Viel finde ich nicht darin. Aber jetzt erscheint mir alles unendlich kostbar.
Das gefällt mir sehr, es sagt schon so viel über den Onkel, seine äußere Erscheinung und auch über das Verhältnis zu seinem Bruder, dem Vater des Erzählers."Dat olle, klapprige Gestell", sagte mein Vater, und ich wusste nicht, ob er das Fahrrad oder seinen Bruder meinte.
Und deshalb braucht es für mich hier nicht die ausführliche Beschreibung, denn da doppelt sich ja einiges. Neu wäre nur das spitzbübische Grinsen. Die Art, wie er vom Fahrrad steigt, finde ich großartig.Es war ein heißer Sommertag. Mein Onkel - schmales Gesicht, dünne Beinchen, schlohweiße Haare und immer ein spitzbübisches Grinsen auf den Lippen - stieg umständlich von seinem Hollandrad. Das Bein konnte er schon lange nicht mehr über die Stange schwingen, also suchte er stets irgendeine Erhöhung, eine Stufe oder einen Fenstersims, wo er sich abstützen konnte. Dann zog er das andere Bein über die Stange, als wäre es ein Sack Mehl, und ließ es geradezu auf den Boden plumpsen. Für ein Damenrad war er zu eitel.
Das Thema seiner Kriegserfahrungen schwingt im Hintergrund und der Wunsch das wegzuschieben. Was auch der Enkel am Ende tut. Vielleicht wie etwas, was nicht geweckt werden sollte."Krieg, dat is so eine Idiotie."
Ein einfacher Satz, aber aus seinem Mund hatte er eine erdrückende Schwere.
Die Menschen, die man irgendwie für unsterblich hält, weil sie schon immer das waren. Und gleichzeitig weiß man schon lange, dass es bald soweit sein könnte."Onkel Julius ist tot."
"Oh."
Ich fühle nichts. Aber auch mein Vater am anderen Ende der Leitung scheint nichts zu fühlen. Er ist einundachtzig, Onkel Julius war dreiundneunzig geworden. In dem Alter ist der Tod wahrscheinlicher als das Leben.
Das ist sicherlich interessant, wenn man biographisch etwas festhalten will. Für diesen Text halte ich es für entbehrlich, weil es nicht wirklich eine Bedeutung hat.Sie waren Familie und sie waren es doch nicht. Alle meine Onkels und Tanten hatten eine andere Mutter, mein Vater teilte nur den Papa mit ihnen. Halbbruder klang so schwammig, man gehörte wahlweise dazu oder eben nicht. Ich merkte es daran, dass alle unsere Cousinen und Cousins väterlicherseits zwanzig Jahre älter waren als wir.
Als Anja, Onkel Julius' Tochter, heiratete, da waren wir auch eingeladen. Das war nicht selbstverständlich.
Das ist schon herzerwärmend, wie der Onkel immer an der Seite des Neffen steht. Gewitzt.Meine Schwester und ich waren Engelken und Bengelken, wir liefen vor dem Brautpaar her und streuten Blüten aus einem Korb. Irgendwann hatte ich keine Blüten mehr und wusste nicht, wohin mit meiner rechten Hand.
"Junger Mann", sagte der Pastor streng, als wir mit dem Brautpaar am Altar ankamen, "wir wollen die Hand doch lieber aus der Tasche nehmen."
Meine Mutter, die in der Nähe stand, wurde stocksteif und schämte sich fürchterlich. Ich wurde rot. Mir war plötzlich heiß.
"Ne, ne, Herr Pastor", kam es da von Onkel Julius, "dat hat schon seine Richtigkeit. Da sind die Eheringe drinne."
Der Pastor lächelte gequält und fuhr mit der Messe fort.
Als wir uns ein paar Minuten später in die Bankreihe setzten, steckte Onkel Julius mir die Ringe tatsächlich zu. Später durfte ich sie dann mit ihm nach vorne bringen.
Was ja auch irgendwie schade ist. Das ist auch ein Text, der mir die eigenen alten Verwandten ins Gedächtnis ruft."Die Beerdigung ist am Freitag."
Ich muss gar nicht sagen, dass ich da nicht kann. Freitag ist Werktag, und für einen Onkel bekomme ich da nicht frei. Aber selbst wenn ich dürfte, würde ich hingehen? Ich habe ihn bestimmt fünfzehn Jahre nicht gesehen.
Kleinigkeit. Auch hier finde ich das vorher schon sehr treffend ausgedrückt, da bräuchte es für mich nicht noch einmal diese Adjektive "lebendig" und "erdverbunden".So nah wie an diesem Tag war ich meinem Essen noch nie gekommen. Die verschmutzte Hose und der Dreck unter den Fingernägeln gefielen mir gut. Auf sonderbare Weise fühlte ich mich lebendig, erdverbunden.
