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Persianas

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10.09.2014
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Persianas

Ich höre das Schließen der Haustür, Schritte auf dem Flur. Auch Rosita, meine Frau, sieht erwartungsvoll vom Rechner auf, doch Yago kommt nicht herein. Nach einer Weile gehe ich zu seinem Zimmer und klopfe. Er öffnet, umwabert von blauen Schwaden, und raucht wie der Teufel.
„Uh, dicke Luft“, sage ich. Keine Antwort. „Na, raus damit“, bohre ich, „was ist los?“
Er druckst herum, will etwas sagen, bricht wieder ab. Ich versuch’s noch mal: „Ich dachte, wir kennen uns?“
„Ach, papá, ich komm mir vor wie ...“ Er weiß nicht weiter, greift wieder zu den Zigaretten.
Ich halte seine Hand fest, lasse nicht locker: „Wie was?“
„Wie ein Arsch. Entschuldige, aber ich werde verarscht. Das ist doch alles fake, was da läuft!“
Dann kommt er in Fahrt: „Die finden meine Zeugnisse, die Diplome, alle ganz toll. Erzählen von Möglichkeiten, Perspektiven, großartigen Plänen mit den neuen Techniken, alles Mögliche – aber dann kommt: ‚Ja, im Moment ...’, im Moment sei es nicht ganz einfach, ich müsse verstehen und diese ganze Sülze. Ich kann’s nicht mehr hören, und ich will’s auch nicht. Basta!“
Noch mehr blaue Wolken, ich huste, vielleicht ein bisschen übertrieben. Sollte besser nicht den Zeigefinger heben, war selbst ein schlechtes Vorbild. Hab erst aufhören können, als der Stress in der Firma nachließ.
Ich könnte ihm raten, nach Australien zu gehen, aber das möchte ich mir nicht antun.

„Darf ich mal, Señorita?“, frage ich. Sie dreht sich zu mir und macht eine einladende Bewegung: „Aber natürlich, bitte sehr!“ Was für eine hübsche Frau! Und das Tollste: „Mein Herr“, fügt sie lächelnd hinzu. Wieso denke ich jetzt an Tango?
Ich steige über eine Folienrolle und passiere Malerin und Farbeimer. Mein Anzug bleibt ohne weiße Spritzer und ich charmiere: „Danke, sehr freundlich.“ Das scheint mir zu knapp. „Dass so eine hübsche Frau wie Sie in diesem Beruf arbeitet ...“ Sie hebt die Schultern bis auf Ohrenhöhe, zieht die Mundwinkel nach unten, hat plötzlich viele Falten auf der Stirn. „Das Leben ...“, sagt sie, eher heiter als verbittert wie jemand, der jedes Wetter verträgt.
Ich winke ihr noch mal zu wie ein alter Freund, muss beiseite treten, weil ein gewaltiger Tisch hereintransportiert wird.
Der Lärm der Straße trifft mich fast körperlich. Nimmt der Verkehr weiter zu oder bin ich empfindlicher geworden?
Aber da kommt auch schon der Bus.

Meine Firma, also die, in der ich arbeite, wird ‚abgewickelt’. Mit vorbildlichem Sozialplan, das haben sie dick unterstrichen.
Die oberen Chargen bekommen großzügige Abfindungen – die gängige Regel. Den anderen vermittelt man Umschulungsprogramme oder schickt sie in Frührente. Adiós, weg mit euch!

Wir werden den Gürtel enger schnallen müssen. Plötzlich ist das keine Phrase mehr.
Gott sei Dank haben wir unsere Wohnung, die kann uns niemand nehmen. Seit Generationen wohnt meine Familie hier. Das sind Räume, keine Zimmer. Großzügig und hoch, Stuck an den Decken, zweiflügelige Türen, Balkon – eine Bastion im Tumult der Millionenstadt, unser Palast im Kleinen. Mit diesen Persianas, altmodische Fensterläden in Eisenschienen, die man von der Mauer abgespreizt ‚halbhoch’ stellen kann für diese einmalige Mischung aus Licht und Schatten. Zur Siesta ein fabelhafter Ort; um nichts in der Welt würde ich das hergeben. Ein Lichtspiel entsteht, keiner Welt zugehörig, melancholisch. Zwischen Schemen und Zwielicht entstehen großen Dramen, es überkommt einen das Gefühl, man könne die Schatten manipulieren, hell gegen dunkel ausspielen, Unangenehmes verschieben, gar in Luft auflösen – als Herr der Welt oder ihr Opfer, in der Angst, abzugleiten, den Verstand zu verlieren, auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein.

Rositas Kraniche in zarten Farben schwingen vorm Fenster auf und ab. Sie lässt mich samstags ausschlafen, ist schon früh zur Post gefahren, um die Bestellungen der Woche aufzugeben. Es sind viele Päckchen, doch die sind federleicht. Sie hat aus ihrem Hobby ein Geschäft gemacht und verschickt ihre Origami-Mobiles in alle Welt. Millionärin wird sie damit nicht werden, doch ihr Zuschuss in die Familienkasse findet immer Verwendung.
Wir reden von Familienkasse, auch wenn Yago nur herausnimmt, ohne etwas beizusteuern. Vierzig Prozent Arbeitslosigkeit bei den jungen Leuten! Ein Wahnsinn. Wie sollen die einen Hausstand gründen, wovon Kinder großziehen? Was passiert mit Spanien? Dazu kommt, dass die Besten abhauen, in Länder, wo es eine Chance gibt. Aber Yago will bleiben, obwohl er mit Englisch keine Schwierigkeiten hat. Sein Herz sei hier, in Barcelona, mit der sich keine andere Stadt messen könne; in Katalonien, dem besten Land der Welt, das Rest-Spanien mit durchfüttern müsse – er redet wie ein Alter.
Ich verstehe seine Verzweiflung, sehe mit Sorge, dass die separatistische Idee anfängt, ihm zu gefallen. Im Katalonien von heute, sagt er, könne er höchstens in der Gastronomie jobben.
Touristen gäbe es jedes Jahr mehr, und die könnten dann tolle Selfies machen mit dem katalanischen Kellner Yago, oder dem Pizzabäcker Yago, oder dem Barkeeper Yago. Aber er habe Elektrotechnik studiert.

Konfetti wie bunter Schnee und Girlanden. Kerzen und Teelichte brennen schon, nur der Wein will nicht gefallen, der ist grausam. Vale – sagen wir bäurisch. Bin auf Bier umgestiegen. Zwischendurch diesen Medronho, saugefährlich. Tiago, Portugiese unter uns Katalanen, schenkt großzügig den Schnaps seiner Heimat aus, von Baumerdbeeren, wie er erklärt. Schmeckt hervorragend zu Lauchzwiebeln a la plancha, mit Meersalz. Auch zu Tortilla, zu Pulpo.
Dieses Nachbarschaftsfest feiern wir seit 1988. Einer der alten Herren, ein Lehrer, glaube ich, hatte die Idee dazu, weil man sich vom Ansehen her kannte, sonst aber nicht. Und seitdem geht das so. Ich hab einen sitzen, meine Frau hat rote Bäckchen und ergibt sich dem Redefluss der Frau Díaz. Und staunt, dass mich Rosanna Martín bei der Damenwahl holt. Dabei wäre das Staunen bei mir. Oder betreibt die auch heute Parteiarbeit, bekommt ein Kopfgeld von 5o.ooo Peseten für jedes neu geworbene Mitglied. Peseten! Ich bin wirklich besoffen.
Mit Juanita Rodriguez würde ich ein Tänzchen wagen, aber die ist in durchtrainierten Armen.
Erdbeeren vom Baum! Ich winke meiner Gattin.
Die winkt zurück, mit Grimassen, wie in Taubstummensprache: Ich will noch bleiben! Ich neige den Kopf, senke Lider und Hände, sie versteht.
Plötzlich stehen junge Leute am Geländer, einige müssen sich festhalten. Yago ist auch dabei, als Dolmetscher, vermute ich. Ein bunter Haufen, er hat viel zu tun.

Es geht mir nicht gut. Yago öffnet die Tür. „Kaffee gefällig, vielleicht mit Schuss?“ Ich finde nichts Passendes, was ich nach ihm werfen könnte und sage mit pelzigem Mund: "Mein lieber Sohn, dein alter Vater ist sehr krank." Und was sagt der aufmüpfige Knabe? „Könnte die Medronho-Krankheit sein.“
Jedenfalls ist die Ruhe dahin, es kommt sogar Neugierde auf: „Wer waren denn die gestern?“
„Na Touristen, wer sonst?“
„In unserem Viertel. Um diese Zeit?“
„Wieso? Die wohnen hier.“
„Ach nee. Und wo genau?“
„Na‚ ’n paar bei Rull, die anderen, wo früher Señora Vici wohnte.“

Im Innenhof toben Bagger und Baumaschinen, die Sonnenstrahlen werden geknickt wie im Sandsturm, vom Lärm gar nicht zu reden. Wir müssen die Fenster geschlossen halten.
In kurzer Zeit wurden sieben Wohnungen geräumt und neu eingerichtet. Die Männer unten im Hof sind Spezialisten – in wenigen Stunden fügen sie die Puzzles des Swimming Pools aneinander. Schon am Abend ist das Becken gefüllt, mittelmeerblau, mit silbernem Delfin.

Fröhliches Gekreische wird von den Wänden als Dreifachecho zurückgeworfen, ein Fettwanst erklimmt das Geländer und klatscht wie ein Wal aufs Wasser. Eine Detonation! Begeistertes Gebrüll und Applaus. Señor Alvarez, in dessen Parterre-Wohnung jetzt Globetrotter logieren, hat den Flur abgetrennt und zur Minibar umfunktioniert. Gejohle und das Scheppern leerer Bierdosen bestätigen seine Geschäftsidee.
Wir halten die Fenster geschlossen. Nach zwei wird es dann stiller.

Rosita stellt Biskuits neben meinen Kaffee. „Ach, wie aufmerksam, liebes Weib“, sage ich und berühre sie unsittlich. Ich finde es großartig, wie sie auf ihre Figur achtet.
„Ich kann nicht anders, es sind die Gene“, flunkert sie und zwinkert wie verrückt.
„Die personifizierte Fürsorglichkeit, stimmt. Bei mir ist es die Ritterlichkeit - ich würde mich jederzeit schützend vor dich stellen! Drachen, Dinosaurier – die hätten alle keine Chance.“
Sie setzt sich neben mich und legt ihre Hand auf meinen Arm, dann sagt sie: „Da hättest du jetzt viel zu tun. Am dringendsten wäre Schutz vor diesem Dauerkrach – Frau Díaz hat mit denen schon gesprochen, aber ohne Erfolg. Die sagen, für ihr Geld wollen sie Spaß, den Rest des Jahres müssten sie härter arbeiten als die Spanier.“
„Ja“, sage ich als Patriot, „das müssen Katalanen auch.“ Ich muss mir auf die Zunge beißen, um nicht zu sagen: ‚Sofern sie Arbeit haben.’

Es macht mächtig Bum-Bum. Immer so. Monoton. Bum-Bum. Das hört nicht auf, ist ein persönlicher Angriff. Ich höre das seit Mittag. Ich will es verdrängen, doch ist es, als ob ich extra hinhören müsste, um meinem Zorn neues Futter zu geben.
Ich geh rüber, klopfe. Nichts rührt sich, nur Bum-Bum.
Irgendwelche Substanzen scheinen in mein Hirn zu schießen, während ich aufgebracht und bebend vor Wut so lange klingle, bis die Tür aufgerissen wird. Ich muss den Kopf heben, um diesem Koloss in die Augen sehen zu können.
„What the fuck do you want?” Es riecht ein bisschen süßlich und ein bisschen nach Bier.
„Habla español?“, frage ich.
„No.“
“Not good. Your music is horrible. Switch it out. Now!“
Er meint, ich mache Witze. Zu Spanien gehöre Musik.
„Yes”, sage ich, “but only if party. Here we live and sleep.”
Ja, sagt er, das würden sie auch – hier leben, schlafen und Party feiern. Und ich solle mich zurückziehen; einen fürchterlichen Ausdruck hat er dazu gebraucht.

