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Stil Parallele Geschichten

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12.02.2004
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Parallele Geschichten

Es gibt ein Buch, das mich gefangen nimmt, mich in den Bann zieht, das ich nicht beiseite legen konnte, bis ich die ganze Geschichte verschlungen hatte, um atemlos aus einer Fülle grotesker Abenteuer in die Realität zurückzukehren, wo ich mir nach dem ersten Mal sofort vornahm, es wieder zu lesen. Ich werde immer wieder danach greifen und selig mit der Erzählung mitleben, wie es sonst nur Kinder bei ihren ersten Leseerlebnissen tun.

Leider ist es kein gutes Buch: Alle Protagonisten sind Klischeefiguren und die Handlung stellenweise so gewaltsam an den Haaren herbeigezogen, dass einem schlecht werden könnte. Aber man nimmt der Autorin alles ab und freut sich sogar, wenn sie unsagbar oberflächlich ist und es nicht merkt, wenn Offiziere dummen Wäschermädeln Versprechungen machen und der Held mit einer Mischung aus Wagemut, schierer Dummheit und guten Manieren in der Großen Gesellschaft glänzt.

Ich heiße Manfred Schmidt und arbeite als Assistent am Institut für Literaturwissenschaft. Bei meinem Rigorosum habe ich den Profs Interpretationen zu Bibelstellen um die Ohren gehauen, dass ihnen Hören und Sehen vergangen ist. So habe ich nachgewiesen, dass der Topos des Glaubens, wie er uns im Markusevangelium begegnet, ein Konzept des Unbewussten voraussetzt, wie es erst tausendneunhundert Jahre später wieder bei Freud in Erscheinung tritt - in der Guten Alten Zeit, in der dieses seltsame Buch spielt, das ich bei Recherchen in der Universitätsbibliothek gefunden habe. Bitte denken Sie jetzt nicht: ein abgehobener Intellektueller! Ich bin relativ normal und trinke gerne ein Bier in netter Gesellschaft und gehe auf den Fußballplatz. Nur habe ich eben diese Vorliebe für Romane.

In diesem ganz speziellen Roman ist die Hauptfigur, der junge Kavallerieleutnant Johann Beimpold, der auch trinkt und spielt aber sich noch viel lieber in Theatern und Kaffeehäusern herumtreibt und lauter Dinge tut, die nicht nur den Kathis und Mizzis die Schamesröte ins Gesicht treiben. Man kennt das noch aus alten Filmen: Männer mit schnarrenden Stimmen machen den Mädels plumpe Komplimente: "Wie bezaubernd Sie heut wieder aussehen, mein Fräulein!" und so weiter. Leutnant Beimpold kann sich nicht nur viel, sondern offenbar alles herausnehmen, wenn der in seiner geschniegelten Uniform durch den Prater streift und sich den Schnurrbart zwirbelt, weil ihm ein ganz besonders hübsches Mädel ins Auge fällt.

Ich lese gerade zum dritten oder vierten Mal, wie er im Kaffeehaus die junge Burgschauspielerin Lola Ingrisch sieht. Ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, geht er unter den Blicken der Schachspieler und Zeitungsleser zu ihr und sagt schmeichlerisch: "Meine Gnädigste, ich kam nicht umhin, Ihren Auftritt in Shakespeares "Sommernachtstraum" zu erleben und versichere Sie, dass Sie einen ungeheuren Eindruck bei mir hinterlassen haben."

Dann schlägt er die Absätze zusammen und küsst ihre Hand: "Sie würden mir die größte Freude machen, wenn Sie mir gestatten würden, an Ihrem Tisch Platz zu nehmen."

Jetzt endlich stellt er sich vor: "Johann Beimpold, Kavallerieleutnant bei den Deutschmeistern, zu Ihren Diensten!"