Eine meiner Lieblingsstellen. Der Onkel hat etwas sehr Gütiges.Geschickt und zügig waren die teils vernarbten Finger. Jeder Griff, jeder Schnitt saß. Ich fühlte mich unbeholfen, aber wenn ich zu meinem Onkel aufschaute, nickte er nur.
"Machste gut", sagte er, und ich glaubte ihm, weil er nicht lächelte.
Das drückt sich für mich auch im Text aus, so ein leises Erstaunen, vielleicht, wie selbstverständlich der Tod zum Leben gehört. Sehr traditionell, die Schwester, die hingeht und dem Bruder berichtet.Meine Schwester, die bei der Beerdigung war, erzählt davon wie von einer Besorgung. Ich hab die Wäsche gewaschen, dann habe ich die Kinder zur Schule gebracht, dann war ich bei Onkel Julius' Beerdigung und dann habe ich mein Kleid aus der Reinigung geholt.
Interessanter Gedanke. Irgendwann fängt man dann an zu fragen und Lücken zu füllen.Im Museum meiner Erinnerungen hängen lauter unfertige Bilder. Bunte Gemälde mit weißen Flecken. Verwandte, Freunde, Bekannte, die mir kurz oder lang über den Weg gelaufen sind, und deren Charakter und Biographie ich nie voll erfasst habe. Und bei Familienangehörigen empfinde ich das als Manko.
wunderschöne Szene"Einverstanden, Ernst. Gib den Kranz der Person, die am härtesten gearbeitet hat."
Onkel Ernst überlegte kurz, dann ging er auf Onkel Julius zu und überreichte ihm den Kranz.
"Julius", sagte Onkel Ernst, "gib den Kranz jetzt der Frau mit den schönsten Augen."
Onkel Julius stand auf, schaute um sich, und ging dann auf meine Mutter zu, um ihr den Kranz zu überreichen.
In dem Jahr machte meine Mutter eine schwere Zeit durch. Sie war häufig missmutig und schlecht gelaunt. Aber diesen einen strahlenden Moment, an den kann ich mich noch gut erinnern. Da hatte sie wirklich schöne Augen.
Mir kommt es so vor, als ob diese Suche nach weiteren Informationen vor allem eine Trauerreaktion war und als ob er jetzt an dem Punkt ist, wo es vor allem um das geht, was er von seinem Onkel für sich bewahrt. So eine dankbare Stimmung vielleicht. Ich hab das wirklich gerne gelesen.Heute habe ich den Antrag des Bundesarchivs in den Müll geschmissen. Was bringt es mir, zu wissen, wo und wann er in Russland stationiert war? Was bringt es mir zu wissen, wie die Situation im Gefangenenlager war? Linsensuppe, Dachdecken, Eheringe und Mama mit ihren schönen Augen. Vollständiger kann ein Bild nicht sein.
Liebe Grüße von Chutney
Hallo, HerrLehrer!
Zuerst dachte ich, deine Geschichte braucht einen roten Faden, ähnlich wie chai es geschrieben hat. So viele Fragmente, Einschiebungen, neue Namen, die gar nicht wichtig sind.
Dann erinnerte ich mich an die Eindrücke, die ich aus meiner Nachkriegskindheit von Verwandten hatte, teils nur über Erzählungen oder Andeutungen, und mir wurde bewusst, dass ich von Onkeln, Tanten, Cousins und Cousinen nichts als kleine Momentaufnahmen habe, kurze Bildsequenzen von Treffen, Festen oder Ausflügen. Die Abläufe waren tradiert, es wurde viel gegessen und getrunken und meist belanglos-heiter erzählt. Die 'schweren Zeiten' blieben ausgespart. Ich machte mir ein Bild aus diesen Eindrücken, hatte einen Lieblingsonkel, der mir gerne Sarotti Schoklade schenkte und eine Tante, die immer an ihrem Mann herumnörgelte. Ich fand sie doof und verfressen, außerdem roch sie nach Uralt Lavendel, wirklich schlimm!
Als Kind habe aber deutlich wahrgenommen, wie die Stimmung unter den Erwachsenen war, kleine Spitzen, beleidigtes Schweigen, meine Oma, die es immer nur harmonisch haben wollte.. Von solchen Zwischentönen könnte deine Geschichte noch profitieren, doch sonst würde ich gar nichts verändern, denn die Fragmente machen das Erleben aus. Deine Sprache ist vielleicht ein wenig hölzern, doch die kleinen Bilder, die das Erleben des Prots geprägt haben, sind treffend und scharf.
