Mitglied
- Beitritt
- 25.09.2008
- Beiträge
- 18
Paula und die Schwarz-Weiße
„Ihr könnt eine Katze anschaffen- aber ich habe mit dem Tier nichts, aber auch gar nichts zu schaffen.“ sagte mein Mann im November freundlich aber bestimmt zu seinem Sohn und mir.
„Und was meinst du damit genau?“ fragte ich ihn.
„Das heißt, ich werde sie nicht füttern, streicheln oder mit ihr zum Tierarzt fahren. Ich werde kein Futter kaufen und vor allem werde ich das verdammte Katzenklo nicht sauber machen. Außerdem darf sie nicht ins Schlafzimmer, um in meinem Bett zu schlafen und wenn wir in den Urlaub fahren wollen, dann sorgt ihr dafür, dass das Tier gut versorgt ist. Wir werden es nicht in den ersten Sommerferien an einer Tanksäule festbinden, wenn wir auf der Autobahn Richtung Brenner unterwegs sind. Kurzum, ich habe mit dem Tier eben nichts zu tun. Ich werde sie dulden und wir werden uns respektvoll aus dem Weg gehen.“
Mehr wollten Bastian und ich nicht von Tom. Eine respektvolle Akzeptanz des neuen Mitbewohners schien uns ausreichend. Aber wo bekommt man im November in Deutschland ein Katzenbaby her? Pünktlich angeliefert zu Weihnachten und möglichst nicht älter als ein paar Wochen? Hübsch sollte sie auch noch sein und gesund, natürlich.Ich stieß bei meinen Recherchen auf Paula, fanatische Katzenliebhaberin, und gleichzeitig versiert und engagiert im fliegenden Katzentransfair zwischen Marbella-Tierheim und dem Ruhrpott. Nach der ersten Kontaktaufnahme folgten viele weitere Gespräche mit Paula.
Ich schilderte Paula unsere familiäre Situation, die Einkommenslage, Wohnverhältnisse, Mitbewohner, Tagesbeschäftigung nebst Abwesenheitszeiten,sowie meine emotionalen Beziehungen zu meiner Familie und der Familie meines Mannes, und mein Verhältnis zu Tieren überhaupt.
Danach forderte Paula ein polizeiliches Führungszeugnis und je ein Attest eines Allergologen für die ganze Familie bezüglich „Katzenhaarallergie Freiheit“ sowie eine Unbedenklichkeitserklärung unseres Steuerberaters bezüglich der Futter- und Tierarztkosten an. Ich ergab mich in mein Schicksal und besorgte die Papiere.
"Herzlichen Glückwunsch," rief Paula irgendwann endlich in den Hörer " ich werde mich mit der Leiterin in Marbella besprechen, welches Tier wir für sie haben. Vorausgesetzt, ich kann vor Anreise der Katze noch einen kurzen Blick auf ihre tatsächlichen Wohnverhältnisse werfen. Ich würde ja auch gerne ihren Sohn und ihren Mann kennenlernen. Dann bringe ich auch gleich den Schutzvertrag für die Katze mit, den können sie dann gleich unterschreiben, damit sie wissen, worauf sie sich einlassen.“ kicherte Paula in den Hörer.
„Kein Problem. Sie sind jederzeit willkommen!“ sagte ich und dachte „Aber nur mit Termin. Ich brauche zwei Tage, um die Bude vorzeigbar zu machen.“
„Na dann machen wir doch einfach direkt einen Termin für morgen. Passt es ihnen da? So gegen 15.00 Uhr?“
„Äh. Ja. Äh. Natürlich. Gerne. Ich freue mich auf ihren Besuch. Bis morgen gegen drei.“ sagte ich und legte den Hörer auf.
„Tom? Was hältst du davon, ein nigerianisches Kind zu adoptieren? Statt der Katze, meine ich?“
rief ich aus der Küche in Richtung Wohnzimmer, in dem Tom weltentrückt vor seinem Aquarium hockte.
„Wie du meinst, meine Liebe, wie du meinst. Ich bin dabei!“ rief er zurück.
Ein Kind aus Nigeria zu adoptieren schien mir unter diesen Umständen ein leichteres Unterfangen zu sein, als eine kleine Katze aus einem spanischen Tierheim aufzu- nehmen. Ich diskutierte diese Frage mit Tom.