Anstatt nun vor Scham im Boden zu versinken oder den plumpen Annäherungsversuch abzuweisen, säuselt die so Angesprochene: "Aber gehn's, Herr Leutnant! Ich wüsste nicht, womit ich soviel Verehrung verdient hätte. Setzen Sie sich halt her, wenn es Ihnen Freude macht."

Ich stelle mir die Szene bildlich vor: Die schmucke Offiziersuniform, Schnurrbartspitzen, die beim Handkuss über weißen Fingern in der Kaffeehausluft zittern. Die Szene geht weiter mit einer nahezu endlosen Folge von hanebüchenen Komplimenten. Ich kann nicht mehr! Ich muss laut lachen. Die Leute schauen her. Auch die Blondine, die immer wieder an einem der Nebentische sitzt. Nicht gut! Sie sieht wirklich nett aus, aber mir ist noch nicht eingefallen, wie ich mit ihr ins Gespräch kommen könnte. In meiner Realität ist das doch alles ein wenig anders als in Beimpolds Welt. Sie schaut noch immer her. Ich schaffe es wieder einmal nicht, dem spöttischen Blick aus ihren großen Augen standzuhalten.

Am Abend sitze ich in meinem 15-Quadratmeter-WG-Zimmer gehe auf die Jagd nach Fakten. Kubikmeterweise altes Papier in Regalen beruhigt mich. Meine Mitbewohner lästern sicher wieder über ihren Fertiggerichten, wenn ich mich den ganzen Abend nicht sehen lasse. An diesem Abend lohnt es sich besonders, nach dem Essen nicht mit ihnen Bier zu trinken, sondern mit meinem vorsintflutlichen analogen Modem im Internet zu surfen. An diesem Abend entdecke ich, dass die Autorin des seltsamsten aller Bücher noch immer unter den Lebenden weilt. Sie lebt in dieser Stadt, kaum fünfzehn Minuten zu Fuß von hier entfernt.

Irgendwann in den nächsten Tagen rufe ich bei ihr an. Sie heißt Rudolfine Burger: Eine feine, dominante Stimme am Telefon. Eine Dame. Ich muss alles zweimal oder dreimal sagen, bis sie mich versteht. Scheint ein wenig schwerhörig zu sein, die Gute.

Dann der Besuch: Ich wundere mich über die kleine alte Frau, die so zerbrechlich wirkt und im vierten Stock wohnt, ohne Fahrstuhl. An den Wänden der Küche hängen Fotos: "Mein erster Mann ist im Krieg gefallen. Erst viel später habe ich ihn kennengelernt, meinen Papa. Wir waren vierzig Jahre verheiratet. Viele gute Jahre."

Sie muss Anfang zwanzig gewesen sein, als sie ihr Buch geschrieben hat. Ich sage ihr das und sofort wirkt sie größer. Blaue Augen wie bemaltes Porzellan tasten mich ab.

"Ich war kurz vor dem großen Durchbruch, als sie schlimme Zeit kam: Wirtschaftskrise und Bürgerkrieg. Mein Verleger ist pleite gegangen. Ich habe als Näherin gearbeitet, um die Familie durchzubringen. Mein erster Mann hat ja nie verstanden, dass das Schreiben meine Leidenschaft war."

Meine Erzählungen von meiner Stelle am Institut für Literaturwissenschaft nimmt sie skeptisch und mit kaum unterdrückter Verachtung zur Kenntnis. Ganz ähnlich habe ich reagiert, als ich die ersten Seiten ihres Buches las. Wir sind eben Menschen verschiedener Zeitalter. Sie eine Künstlerin, die vor vielen Jahren fast Erfolg gehabt hätte und ich ... Ich weiß nicht, was ich bin.