Der Schluss gefällt mir besonders. Ein vollständiges Bild eines Menschen wird es nie geben, selbst dann nicht, wenn dein Prot noch viel über das Kriegs(er)leben des Onkels erfahren hätte. Sein Bild ist komplett.
Sehr gerne gelesen,
viele Grüße,
Jutta
Lieber @Chai
zunächst vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren.
jede Szene weckt eine Erwartung bei mir und verläuft dann im Sande. Das zieht sich auch durch den Rest der Geschichte. Klar, es geht um Onkel Julius, und der Leser soll sich ein Bild von ihm machen, aber es ist kein Thema erkennbar. Ich hätte es z.B. interessant gefunden, wenn der Prot am Schluss tatsächlich was über Onkel Julius herausgefunden hätte, das meinem anfänglichen Eindruck von ihm widerspricht. Aber so ist es für mich nur eine Sammlung aneinandergereihter Anekdoten, die keine richtige Geschichte ergeben.
Das Fette hat mich zunächst rausgehauen. Ich habe wirklich im Sinne von tatsächlich gelesen und mich gefragt, warum es so ungewöhnlich ist, Dachdecker zu sein. Bis ich dann kapiert habe, dass Onkel Julius eben keiner ist. Vielleicht ist es weniger verwirrend, wenn du sagst, dass Onkel Julius nie Dachdecker war, der Nachbar aber schon.
Den Sack Mehl bekomme ich nicht mit den dünnen Beinchen in Einklang, ich denke, man versteht die Geste auch ohne den Vergleich.
Das Fette würde ich weglassen, weil du es dann ja in der wörtlichen Rede erzählst. Außerdem ist mir grüßen etwas zu allgemein. Bin da kurz hängengeblieben, weil ich dachte, ja, was sagt er denn? Hallo?
Das ist eines der Beispiele, das Erwartungen bei mir weckt, die dann im Sande verlaufen. Ich finde, da hättest du mehr draus machen können, z.B. Neugierde wecken, damit der Prota einen Grund hat, später mehr über den Onkel erfahren zu wollen.
Das habe ich nicht verstanden. Was verheimlichen Falten denn?
Sind die wirklich gerobbt? Auf dem Bauch? Ich kriege das Bild irgendwie nicht zusammen.
Vielen Dank für deine Rückmeldung. Die Enttäuschung angesichts meines Textes wird wohl bleiben, aber vll kannst du jetzt besser nachvollziehen, was meine Motivation war.
LG,
HL
Hallo @Chutney
und vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren.
ich mag diesen Text sehr, der so schöne Szenen enthält, die den Onkel charakterisieren und mir erscheint das Zitat oben das Programm für deine Geschichte zu sein, dass da nach einem Tod recht ungeordnet Erinnerungen kommen. Wie @Chai habe ich mir auch Gedanken über die Struktur des Textes gemacht und vermute auch, dass es klarer wäre, wenn du mit dem Tod beginnen würdest. Aber ich kann grad nicht entscheiden, ob ich das wirklich besser finden würde. Jetzt habe ich die Gelegenheit mir ein Bild von dem lebendigen Onkel Julius zu machen, bevor ich "mit" dem Erzähler die Todesnachricht bekomme.
Das gefällt mir sehr, es sagt schon so viel über den Onkel, seine äußere Erscheinung und auch über das Verhältnis zu seinem Bruder, dem Vater des Erzählers.
Und deshalb braucht es für mich hier nicht die ausführliche Beschreibung, denn da doppelt sich ja einiges. Neu wäre nur das spitzbübische Grinsen. Die Art, wie er vom Fahrrad steigt, finde ich großartig.
Das ist sicherlich interessant, wenn man biographisch etwas festhalten will. Für diesen Text halte ich es für entbehrlich, weil es nicht wirklich eine Bedeutung hat.
Kleinigkeit. Auch hier finde ich das vorher schon sehr treffend ausgedrückt, da bräuchte es für mich nicht noch einmal diese Adjektive "lebendig" und "erdverbunden".
Mir kommt es so vor, als ob diese Suche nach weiteren Informationen vor allem eine Trauerreaktion war und als ob er jetzt an dem Punkt ist, wo es vor allem um das geht, was er von seinem Onkel für sich bewahrt.
Ich hab das wirklich gerne gelesen.
Hallo @Jutta Ouwens
und vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren.
Zuerst dachte ich, deine Geschichte braucht einen roten Faden, ähnlich wie chai es geschrieben hat. So viele Fragmente, Einschiebungen, neue Namen, die gar nicht wichtig sind.
