Was ist neu

(Personale) Erzählperspektive

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Hallo @Katla,
deine Antwort ist zwar schon eine Weile her und weil ich so beschäftigt war, bin ich nicht dazu gekommen, das möchte ich jetzt aber gerne nachholen. Wird vermutlich auch nicht so lang, denke ich ;)

Eine Figur, die "etwas personal aus ihrer Sicht erzählt" -> Ist ein personaler Erzähler ("er"), der etwas rein subjektiv aus seiner Sicht als Figur erzählt
Ich glaube, dass meine Verwirrung davon kommt/kam, dass ich bei einem personalem Erzähler davon ausgehe bzw ausgegangen bin, dass der Erzähler nicht mit der Hauptfigur identisch ist, weil er ja das Pronomen "er" verwendet. Ich-Erzähler sind im Allgemeinen mit der Prot identisch (was nicht immer so sein muss, aber wohl meistens zutrifft). Die Annahme, dass ein Erzähler etwas in der Er-Form über sich selbst erzählt, finde ich irgendwie seltsam, aber nicht grundsätzlich abwegig, für mich beim Schreiben schwierig. Aber es ist auf jeden Fall eine Sicht auf diesen Erzähler und es erklärt für mich auch einiges, kann also eine hilfreiche Sicht auf die Frage des Erzählers sein, aber meine Standardsicht ist, dass der personale Erzähler, wie auch der auktoriale, nicht mit der Prot identisch ist. Ist das falsch?

Ich bin davon ausgegangen, dass du 1 Erzähler verwendest

Nee, ich hab versucht, auktorial und personal zu wechseln, was mir nicht gelungen ist. Es ist - handwerklich gut gemacht - aber an sich kein Fehler. Sinnloses Rumgespringe ist ein Fehler, wie eben bei mir.

Auch das ist für mich eine schwierige Sicht, also wenn ein Erzähler wechselt, zumindest auf kurzer Strecke. Meine Sicht ist, dass es (tendenziell, es gibt natürlich Ausnahmen) 1 Erzähler (pro Kapitel oder Geschichte) gibt und der kann zwischen eher auktorialen Passagen und personalen Passagen wechseln. Aber vielleicht meinen wir auch beide das gleiche. Ich glaube für mich ist das Wort "Erzähler" ganz klar an jemanden gekoppelt, der eine Geschichte erzählt und der bedient sich an verschiedenen Stellen in der Geschichte verschiedener Kniffe und Tricks, aber er ist grundsätzlich derselbe "Typ". Darum hab ich vermutlich so große Probleme mit dem reinen personalen Erzähler. Ich mag nämlich Er-Erzähler gerne, sowohl lesen als auch schreiben, aber die Frage: Ist das jetzt ein Perspektivfehler, würde das ein personaler bzw. auktorialer Erzähler so sagen?, das reißt mich dann aus dem Schreibfluss. Ich habe das Wort "Erzähler" bisher tatsächlich sehr konkret verwendet. Ich lande am Ende gedanklich immer wieder am Lagerfeuer und einer erzählt dort eine Geschichte oder sie erzählen zu zweit oder dritt, kann alles sein, ist alles möglich. Für mich war es bisher ein Unterschied, ob ein (nicht reiner) auktorialer Erzähler im Laufe der Geschichte die Erzählperspektive wechselt (von auktorial zu personal und wieder zurück) oder ob, zwei Erzähler jeweils auktoriale oder personale Parts übernehmen. Vielleicht kacke ich aber auch gerade Korinthen, keine Ahnung, wirklich.
Ich weiß nicht, ob dir das was hilft, mir hilft es schon. Und ich hoffe, ich habe jetzt nicht zu einem Stuhl Tisch gesagt, wenn doch, freue ich mich, zu erfahren, wo genau ich Begriffe falsch verwendet habe. Vielleicht darf man den Erzähler gar nicht so konkret auffassen, wie ich es tue? Vielleicht sind Erzähler und Erzählperspektive tatsächlich Synonyme?

Ein konsequenter personaler Erzähler kann aber auch objektiver / neutraler sein, auch Dinge erzählen, die in der Realität niemand so denken würde. Weil es eben Prosa, eine Erzählung, ist und nicht eine uneditierte Wiedergabe von Gedanken bei Erlebnissen.
Den objektiven/neutralen Erzähler hab ich bisher tatsächlich so verstanden, dass er eben nicht über Gedanken schreibt bzw. über innere Prozesse, sondern über das, was von außen wahrnehmbar ist. Was die Personen denken und fühlen, muss sich der Leser selbst herleiten, also eigentlich ganz klassisches Show, don't tell, denke ich. Aber auch hier kann es sein, dass ich alles falsch verstanden habe.