Rosita und Yago räumen die Leseecke auf, ich stoße zufällig zu ihnen. „Keine Sorge“, sage ich, „will nicht mithelfen, will nur Kriegsrat halten.“ Langsam drehen die beiden ihre Köpfe in meine Richtung und erheben sich. „Kriegsrat?“, vergewissert sich meine Frau.
„Je nun, kleine Lagebesprechung. Um es kurz und bündig zu sagen: Wir sind knapp bei Kasse. Ich krieg jetzt ein Drittel weniger.“
Yagos Finger riffeln über den Lederrücken eines dicken Wälzers, er schweigt.
„Diese Wohnung ist attraktiv, unser Viertel ist attraktiv. Der Tourismus boomt. Wir müssten verrückt sein, eine Luxuswohnung zu bewohnen und dabei jeden Cent dreimal umzudrehen.“
Rosita vergleicht unsere Stadt mit Venedig: immer mehr Fremde und die Preise steigen.
Ich komme zum Thema zurück: „Unsere Wohnung ist unser Eigentum, doch auch, wenn wir nicht den Ärger mit den neuen Umständen hätten, können wir nicht feudal wohnen und trocken Brot essen. Wir brauchen mehr Geld, und das geht nur, wenn wir an Reisende vermieten.“ So amtlich-steif rede ich nur bei ernsten Angelegenheiten.
„Also?“
„Tante Laias Haus steht leer. Das hätte die richtige Größe und ist ruhig gelegen. Und im Bach gibt's Forellen.“
„Forellen?“, wirft Yago ein, „Willst du das schönreden? Wir waren doch schon mal dort, als uns diese blöden Schnaken tyrannisierten; da ging ich noch zur Uni. Und die ganze Gegend ist furchtbar – Schafe und Ziegen, weiter nix.“
„Es ist Natur“, versuche ich die Idee zu retten. „Während ich hier in den Straßen an Abgasen fast krepiere, hab ich dort allerbeste Luft. Und Ruhe. Kein Lärm, kein Stress – das sind große Werte heutzutage. Siehst es ja selbst.“
Rosita bleibt still, also muss ich das mit Yago weiterdiskutieren. Leider finden wir keinen gemeinsamen Nenner.
Aber Irrtum! Wir haben einen gemeinsamen Nenner: das verdammte Geld.

Ich beneide meine Frau um ihre Kreativität. Die neue Koi-Serie wird garantiert ein Hit.
Bei mir klappt es mit der Umstellung noch nicht so gut. Rosita patscht mir einen nassen Kuss auf die Wange und sagt, das werde sich schon ergeben, nur Geduld.

Mit fürchterlichem Gesicht kommt Yago in die Küche. Ich will ihm Kaffee einschenken und sage: „Mal sehen, ob der dich versöhnt mit der Welt.“
„Ich scheiß auf die Welt“, höre ich. „Will keinen Kaffee.“
Ich halte es für unangebracht, darauf etwas zu sagen. Aber er kommt von selbst: „Hätte ich statt auf die Uni zu gehen, gleich nach der Schule gekellnert, dann brauchte ich euch nicht zur Last fallen. Endimar baut jetzt kräftig Stellen ab, UTTP haben die Chinesen kassiert. Vom Terminal hab ich auch eine Absage. Von Juan weiß ich, dass noch nicht mal die Taxizentrale Leute sucht.“
Ich nehme mir schweigend Kaffee.
„Die stellen lieber Schwarze ein, die sind nicht in der Gewerkschaft“, sagt er resigniert. Er presst die Fingerspitzen aneinander und sagt: „Bin pleite“.
Ich klopf ihm derb auf die Schulter: „Na, na – einen Notgroschen haben wir ja noch.“
„Aber das ist doch kein Zustand!“, fährt er hoch, „Und Ricardo, dieses dumme Schwein, macht noch Witze ... mit Hotel Mama und so.“

* * *

Wir kombinieren das Beste ausTante Laias Einrichtung, die etwas aus der Zeit gefallen ist, mit unseren Stücken; Rosita hat ein Händchen für diese Dinge.
Ich will den Garten verändern, vorm Haus eine Akazienallee pflanzen, den Bach anstauen, mit Findlingen vielleicht – jedenfalls haben wir Beschäftigung und vermissen die Stadt überhaupt nicht.
Die ist oft nur Illusion – Schaufenster zum Gaffen, tausend Cafés und Restaurants, die auf Gäste warten, Hast und Werbung. Ein Streifzug durch die Tapa-Bars kostet mittlerweile ein Vermögen.

Ich sitze unter der Pergola und blättere in einem Gartenkatalog. Rosita und Yago treten vors Haus und ich mache, ohne aufzuschauen, eine einladende Handbewegung: „Bitte Platz zu nehmen.“
Yago hüstelt gekünstelt und sagt: „Das hatte ich eigentlich nicht vor.“
Jetzt erst sehe ich, dass er Anzug trägt, in den Händen einen kleinen Koffer und den Laptop. Ich bin perplex, doch er kommt mir mit der Erklärung zuvor: „Ich konnt’s dir gestern Abend nicht sagen. Weiß auch nicht warum. Auf der Werft in Girona hab ich’n Job in Probezeit, ich fahr mal hin. Vielleicht wird’s was.“
„Ja, Mensch, Junge!“, freue ich mich, „das ist doch ’ne gute Nachricht! Ich drück dir ganz fest die Daumen.“ Wir umarmen uns ohne Sentimentalitäten, vielleicht einen Augenblick zu lange, das mag schon sein, aber doch sehr männlich.
Er schließt seinen wackeligen Seat auf und ruft: „Ich sag euch Bescheid. Bleibt gesund!“
Der Anlasser leiert, dann springt der Motor an.
„Der Junge macht’s richtig“, sage ich zu Rosita.
Die streicht mir über den Rücken: „Ja, natürlich.“
„Warum so kurz angebunden?“
„Ach, iwo!“, erwidert sie, „Bin nicht kurz angebunden. Ist doch prima, dass er dort eine Chance hat. Ich dachte nur für einen Moment, ob er sich so intensiv um eine Stelle bemüht hätte, wenn wir in der Stadt geblieben wären.“
Meine Frau! „Oh, mi Querida!“, raune ich ihr bewundernd ins Ohr, “Du hast wirklich den totalen Durchblick.”

Die Hortensien lassen die Köpfe hängen, ich sollte mich um sie kümmern, doch die Schnaken nerven mich so gewaltig, dass ich zum Haus zurückgehe. Ich schlüpfe fix durch die Tür, damit sie mich nicht verfolgen und schließe vorsichtshalber die Fenster. Dann suche ich mir einen bequemen Sessel.
’Mit Persianas wäre das Haus hübscher’, denke ich beim Einnicken, da ruft Rosita aus dem Flur: „Rate mal, wer uns geschrieben hat!“
„Der Weihnachtsmann“, antworte ich etwas dröge.
„Ach Quatsch, Frau Diaz hat geschrieben.“
„Neue Rechnungen? Sag schon, um wie viel geht es?“
„Ganz falsch – wir sind zum Nachbarschaftsfest eingeladen!“

Natürlich fahren wir hin. Rosita, die ich gern mit offenem Haar und Pulli sehe, hat sich als Dame geschminkt, ich erscheine ohne Krawatte. Frau Díaz breitet die Arme aus und gibt sich erfreut. Ihr Enkel Javier mit seiner amerikanischen Freundin managt den Abend. Die Musik ist sehr, sehr fremd, aber auch sehr, sehr schön. Doch jetzt weiß ich, was mich irritiert: Ich höre wenig Katalanisch, nicht einmal Spanisch.
Französisch filtere ich heraus, und Italienisch, Englisch sowieso. Die Stimmung ist toll, Javier bringt uns zwei Kupferbecher Moscow Mule, dazu Pulled Pork und Cheeseburger.
Katalanen machen den Mund nur beim Palavern ganz weit auf, doch mit dieser Fähigkeit schaffe ich auch dieses Ungetüm. Mein erster!
Rosita nippt misstrauisch an ihrem Drink, ich kenne dieses Zeug auch nicht. Doch schon beim zweiten Schluck sind wir überzeugt – ja, einen vertragen wir noch. Auch das Essen macht Freude, sie haben viel Frisches mit hineingepackt, dass es knackt und ‚crasht’, wie Jaime sagt. Vergessen sind viele lieblos servierte Tapas vergangener Tage.

Ein Bild von einem Mann spricht meine Frau mit ‚Mäem’ an, zeigt auf die Tanzfläche. Sie schaut fragend zu mir, ich sage ‚Àndale!’ und angle mir die ehrwürdige Frau Diaz. Möchte mich für die Einladung bedanken. Halb im Scherz bitte ich zum Tanz, doch sie führt mich lieber zu den wenigen verbliebenen Nachbarn.
Clarke Gable hat meine Frau wieder freigegeben; Jaime legt ‚Guantanamera’ auf. Rosita schaut mich anders an als sonst, ich halte ihrem Blick stand, dann legt sie den Arm um mich, ich umfasse ihre Taille, sie macht den ersten Schritt, ich folge, Drehung, wir gleiten übers Mar Catalan, vorbei an Felsen, Palmen, weißen Häusern mit Persianas und einem kleinen rostigen Seat. ‚Yo soy un hombre sincero!’, schreie ich, und ‚Yo te amo, Rosita!’ Um uns herum sind fast alle aufgestanden, klatschen und singen mit. Wir feiern die beste Party unseres Lebens.

 

Hola @kiroly,
ein Dankeschön für Deine Zuschrift – ich puhle mir auch gleich das Beste raus:

Aber auch wenn dein Text ein schöne, aktuelle und authentische Geschichte ist und ich ihn wirklich gerne gelesen habe - ...

‚Gerne gelesen’ – der Dreh- und Angelpunkt.
Aaber:
... irgendwie war mir dein Setting zu beliebig. Er suggeriert eine Tiefe, die mit Versatzstücken des mediterranen Raums ausgekleidet ist.

Ich weiß nicht, ob Tiefe suggeriert wird. Ist vielleicht bei jedem Empfänger ein bisschen anders. Eigentlich halte ich mich für einen Schreiber, der nicht mit kleinen Tricks imponieren will, iwas suggerieren will. In unserem Fall geht es um das ideale Plätzchen für die Siesta.
Ohne die entsprechende Räumlichkeit funktioniert’s nicht. Könnte auch im Patio stattfinden, nur lassen sich in solcher Umgebung ‚mediterrane Versatzstücke’ nicht vermeiden; wir sind nun mal am Mittelmeer. Und außer den Rolläden geht’s doch mehr um Lichtspiel und Gedanken.

Deine finnische Variante ist witzig. Doch das Finnische / Katalanische hätte man ebenso gut durch hundert andere Bühnenbilder ersetzen können, in einer Jurte, einem Bungalow, einem Chalet ...

kiroly: schrieb:
Der Unterschied zwischen Berlin und München ist nicht der, dass in Berlin das Brandenburger Tor steht und in München die Frauenkirche.
Aber auch :D!

kiroly: schrieb:
Der Unterschied ist der, dass sich für einen in Berlin lebenden Menschen seine Realität in Berlin anders anfühlt als für einen in München arbeitslos werdenden Menschen.