Dann erinnerte ich mich an die Eindrücke, die ich aus meiner Nachkriegskindheit von Verwandten hatte, teils nur über Erzählungen oder Andeutungen, und mir wurde bewusst, dass ich von Onkeln, Tanten, Cousins und Cousinen nichts als kleine Momentaufnahmen habe, kurze Bildsequenzen von Treffen, Festen oder Ausflügen.
Die Abläufe waren tradiert, es wurde viel gegessen und getrunken und meist belanglos-heiter erzählt. Die 'schweren Zeiten' blieben ausgespart.
Als Kind habe aber deutlich wahrgenommen, wie die Stimmung unter den Erwachsenen war, kleine Spitzen, beleidigtes Schweigen, meine Oma, die es immer nur harmonisch haben wollte.. Von solchen Zwischentönen könnte deine Geschichte noch profitieren, doch sonst würde ich gar nichts verändern, denn die Fragmente machen das Erleben aus.
Deine Sprache ist vielleicht ein wenig hölzern, doch die kleinen Bilder, die das Erleben des Prots geprägt haben, sind treffend und scharf.
Der Schluss gefällt mir besonders. Ein vollständiges Bild eines Menschen wird es nie geben, selbst dann nicht, wenn dein Prot noch viel über das Kriegs(er)leben des Onkels erfahren hätte. Sein Bild ist komplett.
Sehr gerne gelesen,
LG,
HL
Ein einfacher Satz, aber aus seinem Mund hatte er eine erdrückende Schwere.
das wirkt so vollkommen unvorbereitet, das fällt aus dem Himmel. Eben noch war der Mann zu eitel für ein Damenrad und dann hat sein Wort eine erdrückende Schwere.
Auch die Erzählung vom Krieg, die wirkt wie ein Schwank. Ich habe beruflich seit Anfang der 90er viel mit älteren Menschen zu tun, und das war noch die Generation, die tatsächlich den Krieg erlebt hat. Meine beiden Großväter haben auch viel erzählt, der eine mehr, der eine weniger, und das klang alles immer viel düsterer, ihnen auch immer noch sehr nah. Er hat in Frankreich einem jungen Partisanen mit seinem Feldspaten den Schädel eingeschlagen zum Beispiel, das hat er uns als wir Kinder (!) waren erzählt, also einfach nur mal, um zu zeigen, wie drastisch das war. Hier klingt das aber wie so ein Ferienausflug, als hätte es keine Konsequenzen. Wenn jemand sagt, Krieg ist Idiotie und ich danach schlucken muss, dann musst du diese Figur stark machen, so stark, dass ich es ihm abnehme; er muss gelitten haben und dieses Leid muss sich auf andere übertragen, es muss spürbar sein.
Dann so eine Weisheit da reinknallen, wie von so einem Kalenderspruch. Das hat der Text doch gar nicht nötig.In dem Alter ist der Tod wahrscheinlicher als das Leben.
Da mal mehr dem Leser vertrauen.Ich muss gar nicht sagen, dass ich da nicht kann. Freitag ist Werktag, und für einen Onkel bekomme ich da nicht frei. Aber selbst wenn ich dürfte, würde ich hingehen?Ich habe ihn bestimmt fünfzehn Jahre nicht gesehen.
Hier auch: Mach doch einen Dialog draus. Der Leser denkt dann: Moment mal, das erzählt die so nebenbei?Ich hab die Wäsche gewaschen, dann habe ich die Kinder zur Schule gebracht, dann war ich bei Onkel Julius' Beerdigung und dann habe ich mein Kleid aus der Reinigung geholt.
Ich habe das bei beiden Großvätern gemacht, auch ob sie in der NSDAP waren. Mir ist nicht klar, oder mir wird nicht klar, warum er das macht? Der Erzähler zitiert davor noch Max Frisch, und dann wirkt es so, als sei er selbst ein wenig nihilistisch, dann ist ihm aber ausgerechnet der Tod des Onkels nicht egal und somit auch nicht sein Leben. Das erschließt sich mir nicht aus dem Text heraus. Du bringst dieses Beispiel mit der Linsensuppe und dem Schrebergarten, aber das reicht nicht, meiner Meinung nach. Es müsste eine andere Motivation her, etwas, worin sich Erzähler und Onkel vielleicht gleichen, gleiche Ziele, gleiche Werte, warum ausgerechnet der Onkel, und warum nach seinem Tod? Warum konnte er ihn nicht noch vorher nach Kriegserlebnissen fragen, wenn es ihn so sehr interessiert hat? Weil er wusste, was er zu hören bekommt und das lieber verdrängen wollte? Ist ja ein sehr deutsches Thema.Und bei Familienangehörigen empfinde ich das als Manko. So komme ich auf die Idee mit dem Bundesarchiv. Auf der Internetseite finde ich den Antrag, von dem ich mal in einem Podcast gehört habe: Auftrag für eine personenbezogene Recherche zu Unterlagen des Bundesarchivs über Militärangehörige.
