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Opferfahrt
[E]
Im Erdgeschoss steigt Tom in den Fahrstuhl. Tom guckt Pornos und hasst sich dafür. Zur Strafe drückt er sich an besonders kniffligen Hautzonen Pickel aus. Entsprechende Krater zieren sein ansonsten unschuldiges Gesicht. Tom hat den Verdacht, dass die Pickel vom vielen Pornogucken kommen. Als Ausdruck seiner Wut darüber, dass er sich von diesen Schmuddelfilmen so angezogen fühlt. Auch in Toms wildesten Selbstbefriedigungskrämpfen verirrt er sich nicht in den Glauben, dass es den Frauen Spaß macht, was sie da mit sich anstellen lassen. Tom fühlt sich besonders schlecht, weil ihn gerade das anturnt.
Aber eigentlich, das steht außer Frage, ist er nur ein Opfer und kann nichts dafür. Schuld sind an erster Stelle die Medien. Zielgerichtet wird der Mann in einem Dauerzustand der Erregung gehalten. Sex im Fernsehen, Sex in der Werbung, Sex auf Plakaten, Sex in Zeitschriften: Wo man auch ist und was man auch tut - überall peitscht die Lust auf den Mann ein.
An zweiter Stelle sind die Frauen selbst schuld. Weil sie sich diesem Diktat der Oberflächlichkeit unterwerfen und genau jene Lustobjektrolle einnehmen, die von den Medien gewollt ist - und den Mann (Tom weiß, dass er damit nicht allein ist) an den Rand des Wahnsinns treiben.
Solche Frauen wie Pamela zum Beispiel, die im ersten Stock dazusteigt. Bing.
[1]
Frauen wie Pamela sind Geschütze. Mit jedem gestöckelten Schritt feuern sie Salven in den Schritt der Männerwelt. Beine bis zum Hals, Titten, die danach schreien, aus dem viel zu engen Stoff geknetet zu werden und Fingernägel, von denen sich jedes Raubtier freiwillig würde reißen lassen. Die Lippen nicht zu vergessen - zum Stülpen geschaffen.
Für Tom hat Pamela nur einen angewiderten Blick übrig. Anmaßend findet er das, hat Tom die Akne-Narben doch nur im Gesicht, weil Frauen wie Pamela ihn dazu treiben, sich selbst zu kasteien.
Tom ahnt, dass Pamela manchmal darunter leidet, so gut auszusehen. Weil sie auf ihr Äußeres reduziert wird und die Kerle sie nur ins Bett kriegen wollen, nicht an ihren inneren Werten interessiert sind. Tom würde gern derjenige sein, der Pamelas innere Werte erkundet. Aber da sie ihm keine Chance gibt, hat sie es auch nicht anders verdient, als nur oberflächlich benutzt zu werden, die blöde Schlampe.
In Tom brodelt und schäumt es.
Er weiß ganz genau, dass Pamela sich extra so vor ihm positioniert hat, dass er auf ihren Arsch glotzen muss. Dieses pralle, in hautenge Leggins gepresste Fleisch, das sich ihm entgegenwölbt, ihn zu einem Hund erniedrigt, danach verlangt, von ihm beschnuppert zu werden, geleckt zu werden ...
Tom knurrt, bleckt die Zähne, kann sich nicht länger zurückhalten, will sich auf das Weibchen stürzen, als (bing) die Türen aufgehen
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und sich eine dralle Frau mit Kinderwagen in den Aufzug kämpft. Obwohl die Kabine zwei Kinderwagen fassen könnte, schafft es die Dame irgendwie ihr Gefährt so zu parken, dass Tom sich an die Wand pressen muss.
Mutter und Kinderwagen haben Tom und Pamela in gegenüberliegende Ecken gebannt. Pamela begutachtet sich im Spiegel, spitzt und wölbt die Lippen, lutscht einen imaginären Schwanz. Tom beobachtet wie die Mutter in den unzähligen Beuteln und Taschen kramt, die am Kinderwagen hängen. Das Kind plärrt.