Wundert Dich das:shy:?

Lieber kiroly, bleiben wir ernsthaft, steuern wir die nächste Geschichte an – ich eruiere gerade, ob ich mir die Fiesta-Szene patentieren lassen kann, um ihre fast unbegrenzte Einsetzbarkeit durch Modifizierung in den Texten meiner Konkurrenten zu verhindern.

Danke nochmals!
José

kiroly: schrieb:
Ein Text, den ich mir gut auf einem Kulturabend zu Spanien einschließlich Katalonien vorstellen kann.

Aber ohne Alkohol! Sonst brauchst Du die doppelte Anzahl Saalordner:cool:.

 

Hallo @josefelipe,

jetzt finde ich auch Zeit für dich! Den Einstieg zu deinem Text mag ich, zwischendurch hast du mich etwas verloren. Schauen wir mal genauer rein.

Persianas
Ist das ein Wort das man kennen sollte? Ich kannte es nicht. Du erklärst es zwar im Text, aber ich finde es trotzdem ungünstig gewählt. Ich konnte mir vorher nicht vorstellen, worum es in dieser Geschichte geht.

Ich versuch’s noch mal: „Ich dachte, wir kennen uns?“
Die Formulierung finde ich merkwürdig. Man sagt doch „Ich dachte, ich kenne dich.“, wenn man jemand etwas tut, was man nicht erwartet hat. Aber der Vater sagt es doch zu seinem Sohn, weil er ihm seine Sorgen entlocken will. Also vielleicht eher: „Ich dachte, wir vertrauen uns/ reden miteinander?“

Ich könnte ihm raten, nach Australien zu gehen, aber das möchte ich mir nicht antun.
Ist Australien das Traumziel der Spanier? Warum nicht ein Land innerhalb der EU, in dem die Arbeitslosigkeit nicht so hoch ist?

„Darf ich mal, Señorita?“, frage ich. Sie dreht sich zu mir und macht eine einladende Bewegung: „Aber natürlich, bitte sehr!“ Was für eine hübsche Frau! Und das Tollste: „Mein Herr“, fügt sie lächelnd hinzu. Wieso denke ich jetzt an Tango?
Das finde ich süß. Ich finde, ein paar mehr Umbrüche würden den Absatz lesbarer machen.

Der Lärm der Straße trifft mich fast körperlich. Nimmt der Verkehr weiter zu oder bin ich empfindlicher geworden?
Aber da kommt auch schon der Bus.
Den zweiten Satz mag ich, der dritte kann weg.

Meine Firma, also die, in der ich arbeite, wird ‚abgewickelt’. Mit vorbildlichem Sozialplan, das haben sie dick unterstrichen.
Die oberen Chargen bekommen großzügige Abfindungen – die gängige Regel. Den anderen vermittelt man Umschulungsprogramme oder schickt sie in Frührente. Adiós, weg mit euch!
Diesen Erzählabsatz finde ich merkwürdig. Der hängt da so lose rum. Findest du vielleicht eine Möglichkeit diese Infos mehr in den Text zu verweben?

Wir werden den Gürtel enger schnallen müssen. Plötzlich ist das keine Phrase mehr.
Gefällt mir!

Gott sei Dank haben wir unsere Wohnung, die kann uns niemand nehmen. Seit Generationen wohnt meine Familie hier. Das sind Räume, keine Zimmer. Großzügig und hoch, Stuck an den Decken, zweiflügelige Türen, Balkon – unser Palast im Kleinen, eine Bastion im Tumult der Millionenstadt. Und es gibt diese Persianas, altmodische Fensterläden in Eisenschienen, die man von der Mauer abgespreizt ‚halbhoch’ stellen kann für diese einmalige Mischung aus Licht und Schatten. Zur Siesta ein fabelhafter Ort; um nichts in der Welt würde ich das hergeben. Ein Lichtspiel entsteht, keiner Welt zugehörig, melancholisch. Zwischen Schemen und Zwielicht entstehen großen Dramen, es überkommt einen das Gefühl, man könne die Schatten manipulieren, hell gegen dunkel ausspielen, Unangenehmes verschieben, gar in Luft auflösen – als Herr der Welt oder ihr Opfer, in der Angst, abzugleiten, den Verstand zu verlieren, auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein.
Auch das ist mir zu viel Erzählen, zu viel Beschreiben ohne Handlung.

Im Katalonien von heute, sagt er, könne er höchstens in der Gastronomie jobben.
Touristen gäbe es jedes Jahr mehr, und die könnten dann tolle Selfies machen mit dem katalanischen Kellner Yago, oder dem Pizzabäcker Yago, oder dem Barkeeper Yago. Aber er habe Elektronik studiert.
Dieser Gegensatz zeigt gut die Verzweiflung der jungen Leute dort, die sich doch bilden wollen und am Ende nichts damit anfangen können. Der letzte Satz gefällt mir im
Konjunktiv nicht so. Auch wenn du Yagos wörtliche Rede wiedergibst fände ich: Aber er hat doch Elektronik studiert! schöner und stärker. Könnte ja auch ein Ausruf vom Vater sein.

Peseten! Ich bin wirklich besoffen.
:D

Fröhliches Gekreische wird von den Wänden als Dreifachecho zurückgeworfen, ein Fettwanst erklimmt das Geländer und klatscht wie ein Wal aufs Wasser. Eine Detonation! Begeistertes Gebrüll und Applaus.
Ach herrje, da würde ich auch nicht mehr wohnen wollen.

Es macht mächtig Bum-Bum. Immer so. Monoton. Bum-Bum.
Der Bass ist immer das schlimmste! Der geht sogar durch Oropax.

Wir brauchen mehr Geld, und das geht nur, wenn wir an Reisende vermieten.
Warum nicht direkt verkaufen?

Tante Laias Haus steht leer. Das ist schmuck, hat die richtige Größe und ist ruhig gelegen.
Warum lebt man überhaupt in der Stadt, wenn man auf dem Land wohnen kann?

Er schließt seinen wackeligen Seat auf und ruft: „Ich sag euch Bescheid. Hab vielleicht ’n Job auf ’ner Werft in Girona. Bleibt gesund!“
Diesen hastigen Abschied finde ich jetzt merkwürdig. Da hätte ich wenigstens ne Umarmung erwartet.

Das Nachbarschaftsfest am Ende häts für mich nicht gebraucht. Ich hätte es schöner gefunden, wenn sie einfach in ihrem Häuschen auf dem Land zufrieden gewesen wären.

Die beiden Hauptthemen Arbeitslosigkeit und AirBnB-Welle laufen eher nebeneinander her, als dass sie miteinander verschmelzen. Denn auch mit mehr Geld, wären sie nicht in diese Partyhölle geblieben, sondern aufs Land gezogen, oder nicht? Da hätte ich mir noch mehr Verschmelzung gewünscht, zum Beispiel, dass Yago einen Job in dem Bereich findet, was natürlich ihn und auch die ganze Familie in eine verzwickte Situation bringt.

Liebe Grüße,
NGK

 

Hallo @josefelipe
Ich finde, dir ist da eine wunderschöne, angenehm dahinplätschernde (und das ist nur im positiven Sinne gemeint), bemerkenswert zärtliche Geschichte gelungen. Ich mag den Ich-Erzähler (habe ich den Namen überlesen, oder hat er keinen?), er ist mir sehr sympathisch in seiner liebevollen Art des Umgangs mit seinem Sohn, seiner Frau vor allem, aber auch im Verhältnis zu den neuen Nachbarn bleibt er so verdammt souverän durch seine freundliche, irgendwie buddhahaft-stoische Art. Das erhebt ihn über die pöbelnden, partygeilen Touristen. Die Geschichte hätte sicher auch leicht in eine gentrifizierungskritische Richtung abdriften können, mir gefällt, dass du diesen Weg nicht einschlägst. Stattdessen nimmt der Erzähler die Dinge, wie sie sind und mehr noch, versucht ihnen etwas Positives abzugewinnen, wenn er die an und für sich schwierigen Entwicklungen (Arbeitslosigkeit, wenig Geld, Veränderungen der gewohnten Nachbarschaft) zum Anlass nimmt, es eben im Haus der Tante neu zu versuchen. Auch seine Frau hat diese tolle annehmende Lebenseinstellung, sind beide sehr gut gezeichnet. Ich nehme ihnen das ab, leide einerseits mit ihnen, weil das gewohnte Leben zu Ende geht, freue mich aber andererseits auch für sie, dass sie die Fähigkeit haben, die Veränderung anzunehmen. Sich damit zu arrangieren und letztendlich darin sogar etwas Gutes finden, was wahrscheinlich umso leichter war bzw. sie gefunden hat, weil sie sich dem nicht rigoros verschlossen haben, weil sie in sich ruhen. Und dann feiern sie "die beste Party ihres Lebens". Ich gönne es ihnen.
Hat mir wirklich gut gefallen!

Beste Grüße,
Fraser

Ein paar wenige Anmerkungen

als Herr der Welt oder ihr Opfer, in der Angst, abzugleiten, den Verstand zu verlieren, auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein.
Hier wird mir deine an und für sich sehr schöne, schwelgerisch-romantische Ausdrucksweise etwas zu viel.

Touristen gäbe es
Zwischen Touristen und gäbe ein Abstand zu viel.

Aber er habe Elektronik studiert.
Kann man Elektronik studieren? Oder meinst du Elektrotechnik oder etwas in der Art?

Nach zwei wird es dann stiller.
Ich leide mit ihnen.

Wir kombinieren das Beste ausTante Laias
Zwischen aus und Tante fehlt eine Lücke.

Um uns herum sind fast alle aufgestanden, klatschen und singen mit. Wir feiern die beste Party unseres Lebens.
Wie gesagt: Ich freue mich für die beiden. Und hoffe, dass es Yago auch schafft.

 

Hola @Nichtgeburtstagskind,

zuerst das wichtigste:

