Phönixtränen
Wo Tau sich in Lilien sammelt,
Das Höllenfeuer den Weg zeigt.
Höre, was das Wasser stammelt,
Wenn der Phönix aus der Asche steigt.
Phönixtränen
Das Höllenfeuer den Weg zeigt.
Höre, was das Wasser stammelt,
Wenn der Phönix aus der Asche steigt.
Phönixtränen
Der Wind strich Marie sanft durchs Haar, doch ließ sie selbst diese schwache Böe ob der geringen Temperaturen frösteln. Und als wäre die bittere Kälte an diesem frühen Morgen nicht genug, hatte ein Schauer sie und Vanessa vollkommen durchnässt. Marie zog ihre Jacke enger an sich und blickte zweifelnd auf die kleine Ansammlung kümmerlicher Blumen. Die Sonne war noch nicht aufgegangen und so war das einzige, was die weiße Blüten beleuchtete, die kleine Taschenlampe in Vanessas Hand. Marie musterte ihre Freundin einen Moment und fragte dann mit kritischer Miene: “Und du bist dir wirklich sicher?”
“Ja, hier muss es sein. ‘Wo Tau sich in Lilien sammelt’ hieß es doch und das hier sind die einzigen verdammten Lilien, die wir gefunden haben, oder?”
Marie seufzte. Sie kramte in ihrer Tasche und zog einen kleinen, zusammengefalteten Zettel heraus, entfaltete ihn und las vor: “ ‘Wo Tau sich in Lilien sammelt, das Höllenfeuer den Weg zeigt.’ Und wo ist jetzt dieses ...”
Sie verstummte, als ein Schrei die Nacht zerriss. Verwirrt schaute sie Vanessa an, die ebenso ahnungslos zurückblickte. Dann fasste Marie die Frage in Worte, die in der Luft hing: “Was war das?” Vanessa antwortete mit einem Achselzucken, fügte dann jedoch hinzu: “Aber es kam von dort.”
Sie deutet hinter Marie. Jene folgte mit dem Blick in die gewiesene Richtung. Sie versucht, im Dunkel der Nacht etwas zu erkennen, doch bereits nach wenigen Metern verschluckte eine Barriere aus Finsternis alles Licht.
“Wäre ich doch nur nicht mitgekommen”, fluchte Marie leise. Dann fügte sie lauter an ihre Freundin gewandt hinzu: “Lass uns uns lieber beeilen.”
Vanessa nickte. Dann begann sie wieder, die Lilien zu betrachten. Sie kniete sich hin und streckte ihre Hand nach den Blüten aus, hielt dann aber inne. Mit der Taschenlampe leuchtete sie zwischen den Blättern hindurch. Schließlich beugte sie sich vor.
“Marie, schau hier.” Vorsichtig bog sie die Pflanzen auseinander. “Marie, ich glaube..” Sie neigte den Kopf weiter herab. Als sie beinahe zärtlich die letzte Lilie zur Seite drückte, fiel das blasse Licht der kleinen Taschenlampe auf eine kleine Steinplatte. Mit den Fingerspitzen strich sie über die feinen Rillen, die ein Abbild auf den Stein zeichneten. “Marie, das hier ist es sicher.”
Dann verstummte Vanessa. Die Blätter der umstehenden Bäume raschelten im Wind. Hier und da fiel ein Tropfen von den regenschweren Ästen. Etwas kaltes legte sich auf Vanessas Schulter. Ein Schauer lief ihr den Rücken herab. Sie zitterte. Ohne ein Ziel starrte sie nach vorne, doch sie sah, wie ihr Atem vor ihrem Mund kondensierte. Kaltes Wasser lief von dem Etwas auf ihrer Schulter an ihrem Arm herab. Langsam hob Vanessa ihre Hand und streckte sie in Richtung ihrer Schulter. Sie hielt inne, als heißer Atem über ihren Nacken glitt. “Marie?”, fragte sie tonlos. Kein Antwort, es sei denn, die Böe, die sie umwehte, wäre eine gewesen. Zentimeter für Zentimeter näherten sich die Finger des Mädchens dem Ding, das auf ihrer Schulter lag, kalt und nass. Als sie wieder sprach, zitterte ihre Stimme und sie stotterte: “Hör auf damit, das ist nicht lustig.”
Wieder spürte sie den Atem hinter ihr. Ihre Fingerspitzen tippten sanft gegen etwas dünnes. Eisige Kälte kroch von ihren Fingern ihre Arme hinauf und ließ ihr Herz gefrieren. Sie zitterte. Ihr Atem ging unregelmäßig. Letztlich stocke er ganz, als ein dicker Tropfen in ihren Nacken fiel. Dann, in einem Moment des Mutes, umgriff sie das Blatt, das auf ihrer Schulter lag, und warf es weg. Noch in der gleichen Bewegung sprang sie auf und drehte sich im Sprung. Als ihre Füße wieder festen Stand gefunden hatten, starrte sie auf das, was eben noch hinter ihr war. Sie starrte in Maries Augen. Einen Moment herrschte zum zerreißen gespanntes Schweigen. Ein “Buh!” aus Maries Mund löste die Spannung, woraufhin jene in albernes Gekicher und Vanessa in wüste Beschimpfungen ausbrach.