Während Pamela Geilheit abstrahlt, die den Aufzug erhitzt, selbst diesem abtörnenden Neonlicht einen Rotstich unterjubelt, ist die Mutter bar jeden Reizes. Tom denkt nicht zum ersten Mal, dass in der Schwangerschaft eine Metamorphose durchlaufen wird, allerdings verkehrt herum - von Schmetterling zu Raupe: von Frau zu Mutter. Ein ernüchternder Gedanke; kein Wunder, dass Männer sich vorm Kinderkriegen drücken. Gleichzeitig beseelt Tom die Erkenntnis mit einer gewissen Genugtuung. Auch Pamela wird irgendwann so aussehen: Faltig und übergewichtig und verbraucht.
Ist es das, was einen letztlich erwartet? Erst lockt das Weib mit heißen Versprechungen und am Ende hat man eine Mutterfrau, die in Tüten kramt, um ihrem Balg das Maul zu stopfen. Mission erfüllt.
Wie wohl Sex mit der ist? Pflichtprogramm ohne Zappen. Solche Pornos mit Mamas und Grannies gibt‘s auch, aber die turnen Tom ab. Und die Vorstellung hilft: Endlich lässt der Druck in seiner Hose nach. Dafür nimmt der auf den Ohren zu. Eine wahre Folter, so ein schreiendes Kleinkind in einem Fahrstuhl. Das ständige »Schhh ... Schhh« macht es nicht besser.
Erst mit dem dritten Bing endet die Folter.
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Die Mutter rollt ihr Schlachtschiff nach draußen, Pamela stöckelt hinterher.
Zwei miteinander verkabelte Mädels steigen ein. Sie teilen sich einen iPod; mit jeweils einem Kopfhörer im Ohr sind sie ganz mit sich selbst beschäftigt. Durch Tom sehen sie hindurch. Bei dieser Verkabelung muss Tom unweigerlich an Matrix denken und der Eindruck wird dadurch verstärkt, dass die beiden wie Marionetten in den Händen eines unsichtbaren Puppenspielers wippen und nicken. Tom fühlt sich manchmal auch wie eine Marionette. Vor allem immer dann, wenn er in diesen Aufzug steigt. Fremdgesteuert.
Das Gefühl der Verbindung lässt ihn unachtsam werden - sein Lächeln ist bereits auf dem Weg. Die Resonanz erfolgt in Form von Augenverdrehen, Naserümpfen und hässlichem Gekicher.
Tom verengt die Augen zu Schlitzen. Die Mädels scheinen sich unheimlich cool vorzukommen, wie sie so zappeln, sich zunicken und dabei tonlos die Lippen bewegen.
Tom fragt sich, ob die beiden noch nie erlebt haben, wie bescheuert es aussieht, wenn jemand zu einer Musik tanzt, die kein anderer hören kann. Für solch armselige Gestalten wurden Casting-Shows erfunden. Mit diesen Bewegungen allein würden sie jedoch nicht weiterkommen, da braucht es deutlicheren Körperkontakt.
Angeheizt von ihren eigenen Spiegelbildern leiten sie den Super-GAU ein: Sie beginnen zu singen. Spätestens jetzt würde ihnen auch in einer Casting-Show keine noch so scharfe Lesbeneinlage mehr helfen. Und natürlich muss es Lady Gaga sein. Schlampen ziehen einander an.
Als das Bing die vierte Etage verkündet, ist Tom zunächst erleichtert, weil die Mädels verstummen. Die Erleichterung verschwindet aber schlagartig, als
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eine Horde Gangstertürken in die Kabine stürmt. Da hätte Tom lieber noch neun Stockwerke dem Gekreische der beiden Gagas gelauscht, als dem Gejohle und Geprahle der Halbstarken ausgeliefert zu sein.
Tom drängt sich in die Ecke und macht sich unsichtbar. Für alle Frauen der Welt war er unsichtbar, für Pamela war er unsichtbar gewesen und auch die Gagas haben ihn mit Nichtachtung gestraft - warum sollte er nicht auch jetzt unsichtbar sein können?
Doch, oh Wunder, nun, als die Horde die Gagas im Visier hat, sie mit derben Sprüchen bedenkt und eindeutig zweideutige Bewegungen macht, werfen die Mädels ihm hilfesuchende Blicke zu.
Zweieinhalb Gedanken schießen Tom durchs Hirn:
1. War es nicht seine Pflicht, die beiden ins Messer laufen zu lassen, um ihnen eine Lektion zu erteilen?
2. Wenn er sie jetzt beschützte, würde das nicht dazu führen, dass sie daraus lernten, genauso weitermachen zu können wie bisher?
