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Per Vers

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12.04.2007
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Per Vers

Per Vers oder kein Witz mit Bart

Stille klingt's in den Büros. Ruhe herrschet in der Verwaltung. Weihnacht steht vor der Tür, trägt einen langen, roten Kapuzenmantel - nebst weißem Bart - wenngleich ein Kind zu feiern wäre, das zudem irgendwie eher mediterran aussähe denn blass und blond.

Im Büro herrscht Ruhe. Bildschirmschoner treiben ihr verwegenes Spiel und tun ihre Arbeit. Das Tagewerk scheint vollbracht, das Jahressoll nahezu erfüllt zu sein, denn der eine im Büro löst Kreuzworträtsel - "um fit zu bleiben" sagt er - , ein anderer döst vor sich hin - "ich meditiere, was Kraft und Ruhe gibt, die wir alle bräuchten in schwieriger Zeit", behauptet der.
Nur der Rechner summt moderne Melodien und die Heizung rauschet stille für sich hin ihr wärmendes Lied.

Bis es klopft an der Tür.

Der Meditierende öffnet die Augen, der Rätselfreund blickt kurz auf. Als sich nichts tut - außer, dass es leise pocht - bellt der Rätselfreund "Ja!", um den südländischen Typ, der vorsichtig hineinkommen will, sofort wieder hinauszubefördern: "Sehn S'e nicht, dass wir zu tun haben? -
Warten Sie bitte auf dem Flur!", und der Typ folgt der Anweisung.

Der Meditierende fragt, ob noch Termine anstünden, was beide so genau nicht wissen. Also bellt der Rätselfreund vorsichtshalber "Herein!" und der Südländer betritt den Raum.

"Nehmen Sie Platz!"
Als der Typ sitzt, fragt der Rätselfreund: "Was können wir für Sie tun?"
"Ich möchte gerne Mitglied Ihrer ehrenwerten Gesellschaft werden", sagt der Typ - akzentfrei, dass sich die andern erstaunt anschau'n.
"Sprechen Sie denn auch zu Hause deutsch?", fragt der Wortführer, dass der Gefragte in gutem und richtigen Deutsch gesteht, er suche halt ein richtiges Zuhause und werde dort mit derselben Zunge sprechen wie hierorts.
"Sagen Sie mir bitte Ihren Namen?"
"Koreus Trochäus ..."
Der bis gerade noch meditierte, in sich ruhte und sich selbst suchte, kichert: "Aber Sie selbst sind doch gar keiner", und freundlich wirft der andere ein "Da wär' doch schon der Jambus reiner", und gibt seinerseits belustigt Zeichen in den Rechner ein. Spitzfindig bemerkt sein Kollege "eher sollten Sie Amphibrachis heißen, könnten aber auch Spondeus sein - je nachdem, wie man's mit der Betonung hielte."
Der am Computer fragt: "Sie sind Grieche?"
"Nach Name und Herkunft schon. Tatsächlich aber gehör ich der ganzen Welt ..."
"Weltbürger, also", definiert der am Rechner und murmelt: "Die ha'mer schon gern!", während der Mediator "eher Schiller" meint und übermütig wird: "Sind Sie wirklich so alt, wie Sie aussehn?"

"Älter noch", antwortet Trochäus, der unter freundlich-fröhlichen Menschen auftaut: "Schon als Mama mich ausgespien hat, fühlt' ich mich älter, als ich tatsächlich war, und ich werde mich immer älter fühlen, als ich bin, und nie so alt werden können, als ich mich fühl."

Der Mediator vermerkt: "Vernehm ich da so etwas wie Melancholie?"
"Bin Melancholeriker ...", sagt der Typ.
"Was ist denn das für ein Versefuß von verdoppeltem Trochäus? Melan, verehrter Kollege, ist schwarz, doch cholé gelbe oder weiße Galle", sagt der eine und der andere: "Dann woll'n wir mal aufhör'n zu philosophiern! -

Sind Sie verheiratet? Haben Sie Kinder ..."
"Quasi lauter Trochäen ...", kichert der Mediator, ohne den am Computer unterbrechen zu können: " ... Haben Sie Arbeit?"
"Ledig bin ich seit Anbeginn. Kinder hab ich ungezählte."
Empört sich der eine "und da sind Sie noch ledig!?", dass der andre hinzufügt: "Da werden Sie doch hoffentlich für sorgen?"
Trochäus antwortet wahrheitsgemäß: "Hatte niemals Zeit, mich zu entledigen oder gar zur Entsorgung. Werd hierzulande mehr gebraucht und häufiger verwendet als im Lande meiner Herkunft. Hab keine Zeit für Familiäres. Hab allzu viel zu tun ..."