Insgesamt sehr viel auf kurzem Raum. Auch sehr viele Namen, Geschehnisse, die für sich prosaische Vignetten sind, aber noch kein ganzes, stimmiges Bild ergeben. Ich denke, wenn du es kurz halten möchtest, solltest du es vielleicht auf ein Bild beschränken, das aber auswalzen. Sandwichen sag ich mal. Anfang - Erinnerung - Ende. Präsens, Vergangenheit, Präsens. Das wäre eine Idee. Es zerfasert sonst zu sehr.
Ich mag den Sound hier. Das Niederrheinische, Altbier (ich trank gestern noch Schumacher!) und so, die Höfe, das Platt - mega, da will ich mehr von lesen. Bitte nicht immer so stocksteife Bildungsherumbraterei mit reinbringen: Max Frisch. Wft? Warum? Da hast du einmal diesen geilen authentischen Sound installiert und dann kommst so eine Bildungshuberei, damit zerstörst du dir auch die ganze Nähe zum eigenen Erzählten.
Du hast hier einen Mann, über den der Erzähler mehr wissen will, und es gibt zwei Möglichkeiten, er will es eigentlich gar nicht so genau wissen, oder er hat es schlicht vergessen, vergessen zu fragen (was oft passiert, das Leben undsoweiter). Die Fallhöhe muss her, warum dieser Onkel, was ist anders, das finde ich noch zu unkonkret, eine Bindung muss her, die stark genug ist, und dann die Auflösung; Nein, er will den Onkel so in Erinnerung behalten, wie er ihn sich eingebrannt hat, subjektiv, eine behördliche Wahrheit würde das für ihn nicht ändern. Stärker fände ich, wenn er die Ergebnisse, also den Briefumschlag in der Hand hält und dann aktiv wegschmeißt. Dann hält er die Wahrheit in den Händen und es wirkt mutiger, entschlossener, selbstbewußter.
Gruss, Jimmy
Hallo HerrLehrer,
Nach drei Absätzen dachte ich, die ist aber arg zerfasert, die Geschichte, lauter Fragmente und dann stirbt Onkel Julius und da ging der Knoten auf ... deshalb würde ich auch mit dem Tod beginnen ... nee, hab die Story nochmals gelesen und erst dann sah ich die Absicht.
Weil die Fragmente so hilflos unverknüpft im Raum stehen bekommt Dein Stil seine eigene Note - sie wird ein wenig melancholisch, besinnlich und rührend, verliert aber nicht dieses spröde Nordische (ich lebe an der Schweizer Grenze) - Dein Prot verliert sich auch nicht in einer larmoyanten Sentimentalität; er lässt den Onkel einfach durch seine Erinnerungen spazieren und präsentiert dem Leser kleine Kostbarkeiten. Nichts Aufregendes, nicht spannend, aber trotzdem lesenswert. Gerne gelesen - viele Grüße - Detlev
Ich sehe Tante Christine, Onkel Ernst und Tante Aloysia, lebende Schatten des letzten Jahrhunderts.
Aber, das kann ein Grenzgänger zwischen den Rheinlanden (die Wiege des Ruhrgebiets betont es in ihrem Namen per Klammerzusatz ausdrücklich [... (Rhld.)]) und NR beurteilen, umso mehr als Alpen ein Katzensprung von der Wiege ... entfernt sind. Kurz: Jedes Wort mehr könnte meiner Erwartungshaltung widersprechen, -
wenn ich denn eine hätte,
lieber Herr Lehrer,
und schon die Beschreibung des Onkel Julius ist purer Naturalismus – auch mir Jungspund fällt immer schwerer, über die Stange zu kommen – ob einer will oder nicht, man wird zum steifen Sack, selbst wenn man die 100 m noch manierlich in elf Sekunden schafft. Da kommt es ja nicht auf Artistik an, sondern auf Sprintstärke. Aber ich schwofe ab, denn an dem feinen Gemälde stören mich eigentlich nur die vielen Possessivpronomen – als fürchtete der Autor, dass seine Verwandtschaft abhanden käme. Manchmal, so denke ich, reichte auch der Artikel oder statt
"Dat olle, klapprige Gestell", sagtemeinVater, und ich wusste nicht, ob er …
und schon sind wir in einer minniwinzigen Flusenlese, wobei ich mit der Aktion „rettet das Ausrufezeichen“ beginne, denn was könnte besser die Überraschung ausdrücken, als ein mit ihm geadeltes Oh!"Oh."