***​

Es ist dieses Bild von Leutnant Beimpold, der an Lola Ingrischs Tisch geht, das mich die ganze Zeit beschäftigt. Ich muss immer daran denken. Wie spricht man Frauen an, ohne sich etwas zu vergeben? Wenn sie einen Zurückweisen, ist alles vorbei und es ist so leicht, nein zu sagen. Diesem Beimpold scheint das nie zu passieren. Ich sitze wieder im Café. Auch diesmal ist die Blondine mit den großen Augen an einem der Nebentische. Ich beobachte sie aus den Augenwinkeln wie sie in einem Buch liest, einen Schluck von ihrer Melange nimmt, mit ihrem Handy herumspielt. Zum Teufel, das kann es doch nicht sein!

Dann passiert etwas Unglaubliches: Ich stehe auf, gehe zu ihr und frage: "Ist bei Dir noch frei?" Sie lächelt: "Aber klar!"

 
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Nachdem Nicole Berg mir zuvor gekommen ist, poste ich meine Version eben als Zweiter. Meine Voraussetzungen sind eigentlich viel besser, weil ich das in der Vorgabe leicht abgewandelte Original kenne. ;)

Hier noch ein Querverweis zu Nicole Bergs Version:
http://www.kurzgeschichten.de/vb/showthread.php?p=419057#post419057

Ich hoffe, dass noch ein paar andere folgen werden. :)

 

Hallo Berg,

eigentlich wollte ich ja ins Bett ... aber meine Neugier hat gesiegt . Danke für die nett versteckten kleinen Anspielungen auf meine Interpretation des Themas.

Was wir ja diskutieren wollten, war das Thema Trockenheit. Ich finde, dieses Stück unterscheidet sich leicht von den anderen Geschichten, die ich von dir kenne. Trocken, nein kann man nicht sagen, eher halbtrocken.

Das netteste Stück fand ich die Dialekt-Stelle wo Lola ihn auffordert, sich doch zu setzen. Beim Rest hast du dich sehr an deinen Vorgabetext gehalten und nur noch relativ wenig Inhalt hinzugefügt. Damit fehlt meiner Ansicht nach Zeit, dass sich Stimmung aufbauen kann. Das betrifft vor allem das Treffen mit der Autorin, das sich irgendwie liest, als wäre dir die Zeit ausgegangen. (Ich sollte insofern nicht lästern, als ich sie auch recht mager charakterisiert habe).

Tja und die indirekte Charakterisierung des Protagonisten: Was an manchen Stellen schön heraus kommt, ist seine Fähigkeit sich auszudrücken. Andererseits bleibt sein Wesen irgendwie im Dunkeln, da die Stellen wo du ausführlicher wirst, nur von dem Buch handeln. Für ihn selber bleibt für meinen Geschmack einfach zu wenig Raum.

Das wars auf die Schnelle, vielleicht folgt ein Frotsetzung, ein paar kleine Fehlerchen sind noch drinne, sorry ist zu spät zum zusammenklauben,

buona notte,

N

 

Hallo Fritz,

interessant ist dein Schreibspiel auf jeden Fall; es macht Spaß, eure verschiedenen Texte zu lesen und zu vergleichen.

Eigentlich noch weniger Pointe bei dir als bei Nicole, aber ich glaube, du hast sie auch nicht beabsichtigt. Schade, denn das Ende der Vorgaben lässt doch Raum dazu.

Deine modernen Stellen haben mir gut gefallen; sie bilden einen guten Kontrast zu dem alten Buch. Allerdings, den Reiz der Trivialliteratur kann ich bei dir (im Gegensatz zu Nicoles Geschichte) nicht nachempfinden. Es wirkt nur steif auf mich, ohne mich mit der Sprache zu locken. Du betonst den Schund so sehr, ohne das Gute, Fesselnde zu beschreiben.

Deine ersten drei Absätze klingen ein bisschen wie ein Essay: vergleiche ihn doch nochmal mit Nicoles Einstieg ... Insgesamt aber nicht so trocken. ;)

Ich weiß nicht, ob mein Feedback nützlich ist; mal sehen.

Gruß, Elisha

 

Was ist schon nützlich? :)
Am Ende werde ich beizeiten noch ein wenig feilen. Es wirkt tatsächlich etwas kurz und am Reiz der Trivialliteratur könnte man auch arbeiten.