„Wäre nicht ein Kind in fortgeschrittenem Alter, vielleicht so sechs bis neun Jahre alt, eine gute Alternative zu einer Katze?“ fragte ich ihn nach den ersten zehn Gesprächen mit Paula.
„Es wäre praktisch“ antwortete Tom, „und auf dem WC müsste es nur die Spülung drücken. Ja, bei näherem Überlegen scheint mir eine Adoption eines nigerianischen Kindes die einfachere Variante. Es würde sein eigenes Bett haben und nicht alles voll fuseln mit Haaren. Außerdem würgen Kinder selten Haarknäuel aus und kotzen dann noch Futter hinterher.“
Wir sprachen mit Bastian, unserem Sohn, der aber stur eine Katze einem nigerianischen Kind vorzog: Danach rief ich Paula an, um mit ihr einen Termin zu vereinbaren.
Am zehnten November sagte ich zu Tom:
„Tom, die Katzenfrau kommt morgen Nachmittag. Wenn du auch nur mit einer Silbe durchblicken lässt, das Katzen dir im allgemeinen und unsere zukünftige Katze im Besonderen, absolut gleichgültig sein wird und du dieses Tier allerhöchstens dulden wirst, dann lasse ich mich sofort scheiden.“
„Meine Liebe“, sagte Tom „was genau ist mein Auftrag? Eine Scheidung wegen eines Tieres, dass noch nicht einmal eine Pfote in unsere Wohnung gesetzt hat, scheint mir momentan unangemessen und leicht überzogen.“
„Du sagst einfach, dass die goldenen Futternäpfe schon verpackt in deinem Nachttisch stehen und auf eben diesem ein Stapel Bücher liegt: „Meine Katze und ich“, „Verstehe deine Katze“ „Erste Hilfe für Katzen“ und so weiter.
Außerdem liegt eine warme Decke am Fußende deines Bettes bereit, damit das Kätzchen dort prima schlafen kann. Und dass du einen Fensterbauer bestellt hast, der Katzenschutzgitter vor alle Fenster montiert, damit wir im Sommer in der Wohnung nicht bei geschlossenen Fenstern ersticken. Nein, das sagst du lieber nicht. Sag‘ besser, dass die Katze ja frische Luft braucht und diese in Sicherheit genießen soll. Beiläufig kannst du noch erwähnen, dass diese Sicherheitsmaßnahme pro Fenster 130,00 € kostet und wir acht Fenster unser eigen nennen.“
Paula kam, sah und war hochzufrieden mit dem was sie sah. Sie freute sich über dieses unglaubliche Engagement in unserer Familie. Vor allem über Toms Begeisterung. Er hatte so richtig verbal Gas gegeben und gleichzeitig geschickt den Zutritt zu unserem Schlafzimmer verhindert.
„Ihr Mann scheint ja jetzt schon ganz vernarrt zu sein in das Tierchen. Das erlebe ich wirklich selten. Normalerweise stehen die Väter den Tieren eher gleichgültig gegenüber. Manchmal sogar muffig- ablehnend. Sie akzeptieren das Tier zwar, gehen ihm aber aus dem Weg. Vor allem wollen sie nichts mit der Versorgung am Hut haben.“
„Ach! Das ist ja unglaublich,“ sagte ich „und sie vermitteln dann trotzdem?"
„Aber klar,“ grinste Paula „wenn die Katz‘ erst mal im Haus ist, dann sind es die Männer, die in Liebe entbrennen, keine Arbeit damit haben und einfach nur die Anwesenheit des entspannten Tieres genießen. Und sich um nichts kümmern müssen, dafür haben sie ja im Vorfeld gesorgt.“
„Ach. So ist das.“ sagte ich erschöpft, denn ich hatte in Rekordzeit einhundertunddreißig speckige und verstaubte Quadratmeter geputzt, gebürstet, gesaugt, poliert und geschrubbt bevor Paula ihren Pumps auf unsere Fliesen setzte.
Wir hatten gesiegt. Und jetzt stehen wir im Behinderten-WC auf dem Flughafen Düsseldorf und nehmen unsere kleine schwarz-weiße in Empfang. Sie kotzt gerade Bastian unter viel Gewürge und merkwürdigen Geräuschen zum ersten Mal auf sein T-Shirt.
„Iiiiiii! Das ist ja eklig!“ ruft er und beginnt ebenfalls zu würgen. Dann erbricht er sich auf das Fell der Schwarz-Weißen. Sie stinken. Alle beide.
Und Paula lacht.