Persianas – Ist das ein Wort das man kennen sollte?
Ja, aber selbstverständlich, ich bitte Dich! Das hatten wir schon in der dritten Klasse. Aber verstehe ich das richtig: Das soll doch um Gottes Willen nicht etwa heißen, dass Du es nicht kennst?
Ich will es gar nicht zu Ende denken – hier liegt doch kein Fall von Halbbildung vor :teach: ?
Ist Australien das Traumziel der Spanier? Warum nicht ein Land innerhalb der EU, in dem die Arbeitslosigkeit nicht so hoch ist?
Tja, warum nicht? Deutschland dann eben. Doch eher nicht; ich weiß aus erster Hand, dass sehr viele junge Spanier vor unserer Sprache zurückschrecken – und da die meisten unseres gebilödeten Volkes nicht mitten im Satz locker auf Englisch umschalten können wie die Skandinavier (wo die Lehrer nur halb so viel verdienen:sealed:), gehen Yagos Freunde (er aber nicht!) lieber in französisch- oder englischsprachige Länder.
„Darf ich mal, Señorita?“, frage ich. Sie dreht sich zu mir und macht eine einladende Bewegung: „Aber natürlich, bitte sehr!“ Was für eine hübsche Frau! Und das Tollste: „Mein Herr“, fügt sie lächelnd hinzu. Wieso denke ich jetzt an Tango?
Das finde ich süß. Ich finde, ein paar mehr Umbrüche würden den Absatz lesbarer machen.
Hehe, das mache ich oft – nämlich immer dann, wenn es schön dicht beim Leser ankommen soll. Kann man nur machen, wenn es um Belangloses geht. Bei inhaltsschweren Dialogen braucht jeder Sprecher seine Zeile, da geb ich Dir recht.
Der Lärm der Straße trifft mich fast körperlich. Nimmt der Verkehr weiter zu oder bin ich empfindlicher geworden?
Aber da kommt auch schon der Bus.
Den zweiten Satz mag ich, der dritte kann weg.
Der dritte Satz soll andeuten, dass er den Bus nimmt, Richtung Firma. Hier habe ich gekürzt – es gab eine stürmische Betriebsversammlung, aber die war wohl doch zu beredt. Immerhin hast Du ein feines Gespür: Der gewaltsame Eingriff ist nicht gut überschminkt.
Meine Firma, also die, in der ich arbeite, wird ‚abgewickelt’. Mit vorbildlichem Sozialplan, das haben sie dick unterstrichen.
Die oberen Chargen bekommen großzügige Abfindungen – die gängige Regel. Den anderen vermittelt man Umschulungsprogramme oder schickt sie in Frührente. Adiós, weg mit euch!
Diesen Erzählabsatz finde ich merkwürdig. Der hängt da so lose rum. Findest du vielleicht eine Möglichkeit diese Infos mehr in den Text zu verweben?
Leicht übertrieben gesagt: Es steckt noch das MesserSkalpell in der Wunde. Ich muss grübeln (gibt es einen Smiley ‚der Denker’)?
... ... Zur Siesta ein fabelhafter Ort; um nichts in der Welt würde ich das hergeben. Ein Lichtspiel entsteht, keiner Welt zugehörig, melancholisch ... ...
Auch das ist mir zu viel Erzählen, zu viel Beschreiben ohne Handlung.
Beinahe lustig, weil in vielen Komms genau dieser Abschnitt zitiert wird als beste Stelle.
Was soll’s: Watt dem eenen sin Uhl ... Ich verstehe Deinen Standpunkt auf jeden Fall – so etwas ist auch abhängig von der Stimmung und was weiß ich.
Es macht mächtig Bum-Bum. Immer so. Monoton. Bum-Bum.
Der Bass ist immer das schlimmste! Der geht sogar durch Oropax.
Ich hoffe, Deine Wohnsituation erlaubt den Verzicht auf Oropax.
Wir brauchen mehr Geld, und das geht nur, wenn wir an Reisende vermieten.
Warum nicht direkt verkaufen?
Weil so eine Immo immer ihren Wert behalten, oder gar steigern wird. Eine Rarität. Und bisschen Ehrpusseligkeit ist auch dabei – die Familie, das Vermächtnis der Altvorderen ...
Warum lebt man überhaupt in der Stadt, wenn man auf dem Land wohnen kann?
Weil man in der Stadt ‚jemand’ ist – eingebildet oder tatsächlich sei dahingestellt. Auf dem Lande bist Du diejenige, die wieder mal Rasen mähen sollte.
Aber auch, weil Yago jung ist. Weil seine Freundin jung ist. Weil seine und ihre Freunde hier sind. Weil Städter ..., weil alte Bäume ...
Er schließt seinen wackeligen Seat auf und ruft: „Ich sag euch Bescheid. Hab vielleicht ’n Job auf ’ner Werft in Girona. Bleibt gesund!“
Diesen hastigen Abschied finde ich jetzt merkwürdig. Da hätte ich wenigstens ne Umarmung erwartet.
Da hast Du so was von recht! Ich kümmere mich drum.
Das Nachbarschaftsfest am Ende häts für mich nicht gebraucht.
Erlaube mir, anderer Meinung zu sein. Nach jeder kleinen oder größeren Katastrophe, nach jedem gravierenden Ereignis haben die Menschen das Bedürfnis, zusammenzurücken und noch mal alles zu bekakeln. Zum anderen ging's mir darum, nicht zwei beinahe feindliche Lager entstehen zu lassen, sondern die neuen und die alten Bewohner zusammen essen, trinken und tanzen zu lassen
Ich hätte es schöner gefunden, wenn sie einfach in ihrem Häuschen auf dem Land zufrieden gewesen wären.
Pilchern wollte ich eigentlich nicht. Und zufrieden im Outback, wenn die Umstände diese 'Zwangsumsiedlung' erfordern (wenn auch nicht super-brutal)?

Die beiden Hauptthemen Arbeitslosigkeit und AirBnB-Welle laufen eher nebeneinander her, als dass sie miteinander verschmelzen.
Müssten sie das? Unwetter bestehen ja auch aus sehr unterschiedlichen Komponenten.
Denn auch mit mehr Geld, wären sie nicht in diese Partyhölle geblieben, sondern aufs Land gezogen, oder nicht?
Wer weiß das schon. Ich tippe auf Beibehaltung der Stadtwohnung (siehe oben).
Liebes NGK, Du hast ein Händchen für Pfuschspuren, das imponiert mir. Und Du hast mehr recht, als ich zugeben mochte. Jedenfalls hat’s mich gefreut, besten Dank
und viele Grüße!
José

 

Hola @Fraser,

wie es scheint, hab ich in Dir den idealen Leser für meinen Text gefunden. Leider kann ich Dir nicht viel antworten, weil Du wenig kritisiert hast, doch freue ich mich sehr über Deinen Zuspruch. Dafür und für die eingebrachte Zeit danke ich Dir.

Ich mag den Ich-Erzähler (habe ich den Namen überlesen, oder hat er keinen?)

Aber natürlich hat er einen Namen. Hab ihn nur für mich behalten, weil er José heißt :cool: .

... als Herr der Welt oder ihr Opfer, in der Angst, abzugleiten, den Verstand zu verlieren, auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein.
Hier wird mir deine an und für sich sehr schöne, schwelgerisch-romantische Ausdrucksweise etwas zu viel.
Entschuldige, das war der Flow:hmm:. Der reißt mich einfach so mit. Aber recht hast Du allemal.

Kann man Elektronik studieren? Oder meinst du Elektrotechnik oder etwas in der Art?
Uj, da hab ich ins Blaue spekuliert. Ich nehme Deinen Vorschlag an.

Lieber Fraser, es hat mich sehr gefreut – gerne auf ein weiteres!
José


Hola @Nichtgeburtstagskind,
hier ist die Änderung der Abschiedsszene (die gefällt mir besser als die erste).
Danke nochmals, war ein guter Tipp!

Ich sitze unter der Pergola und blättere in einem Gartenkatalog. Rosita und Yago treten vors Haus und ich mache, ohne aufzuschauen, eine einladende Handbewegung: „Bitte Platz zu nehmen.“
Yago hüstelt gekünstelt und sagt: „Das hatte ich eigentlich nicht vor.“
Jetzt erst sehe ich, dass er Anzug trägt, in den Händen einen kleinen Koffer und den Laptop. Ich bin perplex, doch er kommt mir mit der Erklärung zuvor: „Ich konnt’s dir gestern Abend nicht sagen. Weiß auch nicht warum. Auf der Werft in Girona hab ich ’n Job in Probezeit, ich fahr mal hin. Vielleicht wird’s was.“
„Ja, Mensch, Junge!“, freue ich mich, „das ist doch ’ne gute Nachricht! Ich drück dir ganz fest die Daumen.“ Wir umarmen uns ohne Sentimentalitäten, vielleicht einen Augenblick zu lange, das mag schon sein, aber doch sehr männlich.
Er schließt seinen wackeligen Seat auf und ruft: „Ich sag euch Bescheid. Bleibt gesund!“
Der Anlasser leiert, dann springt der Motor an.
„Der Junge macht’s richtig“, sage ich zu Rosita.
Die streicht mir über den Rücken: „Ja, natürlich.“
„Warum so kurz angebunden?“
„Ach, iwo!“, erwidert sie, „Bin nicht kurz angebunden. Ist doch prima, dass er dort eine Chance hat. Ich dachte nur für einen Moment, ob er sich so intensiv um eine Stelle bemüht hätte, wenn wir in der Stadt geblieben wären.“
Meine Frau! „Oh, mi Querida!“, raune ich ihr bewundernd ins Ohr, “Du hast wirklich den totalen Durchblick.”

 

Hola @josefelipe,

vorweg möchte ich mitteilen, dass ich die anderen Kritiken nicht gelesen habe, das ist in Anbetracht der Fülle der Challengegeschichten leider grad nicht möglich.
Aber nun in medias res:

Mir hat deine Geschichte sehr gut gefallen und das aus diveseren Gründen.
Sie ist zeitgeistig, aktuell und hat eine sozialkritische Aussage, denn zeitgeistig allein reicht natürlich nicht als Grundlage für Lob.
Du beschreibst eine ganze Entwicklung einer kleinen Familie, ohne dafür Romanlänge zu benötigen und zeigst damit, was Kurzgeschichten können.
Hach, fast hätte ich es vergessen, daher jetzt gleich mal niedergeschrieben: ich mag den Titel. Nachdem ich gelesen habe, was er bedeutet sogar noch mehr als am Anfang. Aber er animierte mich, diese Geschichte anzuklicken. Wollte wissen, was das ist diese Persianas. Schließlich gehöre ich einer Generation an, in der man diese Pelzmäntel, die Persianer kannte, alle Omas hatten so ein Teil für feine Anlässe im Schrank hängen zur großen Freude der Motten. Ich war gespannt, was mich erwarten würde.
Dann gefällt mir deine Sprache. Die liegt mir, weil ich glaube, sie zu verstehen. Du zeichnest manchmal in einem einzigen Satz ein ganze Drama, einen Lebensabschnitt, eine Liebe. Das finde ich einfach bewundernswert, wie du das hinbekommst.
Ich hatte Freude auf Schatzsuche zu gehen in deinem Text.
Werde dir auch nachfolgend mehr davon Beispiele bringen als umgekehrt Änderungswünsche anbringen.
Und ich mag die Stimmung und die Gesinnung deiner Figuren. Man spürt zwischen allen Personen eine mehr oder weniger lockere liebevolle Verbindung, das ist die Grundstimmung, eine positive und in unserer Zeit keine selbstverständliche mehr.
Gerade deswegen fällt sie mir positiv auf.
Also José, dir ist eine richtig gute Geschichte gelungen. Chapeau!

Ich fange aber gleich mit einer Formulierung an, die ich nicht für gelungen halte.

„Ehm – wie ein Zirkuspferd, von dem alle denken, dass es nicht einmal einen Wagen ziehen kann.“

Yago ist jung, der würde so nicht reden. Er könnte sagen, dass er sich fühlt, als würde er zu einer fake-Veranstaltung eingeladen, wenn er zu den Bewerbungsgesprächen geht, aber schon von Anfang an weiß, dass sie ablehnen müssen. Vielleicht sollte er die Personalbüros angreifen, die eigentlich, nachdem sie laufend Personal reduziert haben, jetzt krampfhaft ihre Daseinsberechtigung darin trickreich aufrecht erhalten, indem sie Bewerbungsgespräche als Farce führen, als Form der eigenen Beschäftigungstherapie.
Vielleicht kommst du dem Kern seines Unmutes näher, wenn du nicht mit einer Metapher arbeitest?

Das sind Räume, keine Zimmer.
Gelungen! Mit einem Federstrich.

in Katalonien, dem besten Land der Welt, das Rest-Spanien mit durchfüttern müsse – er redet wie ein Alter.
Das meine ich, wenn ich deinen Stil mag. Du schaffst es mit so wenigen Worten ganze Dramen anzukündigen.

Konfetti wie bunter Schnee und Girlanden.
Dies hier ist aber wieder eine Formulierung, mit der ich nicht klar komme. Das passt nicht mit dem Konfetti als bunter Schnee.Da entsteht bei mir nicht das richtige Bild. Aber vielleicht geht es nur mir so.