Da ist dem am Computer die alles entscheidende Frage eingefallen: "Haben Sie überhaupt einen Termin?"
"Nein."
"Dann woll'n wir doch mal gleich einen machen ...", lächelt der am Computer recht freundlich, bedient die Tastatur, während der Mediator zufrieden grinst und sich auf seine eigentliche Profession vorbereitet.

"Wäre Ihnen der zwanzigste Januar, vierzehn Uhr, recht?"
"So spät?"
"Das ist der früheste Termin, den wir Ihnen anbieten können ..."
Also ist Trochäus einverstanden, bedankt sich freundlich und wünscht schöne Tage diese Tage, verlässt den Raum.

"Bei dem Lebenswandel wird der kein Mitglied im Verein!", sind beide sich einig.

Stille kehrt wieder ein ins Büro, als ginge alles seinen gewohnten Gang. Der eine löst Kreuzworträtsel, der andere sammelt Ruhe und Kraft, der Rechner summt seine monotone Melodie und die Heizung rauschet warm für sich hin. Doch bevor der Bildschirmschoner seine segensreiche Arbeit wieder aufnimmt, klopft es.

Der Typ wird lästig, denn er fragt nach dem Jahr ...

 

Hallo @Friedrichard ,
nu wirds aber Zeit!
Ich habe also diese Geschichte für meine Revanche ausgewählt und möchte gleich noch einmal betonen, dass ich Deine Texte selten 100%ig verstehe, was in diesem speziellen Falle sicher an der genüsslichen Frivolität liegt, die sich durch den ganzen Text zieht. Aber ich gehe noch genauer darauf ein.
Nur allzu sehr werde ich versuchen, etwas Hilfreiches zu hinterlassen.

"ich meditiere, was Kraft und Ruhe gibt, die wir alle bräuchten in schwieriger Zeit", behauptet der.
Er behauptet es zwar, da es sich allerdings um ein Zitat handelt: SPrach er wirklioch so? Kann ja sein, dass man hier im Rahmen des Zitierens einen gewissen Freiraum hat, obwohl wir ja in Deutschland leben. Wie verhält es sich damit?

wenngleich ein Kind zu feiern wäre, das zudem irgendwie eher mediterran aussähe denn blass und blond.
:hmm: Habe ich das richtig als Anspielung auf die Herkunft des Christkindes gedeutet? So weit, so gut zum Thema Frivolität.

"Koreus Trochäus ..."
Also ich kann mit diesen Begrifflichkeiten noch grob umgehen, hatte allerdings das Gefühl, dass mir genaueres Wissen fehlte, um die folgenden Witze verstehen zu können (Das ungute Gefühl, das man hat, wenn alle lachen und man selbst nicht weiß, warum) Und die Zeit für die Recherche nehme ich mir da nicht, um den Witz zu verstehen.

während der Mediator
Und im Folgenden wird offenbar, was ich meine, wenn ich sage, dass mir die vielen Wortwitze und -spielerchen das Textverständnis doch gehörig erschweren, denn
der unter freundlic-fröhlichen Menschen auftaut:
hier traue ich mich kaum noch auf das fehlende "h" hinzuweisen, könnte es sich doch um ein weiteres Spielerchen handeln.

und ich werde mich immer älter fühlen[,] als ich bin und nie so alt werden können[,] als ich mich fühl
Aber hier bin ich mir sicher: diese Kommas müssen.
Hier übrigens habe ich wieder das Gefühl bekommen, dass der Text mir etwas sagen will, eine tiefere Botschaft enthält, in Metaphern und Allegorien spricht. Aber ich komme einfach nicht drauf. An sich bin ich ein Fan davon und Chapeau für das Niveau, aber mir zu viel in diesem Falle. Da kontrastiert das Frivole so sehr mit dem tieferen Sinn und erschwert mir das Verständnis.


Gut erzählt und gut strukturiert war es allemal, denn ich konnte dieser kleinen Büro-Parodie sehr gut folgen. Doch obgleich es witzig war, gehe ich mit dem unangenehmen Gefühl aus dem Theater, nicht alles verstanden zu haben, was der Künstler mir so mühevoll präsentiert hat. Also klüger fühle ich mich jetzt nicht ;)

Ich werde wohl noch etwas stöbern im Friedrichardschen Stübchen und einen Text suchen, der mir besser steht! Bis dahin, man liest sich.