2,5. Oder würde er ihr Weltbild korrigieren, wenn er - den sie zuvor noch ignoriert hatten - sich plötzlich als Retter erwies und sie aus den Klauen der-
»Was glotzduso, Pickelfresse?«
Tom senkt den Blick, konzentriert sich wieder aufs Unsichtbarwerden, doch sein Tarnschild ist durchbrochen. Die Aufmerksamkeit verlagert sich.
»Willstu Schelle?«, blökt der eine, der aussieht wie die anderen, aber wahrscheinlich ein Gramm mehr Gold am Kettchen hängen hat und deswegen ihr Alpha-Männchen ist.
»Fass dem nisch an, machsu sons dreckich!«
»Wenn isch dem ein Schelle geb, dann wird hier Wichsbad!« Es lacht und dröhnt.
Als die Türen des Fahrstuhls aufgehen, drängen sich die Gagas nach draußen. Toms Tarnschild ist wieder aktiviert. Die Gangster johlen und folgen den beiden.
[5], [6]
Tom fühlt sich unwohl in der Kabine, so ganz allein. Zwischen den sich gegenüberliegenden Spiegelseiten gefangen, werden seine Pickel ins Unendliche potenziert.
Und da passiert es (wieder): Vor Toms geistigem Auge ploppen Bilder einer Gangbang auf. Die Gangster fallen über die Gagas her und die beiden jauchzen und beben und können den Hals nicht vollkriegen. Und natürlich stöhnen und verlangen sie nach ihm, Tom, denn keiner dieser Schlappschwänze kann sie befriedigen.
Tom spritzt weiß-gelbliches Zeugs an die Spiegelwand, als er sich bei dem Gedanken einen Pickel ausquetscht.
Erst im siebten Stock hält der Aufzug. Bing.
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Als Nächstes steigt etwas ein, das in Toms Schulzeit als Es bezeichnet worden wäre.
So hoch wie breit wie dick und mit ebenso viel Modegeschmack gesegnet, wie für ein elegantes Auftreten geschaffen. Die Kabine bebt, als Es hineinstampft.
Für einen Moment ist Tom irritiert, als Es sich auf die gleiche Weise im Spiegel betrachtet, wie Pamela es getan hatte. Es klimpert mit den Wimpern, schürzt die Lippen und fährt sich mit Wurstfingern durch den Typ Haare, der selbst nach dem Duschen sofort wieder fettig wirkt. Natürlich entgeht Tom nicht, dass Es ihm im Spiegel Blicke zuwirft, genauso wenig entgeht ihm das Puder, das die Pausbacken bis zu den Schweinsäuglein wie eine zweite Haut einkleistert.
Eine Frechheit, dass Es ihn so ansieht. Glaubt Es wirklich, dass er nur einen Gedanken daran verschwendet, sich mit Es abzugeben?
Jetzt wird auch noch Schminkzeug herausgekramt. Ein mit silbernen Pailletten besetztes Täschchen, das im Fahrstuhllicht verruchte Spiegelungen wirft, die nicht zu Es passen. Doch, korrigiert sich Tom, es passt vortrefflich: Es versucht ihn zu blenden, ihn weich im Kopf und hart im Schwanz zu machen: Es will wie ein Ding genommen werden. Heftig und von hinten. Rammstein würde durch das Verlies schmettern: »Bück dich, dein Gesicht interessiert mich nicht!« Und Es würde schreien, würde kreischen, würde bangen ... bingen ... bing
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Es wirft ihm einen letzten Hundeblick zu und schnauft aus der Kabine.
Tom zittert am ganzen Körper. Dreizehn Stockwerke. Bereits diese Zahl trägt Unglück in sich. Und das, was er sich im dreizehnten Stock (erneut) antun würde, war die Quelle seines Leids. Jedes Mal verspricht Tom sich aufs Neue, es sei das letzte Mal. Nur um sich abermals im Aufzug wiederzufinden.
Hier und jetzt könnte er seiner Sucht ein Ende bereiten, es erforderte nur drei rasche Schritte. Es hat immer nur drei Schritte erfordert, aber diesmal ist es anders. Die Türen bleiben ungewöhnlich lange geöffnet.
