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Patrick am Bahnhof - Eine Momentaufnahme

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21.10.2003
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Patrick am Bahnhof - Eine Momentaufnahme

Der Nebel über dem abendlichen Bahnhof ist wie eine Decke, die alles unter einer schweren, bleiernen Kälte erdrückt. Die Lampen sehen aus wie Totenlichter auf einem zugeschneiten Friedhof. Ich stehe in der Menschenmenge wie ein Geist, den niemand sieht. Oder niemand sehen will. Männer in feinen Anzügen, Frauen in eleganten Mänteln, Kinder in dicken Pelzkleidern. Und mittendrin ich, mit einer schäbiger grauen Hose und dem zerrissenen, ehemals weißen Hemd. Durch die kaputten Schuhe und das Hemd dringt die klirrende Kälte und betäubt meine Zehen und Arme. Ich bewege mich, um zumindest das verdammte Zittern loszuwerden. Meine Zähne tun vom Aufeinanderschlagen bereits weh.

Der Mann am Schalter blickt endlich auf. Ich stand schon zwei Minuten hier in der Kälte und redete auf ihn ein, während er es sich in seinem Stuhl bequem machte und so tat, als suche er etwas.
"Was wünschen Sie?", fragt er genervt.
"Eine Karte nach ---, bitte."
"Wohin?", seine Stimme klingt scharf, attackierend.
"---."
"---?" Der selbe Tonfall.
"Genau."
"Nach --- also. Sicher?"
"Wieso nicht?", frage ich verwundert und etwas irritiert.
Er blickt mich an, als hätte ich ihm gerade gesagt, dass ich Napoleon Bonaparte bin. Dann mustert er mich, er steht sogar aus seinem Stuhl auf und beugt sich vor, bis sein Gesicht fast die penibel saubergeputzte Scheibe berührt.
"Haben Sie überhaupt Geld dafür?", fragt er mich und betont das "Sie" dabei so, dass ich ihn am liebsten erwürgen würde.
"Werden Sie mal nicht unverschämt.", sage ich und versuche dabei, so gelassen wie möglich zu klingen. Ich habe keine Lust auf seinen Spott, aber noch weniger auf einen Streit in der Öffentlichkeit. Ich verstehe nicht, was manche Menschen an einem öffentlichen Streit so anzieht. Aber vielleicht bin ich auch nur zu viel allein, um das zu verstehen.
"Tut mir leid", winkt er ab, "aber fragen wird man wohl noch dürfen."
Die Frau hinter mir lacht, und als ich mich umdrehe, wendet sie das Gesicht ab und blickt zu Boden, lächelt aber weiter. Ich wende mich wieder dem Mann zu und verlange die Fahrkarte.
Er zieht sie quälend langsam ab. Ich reibe die Handflächen an meinen Oberarmen, kralle die Finger darum.
"Bitte sehr.", sagt er und gibt mir die Karte, er sieht mich erwartungsvoll und fordernd an. Ich lege einen Euro neunzig auf die Kasse. Dann gehe ich schnell vom Schalter weg, weil die Frau im Nerzmantel hinter mir schon nörgelt und sich an mir vorbeischieben will, aber auch, weil ich die Blicke des Kartenverkäufers nicht ertragen kann.

Ich setze mich auf eine der schwarz lackierten, kalten Bänke. Am anderen Ende sitzt ein Mann mit einem kleinen Mädchen auf dem Schoß. Es fängt an zu quängeln, sagt, das es zu ihrer Mama will. Er sagt ihr, sie soll still sein, und als sie nicht aufhört, verspricht er ihr, ein Spielzeug für sie zu kaufen, wenn sie jetzt leise ist. Das Mädchen beginnt zu weinen. Der Vater sagt ihr in einem versöhnenden, onkelhaften Ton, dass sie ihre Mutter nicht mehr wiedersehen kann und dass sie jetzt zu Oma fahren und dort eine Weile wohnen werden. Aber das Mädchen will weiter zur Mama, sie schreit und kratzt dem Vater ins Gesicht, als er sie umarmen will. Der Vater lässt das Kind los und holt aus, während sie zu Boden fällt. Ich wende den Blick ab, weil ich es nicht sehen will. Ich höre erst der Aufprall, dann... nichts. Das Mädchen schreit noch lauter, aber der Vater hat nicht zugeschlagen. Er redet wieder sanft auf das Kind ein, scheint es hochzuheben und zu umarmen, während es weiter schreit und seine Mutter verlangt. Irritiert blicke umher. Ich hasse solche Szenen. Meine Augen scheinen nirgends Halt zu finden, und so blicke ich auf meine Fahrkarte, die ich die ganze Zeit in der Hand gehalten und nun vor lauter Frieren fast zerknüllt habe. Dann blicke ich auf die große Uhr an der Wand, nicht so sehr, weil ich tatsächlich die Uhrzeit wissen will, sondern vielmehr, um mich von den Beiden neben mir abzulenken. 20:49 Uhr und ein Paar belangslose Sekunden. Oder sind diese Sekunden eben nicht belangslos? Ich räuspere mich. Das Kind hört nicht auf zu schreien, ich weiß nicht wieso. Ich höre, dass es sich von seinem Vater losreißen will, aber ich vermeide es, hinzusehen. Es beginnt zu kreischen, Menschen, die vorbeigehen, schütteln den Kopf und werfen, so glaube ich, dem Vater vorwurfsvolle Blicke zu. Ich schaue wieder zu Boden, das Geschrei wird immer lauter und panischer. Meine Geduld ist erschöpft, ich stehe auf. Als ich weggehe, hört das Mädchen zu weinen auf.