“Was soll das denn?”, schrie Vanessa beinahe ihre Freundin an. Beide verstummten wieder.
“Dein.. Dein Gesicht!”, erwiderte Marie und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Beide verfielen in haltloses Lachen.
Es dauerte eine Weile, bis beide sich wieder einbekommen hatten. “Okay, jetzt aber wieder zurück zum Thema. Ich habe hier unten etwas gefunden”, sagte Vanessa schließlich. Sie ging wieder in die Knie. Als sie die Blätter der Lilien erneut zur Seite bog, fiel das Licht der Taschenlampe auf die Steinplatte. Nun kniete sich auch Marie nieder und half ihrer Freundin dabei, den Stein freizulegen. Plötzlich stockte Marie. “Der Stein ist ja warm.” Vanessa blickte ihre Freundin an, legte dann aber selbst die Hand an die Platte. “Komisch, dabei frier ich mich hier fast zu Tode. Aber Wärme und Höllenfeuer, ich denke, wir sind auf der richtigen Spur. Lass uns erst mal schauen, wie groß das Ding ist.” Und so machten sich die beiden Freundinnen daran, den Stein von Pflanzen und Erde zu befreien.
Bereits nach weniger als einer Minute war die Arbeit beendet und beide waren sichtlich erstaunt, als das, was sie vorher als große Steinplatte erkannt hatten, sich jetzt eher als Steinchen herausstellte. Die Platte war kreisrund und hatte einen Durchmesser von weniger als 10cm. Und sie war auch nicht sonderlich dick. Vanessa hob die Taschenlampe, die sie während des Ausbuddelns beiseite gelegt hatte, wieder auf und richtete sie auf die Platte. Die dünnen Linien, die sie bereits vor Maries streich gesehen hatte, bildeten eine kleine Flamme.
“Meinst du, wir sollten sie hochheben?”, fragte Vanessa unsicher.
“Was denn sonst?”, erwiderte Marie spöttisch. “Oder wollen wir es lieber noch eine Weile anstarren?”
Sie grinste ihre Freundin an, die mit einem müden Lächeln antwortete und die Hände an die Steinplatte legte. Sie spannte ihre Muskeln an, aber der Stein bewegte sich keinen Millimeter.
“Nun mach schon”, drängte ihn Marie.
“Es geht nicht.”
“Wie, es geht nicht?”
“Na es geht nicht! Es bewegt sich kein Stück. Irgendwo klemmt ‘s.”
Jetzt streckte auch Marie ihre Hände aus und mit gemeinsamer Kraft zogen sie. Erst schien es, als würde alle Anstrengung nichts bringen, bis plötzlich mit einem Ruck sich die Platte löste, die Mädchen von ihrer eigenen Kraft nach hinten gerissen wurden und mit einer unsanften Landung auf dem Boden ankamen. “Autsch.” Marie setzte sich wieder auf und blickte auf die Stelle, an der eben noch der Stein lag.
“Blut!”, schrie Marie auf. Aus den Augenwinkeln nahm sie eine rasche Bewegung wahr. Vanessa war vor Schreck aufgesprungen. Nun starrten beide auf die Flüssigkeit, die nur wenige Meter vor ihnen aus dem Boden trat. Zuerst dachte Vanessa, dass Marie recht hatte. Selbst in der Dämmerung war, was auch immer dort floss, eindeutig rot. Dann kamen ihr Zweifel. Es lag daran, wie es floss. Es war flüssig wie Wasser und bahnte sich seinen Weg zwischen den Pflanzen hindurch.
“Marie, das ist kein Blut.” Marie hatte sich inzwischen auch wieder erhoben und stand nun neben ihrer Freundin. Sie nickte zustimmend, aber in ihrer Haltung zeigte sich deutlich etwas wie Furcht. Oder Ekel. Vanessa hingegen ging nun unbeirrt auf die Flüssigkeit zu.
“Und nun?”, fragte Marie aus dem Hintergrund, während Vanessa in die Hocke ging. “Es ist warm”, gab Vanessa als Antwort. Sie hatte ihre Hand über die Flüssigkeit gestreckt. “Kochend heiß”, setzte sie hinzu, als sie mit den Fingerspitzen in das Nass tauchte und sie sofort wieder heraus riss. Mit zwei Fingern im Mund fluchte sie leise.