Ich überlege gerade, ob das ganze Problem sich tatsächlich damit auflöst, dass Erzähler und Erzählperspektive nicht sich gegenseitig ergänzende Konzepte, sondern Synonyme sind. Hmmm :susp: Ich wäre über Aufklärung dankbar.

Liebe Grüße
Katta

PS Hab noch mal etwas editiert, weil es beim nochmaligen Lesen mir nicht ganz klar schien...

 
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Huiuiui, da wird mir beim Mitlesen ganz schwindelig. Aber ich finde es toll, dass es diese Diskussion gibt. Ich selbst finde das Thema nämlich auch gar nicht einfach zu verstehen.
Ich glaube, hier auf derselben Wellenlänge zu sein, wie @Katla. Aber neben meiner Schreiberfahrung habe ich keine entsprechende Ausbildung, daher werfe ich nur zögerlich meine Worte in den Kreis. Manchmal bringen andere Formulierungen ja neue Anstöße. Bitte ignoriert meinen Post einfach, wenn er nicht weiterhilft!

Ein auktorialer Erzähler beherrscht die Geschichte; er gibt Rahmen und Inhalt vor. Wenn er sagt, etwas ist hässlich, dann ist dieses etwas hässlich.
Wichtig ist hier der Gesamteindruck, dass man die Geschichte von einer außerhalb der Geschichte stehenden Stimme hört. Die Zuordnung bzw. Abgrenzung einzelner Sätze ist aber äußerst schwierig und häufig nicht eindeutig (wie man oben am Beispiel "greift die Hand seiner Frau" sieht; das könnte die Formulierung eines Geschichtenerzählers sein oder die nüchterne Sicht eines alten Mannes :) ).
Als Beispiel fallen mir hier Märchen ein.

Ein personaler Erzähler blickt durch eine (oder auch mehrere ausgewählte) Figur(en) auf die Geschichte. Diese Figuren sind sozusagen seine Kristallkugeln. Wichtig ist hier, nach meiner Erfahrung, dass man trotz der Verwendung des "er", am Ende den Gesamteindruck hat, dass man die Geschichte durch diese Figuren erlebt. Das heißt aber auch, dass der Erzähler hier nicht Herr und Gebieter der Geschichte ist. Wenn er sagt, etwas ist hässlich, dann hinterlässt das bei den Lesenden nur den Eindruck, dass die beobachtete Figur dieses etwas als hässlich betrachtet. Wir Lesenden können darüber anders denken.
Als Beispiel fällt mir hier Harry Potter ein.

Trotz dieser Trennung habe ich den Eindruck, dass in Romanen personale Erzähler häufiger auch einmal ihren Blick heben und eben auch mal mitteilen, was die Figur, der sie folgen, nicht wahrnimmt (was sich aber in ihrer Nähe abspielt; etwa um Spannung zu erzeugen). Und in Prologen und Einleitungen hört man auch durchaus mal einen auktorialen Erzähler etwas zur (Fantasy-)Welt oder Zeit oder so sagen, obwohl man den Rest der Geschichte durch einen personalen Erzähler erlebt.

Einschub: Um auf deine ursprünglichen Fragen einzugehen. Sobald du mit deinem Text das Gefühl eines eigenständigen Erzählers erschaffst, hast du durch die so geschaffene Distanz zu den sonstigen Figuren mMn wahrscheinlich wieder einen auktorialen Erzähler. Aber das kommt stark darauf an, wie du das umsetzt und wie sich das einfügt. Wenn du eine Erzähler-Figur ausdrücklich in den Text mit einbaust, dann hättest du (und das ist jetzt nur meine Einschätzung) vielleicht auch einen personalen Rahmen-Erzähler geschaffen, der dann wiederum personal oder auktorial die eigentliche Geschichte wiedergibt, je nachdem ob er in dieser selbst auch vorkommt. Insgesamt steht es dir offen, ob du dir beim Schreiben einen oder mehrere Erzähler vorstellst und in welches Verhältnis du diese setzt.

Wie gesagt, wenn das nichts beantwortet, sondern nur verwirrt, dann ignoriert meinen Einwurf einfach!

Liebe Grüße
M.

 

Hallo Moog,

hab lieben Dank, dass du auch etwas in die Runde wirfst.

Huiuiui, da wird mir beim Mitlesen ganz schwindelig.
Ja, ich schätze wohl, dass ist mein Verschulden :drool: Ich habe manchmal eine etwas mühsame Art beim Verstehen der Dinge ... das war schon immer so und kann für andere ziemlich anstrengend sein, das weiß ich wohl mittlerweile ...