 

Hallo!

Am 28. November 2004, also letzten Sonntag, habe ich diese Geschichte am Nachmittag geschrieben.
Sie lebt überwiegend von der Atmosphäre. Ich habe den Ort und die Zeit nicht genau bestimmt, da sie ganz einfach keine weitere Bedeutung haben. Es geht um die Gefühle von Patrick in diesem Moment, deshalb wird auch er nicht weiter näher beschrieben.
Stilistisch habe ich versucht, sie zwar glatt zu schreiben, also ohne Verschnörkelungen á la H.P. Lovecraft oder E.A. Poe, aber ich hoffe doch, dass Atmosphäre aufkommt.
Zum ersten Mal habe ich auch nicht versucht, ein Genre zu bedienen, sondern einfach geschrieben und dann erst die Rubrik ausgewählt.
Ich hoffe natürlich, dass die Geschichte euch gefällt, aber sogar wenn sie Verrisse erntet, kann ich mich doch noch mit der Erinnerung trösten, dass es einfach toll war, sie zu schreiben.

Hochachtungsvoll und liebe Grüße,

Lestat

 

Hallo Lestat!

Wenn der Ort egal ist, dann lass auch A... und B... weg. Es ist wirklich egal und die Abkrüzugen sind nur holprig. ;)

Frauen in eleganten Kleidern, Kinder in dicken Pelzmänteln.
nur SEHR dumme Fruaen haben bei der von Dir beschriebenen Kälte elegante Kleider an ... Pelzmäntel würden dem Frauenklischee mehr entsprechen, Kinder haben normalerweise Kunststoffzeug an.

mit einem schäbiger grauen Hose
einer
um zumindest das verdamme Zittern loszuwerden.
verdammte

Der Mann am Schalter blickt endlich auf. Ich stand schon zwei Minuten hier in der Kälte und redete auf ihn ein, während er es sich in seinem Stuhl bequem machte und so tat, als suche er etwas.
Zeitmix. Ich stehe ... und rede / habe geredet ... bequem gemacht hat und so getan hat, als würde er etwas suchen

fragt er mich und betont das "Sie" dabei so, dass ich ihn am liebsten erwürgt hätte.
erwürgen würde

Am anderen Ende sitzt ein Mann mit einem kleinen, Mädchen auf dem Schoß. Es fängt an zu quängeln, sagt, dass es zu ihrer Mama will. Er sagt ihr, sie soll still sein
kleinen (kein komma) Mädchen ... quengeln, sagt, dass es zu seiner (DAS mädchen, schau nach Folgefehlern) ... Er sagt ihm, sie soll ... Das Gespräch wäre meiner Meinung nach als Dialog wesentlich besser - oder mit indirekter Rede. So wirkt es sehr umständlich

20:49 Uhr und ein Paar belangslose Sekunden.
zählen Bahnhofsuhren die Sekunden?

Das Kind beginnt hört nicht auf zu schreien
;)

Als Momentaufnahme nett, teilweise recht atmosphärisch. Leider noch viele Fehler und holprige Stellen - eine Überarbeitung würde gut tun. Schön, wenn Du Spaß während dem Schreiben hattest. :)

liebe Grüße
Anne

 

Hallo!

:bonk: :bonk: :bonk:

Erstmal danke, dass du die Story gelesen hast. Wenn ich mir die Fehler ansehe... au weia. Da wird meine Zimmerwand noch einiges aushalten müssen... ^^. Trotzdem schön, dass dir die Geschichte gefallen hat. Die Fehler werden gleich mal überarbeitet.

Danke und Tschüss,

Lestat

 

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