Ja, ich weiß, dat is’ Platt auch im Pott (also südlich der Lippe). Aber Schriftdeutsch ist der Plural des Onkels „Onkel“!Alle meine Onkels und Tanten hatten eine andere Mutter, …
Ich würd zwo ee nehmen, „ne“ klingt laut Regieanweisung wie [nə], also eher wie ein verkürztes ’ne (ob eine oder anne voll ausgesprochen, Jacke wie Hose) und könnte sogar ein verkürztes „eine“ sein"Ne, ne, Herr Pastor", kam es da von Onkel Julius, ...
Und abschließend hierzuSo wie die Stille, die einen verrücktKOMMA aber auch ruhig machen kann.
Ja, das ist so eine Sache mit dem Glauben – aber „Religion“ wird tatsächlich durch den Ahnenkult entstanden sein, wenn man der Soziologie Horkheimers folgt.Manchmal glaube ich, wir gedenken nur deswegen der Toten, damit wir selbst nicht vergessen werden, wenn wir einmal nicht mehr sind.
Mit dreckigen KlamottenKOMMA aber sauberen Händen und Gesichtern saßen wir alle an einem langen Tisch und aßen Tante Christines Pflaumenkuchen.
het windje
Hallo @jimmysalaryman
und wieder einmal danke ich dir fürs Lesen und Kommentieren.
das wirkt so vollkommen unvorbereitet, das fällt aus dem Himmel. Eben noch war der Mann zu eitel für ein Damenrad und dann hat sein Wort eine erdrückende Schwere.
Auch die Erzählung vom Krieg, die wirkt wie ein Schwank. Ich habe beruflich seit Anfang der 90er viel mit älteren Menschen zu tun, und das war noch die Generation, die tatsächlich den Krieg erlebt hat. Meine beiden Großväter haben auch viel erzählt, der eine mehr, der eine weniger, und das klang alles immer viel düsterer, ihnen auch immer noch sehr nah. Er hat in Frankreich einem jungen Partisanen mit seinem Feldspaten den Schädel eingeschlagen zum Beispiel, das hat er uns als wir Kinder (!) waren erzählt, also einfach nur mal, um zu zeigen, wie drastisch das war. Hier klingt das aber wie so ein Ferienausflug, als hätte es keine Konsequenzen. Wenn jemand sagt, Krieg ist Idiotie und ich danach schlucken muss, dann musst du diese Figur stark machen, so stark, dass ich es ihm abnehme; er muss gelitten haben und dieses Leid muss sich auf andere übertragen, es muss spürbar sein.
Dann so eine Weisheit da reinknallen, wie von so einem Kalenderspruch. Das hat der Text doch gar nicht nötig.
Da mal mehr dem Leser vertrauen.
Hier auch: Mach doch einen Dialog draus. Der Leser denkt dann: Moment mal, das erzählt die so nebenbei?
Ich habe das bei beiden Großvätern gemacht, auch ob sie in der NSDAP waren.
wird fortgesetzt ...
weiter geht es:
Mir ist nicht klar, oder mir wird nicht klar, warum er das macht? Der Erzähler zitiert davor noch Max Frisch, und dann wirkt es so, als sei er selbst ein wenig nihilistisch, dann ist ihm aber ausgerechnet der Tod des Onkels nicht egal und somit auch nicht sein Leben. Das erschließt sich mir nicht aus dem Text heraus. Du bringst dieses Beispiel mit der Linsensuppe und dem Schrebergarten, aber das reicht nicht, meiner Meinung nach. Es müsste eine andere Motivation her, etwas, worin sich Erzähler und Onkel vielleicht gleichen, gleiche Ziele, gleiche Werte, warum ausgerechnet der Onkel, und warum nach seinem Tod? Warum konnte er ihn nicht noch vorher nach Kriegserlebnissen fragen, wenn es ihn so sehr interessiert hat? Weil er wusste, was er zu hören bekommt und das lieber verdrängen wollte? Ist ja ein sehr deutsches Thema.
Insgesamt sehr viel auf kurzem Raum. Auch sehr viele Namen, Geschehnisse, die für sich prosaische Vignetten sind, aber noch kein ganzes, stimmiges Bild ergeben. Ich denke, wenn du es kurz halten möchtest, solltest du es vielleicht auf ein Bild beschränken, das aber auswalzen. Sandwichen sag ich mal. Anfang - Erinnerung - Ende. Präsens, Vergangenheit, Präsens. Das wäre eine Idee. Es zerfasert sonst zu sehr.