Gruß zurück,

Fritz

 

Hallo Berg,

irgendwie kam mir die Geschichte bekannt vor ;)

Erste Eindrücke: Zu passiv, zu wenig Handlung, zu viele Behauptungen, die man besser in Aktion hätte auflösen können – und: der Autor ist zu sehr distanziert von seiner eigenen Geschichte. Das erkennt man schon an den ersten Sätzen.

Es gibt ein Buch, das einen gefangen nimmt, einen in den Bann zieht, das man nicht beiseite legen kann, bis man die ganze Geschichte verschlungen hat, um atemlos aus einer Fülle grotesker Abenteuer in die Realität zurückzukehren, wo man sich sofort vornimmt, es wieder zu lesen.
Entweder der Erzähler meint, dass es für jeden Leser ein Buch gibt, das einen immer wieder gefangen nimmt, dann müsste es heißen: „Es gibt für jeden Menschen ein Buch...“ oder der Erzähler meint, dass es für ihn ein ganz bestimmtes Buch gibt, das ihn gefangen nimmt, dann müsste es heißen „Es gibt ein Buch, welches mich gefangen nimmt...“
Ich erläutere das so ausführlich, weil sich diese Distanz des Erzählers zu seiner eigenen Geschichte wie ein roter Faden durch die Geschichte zieht. Und mal ehrlich: Wenn schon der Erzähler keine Lust hat, sich auf seine Geschichte einzulassen, wieso sollte ich als Leser Lust dazu haben.

Man muss sich das bildlich vorstellen ...
Tja, das genau ist das Manko dieser Geschichte. Ich will mir nicht sagen lassen, dass ich mir etwas bildlich vorstellen soll – ich will es von dem Autor (also von dir) gezeigt bekommen. Zeig mir das verrauchte Cafe, zeig mir die mondäne Schauspielerin, zeig mir den Leutnant, zeig mir die alte Dame. Zeig mir ihre Eigenheiten, ihre Macken, ihre Art zu sprechen etc.

Etwas schwerhörig scheint sie zu sein.
Noch ein schönes Beispiel. Das ist eine Behauptung, die ich als Leser glauben kann oder nicht. Eigentlich muss ich sie einfach so schlucken. Wenn du das allerdings in Handlung auflöst, bin ich viel eher bereit, dir zu glauben, dass die alte Dame schwerhörig ist.

Fazit: Auf mich wirkt die Geschichte weniger wie eine Kurzgeschichte, sonder mehr wie die Interpretation einer Geschichte.
Mehr „Show“ und weniger „Tell“ würde dieser Geschichte sicher gut tun.

Gruß
George

 

Hallo Fritz,

hier nun die versprochene ausführliche "Kritik" deines Textes:

Es gibt ein Buch, das einen gefangen nimmt, einen in den Bann zieht, das man nicht beiseite legen kann, bis man die ganze Geschichte verschlungen hat, um atemlos aus einer Fülle grotesker Abenteuer in die Realität zurückzukehren, wo man sich sofort vornimmt, es wieder zu lesen. Man wird immer wieder danach greifen und selig mit der Erzählung mitleben, wie es sonst nur Kinder bei ihren ersten Leseerlebnissen tun.

Im Prinzip hast du als Einstieg genau deinen Vorgabesatz gewählt, allerdings in verlängerter Form. Als Erfinder der Vorgabe bist du natürlich etwas benachteiligt ;) was ein Umwerfen der Reihenfolge betrifft, aber George und ich hatten den gleichen Gedanken, dass man mit einem derartig abstrakten Aufhänger nur schwer in die Geschichte einsteigen kann.

Georges Erläuterungen zu dem Einleitungsabsatz würde ich deshalb voll unterschreiben.