Dabei wäre das Staunen bei mir. Oder betreibt die auch heute Parteiarbeit, bekommt ein Kopfgeld von 5o.ooo Peseten für jedes neu geworbene Mitglied. Peseten! Ich bin wirklich besoffen.
Herrlich! Er fühlt sich geschmeichelt und mitsamt seinen Zweifeln zeichnest du mal eben den Parteienzeitgeist und schaffst es sogar noch in seine Besoffenheit zu integrieren.
Besser geht es nicht. Alle Achtung!

„Kaffee gefällig, vielleicht mit Schuss?“ Ich finde nichts Passendes, was ich nach ihm werfen könnte und sage mit pelzigem Mund: ‚Mein lieber Sohn, dein alter Vater ist sehr krank.’ Und was sagt der aufmüpfige Knabe? „Könnte die Medronho-Krankheit sein.“
Klassisches Beispiel von show, don't tell. Der Schlagabtausch zwischen Vater und Sohn bringt ihr Verhältnis, das sie miteinander haben in wenigen Sätzen auf den Punkt. Es gibt Autoren, die benötigen dafür einen Roman und sagen kein Quentchen mehr aus.
die Sonnenstrahlen werden geknickt wie im Sandsturm,
Im Setting der wüsten Baustelle, war dies so ein weiterer klasse formulierte Schatz, den ich gefunden habe.

„Ach, wie aufmerksam, liebes Weib“, sage ich und berühre sie unsittlich.
Klasse, ein Satz und du hast einen kurzen ganzen Ausschnitt aus dieser Ehe dargestellt.

„Ich kann nicht anders, es sind die Gene“, flunkert sie und zwinkert wie verrückt.
„Die personifizierte Fürsorglichkeit, stimmt. Bei mir ist es die Ritterlichkeit - ich würde mich jederzeit schützend vor dich stellen! Drachen, Dinosaurier – die hätten alle keine Chance.“
Ein köstlicher Dialog! So etwas könnte ich stundenlang lesen.

Ich höre das seit Mittag. Ich will es verdrängen, doch ist es, als ob ich extra hinhören müsste, um meinem Zorn neues Futter zu geben.
Ja, so sind wir Menschen, gut beobachtet und mit wenigen Federstrichen gezeichnet. Super!

Javier bringt uns zwei Kupferbecher Moscow Mule, dazu Pulled Pork und Cheeseburger.
Besser kann man den Wandel nicht darstellen. Die wunderbare spanische Tapas-Küche einfach hinweggefegt mit diesen neuen Speisen. So werden Traditionen vernichtet, so ganz nebenbei in ganz schmackhafter Form.
Das hat mir gefallen, mit wie wenig Mitteln du diese Veränderungen aufzeigst.

Katalanen machen den Mund nur beim Palavern ganz weit auf, doch mit dieser Fähigkeit schaffe ich auch dieses Ungetüm.
Lese ich da leichte Kritik gegenüber den Katalanen?

Vergessen sind viele lieblos servierte Tapas vergangener Tage.

Mit diesem Satz komme ich aber nicht so ganz klar. Aus meiner Sicht ist die Familie sehr traditionsbewusst, die würde doch nicht so einfach Tapas von heute auf morgen einfach durch amerikanisches Essen verdrängen lassen. Und klar, es gibt auf der ganzen Welt von allen traditionellen Speisen auch immer die lieblos servierten Varianten, da halte ich mit, allein schon, wenn Bratkartoffeln, die ich für ein typisch deutsches Gericht halte, mit mehligkochenen Kartoffeln zubereitet sind, dann haste was richtig Liebloses in der Pfanne.
Aber dein Satz klingt so irritierend danach, dass dein Protagonist schon immer was gegen Tapas hatte?
Da muss ich mich einfach täuschen.

Clarke Gable hat meine Frau wieder freigegeben;
Herrliche Punktlandung.

Schade, dass deine Geschichte schon zuende ist.

Lieben Gruß
lakita

 

Ich weiß nicht, ob Tiefe suggeriert wird. Ist vielleicht bei jedem Empfänger ein bisschen anders. Eigentlich halte ich mich für einen Schreiber, der nicht mit kleinen Tricks imponieren will, iwas suggerieren will. In unserem Fall geht es um das ideale Plätzchen für die Siesta.

Ich mag deine Geschichte und den Grundton deiner Geschichte, sie hat mir wirklich gut gefallen. Aber vielleicht lese ich sie an einer Stelle anders. Ich fragte mich einfach: Was ist das spanische/katalanische in der Lebenswelt des Ich-Erzählers? Naja, das ist eben zum Beispiel das ideale Plätzchen in deiner Siesta. Und ich habe eben den Eindruck, dass man das völlig beliebig austauschen kann. Deswegen mein Finnland-Beispiel. Oder lass eine geographische Angabe komplett weg.

Mir geht es nicht darum, unbedingt irgendetwas herbeizukritteln, irgendeinen Kritikpunkt herbeizureden oder so. Aber es ist ein kleiner Punkt, mehr nicht, es soll einfach ein Denkanstoß sein. :-)

Vielleicht ist das auch ein seltsame Erwartungshaltung, die ich da habe und die ich auch an mich anlege und die mich blockiert, keine Frage. Und ich bin ja kein Literaturwissenschaftler. Aber ich hoffe, du hast meinen Punkt jetzt nachvollziehen können.

lg
kiroly

 

Hallo @josefelipe

wie es scheint, hab ich in Dir den idealen Leser für meinen Text gefunden. Leider kann ich Dir nicht viel antworten, weil Du wenig kritisiert hast,
Tja, manchmal passt es einfach. Und so bleibt mir vielleicht nur noch @lakita beizupflichten, wenn sie (?) schreibt
Du zeichnest manchmal in einem einzigen Satz ein ganze Drama, einen Lebensabschnitt, eine Liebe. Das finde ich einfach bewundernswert, wie du das hinbekommst.

Weiter so!

Nochmals beste Grüße,
Fraser

 

Hallo @josefelipe

ach, herrje, den Anfang fand ich holprig, weil du direkt in eine Szene reingehst, die eher nach plakativem Antiraucher-Witz klingt; einige Textpassagen schienen mir zu treppenwitzig; größtenteils gefällt mir die sprachliche Eleganz oder besser Leichtigkeit, allerdings nicht durchgehend.
Als ich mich aber im Text zurechtgefunden habe, spürte ich diese josefelipe-Melancholie, dieses zartbittere Lächeln, das ich an deinen Texten mag.
Ja, ein guter Text. An der einen oder anderen Stelle gibt's allerdings mMn noch die Chance, was zu ändern und der Geschichte mehr Prägnanz zu geben.

Was für eine hübsche Frau! Und das Tollste: „Mein Herr“, fügt sie lächelnd hinzu. Wieso denke ich jetzt an Tango?
hübsch, wie du das machst, den inneren Monolog in eine Frage kleidest.

ich charmiere: „Danke, sehr freundlich.“ Das scheint mir zu knapp. „Dass so eine hübsche Frau wie Sie in diesem Beruf arbeitet ...“
charmiere :Pfeif:

Der Lärm der Straße trifft mich fast körperlich. Nimmt der Verkehr weiter zu oder bin ich empfindlicher geworden?
Aber da kommt auch schon der Bus.
mm, hier gleich wieder der Fragemonolog, würde ich nicht allzu oft hintereinander verwenden, dieses Stilmittel.

Und es gibt diese Persianas, altmodische Fensterläden in Eisenschienen, die man von der Mauer abgespreizt ‚halbhoch’ stellen kann für diese einmalige Mischung aus Licht und Schatten. Zur Siesta ein fabelhafter Ort; um nichts in der Welt würde ich das hergeben. Ein Lichtspiel entsteht, keiner Welt zugehörig, melancholisch.
ausschweifend, aber ein starkes Bild

Vierzig Prozent Arbeitslosigkeit bei den jungen Leuten! Ein Wahnsinn. Wie sollen die einen Hausstand gründen, wovon Kinder großziehen? Was passiert mit Spanien? Dazu kommt, dass die Besten abhauen, in Länder, wo es eine Chance gibt.
beschreibt die Lage recht exakt

Dieses weiße Pulver nehme ich selten. Nein, nicht durch die Nase, das wird in Wasser aufgelöst und ist gut gegen Kateritis.
na ja, das zum Beispiel meinte ich mit Treppenwitz.

„Tante Laias Haus steht leer. Das ist schmuck, hat die richtige Größe und ist ruhig gelegen.“
„Wieso schmuck“, wirft Yago ein, „willst du das schönreden?
schmuck, wer sagt denn so was noch?

Ein Streifzug durch die Tapa-Bars kostet mittlerweile ein Vermögen.
Tapas?

ich folge, Drehung, wir gleiten übers Mar Catalan, vorbei an Felsen, Palmen, weißen Häusern mit Persianas und einem kleinen rostigen Seat. ‚Yo soy un hombre sincero!’, schreie ich, und ‚Yo te amo, Rosita!’ Um uns herum sind fast alle aufgestanden, klatschen und singen mit. Wir feiern die beste Party unseres Lebens.
gefällt mir sehr, dieses melancholische Ende

viele Grüße aus der frostigen Dezembernacht
Isegrims

 

Hola @lakita,

ich möchte mich für Deine Zuschrift bedanken, natürlich und besonders für Deinen hochgereckten Daumen, denn Lobendes ist nun mal das, was dem Menschen gut tut. Bestimmt gibt’s in jedem Text Stellen, die noch verbessert werden können, und die Ansichten darüber, mit welchen Mitteln und in welchem Maße das zu geschehen hat, sind wiederum abhängig von subjektiven Faktoren, bis hin zur Tagesform. Jedenfalls hab ich bisher, für mich klar erkennbar, vom Aufenthalt im Forum profitiert. Und deshalb – damit sich der Kreis schließt – muss ich die Wortkrieger loben, und Dich als Moderatorin:).

... ich mag den Titel. Nachdem ich gelesen habe, was er bedeutet sogar noch mehr als am Anfang. Aber er animierte mich, diese Geschichte anzuklicken.

Da hab ich diesmal Schwein gehabt – oft hab ich Schwierigkeiten, den passenden Titel zu finden.

Ich hatte Freude auf Schatzsuche zu gehen in deinem Text.

Hier verschlägt’s mir, ganz ehrlich, fast die Sprache. Selbst wenn Du den Text sehr wohlwollend gelesen hast, so ist doch allein das Andeuten der Möglichkeit, ausgerechnet in meinem Text fündig zu werden, das dickste überhaupt vorstellbare Lob. Das motiviert kräftig!

„Ehm – wie ein Zirkuspferd, von dem alle denken, dass es nicht einmal einen Wagen ziehen kann.“
Yago ist jung, der würde so nicht reden. Er könnte sagen, dass er sich fühlt, als würde er zu einer fake-Veranstaltung eingeladen, ...

Oh, meine Goodness – diese Rüge muss sein! Hab’s nicht gemerkt, dass Yago mit meinem Munde redet. Wird geändert.

Vielleicht kommst du dem Kern seines Unmutes näher, wenn du nicht mit einer Metapher arbeitest?
Auf jeden Fall. Dein fake-Vorschlag ist die Lösung, danke.

Vergessen sind viele lieblos servierte Tapas vergangener Tage.

Mit diesem Satz komme ich aber nicht so ganz klar. Aus meiner Sicht ist die Familie sehr traditionsbewusst, die würde doch nicht so einfach Tapas von heute auf morgen einfach durch amerikanisches Essen verdrängen lassen.
Nein, das wäre wirklich unvorstellbar – zumindest für die Eltern-Generation. Yago und seine Leute können sich für beides begeistern.
Für mich sind ‚Pulled Pork’ & Cheeseburger das Grauen schlechthin, aber wenn das mit crispy salad etc. sorgfältig gemacht ist, dann kann’s schon besser sein als eine schlaffe Tortilla ausm Mikro. Und da sind wir bei Deinen Bratkartoffeln! Licht und Schatten wohin man schaut.