Ein auktorialer Erzähler beherrscht die Geschichte; er gibt Rahmen und Inhalt vor.

Wichtig ist hier, nach meiner Erfahrung, dass man trotz der Verwendung des "er", am Ende den Gesamteindruck hat, dass man die Geschichte durch diese Figuren erlebt. Das heißt aber auch, dass der Erzähler hier nicht Herr und Gebieter der Geschichte ist. Wenn er sagt, etwas ist hässlich, dann hinterlässt das bei den Lesenden nur den Eindruck, dass die beobachtete Figur dieses etwas als hässlich betrachtet.
Ich habe vor allem mit dem (reinen) personalen Erzähler Verständnisprobleme. Aber ich denke, dass die Präsenz des Erzählers beim personalen Erzählen tendentiell eher verschwindet und dass der Erzähler beim auktorialen Erzählen präsenter als eben Erzähler der Geschichte ist. Und dass der Erzähler verschwindet, _das_ machte mir irgendwie das ganze Kopfzerbrechen. Ich will nicht klassisch auktorial erzählen, wo der Erzähler weit weg ist und über allem schwebt, aber ich will auch nicht auf auktoriale Einsprengsel verzichten. Und ich dachte irgendwie, das müsste ich, wenn ich der "reinen Lehre" folge. Ich weiß schon, dass es am Ende um die Frage geht, ob ein Text funktioniert und nicht, ob man als Autor etwas darf oder nicht, aber ich will doch zumindest die Regeln verstehen.

Trotz dieser Trennung habe ich den Eindruck, dass in Romanen personale Erzähler häufiger auch einmal ihren Blick heben und eben auch mal mitteilen, was die Figur, der sie folgen, nicht wahrnimmt
Ja, genau darum ging es mir im Grunde oder das war etwas, woran ich gehangen habe. Ich habe den auktorialen und personalen Erzähler in einer Reinform betrachtet und dachte, dass ich weder das eine noch das andere lesen oder schreiben möchte, aber auch nicht nur auf Ich-Erzähler festgelegt sein will.
Jetzt verstehe ich es so, dass der Erzähler einen Schwerpunkt hat im auktorialen Erzählen (und dann aber eben auch manchmal personal erzählen kann) oder im personalen Erzählen (und dann aber durchaus auch mal auktorial erzählen kann) oder auch im eher objektiven/neutralen Erzählen (und dabei aber auch mal Gedanken und Gefühle benennen dürfte). Ich habe verstanden, dass die Erzähler wohl nicht so eng aufzufassen sind, wie ich dachte, dass sie sind. Das hat dein Post für mich auch noch mal bestärkt.

Viele Grüße
Katja

 

Liebe Leute,

ich habe eine mir neue, interessante Webseite entdeckt mit literaturwissenschaftlichen Grundbegriffen, auch wenn die sicher einige schon kennen, hier der Link für alle Unwissenden wie mich: http://www.li-go.de/definitionsansicht/ligostart.html
Interessanterweise wird auf der Seite der Begriff "personal" gar nicht verwendet. "Auktorial" hingegen findet sich dort. Für eine bessere Übersicht, habe ich mal den für mich relevanten Teil (Discours) herausgeschrieben, dass es so hübsch strukturiert ist, hat mir ganz besonders gut gefallen :herz:

Naja, jedenfalls dachte, ich dass es vielleicht noch den einen oder anderen interessiert, weswegen ich meine Aufzeichnung hier mal reinkopiere (die sind nicht 1:1 von der Website kopiert, aber schon daran orientiert und mit Link ist es wohl erlaubt, oder?). Wem meine Zusammenfassung hier zu dünn ist, schaue bitte auf der Website nach. Für diesen Thread sind insbesondere Modus und Stimme relevant, aber der Vollständigkeit halber hab ich den Punkt "Zeit" auch mit aufgenommen.