Leider handelt es sich bei diesem Buch, das kaum hundert Seiten umfasst, um ziemlichen Schund: Alle Protagonisten sind Klischeefiguren und die Handlung stellenweise so gewaltsam an den Haaren herbeigezogen, dass einem schlecht werden könnte. Aber man nimmt der Autorin alles ab und freut sich sogar, wenn sie unsagbar oberflächlich ist und es nicht merkt, wenn Offiziere dummen Wäschermädeln Versprechungen machen und der Held mit einer Mischung aus Wagemut, schierer Dummheit und guten Manieren in der Großen Gesellschaft glänzt.

Auch hier tritt der Protagonist nur indirekt aus seinen Gedanken hervor. Über die "man"-Formulierungen wird zwar klar, dass er das irgendwie denkt, trotzdem ist er noch unsichtbar, nicht selbst in Erscheinung getreten. Der Inhalt bezieht sich ausschließlich auf das Buch. Die Leserschaft hatte bisher keine Chance den Protagonisten (also den Leser des Buches) kennenzulernen, wird aber hier aus zweiter Hand damit konfrontiert. Insofern schwierig, als die Beschreibung ja auch negativ ist, also stark fraglich ob sich der Leser deiner Geschihte für dieses Buch erwärmen könnte.

Ich bin gut im Interpretieren von Texten. Bei meinem Rigorosum habe ich den Profs Interpretationen zu Bibelstellen um die Ohren gehauen, dass ihnen Hören und Sehen vergangen ist. So habe ich zum Beispiel nachgewiesen, dass der Topos des Glaubens, wie er uns im Markusevangelium begegnet, ein Konzept des Unbewussten voraussetzt, wie es erst tausendneunhundert Jahre später wieder bei Freud in Erscheinung tritt - in der Guten Alten Zeit, in der dieses seltsame Buch spielt, das ich bei meinen Recherchen in der Universitätsbibliothek gefunden habe. Schon nach dem ersten Absatz war mein Eindruck: Schund! Und dennoch ...

Weisst du, wie ein klassisches Klavierkonzert aufgebaut ist? Da gint es meist eine Orchesterintroduktion und dann kommt der Auftritt des Solisten. In deiner Geschichte ist das dieser Punkt! :D Und wie lautet der Satz:

Ich bin gut im Interpretieren von Texten

Wenn das das Credo des Prot ist, frage ich mich, ob ich ihn im Cafe kennenlernen wollte, falls er an meinen Tisch käme ... Nein, Spaß beiseite: Hier haben wir im Vergrößerungsglas das Thema "Trockenheit". Der Prot. mag ein Bücherwurm sein, verklemmt, in einer anderen Welt lebend (sit er bei mir ja auch ...) aber dennoch kann er der Leserschaft ans Herz wachsen, aber nicht mit einem "Ich bin gut im Interpretieren von Texten".

Da ist zum Beispiel die Hauptfigur, der junge Kavallerieleutnant Johann Beimpold, der auch trinkt und spielt aber sich noch viel lieber in Theatern und Kaffeehäusern herumtreibt und lauter Dinge tut, die nicht nur den Kathis und Mizzis die Schamesröte ins Gesicht treiben.

Auch wieder recht komprimiert und abstrakt.

Ich lese gerade zum dritten oder vierten Mal, wie er im Kaffeehaus die junge Burgschauspielerin Lola Ingrisch sieht. Ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, geht er unter den Blicken der Schachspieler und Zeitungsleser zu ihr und sagt schmeichlerisch: "Meine Gnädigste, ich kam nicht umhin, Ihren Auftritt in Shakespeares "Sommernachtstraum" zu erleben und versichere Sie, dass Sie einen ungeheuren Eindruck bei mir hinterlassen haben."

Endlich! Das ist der erste Absatz, wo der Prot. direkt sichtbar wird. Für ein paar Zeilen wird Manfred charakterisiert, bevor du sofort wieder beim Buch landest. Mein Vorschlag wäre, diesen Absatz, der nicht schlecht ist, deutlich nach oben zu verlagern.