Aber dein Satz klingt so irritierend danach, dass dein Protagonist schon immer was gegen Tapas hatte?
Da muss ich mich einfach täuschen.

Liebe lakita, sei unbesorgt – Du täuschst Dich.

Besten Dank nochmals für Dein aufbauendes Urteil
und viele Grüße!
José

PS Änderung ohne Metapher:
„Ach, papá, ich komm mir vor wie ...“ Er weiß nicht weiter, greift wieder zu den Zigaretten.Ich halte seine Hand fest, lasse nicht locker: „Wie was?“
„Wie ein Arsch. Entschuldige, aber ich werde verarscht. Das ist doch alles fake, was da läuft!“
Dann kommt er in Fahrt: „Die finden meine Zeugnisse, die Diplome, alle ganz toll. Erzählen von Möglichkeiten, Perspektiven, großartigen Plänen ...

 

@josefelipe,

danke für deine liebe Erwiderung auf meine Kritik.
Und was für ein netter Service. Das könnte man gerne hier einführen, dass der Autor, speziell seine besonderen Verbesserungen herausgefiltert, kurz anführt, so dass man nicht im Text wühlen muss, bis man die vermeintliche Stelle (die es ja dann nur noch rudimentär gibt) gefunden hat.

Also diese Verbesserung ist prima, leichtfüssig und zeitgeistig.
Denn mal ehrlich, es läuft doch genau so. Ich denke grad an einen Piloten, der einen Job sucht als Neueinsteiger, der wird zu etlichen Fluglinien, die allesamt die Personalsuche outgesourct (was'n Sch..Wort, aber es umschreibt die Perfiderie perfekt) haben, eingeladen und bei den ersten beiden Malen nicht genommen, beide Male, war es dieselbe Personalsuchfirma, die ihn gestestet und geprüft hat. Klar, waren jeweils andere Auftraggeber, die für diesen Service zahlen, ergo war er beim zweiten Mal auch mit dabei, aber
es zeigt irgendwie auch deutlich, wie sehr man zu arbeitendem Menschenmaterial herab gewürdigt wird.

Lieben Gruß
lakita

 

Hola @Isegrims,

danke sehr für Deinen Komm. Den Vorwurf überbordender Witzigkeit möchte ich jedoch weit von mir weisen:

... die eher nach plakativem Antiraucher-Witz klingt;
... weil die blauen Schwaden Ausdruck der Aufgebrachtheit des Protas sein sollten –
... einige Textpassagen schienen mir zu treppenwitzig;
Das sind Passagen mit besonders hohem literarischen Anspruch, die lediglich ein wenig verunglückt sind.

Aber dann gelangst Du doch noch zur notwendigen Einsicht:

Ja, ein guter Text.
Meinen verbindlichsten Dank, Meister!

„Tante Laias Haus steht leer. Das ist schmuck, hat die richtige Größe und ist ruhig gelegen.“
„Wieso schmuck“, wirft Yago ein, „willst du das schönreden?
Isegrims: schrieb:
schmuck, wer sagt denn so was noch?
Meistens merke ich es, wenn mir ein altmodischer Begriff dazwischengerät, in diesem Fall leider nicht. Ist gestrichen.

An der einen oder anderen Stelle gibt's allerdings mMn noch die Chance, was zu ändern und der Geschichte mehr Prägnanz zu geben.

Die gibt’s, ganz ohne Frage. Allerdings müsste ich mit der Nase draufgedrückt werden. Nach dem hundertsten Mal Durchlesen seh’ ich gar nichts mehr :shy: .

Lieber Isegrims, gefreut hat’s mich – und ich wünsche Dir eine schöne Adventszeit!
José

PS: viele Grüße aus der frostigen Dezembernacht
Isegrims
Du Ärmster! Hast Du denn keine Heizung:hmm:?

 

Lieber @josefelipe,

Mensch, bist du produktiv! Heute will ich endlich noch meinen kleinen Senf zu deiner Challenge-Geschichte beisteuern, da sehe ich schon deine nächste! Aber jetzt ist erst mal diese hier dran.

Ist natürlich schon so viel gesagt, und du bist schon bei der nächsten Story, aber ein kleines Feedback bekommst du trotzdem noch von mir. Ich mag deine Geschichte, finde schön, wie du diese Familie skizzierst, ihren liebevollen Umgang miteinander und ihr Bemühen, auch aus ungewünschten Entwicklungen etwas Positives zu ziehen. An einigen Stellen finde ich es aber etwas tellig. Natürlich kann man das ja machen, das Abwechseln von Szenischem und Berichtendem, aber ich finde, gerade hier wäre es auch gut möglich, genau diese Tell-Stellen szenischer zu gestalten.
Kleinkram:

Ich höre das Schließen der Haustür, meine Frau Rosita sieht erwartungsvoll vom Rechner auf, doch Yago kommt nicht herein.
Mit deinem ersten Satz tue ich mich schwer. Ich denke mir zwar, du möchtest das so, dass alle drei Protas gleich hier ihren Einsatz bekommen, aber ich finde es holprig. Das Schließen der Haustür könnte auch zu hören sein, wenn jemand geht, da könntest du noch Schritte auf dem Flur einbauen, und vllt auch mehrere Sätze draus machen. Ich höre das Schließen der Haustür, Schritte auf dem Flur. Auch Rosita, meine Frau, sieht erwartungsvoll vom Rechner auf, doch Yago kommt nicht herein.
Nach einer Weile gehe ich zu seinem Zimmer und klopfe. Er öffnet, umwabert von blauen Schwaden, und raucht wie der Teufel.
”gehe ich zu seinem Zimmer” klingt lahm. Ist ja eigentlich logisch, dass er vor dem Klopfen dahingegangen ist. Vllt. einfach: Nach einer Weile klopfe ich an seinem Zimmer….
Es gibt noch mehr blaue Wolken
Vielleicht bin ich ja heute extrem mäkelig, tut mir leid, aber ”Es gibt” erscheint mir auch unnötig und nicht gerade ein sprachliches Highlight. Kannst du besser … Aber genügen würde ganz einfach: Noch mehr blaue Wolken ...
Gott sei Dank haben wir unsere Wohnung, die kann uns niemand nehmen. Seit Generationen wohnt meine Familie hier. Das sind Räume, keine Zimmer. Großzügig und hoch, Stuck an den Decken, zweiflügelige Türen, Balkon – unser Palast im Kleinen, eine Bastion im Tumult der Millionenstadt.
Hier ist so eine Stelle, die ich mir szenischer noch besser vorstellen könnte, ohne dass es unbedingt sehr viel mehr Text sein müsste. Der Prot könnte z.B. einfach nachhause kommen und beim Betreten des Flurs diese Gedanken entwickeln.
Und es gibt diese Persianas, altmodische Fensterläden in Eisenschienen, die man von der Mauer abgespreizt ‚halbhoch’ stellen kann für diese einmalige Mischung aus Licht und Schatten. Zur Siesta ein fabelhafter Ort; um nichts in der Welt würde ich das hergeben. Ein Lichtspiel entsteht, keiner Welt zugehörig, melancholisch. Zwischen Schemen und Zwielicht entstehen großen Dramen, es überkommt einen das Gefühl, man könne die Schatten manipulieren, hell gegen dunkel ausspielen, Unangenehmes verschieben
Hier wieder “es gibt” … :rolleyes: Ich finde das ja wirklich etwas ...lahm. Ja, hier könnte ich mir das auch durch kleine Änderungen szenischer vorstellen, eben, dass sie tatsächlich Siesta abhalten und wir Leser dabei sind und er dann die Persianas in diesem Moment so einstellt und dabei diese Gedanken hat.
Wir reden von Familienkasse, auch wenn Yago nur herausnimmt, ohne etwas beizusteuern. Vierzig Prozent Arbeitslosigkeit bei den jungen Leuten!
Könnte auch gut ein kleiner Dialog sein.
Dieses weiße Pulver nehme ich selten. Nein, nicht durch die Nase, das wird in Wasser aufgelöst und ist gut gegen Kateritis.
Ich bräuchte das nicht wirklich, ist mMn unnötig geschwätzig, und den Kater merkt man ihm ja im weiteren Text trotzdem an.
sage mit pelzigem Mund: ‚Mein lieber Sohn, dein alter Vater ist sehr krank.’
Hier kommen doch richtige hin, oder?
die Sonnenstrahlen werden geknickt wie im Sandsturm, vom Lärm gar nicht zu reden.
Die geknickten Sonnenstrahlen finde ich gut – der Lärm ist sicher nervig, aber geknickt wird er nicht. Vllt kannst du den noch etwas treffender für sich alleine beschreiben.
Bum-Bum
BumBum.
Klingt das mit Bindestrich anders? ;)
Aber Irrtum! Wir haben einen gemeinsamen Nenner: das verdammte Geld.

Ich beneide meine Frau um ihre Kreativität. Die neue Koi-Serie wird garantiert ein Renner.

Das war mir nur aufgefallen beim Lesen: Das sich diese ähnlich klingenden Wörter so nah beieinander befinden.
Mit fürchterlichem Gesicht kommt Yago in die Küche
Wie fürchterlich ist denn ein fürchterliches Gesicht? :aua:
das Beste ausTante Laias
ein Leerzeichen fehlt nach „aus“
sie macht den ersten Schritt, ich folge, Drehung, wir gleiten übers Mar Catalan, vorbei an Felsen, Palmen, weißen Häusern mit Persianas und einem kleinen rostigen Seat. ‚Yo soy un hombre sincero!’, schreie ich, und ‚Yo te amo, Rosita!’ Um uns herum sind fast alle aufgestanden, klatschen und singen mit. Wir feiern die beste Party unseres Lebens.
Den Schluss kannst du dir einrahmen und an die Wand hängen – einfach schön ist der. :herz:

Viele Grüße von Raindog

 
Zuletzt bearbeitet:

Hola @Raindog,

eigentlich hatte ich die Persianas schon herabgelassen, doch für einen Komm von Raindog ziehe ich sie gerne wieder hoch.
Ich finde, Du liegst richtig mit Deiner Meinung, noch mehr Szenisches wäre besser als Tell; besonders wenn der Prota durch die Räume gehen und dabei die Wohnung beschreiben würde:

An einigen Stellen finde ich es aber etwas tellig. Natürlich kann man das ja machen, das Abwechseln von Szenischem und Berichtendem, aber ich finde, gerade hier wäre es auch gut möglich, genau diese Tell-Stellen szenischer zu gestalten.

Mit deinem ersten Satz tue ich mich schwer.
José: schrieb:
Ich höre das Schließen der Haustür, meine Frau Rosita sieht erwartungsvoll vom Rechner auf, doch Yago kommt nicht herein.
Ja, wie Dein Vorschlag zeigt, kann man’s besser machen. Ich hab’s, wenn es erlaubt ist, genauso übernommen.

noch mehr blaue Wolken ...

... nicht gerade ein sprachliches Highlight.

Wie wahr! Und das im Doppel:

Und es gibt diese Persianas, ...

Tja, da kann ich mir wahrlich nichts drauf einbilden. Beim ersten Fetten war mir klar, dass das eigentlich nix iss – frag mich nicht, warum ich’s stehen ließ. Und das zweite muss jemand anderer reingebracht haben, ich war’s jedenfalls nicht. Trotzdem furchtbar. Aber ausgebessert.

