- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 5
Pan Am
Pan American 800
Die Sonne streichelt mich, meine Augen schmerzen. Ich schaue auf meine Armbanduhr, 06.30. Verdammt. Ich habe verschlafen. Ich springe aus meinem Bett und eile in das Badezimmer. Unscharf sehe ich mein Gesicht im Spiegel, mit unsicherer Hand entledige ich mich meines Schlafanzuges. Kalt strömt das Wasser an mir herunter, langsam erwache ich aus meiner Betäubung. Meine Sinne kehren zurück, nur noch 60 Minuten bis zum Take Off. Gedankenverloren stürze ich aus dem Badezimmer und schlüpfe in meine Uniform, die Morgensonne lässt die goldenen Streifen an meinen Ärmeln glitzern. Mit wahnsinniger Schnelligkeit rase ich die Treppe herunter, schemenhaft taucht der Empfangsbereich vor mir auf.
"Please pick me to the Airport, I have to be there as fast as possible!"
Ich krame in meiner Brieftasche und stecke dem Portier einen rosafarbenen Schein zu. Keine Ahnung wieviel ich ihm gerade gegeben habe. Keine Zeit zu verlieren. Endlich fährt der Wagen vor. Ich laufe nach draußen und steige in den Buick. Der Geruch von Diesel umhüllt das Wageninnere, der Motor kotzt als würde er gleich auseinanderfallen. Ich klappe meinen Aluminiumkoffer auf und werfe einen Blick auf den Flugplan. Start um 7.30 Uhr, Santa Cruz Airport. Verdammt noch mal, warum fährt der Mann nicht schneller? Ich lege ihm meine Hand auf die Schulter und halte ihm mit der anderen ein paar Scheine hin. Er hat verstanden. Mit flinken Fingern greift er danach und lässt das bunte Papier verschwinden. Das Motorengeräusch wird lauter, Rio de Janeiro fließt durch verstaubte Scheiben an mir vorbei. Ich widme mich wieder dem Flugplan. New York steht da unter "Destination". Auch gut, denke ich. Das wird wieder ein Abenteuer. Ich schaue mir die Karte an, mit dem Zeigefinger fliege ich die Route gedanklich ab. Hm, nach dem Start Steigflug auf Flightlevel 200, höher kommen wir mit der Mühle sowieso nicht. Erste Etappe Venezuela, mal sehen ob uns vorher der Sprit ausgeht wie beim letzten Mal. Ich schüttele mich bei dem Gedanken. Wenn mir dieser Wetterfrosch noch mal über den Weg läuft, werde ich ihn
erwürgen. "Rückenwind bei 20 Knoten.", diese Vorhersage brachte mir drei Tage in einem verschlafenen Nest im Dschungel von Guyana ein. Der Flughafen kommt in Sicht. Die Stadt lichtet sich. Unter einem großem Torbogen fahren wir hindurch, geradezu majestetisch erhebt sich das steinerne Monument über die kriechenden Erdlinge. Die Schranke hebt sich, der Wärter schein mich erkannt zu haben. Unfassbar. Der Fahrer fährt langsamer. Ich blicke aus dem Fenster, "Pan American Crew`s Resort" steht da. Das Auto hält. Hektisch reiße ich die Tür auf und stürze aus dem Wagen. Ich eile in das Gebäude, die Dispatcherin forciert ihren Blick auf mich.
"Flug 800, ich bin der First Officer, ist die Crew noch beim Briefing?"
Mein Blick verzerrt sich nach Informationen. Ihre Brauen ziehen sich zusammen, kalt blickt sie mich an.
"Die Maschine wird momentan betankt, das Boarding beginnt in zehn Minuten."
Das reicht mir. Es sind also schon also alle an Bord. Jeder wird bemerken, dass ich verschlafen habe.