Ich lache laut auf. Die Leute schauen schon her. Auch die Blondine, die mir neulich aufgefallen ist. In meiner Realität ist das doch alles ein wenig anders, denke ich und schaffe es wieder einmal nicht, dem spöttischen Blick aus ihren schönen Augen standzuhalten.

Eigentlich die einzige Stelle, an welcher ich mich beim ersten Lesen wirklich gestört habe. Vor allem auf Grund der Logik: Wie kann ihm neulich (Vor einigen Tagen???) eine Blodine aufgefallen sein, die jetzt zu ihm hersieht?

Hier übertreibst du es wirklich mit der Kürze. Es kommt nicht 'rüber, dass die Cafe-Besuche regelmäßig sind und es im Cafe "Stammgäste" hat.

Dann der Besuch: Ich wundere mich über die kleine alte Frau, die so zerbrechlich wirkt und im vierten Stock wohnt, ohne Fahrstuhl. An den Wänden der Küche hängen Fotos: "Mein erster Mann ist im Krieg gefallen. Erst viel später habe ich ihn kennengelernt, meinen Papa. Wir waren vierzig Jahre verheiratet. Viele gute Jahre."

Sie muss Anfang zwanzig gewesen sein, als sie ihr Buch geschrieben hat. Ich sage ihr das und sofort wirkt sie größer. Blaue Augen wie bemaltes Porzellan tasten mich ab.

"Ich war kurz vor dem großen Durchbruch, als die schlimme Zeit kam: Wirtschaftskrise und Bürgerkrieg. Mein Verleger ist pleite gegangen. Ich habe als Näherin gearbeitet, um die Familie durchzubringen. Mein erster Mann hat ja nie verstanden, dass das Schreiben meine Leidenschaft war."


Sprachlich schön, gefällt mir, nur zu kurz.

Meine Erzählungen von meiner Stelle am Institut für Literaturwissenschaft nimmt sie skeptisch und mit kaum unterdrückter Verachtung zur Kenntnis. Genau so habe ich reagiert, als ich die ersten Seiten ihres Buches las. Wir sind eben Menschen verschiedener Zeitalter. Sie eine Künstlerin, die vor vielen Jahren fast Erfolg gehabt hätte und ich ... Ich weiß nicht, was ich bin.

Schön das "Ich weiß nicht, was ich bin". Der Rest etwas Unstimmung. Finde es gewagt die Verachtung der Alten Dame mit einer Verachtung??? zu vergleichen, die der Prot beim Lesen des Buches am Anfang empunden haben soll.

Und kurz und knapp dann der AUsstieg:

Es ist dieses Bild von Leutnant Beimpold, der an Lola Ingrischs Tisch geht, das mich die ganze Zeit beschäftigt. Ich muss immer daran denken und irgendwann, wie ich die Blondine mit den großen Augen wieder im Café sehe, passiert etwas Unglaubliches: Ich stehe auf, gehe zu ihr und frage: "Kann ich mich zu Dir setzen?"

Ich hoffe, Fritz, dass dir diese etwas detaillierte Antwort weiterhilft, wie dein Text auf andere wirkt. Wir bleiben in Kontakt und hoffen auf weitere Vergleichsstorys,

LG,

N

 
Zuletzt bearbeitet:

Sieht so aus, als müsste ich da nochmal drüber. :)
Danke für die ausführliche Reaktion! Der Kernpunkt Eurer Kritiken scheint das Wort "abstrakt" zu sein. Werde das gleich mal ändern ...

Schon passiert! Mal schauen, ob die Korrekturen und Erweiterungen von heute den Text sympathischer machen.

Den Einstieg in der Originalgeschichte finde ich übrigens genial! Der Einfachheit halber habe ich nach Euren Reaktionen einfach die Ich-Form gewählt.

Später mehr und ausführlicher! :)

Fritz

 

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