Die Siesta live zu schildern wäre der bessere Weg gewesen, ohne Frage. Ich werde es aber so stehen lassen, aus Bequemlichkeit. Ich schreibe mir jedoch hinter die Ohren, dass statt Beschreibungen Szenen den Text besser machen. Versprochen.

Das hätte ich übrigens beim ‚Karussell’ auch bedenken sollen, das besteht ja nur aus Tell. Ich hoffe, Du verzichtest auf einen Kommentar (:thdown:).

Dieses weiße Pulver nehme ich selten. Nein, nicht durch die Nase, das wird in Wasser aufgelöst und ist gut gegen Kateritis.
Ich bräuchte das nicht wirklich, ist mMn unnötig geschwätzig, und den Kater merkt man ihm ja im weiteren Text trotzdem an.

Tjo – jetzt, mit Distanz, schon peinlich. Ist gestrichen. Vielen Dank!

José: schrieb:
Wir reden von Familienkasse, auch wenn Yago nur herausnimmt, ohne etwas beizusteuern. Vierzig Prozent Arbeitslosigkeit bei den jungen Leuten!
Könnte auch gut ein kleiner Dialog sein.

Sehr wahr. Aber ich lass die Sache auf sich beruhen, die Challenge ist gelaufen. Doch profitiere ich von Deinem Komm auf jeden Fall. Hab das Szenische, das doch so wichtig ist, ein bisschen aus den Augen verloren. Danke für den Rippenstoß.

José schrieb:
Bum-Bum
BumBum.

Klingt das mit Bindestrich anders?

Ja, geringfügig. Es handelt sich lediglich um einen halben Ton. Hab’s trotzdem vereinheitlicht.

Nenner / Renner

Das war mir nur aufgefallen beim Lesen: Das sich diese ähnlich klingenden Wörter so nah beieinander befinden.
Ist repariert.

Liebe Raindog, Frohe WeiWie froh bin ich, mich für Deine Anregungen geöffnet zu haben. Das waren gute Tipps! Vielen Dank dafür und für die wertvollen zwei Stunden, die so etwas meist braucht.

Ich wünsche Dir Gerummel, Geschiebe und Gedränge beim Geschenkekauf, und anschließend bei Starbucks.

José

 

Hey josefelipe,

ich war ja sehr verwirrt, als ich mich auf einmal in Spanien befand. Wenn ich deinen Nick lese, denk ich mich doch ganz woanders hin. :D Also, die Überraschung ist Dir schon mal geglückt.

„Wie ein Arsch. Entschuldige, aber ich werde verarscht. Das ist doch alles fake, was da läuft!“
Dann kommt er in Fahrt: „Die finden meine Zeugnisse, die Diplome, alle ganz toll. Erzählen von Möglichkeiten, Perspektiven, großartigen Plänen mit den neuen Techniken, alles Mögliche – aber dann kommt: ‚Ja, im Moment ...’, im Moment sei es nicht ganz einfach, ich müsse verstehen und diese ganze Sülze. Ich kann’s nicht mehr hören, und ich will’s auch nicht. Basta!“
Zum einen musste ich mich erst mal neu sortieren, weil jemand mit Diplom und dann noch zu Hause im "Kinderzimmer". Das wird natürlich im weiteren Verlauf alles klarer und auch richtiger in meinem Kopf. Zu dem Erstaunen gesellte sich aber auch gleich meine Sympathie für das Thema - die Perspektivlosigkeit - die Jugendarbeitslosigkeit - ja, keine schöne Entwicklung in unserer ach so modernen Gesellschaft.

Sollte vielleicht nicht den Zeigefinger heben, war selbst ein schlechtes Vorbild. Hab erst aufhören können, als der Stress in der Firma nachließ.
:)

„Darf ich mal, Señorita?“, frage ich. Sie dreht sich zu mir und macht eine einladende Bewegung: „Aber natürlich, bitte sehr!“ Was für eine hübsche Frau! Und das Tollste: „Mein Herr“, fügt sie lächelnd hinzu. Wieso denke ich jetzt an Tango?
Ich steige über eine Folienrolle und passiere Malerin und Farbeimer. Mein Anzug bleibt ohne weiße Spritzer und ich charmiere: „Danke, sehr freundlich.“ Das scheint mir zu knapp. „Dass so eine hübsche Frau wie Sie in diesem Beruf arbeitet ...“ Sie hebt die Schultern bis auf Ohrenhöhe, zieht die Mundwinkel nach unten, hat plötzlich viele Falten auf der Stirn. „Das Leben ...“, sagt sie, eher heiter als verbittert wie jemand, der jedes Wetter verträgt.
Ich winke ihr noch mal zu wie ein alter Freund, muss beiseite treten, weil ein gewaltiger Tisch hereintransportiert wird.
Der Lärm der Straße trifft mich fast körperlich. Nimmt der Verkehr weiter zu oder bin ich empfindlicher geworden?
Aber da kommt auch schon der Bus.

Den Übergang finde ich nicht ganz so glücklich oder sagen wir, ich habe mich damit schwer getan. Vielleicht wäre es einfacher, wenn Du mich schon zu Beginn aus dem Haus an einen anderen Ort holst, diesen Satz einfach nach vorn schiebst: Der Lärm der Straße trifft mich fast körperlich. Nimmt der Verkehr weiter zu oder bin ich empfindlicher geworden?

Die oberen Chargen bekommen großzügige Abfindungen – die gängige Regel. Den anderen vermittelt man Umschulungsprogramme oder schickt sie in Frührente. Adiós, weg mit euch!
Klingt so unglaublich sozial. Mann, Mann, Mann. Das ist doch glatter Wortmißbrauch.

Gott sei Dank haben wir unsere Wohnung, die kann uns niemand nehmen.
Ja, da haben sie tatsächlich mehr als viele andere. Damit sind sie in der Luxusverliererabteilung.

Seit Generationen wohnt meine Familie hier. Das sind Räume, keine Zimmer. Großzügig und hoch, Stuck an den Decken, zweiflügelige Türen, Balkon – eine Bastion im Tumult der Millionenstadt, unser Palast im Kleinen.
So hübsch und in bester Lage! Perfekt.

Sie hat aus ihrem Hobby ein Geschäft gemacht und verschickt ihre Origami-Mobiles in alle Welt. Millionärin wird sie damit nicht werden, doch ihr Zuschuss in die Familienkasse findet immer Verwendung.
Schön, wenn man mit dem Hobby noch drei Cent verdient. Das ist auch nicht vielen gegeben. Klar reichts nicht, aber immerhin kostet es nicht nur.

Vierzig Prozent Arbeitslosigkeit bei den jungen Leuten! Ein Wahnsinn. Wie sollen die einen Hausstand gründen, wovon Kinder großziehen? Was passiert mit Spanien? Dazu kommt, dass die Besten abhauen, in Länder, wo es eine Chance gibt.
Ein wirkliches Problem.

Touristen gäbe es jedes Jahr mehr, und die könnten dann tolle Selfies machen mit dem katalanischen Kellner Yago, oder dem Pizzabäcker Yago, oder dem Barkeeper Yago. Aber er habe Elektrotechnik studiert.
Ironie ist auch was feines. Manchmal böse, manchmal traurig. Hier traurig.

Ich finde nichts Passendes, was ich nach ihm werfen könnte und sage mit pelzigem Mund: "Mein lieber Sohn, dein alter Vater ist sehr krank." Und was sagt der aufmüpfige Knabe? „Könnte die Medronho-Krankheit sein.“
Hehe

Fröhliches Gekreische wird von den Wänden als Dreifachecho zurückgeworfen, ein Fettwanst erklimmt das Geländer und klatscht wie ein Wal aufs Wasser. Eine Detonation! Begeistertes Gebrüll und Applaus. Señor Alvarez, in dessen Parterre-Wohnung jetzt Globetrotter logieren, hat den Flur abgetrennt und zur Minibar umfunktioniert. Gejohle und das Scheppern leerer Bierdosen bestätigen seine Geschäftsidee.
Wir halten die Fenster geschlossen. Nach zwei wird es dann stiller.
Ja. In Berlin Mitte wohnen auch noch kaum Berliner und die, die da noch wohnen haben es ähnlich schwer. Vielleicht nicht ganz so. Kann man sicher für fast jede Tourihochburg der Welt so schreiben. Und der Ausverkauf geht weiter ... Und Globalisierung von Städten ist eh ganz großer Mist, weil sie so ihren eigenen Charme verlieren und sich angleichen, in gewisser Art und Weise. Keine kleinen Läden mehr, überall nur noch die gleichen Ketten. Zum Kotzen!

„Tante Laias Haus steht leer. Das hätte die richtige Größe und ist ruhig gelegen. Und im Bach gibt's Forellen.“
Die haben echt den Sechser im Arbeitslosenlotto. Klingt doch ganz wunderbar. Ich wäre schon ohne Touris in Laias Haus.

Ich halte es für unangebracht, darauf etwas zu sagen. Aber er kommt von selbst: „Hätte ich statt auf die Uni zu gehen, gleich nach der Schule gekellnert, dann brauchte ich euch nicht zur Last fallen. Endimar baut jetzt kräftig Stellen ab, UTTP haben die Chinesen kassiert. Vom Terminal hab ich auch eine Absage. Von Juan weiß ich, dass noch nicht mal die Taxizentrale Leute sucht.“
Ey, ey, ey.

Ich will den Garten verändern, vorm Haus eine Akazienallee pflanzen, den Bach anstauen, mit Findlingen vielleicht – jedenfalls haben wir Beschäftigung und vermissen die Stadt überhaupt nicht.
Siehste! Hätten die mal früher gemacht, hätte er vielleicht auch schon früher mit dem Rauchen aufhören können.

„Ach, iwo!“, erwidert sie, „Bin nicht kurz angebunden. Ist doch prima, dass er dort eine Chance hat. Ich dachte nur für einen Moment, ob er sich so intensiv um eine Stelle bemüht hätte, wenn wir in der Stadt geblieben wären.“
:) Läuft!

Rosita nippt misstrauisch an ihrem Drink, ich kenne dieses Zeug auch nicht. Doch schon beim zweiten Schluck sind wir überzeugt – ja, einen vertragen wir noch. Auch das Essen macht Freude, sie haben viel Frisches mit hineingepackt, dass es knackt und ‚crasht’, wie Jaime sagt. Vergessen sind viele lieblos servierte Tapas vergangener Tage.
Nur Vorteile!

Wir feiern die beste Party unseres Lebens.
Na, dann ...

Eigentlich haben die ja gar kein Problem. Die Umstände zwingen sie zwar zu einem anderen Leben, aber wenn sich das sogar noch als besser entpuppt, ist doch fein. Ich gönne es ihnen.
Der politische Rahmen dagegen ist bitter und man weiß, es läuft für die wenigsten so wie für deine Glück im Unglückspilze. Habe ich gern gelesen und ist auch schön, wenn es mal gut läuft zur Abwechslung.

Liebe Grüße, Fliege

 

Hola @Fliege,

besten Dank für Deine Meinung zum Text. Auch lese ich:

... ich war ja sehr verwirrt, als ich mich auf einmal in Spanien befand. Wenn ich deinen Nick lese, denk ich mich doch ganz woanders hin.
... und das verwirrt wiederum mich – schließlich bist Du Global-Wortkrieger!

„Tante Laias Haus steht leer. Das hätte die richtige Größe und ist ruhig gelegen. Und im Bach gibt's Forellen.“
Die haben echt den Sechser im Arbeitslosenlotto. Klingt doch ganz wunderbar. Ich wäre schon ohne Touris in Laias Haus.