Dann erinnerte ich mich an die Eindrücke, die ich aus meiner Nachkriegskindheit von Verwandten hatte, teils nur über Erzählungen oder Andeutungen, und mir wurde bewusst, dass ich von Onkeln, Tanten, Cousins und Cousinen nichts als kleine Momentaufnahmen habe, kurze Bildsequenzen von Treffen, Festen oder Ausflügen.
Ich mag den Sound hier. Das Niederrheinische, Altbier (ich trank gestern noch Schumacher!) und so, die Höfe, das Platt - mega, da will ich mehr von lesen. Bitte nicht immer so stocksteife Bildungsherumbraterei mit reinbringen: Max Frisch. Wft? Warum? Da hast du einmal diesen geilen authentischen Sound installiert und dann kommst so eine Bildungshuberei, damit zerstörst du dir auch die ganze Nähe zum eigenen Erzählten.
Du hast hier einen Mann, über den der Erzähler mehr wissen will, und es gibt zwei Möglichkeiten, er will es eigentlich gar nicht so genau wissen, oder er hat es schlicht vergessen, vergessen zu fragen (was oft passiert, das Leben undsoweiter). Die Fallhöhe muss her, warum dieser Onkel, was ist anders, das finde ich noch zu unkonkret, eine Bindung muss her, die stark genug ist, und dann die Auflösung; Nein, er will den Onkel so in Erinnerung behalten, wie er ihn sich eingebrannt hat, subjektiv, eine behördliche Wahrheit würde das für ihn nicht ändern.
Stärker fände ich, wenn er die Ergebnisse, also den Briefumschlag in der Hand hält und dann aktiv wegschmeißt. Dann hält er die Wahrheit in den Händen und es wirkt mutiger, entschlossener, selbstbewußter.
Danke nochmal für deine Eindrücke, da ist einiges dabei, was mir enorm geholfen hat.
LG,
HL
Hallo @Detlev
und vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren.
Nach drei Absätzen dachte ich, die ist aber arg zerfasert, die Geschichte, lauter Fragmente und dann stirbt Onkel Julius und da ging der Knoten auf ... deshalb würde ich auch mit dem Tod beginnen ... nee, hab die Story nochmals gelesen und erst dann sah ich die Absicht.
Weil die Fragmente so hilflos unverknüpft im Raum stehen bekommt Dein Stil seine eigene Note - sie wird ein wenig melancholisch, besinnlich und rührend, verliert aber nicht dieses spröde Nordische (ich lebe an der Schweizer Grenze) - Dein Prot verliert sich auch nicht in einer larmoyanten Sentimentalität; er lässt den Onkel einfach durch seine Erinnerungen spazieren und präsentiert dem Leser kleine Kostbarkeiten. Nichts Aufregendes, nicht spannend, aber trotzdem lesenswert. Gerne gelesen - viele Grüße - Detlev
Freut mich, dass der Text dir gefallen hat.
LG,
HL
auch dir vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren.
Hans Dieter Hüsch beschrieb mal (jetzt aus’m Gedächtnis zitiert) den Niederrheiner anhand eines Trios, von dem zwo ältere Herren auf einer Bank am Rhein sitzen und ein dritter mit den Worten „Guten Tach“ an ihnen vorbeigeht und einer von denen mit Zustimmung des andern „Schwätzer“ murmelt.
und schon die Beschreibung des Onkel Julius ist purer Naturalismus – auch mir Jungspund fällt immer schwerer, über die Stange zu kommen
und schon sind wir in einer minniwinzigen Flusenlese,
LG,
HL
Ja, ja ich weiß. Das stimmt, ich gebe es ja zu. Ist ein Fehler und sicher auch eine Schwäche. Natürlich nur bei anderen!Was die 'stocksteife Bildungsherumbraterei' angeht: Ich will dir nicht zu nahe treten, aber gelegentlich gewinne ich den Eindruck, dass alles, was auch nur den Hauch von Bildungsbürgertum hat, direkt ein rotes Tuch für dich ist.
Man kann das machen, klar. Ich denke aber, hier ist ein Text, der das nicht nötig hat. Ich stelle zum Beispiel gerne einem Roman oder einer Storysammlung ein Zitat vorne an, um auch eine eigene Atmosphäre, eine Art Traditionslinie herzuleiten. Alles gut. Im Text selbst sieht das anders aus, die gleiche Erkenntnis aus dem Zitat selbst, sehr gut. Das Zitat direkt zu benennen, das finde ich, muss man dann aus der Figur begründen können, wenn der jetzt Lehrer ist, der Erzähler, und das auch benannt wird, sieht das schon wieder anders aus. Ich hoffe, du verstehst, wie ich das meine, das ist nicht so, dass ich grundsätzlich dagegen bin.