Zögerlich bewegt Tom sich auf den Ausgang zu. Er erwartet nicht, dass er weit kommen wird. Der Aufzug spielt ein böses Spiel mit ihm, davon ist er überzeugt. Noch bevor er sein Gewicht verlagert hätte, würden sich die Türen schließen. Ganz sicher. Und in der Gewissheit, dass es so sein wird, fällt ihm der erste Schritt leicht. Doch die Türen bleiben offen. Die [13] leuchtet in verheißungsvollem Rot.
Tom ist so verwirrt, dass er einen Entschluss fasst. Er holt einmal tief Luft - da vernimmt er das vertraute Summen, das dem Türenschließen stets vorausgeht. Tom spannt seinen Körper, will den befreienden Schritt tun - als plötzlich jemand in den Aufzug springt und ihn beinahe von den Füßen fegt.
„Huppala - Entschuldigung. Gerade noch geschafft. Hihi.“
Der Fahrstuhl setzt sich in Bewegung.
So kurz der Moment des Zusammenpralls auch ist, so unfreiwillig großzügig ist der Blick in den Ausschnitt. Das Bild brennt sich in Toms Netzhaut, von irgendwoher kommt eine Flasche Öl, dicke Tropfen spritzen auf pralle …
„Eigentlich fahre ich nicht gern Aufzug“, sagt eine Stimme und aus den Brüsten wird ein Mädchen, das Tom direkt ansieht. „Ich habe so ein bisschen … naja Platzangst“. Sie kichert und sieht ihn weiter an mit diesem Blick, den er sonst nur aus Filmen ohne Altersbeschränkung kennt. Sie riecht nach frischer Melone und Mango und auf ihrem T-Shirt steht Take it Easy und Tom verdrängt jede Assoziation aus Filmen mit Altersbeschränkung. Erstaunlich leicht fällt ihm das, so leicht, dass Tom nicht mehr an Zufälle glaubt, als plötzlich das Licht ausgeht und der Fahrstuhl mit einem Ruck zum Stehen kommt.
Easy kreischt auf und zum ersten Mal in Toms Leben erwacht der männliche Instinkt in ihm. Er denkt nicht nach, sondern nimmt Easy beschützend in den Arm. Hat er eben noch befürchtet, sie sei ein Bote des Teufels, der ihn im Aufzug der Wollust halten will, weiß er nun, dass sie ein Geschenk des Himmels ist. Seine Erlösung.
Vielleicht streichelt er zu heftig über ihren Rücken, vielleicht streift er ihre Brüste, vielleicht spürt sie seinen Ständer - was letztlich zur Backpfeife führt, wird Tom nie erfahren. Das Licht flackert auf, der Fahrstuhl setzt sich mit einem metallischen Stöhnen in Bewegung, sie schreit ihn an, was ihm einfalle und drischt mit der Handtasche auf ihn ein, bevor sie mit dem
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Bing verschwunden ist.
Es ist, als breite sich das Glühen von seiner gewatschten Wange aus, als durchziehe es seinen Körper mit lodernder Wut, um sich letztlich im Schritt zu ballen und zu stauen. In Gedanken knebelt und fesselt er Easy. (bing) Lust und Angst flackern in ihren Augen und Tom ist entschlossen, eine dieser Flammen zu ersticken. (bing) Easy stöhnt, als er ihr die Kleider vom Leib reißt. Das Blut rauscht in Toms Ohren, er kann nicht mehr klar denken. Nur noch ein Licht gleißt in ihren Augen und Tom genießt es, sie so vor sich zu sehen, nackt und hilflos und ihm ausgeliefert. (bing) Stellvertretend für alle Frauen soll sie nun spüren, wie Tom sich immer fühlt. All seinen Frust würde er an ihr ablassen. Sie hatte ihn daran gehindert der Sünde zu entkommen - und so war es nur gerecht, dass er sich an ihr versündigte, ihr das antat, mit dem er bereits abgeschlossen hatte. Sie trug die Schuld. Er würde sie ... Er würde ... Er ...
Ein Daumenkino blättert sich vor Toms geistigen Auge ab. Die Bilder prügeln mit Gewalt auf ihn ein, er krümmt sich, zwischen den Beinen eine Feuersbrunst, Lava brennt durch seine Lenden, Atemnot, alles verschwimmt und dann .... bing
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Tom huscht geduckt aus dem Fahrstuhl und er schwört sich, es ist das letzte Mal.