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Pfeffer in der Luft
Dina schaute ihren Freund Martin an.
„Ist mir die Überraschung gelungen?“, fragte sie ihn.
„Das kann man wohl sagen. Schöne Idee ins „Freudenhaus“ zu gehen. Erinnert mich an das erste Treffen mit dir, mein Schatz. Damals vor zwei Jahren.“
„Ja, das ist schon eine Weile her und ich bin so froh, dass alles mit der Reservierung geklappt hat.“
Eine junge, blonde Kellnerin kam an den Tisch, überreichte die Speisekarten, betete blitzschnell das Tagesgericht herunter, um dann wieder in der Menschenmasse unterzutauchen.
„Sie hat gar nicht unsere Kerze angezündet. Ausgerechnet am Valentinstag. Das hat hoffentlich nichts zu bedeuten.“, bemerkte Dina.
„Wir werden sie daran erinnern wenn sie wieder kommt, Schatz. Mach dir keine Sorgen.“
„Irgendwie sind die Tische auch anders angeordnet. Alles so beengt. Ich mag das ja nicht, wenn man so eng aufeinander sitzt und alle Gespräche im Umkreis mitbekommt. Nimmst du heute eigentlich auch einen Wein, Hase?“
Dina schaute über die große Karte ihren Freund Martin an. Doch dieser bemerkte ihre Blicke nicht.
„Ja, ich werde einen Blauburgunder aus der Pfalz nehmen.“
„Mhm, ich weiß noch nicht so recht, was ich nehmen soll. Dafür ist die Auswahl einfach zu groß.“
Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich die Kellnerin wieder auf und fragte nach dem Getränkewunsch. Auf die Bestellung wartend spielte sie mit ihrem Haar, das sie zu einem lockeren, geflochtenen Zopf gebunden hatte und deren Ende auf ihr pralles Dekolletee zeigte. Um diesen Vorgang zu verkürzen empfahl sie ungefragt die Hausweine, während Martins Augen sich in ihrem tiefen Ausschnitt verloren.
Dina bekam Herzrasen und sah weiter mit an, wie ihr Traummann zum kleinen Jungen mutierte. So schaute er weiter hypnotisiert auf das großartige, ihm noch völlig unbekannte Gebilde und zuckte erst zusammen, als Dina gegen das Tischbein stieß. Nachdem die Getränke ausgewählt wurden, zauberte sich die kellnernde Fee wieder aus ihrem Blickfeld.
„Glaubst du ich merke nicht, wie du der Kellnerin auf die Brüste gestarrt hast? Am liebsten würde ich jetzt aufstehen und nach Hause gehen. Mir ist jedenfalls der Appetit vergangen. Toller Valentinstag.“
„Ach Schatz, nun sei doch nicht gleich sauer. Kann doch auch nichts dafür, wenn sie genau in Augenhöhe direkt vor mir steht. Da guckt man schon mal hin.“
„Du hast sie angestarrt. Das war kein gucken. Mich hast du jedenfalls heute Abend noch nicht ein einziges Mal so angeschaut.“
Nach einer kurzen Pause fragte er sie betont liebevoll zurück:
„Ach mein Engel, weißt du schon, was du zu Essen nimmst?“
Seine rechte Hand wanderte über den Tisch und legte sich auf ihre. Sie duldete überraschend seine Nähe.
„Vielleicht nehme ich das Tagesgericht.“, erwiderte sie.
„Ja, das hörte sich ziemlich gut an. Halbe, geschmorte Ente mit hausgemachten, halbseidenen Knödeln, dazu Walnußrotkohl und Preiselbeergelee auf einer Orangen-Lavendelsoße. Klingt wie die Beschreibung eines Gemäldes, aber ich werde wohl den Hirschbraten auf Steinpilz-Thymiansoße nehmen. Das klingt auch pikant.“
„Hast du vorhin gehört wie sich unsere Kellnerin am anderen Tisch über die Weine geäußert hat? Die empfahl doch tatsächlich den Black Print und behauptete, dass dieser aus Baden stammt. Wie peinlich ist das denn? Die ist doch einfach nur stockdoof.“
„Mundet dir dein Nero 2006“ fragte er sanft zurück, so als hätte er ihre Ausführungen nicht gehört.
„Ja, der schmeckt lecker fruchtig und nicht zu sauer. Der macht gar keinen Pelz auf der Zunge.“
„Oh, das ist schön zu hören, Schatz. Dann hast du ja doch den richtigen Wein für dich ausgewählt. Das freut mich.“, antwortete er ein wenig erleichtert und gestand ihr nach einer kurzen Atempause:
“Du siehst heute Abend übrigens bezaubernd aus, mein Engel. Das habe ich dir noch gar nicht gesagt.“
„Danke, mein Hase. Ich bin sehr gespannt auf das Essen.“
Nach einer guten halben Stunde standen die beiden Gerichte dampfend vor ihnen auf dem Tisch. Liebevoll waren sie angerichtet und duftend wie eine bunte Wildkräuterwiese. Dina und Martin nahmen sich spontan bei den Händen, schauten sich tief in die Augen und wünschten sich bei Kerzenschein einen guten Appetit. Er strahlte kurz zufrieden zu ihr herüber und sah wie sie mit der Entenkeule kämpfte. Es gelang ihr nicht, das feste Fleisch zu lösen und nur wenige Minuten später biss sie schmerzverzerrt auf ein Pfefferkorn, das sich in ihrem Walnussrotkohl versteckt hatte.