MfG

 

Aber hallo

nu wirds aber Zeit!

Gut Ding will und braucht allemal gut’ Weil’, wie schon unsere Altvorderen wussten,

liebe @Putrid Pallace -

und da hastu eine gute Wahl getroffen, einen – wie ich meine – ziemlich zeitlosen (für ein Einwanderungsland wie die BeErDe allemal!) Text gewählt zu haben.

Aber was ist das mit dem falschen Ehrgeiz, etwas 100%ig verstehen zu wollen?

Das gelingt ja selbst mir nicht unbedingt, wenn ich etwas tue - wozu ja auch alles zählt, was unterhalb der Schädeldecke vor sich geht - wozu aber auch jurist[o]isch ein Unterlassen zählt.

"ich meditiere, was Kraft und Ruhe gibt, die wir alle bräuchten in schwieriger Zeit", behauptet der.
Du fragst dazu
Er behauptet es zwar, da es sich allerdings um ein Zitat handelt: Sprach er wirklioch so? Kann ja sein, dass man hier im Rahmen des Zitierens einen gewissen Freiraum hat, obwohl wir ja in Deutschland leben. Wie verhält es sich damit?
Da bin ich sprachlos!, nein, aber im Ernst: Es ist Fiktion und sprachlich ist der Satz sogar überkorrekt, denn was die wenigsten wissen, brauchen brauchte an sich gar nicht die Umlautung, um als Konjunktiv II (in dem Fall also eher Konj. potentialis denn irrealis und historisch gesehen bleibt es Fiktion, selbst wenn ich einige Zeit in der Flüchtlingshilfe „mitgearbeitet“ hab und immer noch eher auf Häuslebauer hinabschaue, die nicht um fremdes Leben besorgt sind, sondern dass ihr Grundstück durch benachbarte "Fremde" an Wert verlöre ...

Du zitierst

wenngleich ein Kind zu feiern wäre, das zudem irgendwie eher mediterran aussähe denn blass und blond.
& fragst in der Folge
Habe ich das richtig als Anspielung auf die Herkunft des Christkindes gedeutet? So weit, so gut zum Thema Frivolität.
Was korrekt ist –

denn was ist die Flucht nach Ägypten historisch gesehen anderes, wobei – vllt. hastu Interesse an solchen Deutungen - die Schilderung des Neuen Testaments die Moses-Erzählung hinsichtlich der Emigration, aber vor allem den Auszug aus Ägypten an einer Familie wieder aufgreift.

Ich nannte den Bittsteller

"Koreus Trochäus ..."
Du bemerkst zu dem Versmaß (nix anderes und das Geschwister von Jambus u. a.in der Dichtkunst)
Also ich kann mit diesen Begrifflichkeiten noch grob umgehen, hatte allerdings das Gefühl, dass mir genaueres Wissen fehlte, um die folgenden Witze verstehen zu können (Das ungute Gefühl, das man hat, wenn alle lachen und man selbst nicht weiß, warum) Und die Zeit für die Recherche nehme ich mir da nicht, um den Witz zu verstehen.

Der Witz ist an sich recht einfach und wenn ich mich recht erinnere, war er in meinem Schädel "eigentlich" viel anspielungsreicher und somit komplizierter. Zum Glück hab ich unterlassen den "Versefuß" zum "Pferdefuß" zu formen und somit den Teufel ins Spiel zu bringen ...

Und im Folgenden wird offenbar, was ich meine, wenn ich sage, dass mir die vielen Wortwitze und -spielerchen das Textverständnis doch gehörig erschweren, denn

der unter freundlic-fröhlichen Menschen auftaut:
wozu Du meinst
hier traue ich mich kaum noch auf das fehlende "h" hinzuweisen, könnte es sich doch um ein weiteres Spielerchen handeln.

uppsa - Zeit für mich, Deine Fünde zu korrigieren ...

und ich werde mich immer älter fühlen[,] als ich bin und nie so alt werden können[,] als ich mich fühl
und allein
Aber hier bin ich mir sicher: diese Kommas müssen.
diese allzu lange verborgenen Zeichen gefunden zu haben, gebührt Dear Dank!

Hm, an sich will ich meine eigenen Texte nicht interpretieren (empfehl es an sich auch jeder/jedem andern, Erlkönig oder Faust - unter der Bedingung wären da nie geschrieben worden).

 

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