Gruss, Jimmy
Die liebe HALBE Verwandtschaft! Weia!
Lieber @HerrLehrer ,
das ist ein feiner Text mit vielen schönen Details: von den kleinen Anekdoten um den Onkel zum Dachboden und dem Museum der Erinnerung.
Die Frage, ob nicht der Tod von entfernteren Bekannten und halben Verwandten uns mehr mit der eigenen Sterblichkeit in Berührung bringt als der Tod eines nahen Freundes oder engen Verwandten, weil eben Trauer oder Schmerz nicht die Aufmerksamkeit an sich reißen, hat mich seit ich deinen Text irgendwann letzte Woche zum ersten Mal gelesen habe echt beschäftigt. Und das Versammeln von Erinnerungen im Kampf gegen die eigene Sterblichkeit ist da nur schlüssig und gut und unaufdringlich umgesetzt. Hat mich ein bisschen an Proust oder Woolf erinnert, mit der Idee, dass die Vergangenheit nicht hinter, sondern unter der Gegenwart liegt.
Die lose Struktur der Erinnerungen passt für mich sehr schön erstens zum Thema, zweitens aber auch zum Onkel, der weder ganz in die halbe noch halb in die ganze Familie zu passen scheint, so wie er den Jungen ernst nimmt und ihn bei der Hochzeit nicht nur aus der Patsche zieht, sondern gleichzeitig noch ehrt. Der Onkel ist ich sag mal neumodisch: beziehungsfähig, und die Familie im Übrigen ist es nicht (komme selbst aus OWL und kenne die Mischpoke).
Interessant nun, dass der Junge das Besondere an seinem Onkel wahrnimmt, aber nicht aufnimmt.
Der Erzähler schenkt nicht der Frau mit den traurigen Augen den Kranz und drückt auch dem beschämten Jungen am Altar nicht die Ringe in die Hand, oder? Er kritisiert die Schwester, weil sie keine Gefühle nach der Beerdigung zeigt und erwähnt mit keinem Pieps, dass ihn selbst der Tod des Onkels beschäftigt. Er hört, dass seine Tante viel geweint hat, und meldet sich nicht bei ihr. Und entsprechend sucht er Ergänzungen zu seinen Erinnerungen nicht bei Menschen, die den Onkel gekannt haben, sondern bei der Behörde, bzw. macht es am Ende doch ganz mit sich selbst aus. Tja und ich glaube, ich versuche gerade zu beschreiben, dass dein Text letztlich für mich ein trauriger Text ist, nicht, weil der Onkel stirbt, sondern wegen der Einsamkeit des Erzählers. Weiß nicht mal, ob das intendiert war.
In jedem Fall ein Text, der mich sehr beschäftigt hat, vielen Dank dafür,
ganz herzliche Grüße
Placidus
Hallo @Placidus
und vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren.
das ist ein feiner Text mit vielen schönen Details: von den kleinen Anekdoten um den Onkel zum Dachboden und dem Museum der Erinnerung.
Die Frage, ob nicht der Tod von entfernteren Bekannten und halben Verwandten uns mehr mit der eigenen Sterblichkeit in Berührung bringt als der Tod eines nahen Freundes oder engen Verwandten, weil eben Trauer oder Schmerz nicht die Aufmerksamkeit an sich reißen, hat mich seit ich deinen Text irgendwann letzte Woche zum ersten Mal gelesen habe echt beschäftigt.
Tja und ich glaube, ich versuche gerade zu beschreiben, dass dein Text letztlich für mich ein trauriger Text ist, nicht, weil der Onkel stirbt, sondern wegen der Einsamkeit des Erzählers. Weiß nicht mal, ob das intendiert war.
LG,
HL
Hallo @HerrLehrer ,
der Text ist gut geschrieben, liest sich gut runter. Anschauliche Beschreibungen, Figuren gut charakterisiert. Die Perspektive geht zwischendurch ganz nah an Julius, was dem Text gut tut. Die Einbindung der Kriegserfahrungen von Onkel Julius halten irgendwo auch so ein bisschen die Spannung aufrecht und sie verleihen der Geschichte Gewicht. Emotional ist das für mich auch gut dargestellt. Ich mochte auch die Sprechweise von Julius. Und die kleinen Beobachtungen. Dass er deinen Protagonisten beim Schnippeln lobt.
Außer dass du das gerne noch länger schreiben könntest, habe ich hieran echt nichts auszusetzen. Ein guter Text.
Viele Grüße
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