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Papis letzter Wille

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09.03.2006
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Papis letzter Wille

Pieck steht rechts, Grotewohl kommt von links. Als Grotewohl erkennt, auf wen er da zugeht, schreckt er zurück, erbleicht und krächzt aus zugezogener Kehle: „D-D-DU bist das?!? Ich… Ich wusste nicht dass… dass Du etwas davon erfahren hast… Du weißt, das ich keine Wahl hatte, das… das weißt Du doch, oder? Oder?!?“

Pieck verzieht keine Miene. Er blickt nur weiterhin starr und erschreckend kalt aus seinen seltsam blauen Augen auf die undurchdringliche Finsternis, die eben noch Grotewohl ausgespuckt hatte.

„Du weißt doch, dass ich keine Wahl hatte… hörst Du nicht?!“ Er geht einen Schritt auf Pieck zu, wie um Ihn zu packen und anzuflehen. Da richten sich die Augen, diese kalten Augen, auf den herantretenden und lassen ihn erstarren.
Mit tiefer, ruhiger Stimme, aus der man jedoch eiskalte, unterdrückte Trauer heraushören kann, beginnt der reglose Fels, der Pieck heißt, zu sprechen.
„Du weißt, dass nun auch ich keine Wahl mehr habe“, und etwas leiser, fast schon flüsternd fährt er fort: „Gib sie mir!“

Grotewohl versteht. Er zieht etwas aus der Tasche, ganz langsam, mit zitternder Hand. Doch Pieck muss das, was sich nun in sekundenschnelle abspielt, vorausgesehen haben.

Grotewohl wirft das aus der Manteltasche gezogene auf Pieck, wirbelt herum und rennt, so schnell es sein fetter, ungelenker Körper zulässt, von diesem Schicksalsschwangeren Ort davon. Der Fels fängt das Wurfgeschoss fast beiläufig mit der linken, hebt gleichzeitig die rechte in Richtung des davonlaufenden und drückt, ohne auch nur die kleinste Regung in seinem Gesicht erkennen zu lassen, den Abzug der schweren Handfeuerwaffe.
Der fette Körper Grotewohls fällt mit einen dumpfen Geräusch zu Boden und bleibt liegen. Blut rinnt aus dem seltsam geformten Loch, das das Projektil in seinen Hinterkopf geschlagen hat.

Pieck spürt keine Genugtuung, keinen Triumph, keine Erleichterung. Er fühlt, außer dem schweren Schmerz des unwiederbringlich verlorenen, gar nichts mehr. Er weiß dass er keine Hoffnung mehr hat, keine Aussicht, den Schmerz jemals loszuwerden. Vergeltung war seine letzte Chance gewesen.

Mit schweren Schritten verlässt nun auch er, als letzter, diesen unheiligen Ort. Er geht an der jahrhundertealten, aus groben Steinen zusammengesetzten Außenmauer der Burg entlang und wiegt dabei Grotewohls Mitbringsel in der Hand. Es fällt ihm bei diesem Stürmischen Wind schwer die selbst gedrehte Zigarette zu entzünden. Als sie brennt richtet er seine Aufmerksamkeit wieder auf das Bündel, das er noch immer in der linken Hand hält. Es sind Photografien. Er entzündet auch sie. Die Photos beginnen rasch zu brennen und man könnte den Eindruck gewinnen, sie würden in den Flammen nach Erlösung suchen. Er verzieht das Gesicht wie unter Schmerzen. Ja, Erlösung. Das ist es, was auch er jetzt sucht.

Chris verlässt wieder als letzter die Kneipe, in der er mehr Zeit als mit seiner jungen Frau verbringt. Er ist so betrunken dass er sich nur unter größter Anstrengung auf den Beinen halten kann. Er wird den Umweg durch den Park, der die düsteren Gemäuer der alten Burg umrahmt, nehmen müssen. Dort wird er sich jederzeit von der Übelriechenden Last des Alkohols in seinem Magen entledigen können, ohne von jemandem gestört zu werden.

Er geht schon seit ein paar Minuten, schwankend, durch den spärlich beleuchteten Park, als er den ersten Knall hört. Sofort ist er hellwach und schauderhaft nüchtern. Hatte da jemand geschossen? Unschlüssig was er tun soll steht er erst nur da, zieht dann sein Mobiltelefon aus der Tasche und wählt mit zittrigen Fingern eine Notrufnummer. „Hallo, Polizei? Ich bin hier im Stadtpark und hab grad `nen verfluchten Schuss gehört. Was? Ja. Okay. Okay verdammt, ich hab verstanden!“ Er legt auf. Die Bullen hatten ihm quasi befohlen an der Straße auf einen Streifenwagen zu warten. Verkackte Bullen… Worauf hatte er sich da wieder eingelassen…

Der zweite Schuss lässt ihm das Blut in den Adern gefrieren. „Oh Scheiße, das war hier ganz in der Nähe!“ Er läuft, Kopf- und Planlos, in Richtung Innenstadt, weg von diesem verdammten Park mit seinen verdammten Schüssen. „Sollen sich doch die verkackten Bullen abknallen lassen!“, ist sein einziger Gedanke.

Chris schlägt die Tür hinter sich zu. Er atmet schwer, setzt sich auf den Boden. Seine Frau tritt auf ihn zu, erschrocken, des Lärmes wegen. „Was ist Los? Du siehst aus als hättest Du einen Geist gesehen.“ Er verriegelt die Tür, mehrmals, dreht sich um, blickt ihr in die Augen und sagt: „Ich bin so verdammt froh Dich wieder zu sehen. Ich liebe Dich.“ Er schwört sich, sein Leben zu ändern und so viel Zeit wie nur irgend möglich mit seinem Schatz zu verbringen.