Fragt sich nur wie lange :shy: . Lass Dich von Yago warnen: nur Zecken, Ziegen und Schafe! Und zum Einkaufen mit dem SUV.

Wir feiern die beste Party unseres Lebens.
Eigentlich haben die ja gar kein Problem.

Möglicherweise doch. Ein Hubschrauber packt zwei eingefleischte Großstädter am Schlafittchen und lässt sie in einer entlegenen Gegend (aber mit Forellen im Bach:hmm:) wieder fallen. So steinalt sind ja die beiden noch nicht.

Habe ich gern gelesen und ist auch schön, wenn es mal gut läuft zur Abwechslung.

Hoffen wir das Beste. Mit Deinem netten Kommentar läuft’s ja auch bei mir ganz gut.

Danke nochmals und eine schöne Vorweihnachtszeit!

José

 

Moin, moin lieber @josefelipe ,

wir haben uns ja lange nicht gelesen, was eindeutig an meiner Unproduktivität liegt, aber wir nähern uns ja dem Tag mit den guten Vorsätzen. Und vom Weihnachtsfaulsein hab ich nun genug, also schaue ich mal bei den Wortkriegern rein. Bei den vielen Challenge-Beiträgen wähle ich immer den allerletzten auf den zwei Seiten, der noch nicht als von mir kommentiert gekennzeichnet ist - und schaue da - so kam ich nochmals zu einem Spanienausflug, denn gelesen hatte ich die Geschichte bereits nach dem Einstellen. Und klar und deutlich vorweg - ich mag sie.

Um nun nicht ganz so unkonstruktiv hier wieder zu verschwinden, hangel ich mich nochmal an ein paar Zitaten durch Deinen Text.

Persianas
klar - ohne google wäre ich völlig Ahnungslos, aber habe ich gleich ein Bild (überlege gerade, ob man den Begriff wohl in Meyers Lexikon gefunden hätte?)

„Uh, dicke Luft“, sage ich. Keine Antwort. „Na, raus damit“, bohre ich, „was ist los?“
Er druckst herum, will etwas sagen, bricht wieder ab. Ich versuch’s noch mal: „Ich dachte, wir kennen uns?“
schön, die Zweideutigkeit von 'dicke Luft'. Der fettgedruckte Teil ist vielleicht nur regional irritierend, Sowas sagt man hier vielleicht zu Kollegen oder Freunden, im Familienkreis wäre es eindeutig eher ein 'Wir vertrauen uns'. Ich habe jedenfalls kurz an meiner Zuordnung von Yago als Familienmitglied gezweifelt.

vielleicht ein bisschen übertrieben. Sollte vielleicht nicht den
Vielleicht soll das ja nicht so sein :Pfeif:

Wieso denke ich jetzt an Tango?
ich will jetzt nicht nochmal googlen - sonst verpasse ich noch die Abfahrt ins Musical ... Wäre Spanien nicht eher Flamenco?

Meine Firma, also die, in der ich arbeite, wird ‚abgewickelt’. Mit vorbildlichem Sozialplan, das haben sie dick unterstrichen.
Die oberen Chargen bekommen großzügige Abfindungen – die gängige Regel. Den anderen vermittelt man Umschulungsprogramme oder schickt sie in Frührente. Adiós, weg mit euch!
Oh - ja, den BLickwinkel hatte ich lange nicht mehr, die ganz direkten und persönlichen Folgen von dem Nachrichtenbeitrag über Wirtschaftliche Schwierigkeiten eines Landes.

Wir reden von Familienkasse, auch wenn Yago nur herausnimmt, ohne etwas beizusteuern. Vierzig Prozent Arbeitslosigkeit bei den jungen Leuten! Ein Wahnsinn. Wie sollen die einen Hausstand gründen, wovon Kinder großziehen?
auch das, ich gestehe, in letzter Zeit manchmal ein wenig zu wenig über den Tellerrand geschaut zu haben, Dankeschön für den Nachhilfeunterricht.

Dieses Nachbarschaftsfest feiern wir seit 1988.
nur ein persönliches Gefühl, mir würde hier eine Zahl wie seit" zwanzig Jahren" besser gefallen, denn wann das Heute spielt, benennst Du meiner Erinnerung nachnicht so präzise.

"Mein lieber Sohn, dein alter Vater ist sehr krank." Und was sagt der aufmüpfige Knabe? „Könnte die Medronho-Krankheit sein.“
:lol: Bei uns hieß das 'ein lachender Arzt am Bett'

mit silbernem Delfin.
meinst Du hier eine Statue oder ein Schwimmdingens? Ich hab kein Bild?

Wir halten die Fenster geschlossen. Nach zwei wird es dann stiller.
ohweia, da fehlen mir total die Erfahrungen. Ich kriege ja schon die Krise, wenn das Hotelzimmer auf einen belebten Platz hinausgeht, aber mitten in Wohngebieten? Wie gesagt, Danke für die Erweiterung meines Horizontes ...

Wir brauchen mehr Geld, und das geht nur, wenn wir an Reisende vermieten.“
Schlimm irgendwie, wie der Bogen einen dann selber trifft

Rosita patscht mir einen nassen Kuss auf
ich will nur sagen, das ich drüber gestolpert bin, es passt einerseits prima, ist andererseits aber auch zuviel - keine endgültige Meinung

„Aber das ist doch kein Zustand!“, fährt er hoch, „Und Ricardo, dieses dumme Schwein, macht noch Witze ... mit Hotel Mama und so.“
ja, in dem Zusammenhang ist das wirklich anders. Aber soweit weg sind wir hier in Deutschland ja auch nicht, wer nur kleine Löhne in Großstädten zur Verfügung hat, ist auch eher zum Nesthocker verurteilt (oder mehr Kreativität)

Wir umarmen uns ohne Sentimentalitäten, vielleicht einen Augenblick zu lange, das mag schon sein, aber doch sehr männlich.
schön gezeichnet

Ich dachte nur für einen Moment, ob er sich so intensiv um eine Stelle bemüht hätte, wenn wir in der Stadt geblieben wären.“
Meine Frau! „Oh, mi Querida!“, raune ich ihr bewundernd ins Ohr, “Du hast wirklich den totalen Durchblick.”
Mir haben eventuell die Kekstorte und die wirklich gelungene Putensoße ein paar Windungen verklebt, aber wie meint (also soll sie es hier meinen)? Hat er den Umzug also auch deshalb forciert? Fände ich sehr logisch, aber ein früherer Hinweis im Text wäre auch toll (oder ist er da?)

„Ganz falsch – wir sind zum Nachbarschaftsfest eingeladen!“
wie schön, der Kreis schließt sich ...

Wir feiern die beste Party unseres Lebens.
da ich Happy End mag ist es für mich in Ordnung, und ganz viel Veränderungen hast Du ja aufgezeigt. In diesen Veränderungen sehe ich auch das Kofferthema, aber auch in den vielen Touristen, dem Umzug aufs Land und dem offensichtlichen beim Antritt der Probestelle - also Thema eindeutig erfüllt.
Wirklich gerne gelesen. Entschuldige bitte, bestimmt vorhandene Dopplungen, für alle Komms reicht meine feiertagsmüde Leseeinstellung heute noch nicht.
Genieße die wundervollen Tage zwischen den Jahren
Beste Wünsche
witch

 

Hola @greenwich,

... aber wir nähern uns ja dem Tag mit den guten Vorsätzen.

Und zwar rasend schnell! Das ist auch der Grund, weshalb ich panisch werde: Ich suche wie verrückt nach der Liste mit meinen guten Vorsätzen, kann sie verdammt noch mal nicht finden. Ich glaube, ein Punkt war das Ordnunghalten ...
Zum Trost sagt greenwich:
... gelesen hatte ich die Geschichte bereits nach dem Einstellen. Und klar und deutlich vorweg - ich mag sie.

... und alles ist gut. Danke schön.

Persianas
klar - ohne google wäre ich völlig Ahnungslos,

Völlig ahnungslos? Versteh ich nicht, und den Google brauchst Du auch nicht. Steht doch alles auf engstem Raum klipp und klar in einem Satz:
Mit diesen Persianas, altmodische Fensterläden in Eisenschienen, die man von der Mauer abgespreizt ...

vielleicht ein bisschen übertrieben. Sollte vielleicht nicht den

greenwich: schrieb:
Vielleicht soll das ja nicht so sein

Wo Du Recht hast ... ist mir nicht aufgefallen. Ein Fettes musste weichen.

José: schrieb:
Wieso denke ich jetzt an Tango?

greenwich: schrieb:
ich will jetzt nicht nochmal googlen - sonst verpasse ich noch die Abfahrt ins Musical ... Wäre Spanien nicht eher Flamenco?

Südspanien Flamenco, Tango in Argentinien – claro. Aber atmosphärisch muss hier in Katalonien, an dieser Stelle, in diesem Moment Tango sein (eine schöne Frau, ein Mann wie alle Männer, doch sie sagt zu ihm mit dieser Wahnsinnsstimme, die ich näher zu beschreiben vergaß: ‚Bitte sehr, mein Herr’. Das ist doch irre! Mit diesem Blick! Er müsste sie gegen die Leiter drücken, eigentlich – aber dieser Brave will die Reihenfolge einhalten – also erst Tango. Na ja.

... Vierzig Prozent Arbeitslosigkeit bei den jungen Leuten! ...

ich gestehe, in letzter Zeit manchmal ein wenig zu wenig über den Tellerrand geschaut zu haben, Dankeschön für den Nachhilfeunterricht.
Gerne.

[QUOTEJosé:]"Mein lieber Sohn, dein alter Vater ist sehr krank." Und was sagt der aufmüpfige Knabe? „Könnte die Medronho-Krankheit sein.“[/QUOTE]

greenwich: schrieb:
Bei uns hieß das 'ein lachender Arzt am Bett'

Jetzt bin ich dran, Google um Hilfe zu bitten; diese Redensart hab ich noch nie gehört – aber auch Goggle muss passen. Schade.

José: schrieb:
mit silbernem Delfin.

meinst Du hier eine Statue oder ein Schwimmdingens? Ich hab kein Bild?

Aber Du hast doch ein Bild! Eine Statue natürlich – was denn sonst:Pfeif:?

greenwich: schrieb:
Mir haben ... ... die wirklich gelungene Putensoße ...

Glückwunsch! Besonders von Vorteil, wenn der Vogel etwas trocken;) geraten ist. So hat man wenigstens die bravouröse Sauce samt Beilagen:(.

Hat er den Umzug also auch deshalb forciert? Fände ich sehr logisch, aber ein früherer Hinweis im Text wäre auch toll (oder ist er da?)

Ich wollte, dass die Entwicklung logisch / nachvollziehbar verläuft. Unserem Braven würde ich so eine Strategie nicht zutrauen – eher schon Rosita.

José: schrieb:
Wir feiern die beste Party unseres Lebens.

da ich Happy End mag ist es für mich in Ordnung, ...

Da hab ich Glück - sehr spektakulär ist es nicht. Da aber der Autor mehr weiß als der Leser: Ich fand das in seiner Einfachheit passend, als Gegengewicht sozusagen; hätte es all die Veränderungen*) nicht gegeben, hätten sie nicht die beste Party feiern können.

*)Die Alten sagten früher immer: ‚Wer weiß, wofür’s gut ist’. Hier kann uns nur ein Smiley retten::hmm:.

Liebe greenwich, für’s Neue Jahr alles Gute, pass gut auf Dich auf. Wir alle wissen jetzt durch die Geschichte von @Huxley, dass sich der Aufenthalt in Gewächshäusern nicht nur auf reines Gärtnern beschränken muss.

José

 

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