Das Vorfeld gewinnt allmählich an Konturen, wabernd legt sich ein Schleier heißer Luft über den Asphalt. Flirrend taucht die Super Constellation vor mir auf. Irgendwo da hinten muss sie sein. Ich schwitze.
Mit einem flauen Gefühl steige ich die Galley empor, reihe mich in den Strom von eleganten Herrschaften ein. Eine hinreißende junge Dame steht neben dem Einstieg in der Maschine und blickt mich etwas überascht an, dann gleitet ein Lächeln über ihr lebhaftes Gesicht. Neugierig mustern mich ihre großen braunen Augen, mein Stand wird etwas unsicher. Für einen Augenblick bleibe ich stehen, ehrfürchtig hält die Menge hinter mir. Etwas aus dem Konzept geraten schicke ich ein knappes
"Hallo, ein schöner Morgen, nicht wahr?"
zu ihr. Sie lächelt wieder. Ich neige mich zur Seite und betrachte den Flügel mit fachmännischer Miene, mein Blick ist ernst und voller Verantwortung. Ein Raunen geht durch die Versammlung, gerade die Damen zeigen sich beunruhigt und rücken nun näher an die vornehmen Herren. Auch die junge Stewardess neigt ihren Kopf etwas zur Seite, suchend schweift ihr Blick über die Tragfläche. Ihre Miene wird ernster.
"Alles in Ordnung"
Amüsiert löse ich die Situation auf, mein Blick jedoch bleibt professionell.
Langsam schiebe mich an der jungen Dame vorbei, ihr blondes Haar duftet nach Blumen. Die Kabine ist eng und stickig, es riecht nach Metall und Hydrauliköl. Die Tür zum Cockpit steht offen und ich beeile mich, hineinzugelangen.
Kapitän Fostex ist so mit den Instrumenten beschäftigt, dass er nicht bemerkt, wie ich meinen Platz einnehme.
"Verzeihen sie meine Verspätung."
Streng blickt er mich an, sein zweiter Blick gilt der Uhr an seinem Handgelenk.
"Nun sind sie ja hier."
"Wir beginnen jetzt mit dem Preflight Check, die Ckeckliste liegt rechts von ihnen"
Punkt für Punkt rufe ich die Systeme auf.
"Engines?"
"Checked, cut off"
"Radio?"
"Checked!"
"Nav one and two?"
"Set, Checked!"........................
Gleichmäßig brummen die Motoren, als wir die Rollfreigabe bekommen. Ich gebe etwas mehr Leistung, die Kabine beginnt zu vibrieren.
Unter deutlich wahrnehmbaren Surren fahren die Landeklappen wie von mir befohlen aus.
An der Runway angekommen erhalten wir sofort die Startfreigabe.
Sowieso nicht viel los hier.
Ich schiebe die Leistungsregler langsam bis zu Anschlag nach vorn, der ganze Flieger beginnt heftig zu schütteln. 90%....100% ereicht, ich löse die Parkbremse, die Maschiene setzt sich langsam in Bewegung. Allmählich holen wir Fahrt auf, die Beschleunigung ist jetzt deutlich zu spüren. Der Fahrtmesser klettert zielstrebig die Anzeige hinauf.
"V1!"
"Rotate!"
Langsam ziehe ich das Steuerhorn zu mir, die Nase hebt sich gemächlich. Das Gerappel und Gezappel hört schlagartig auf. Wir sind in der Luft. Ich blicke kurz nach links. Kapitän Fostex`s Gesicht schmückt sich mit einem Ausdruck von Zufriedenheit. Durch das rechte Cockpitfenster sehe ich Rio unter uns hinwegziehen. Das Flugzeug steigt. Leichte Turbulenzen lassen die Flügel durchbiegen, bedrohlich weit wie ich finde. Ich widme mich der Karte, um mich von diesem Zustand etwas abzulenken.
Verdammt, der Wecker klingelt schon wieder.
Spärlich beleuchtet der Wecker die Uhrzeit.