Zur gleichen Zeit kommen die beiden Polizeibeamten in ihrem Wagen im Park an. Zu spät um Chris zu treffen, zu spät um das charakteristische Geräusch der Handfeuerwaffe zu hören. Wer hätte das gedacht! Alarmiert schleichen sie durch den von der Nacht verschleierten Park. „War bestimmt wieder so ein Spaßvogel!“ flüstert der eine dem anderen zu. „Wir müssen es aber prüfen.“, ist die knappe Antwort des anderen. Ihre Nerven, vom reißenden Strom des Adrenalins bloßgelegt, gaukeln in jedem Schatten einen brutalen Meuchler vor, lassen jedes Geräusch zu einem Schritt oder Atemzug werden. Vorsichtig schleichen Sie durch den Park.

„Dort, da liegt etwas am Boden“, keucht die Stimme des ersten. Vorsichtig und mit gezogener Waffe (denn sie müssen auf sich aufpassen, ihren Familien zuliebe! Und jetzt werden Sie sicher auch jeden Moment mit Ihnen zu schätzen wissen!) nähern sich die beiden der am Boden liegenden Gestalt. Sie ist groß und breit, der Vergleich mit einem Schrank scheint dieses eine mal zu passen. Neben und unter ihr liegen ein paar halb verbrannte, teilweise noch glimmende Papierfetzen. Einer stupst den Körper vorsichtig und schussbereit mit der Stiefelspitze an. Nichts passiert. Er sagt: „Fühl mal den Puls. Und durchsuch den Kerl gleich, ich gebe Dir Feuerschutz!“ Der andere tut’s. Er fühlt am Hals des Unbekannten, beschmiert sich die Handschuhe mit Blut, kann aber keinen Puls feststellen und teilt es dem einen mit. „Ist ja auch kein Wunder, mit dem Loch im Schädel.“ Er nimmt die Waffe des Toten und durchsucht ihn dann gewissenhaft. Er findet nichts Außergewöhnliches. Dann erst sammelt der Beamte die glimmenden Papiere vom Tatort. „Und, was sind das für Zettel?“, hört er seinen Kollegen fragen. „ Photografien!“ ist seine knappe Antwort. Er betrachtet sie genauer, doch die meisten sind fast vollständig zerstört oder bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Nur eine einzige ist heil genug geblieben um ihr Geheimnis preisgeben zu können. Er betrachtet das Photo eindringlich, strengt sich an etwas darauf zu erkennen. Plötzlich entringt sich ihm ein entsetztes stöhnen. Er erkennt auf dem Photofetzen einen geschundenen Mädchenkörper, mit blutenden Wunden übersäht, gefesselt, über den sich zwei nackte, fette Männer beugen. Angewidert wendet er den Blick ab, hin zu seinem Kollegen der angestrengt versucht das gesamte Umfeld gleichzeitig im Auge zu behalten. Er steht langsam auf, dreht sich dem Leichnam zu, presst durch die geschlossenen Zahnreihen die Worte: „Du Schwein! Sie hätte deine Tochter sein können…“, und tritt ihm in die Seite. Keine Reaktion.

Das langsam gerinnende Blut, das sich aus der Schläfe des toten ergießt, funkelt im Mondlicht. Es hat dieselbe Farbe wie der neue Lippenstift, den er vor Schichtbeginn als Wiedergutmachng für seine Frau besorgt hat.

 

Uuuuuuuuhhh, lang keine so starke Moralkeule mehr erlebt.
Sorry, aber das Ding ist mir echt ne Nummer zu stark: "Sie schön artig, bleib bei deiner Frau, sei ordentlich zu ihr, sonst wirste noch zum Mädchenschänder!"
Genau so kommts für mich rüber. Und das nimmt mir den gesamten Spaß an der Story. Moral ist schon ok, aber so dermaßen dick aufgetragen, verdirbt das zumindest mir den Spaß an der Atmosphäre, dem ganz ordentlichen Stil etc.

Gruß Pesse

 

Hallo Pesse.

Erstmals vielen Dank für deinen Kommentar.

Wenn Du mir die "Moralische Keule" in die Hand gibst, tust Du nicht ganz Unrecht.
Allerdings hatte ich die moralische Aussage anders gemeint.

Hierbei geht es eher darum, dass ein junger Mensch. der noch das ganze Leben vor sich gehabt hätte, der Möglichkeiten des Lebens beraubt wurde, wogegen andere, Chris, diese elementare, glückliche Chance haben aber nicht nutzen, sie gar verschwenden.

Gegen meinen ersten Gedanken habe ich aber noch die Chance des Bereuens, des Erkennens gegeben, sie auch ergreifen lassen. Hier steckt der moralische Haken: "Lerne draus, dann wirds Dir gut ergehen!" Da hast Du recht.

Dass der Polizist den Vater, den Rächer des Opfers fälschlicher Weise für den Täter hält, soll auf die Voreingenommenheit "mancher" Menschen hinweisen.

MfG

Pat

 

Patrizier schrieb:
Wenn Du mir die "Moralische Keule" in die Hand gibst, tust Du nicht ganz Unrecht.
Allerdings hatte ich die moralische Aussage anders gemeint.

Natürlich hab ich das überspitzt ausgedrückt.

Trotzdem bleibt mein Kritikpunkt: Durch diese extreme, geistige Moralvergewaltigung nimmst du dem Leser jeglichen Spaß an der Geschichte.
Wenn du unbedingt Moral reinbringen willst, dann beschränk dich auf einen(!) Punkt - und den bitte nicht mit dem Vorschlaghammer dargebracht!

Gruß Pesse

 

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