Discours – Wie wird erzählt, welche Mittel werden verwendet

  1. Zeit = Erzählzeit im Discours
    1. Ordnung: Hält sich der Discours an die Ordnung der Ereignisse?
      1. Einhalten der Ordnung: A B C
      2. Prolepse: A C B – Ereignis wird berichtet, bevor es passiert
      3. Analepse: B A C – Ereignis wird später berichtet, als es passiert
    2. Tempo:
      1. Zeitdeckendes Erzählen: zB Szene
      2. Zeitdehnendes Erzählen: zB Pause, Dehnung
      3. Zeitraffendes Erzählen: zB Raffung/Zusammenfassung, Ellipse
    3. Frequenz:
      1. Singulativ
      2. Iterativ
      3. repetitiv
  2. Modus = Grad an Mittelbarkeit und Perspektivierung
    1. Distanz: Skala von unmittelbar/szenisch bis mittelbar/narrativ
      1. Unmittelbar: kein erkennbarer Erzähler, keine Reflexionen, Kommentare etc. = show
      2. Mittelbar: starke Erzählerpräsenz mit Reflexionen, Kommentaren etc. = tell
    2. Fokalisierung – wer nimmt wahr? Nur selten liegt einheitliche F. über gesamten Text vor, normalerweise variabel mit dominanter Strategie
      1. Nullfokalisierung: „auktorial“, Wahrnehmung an keine Figur gebunden, der Erzähler weiß mehr als die Figur
      2. Interne Fokalisierung: Wahrnehmung an Figur gebunden, Erzähler weiß so viel wie Figur; fixiert = bleibt an eine Figur gebunden, variabel = wechselt zwischen Figuren
      3. Externe Fokalisierung: Wahrnehmung an keine Figur gebunden, geht aber vom Inneren der erzählten Welt aus, Erzähler weiß weniger als Figur
  3. Stimme = Wer spricht bzw. erzählt?
    1. (fiktiver) Zeitpunkt des Erzählens:
      1. Früheres Erzählen – Ereignisse werden erzählt, bevor sie sich ereignen
      2. Gleichzeitiges Erzählen – Ereignisse werden erzählt, während sie passieren
      3. Späteres Erzählen – Ereignisse werden erzählt, nachdem sie passiert sind
      4. Eingeschobenes Erzählen – Ereignis noch nicht abgeschlossen, gleichzeitiges und späteres Erzählen durchmischen sich
    2. Ebenen des Erzählens – primär, sekundär, tertiär …
    3. Beteiligung des Erzählers am erzählten Geschehen
      1. Homodiegetischer Erzähler = Teil der erzählten Welt (Hauptfigur, Nebenfigur, beteiligter Beobachter, unbeteiligter Beobachter)
      2. Heterodiegetischer Erzähler ist nicht Teil der erzählten Welt

Mir gefällt das gut, es hat für mich noch mal einiges besser sortiert. Insbesondere die externale Fokalisierung ist für mich noch etwas schwer fassbar, aber ich habe so eine Idee.

Vielleicht findet es ja noch jemand hilfreich.
Viele Grüße
Katta

 

Hallo,

da ich mir in letzter Zeit nochmal vertieft Erklärungen zur Erzähltheorie von Genette angesehen habe, war dieser Thread sehr hilfreich und spannend. Ich glaube ich habe für mich einen Weg durch die Begrifflichkeiten gefunden und möchte dennoch hier mal nach eurer Hilfe fragen:

Externe dritte Person​

Der externe Erzähler der dritten Person kann niemals die Gefühle und Gedanken der Personen, die er beobachtet, wissen, und daher nicht berichten. Er kann sehen, hören und fühlen, was die andere Figur sieht, hört, und fühlt. Die Erzählform ist berichtend, denn der Erzähler erlebt die Situationen der Figur nicht unmittelbar mit. (Quelle)
Bin ich gerade duselig und sehe was nicht oder widerspricht sich das?

Die Übersicht, die @Katta geteilt hat finde ich übrigens gut, bin auch schon über diese Seite (li-go) gestolpert. Ich fand auch das Buch von Martinez, Scheffel "Einführung in die Erzähltheorie" hilfreich und diese Seite: Literaturtheorie Uni Wuppertal.

Noch eine Frage zur Übersicht, dort heißt es:

Externe Fokalisierung: Wahrnehmung an keine Figur gebunden, geht aber vom Inneren der erzählten Welt aus, Erzähler weiß weniger als Figur
Ist das nicht eher eine Frage von homodiegetisch vs heterodiegetisch? Oder was heißt hier "geht vom Inneren der erzählten Welt aus".

Ich finds toll, dass es auch solche Threads gibt :)

Grüße
-Marla

 

Hallo @Marla_D!

Ich denke das „fühlen“ bezieht sich hier weniger auf das innere Gefühlsleben, sondern mehr auf das Fühlen von Regentropfen auf der Haut oder Kälte - das würde dann wohl auch eher in einem „berichtenden Sinn“ beschrieben werden. Anders gesagt, er kann sehen, dass sie zittert, weil ihr kalt ist - aber er kann nur Vermutungen darüber aufstellen, ob sie zittert, weil sie Angst hat (solange er nicht allwissend ist). So hätte ich’s jetzt interpretiert.

 

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