“Also Hitze. Das Höllenfeuer, nicht wahr? Toll, aber welchen Weg zeigt es uns bitte?” Maries Worte klangen genervt, obwohl sie eine gewisse Furcht nicht aus ihrer Stimme verbannen konnte. “Wohin nur, wohin nur?”, murmelte Maries Freundin, während sie das kleine Becken anstarrte, den Kopf hierhin und dahin bewegte, um die Perspektive zu ändern. Plötzlich grinste sie. “Marie, das ist nicht einmal rot. Da ist nur irgend so ein roter Stein drunter.” Jetzt kam auch Marie näher. “Trotzdem ist es ekelhaft”, beharrte sie. “Schon gut”, grinste Vanessa.
“Was ist damit?”
“Womit?”
“Na dem kleinen Fluss da!”
“Welchem?”
“Na da!”
Marie deutete auf das kleine Rinnsal, dass sich gebildet hatte, als das Wasser aus dem Boden getreten war und das nun zwischen den Lilien hindurch lief und in der Dunkelheit verschwand.
“Das ist es”, freute sich Vanessa und begann so gleich dem Bächlein zu folgen. Marie eilte ihr hinterher. “Na siehst du”, rief Vanessa ihr im gehen zu, “wir haben schon die Hälfte gelö...”
Ein Schrei, lauter und deutlich näher als der letzte, drang an ihre Ohren. Wie zur Salzsäule erstarrt blieben beide Mädchen augenblicklich stehen. Sekunden vergingen ohne das ein Windchen sich regte, ohne dass ein Laut über ihre Lippen kam. Dann stammelte Marie: “Wa..Was war das?”
Vanessa zuckte leicht mit den Schultern, entschied sich dann aber doch dazu, etwas zu sagen und öffnete den Mund. Und schloss ihn wieder. Erst leise, dann lauter und lauter drang das unverwechselbare Geräusch von Schritten und das Knacksen von Ästen an ihre Ohren.
Mit panischem Blick schaute Marie ihre Freundin an, die nicht minder angstvoll zurückblickte. Wieder knackte ein Zweig, so laut, als wäre es unmittelbar neben ihrem Ohr passiert. Dann war es still. Marie setzte langsam einen Fuß nach hinten, dann den anderen, bis sie mit dem Rücken an einer großen Eiche stand. Vorsichtig winkte sie Vanessa zu sich, die noch immer wie angewurzelt dastand und ihre Freundin beobachtete. Vorsichtig setzte auch sie einen Fuß nach vorne. Dann hielt sie inne. Einen Moment hetzte Marie sie mit einer unruhigen Handbewegung, weiter zu gehen, doch dann verstummte auch sie. Leise und doch unüberhörbar breitete sich das Geräusch von schwere und schnellen Atemzügen zwischen den Bäumen aus. Laute, die alles andere als menschlich klangen. Zögernd öffnete Marie den Mund und fragte mit gehauchtem Flüstern: “Ein Bär?”
Vanessa sah einen Moment nachdenklich aus, obgleich ihr Blick noch immer von Furcht beherrscht war. Dann schüttelte sie den Kopf. Und Marie blieb das Herz stehen, als genau in diesem Moment ein großer, haariger Schatten vor ihren Augen vorbei huschte und dort, wo eben noch Vanessa stand, nur das Dunkel des Waldes zurückließ. Dann raschelten Zweige in der Nähe, doch das Geräusch entfernte sich zunehmend und ziemlich schnell. Unendliche Sekunden lang verharrte Marie und ihr schien, als hätte ihr Herz aufgehört zu schlagen. Dann mit einem schmerzhaften Stich in die Brust kehrte alles Gefühl in ihren Körper zurück. Einen Schritt taumelte sie nach vorne und stürzte dann zu Boden. Sie hockte über der Stelle, wo eben noch ihre beste Freundin gestanden hatte. Ihr Hand glitt über den dunklen Waldboden. Mitten in der Bewegung stockte sie. Ihre Finger fühlten etwas warmes, klebriges. Marie hielt inne und schaute auf das Blut ihrer Freundin, was in kleinen Flecken die Erde benetzte. Unzählige Gedanken rasten ihr durch den Kopf und Angst und Trauer, Zorn und der Wunsch zu helfen, stürzten sie in ein Chaos von Gefühlen.
Ich muss sie retten! Wie soll ich sie retten? Sie ist meine beste Freundin! Was ist nur passiert? Was war das für ein Ding? Wo ist sie hin? Warum Vanessa? Warum sind wir überhaupt hergekommen?
Nicht zum ersten Mal an diesem Morgen verfluchte sie, auf Vanessas Vorschlag eingegangen zu sein und mit in den Wald gekommen zu sein. Und jetzt war sie ganz alleine und hatte keine Ahnung, was sie tun sollte. Nicht einmal eine Spur, wohin dieses Ding mit ihrer Freundin verschwunden war. Bei diesem Gedanken stutzte sie. Erst jetzt fiel ihr etwas auf, was einerseits grausam, andererseits vielleicht auch ihr Glück war. Die Blutstropfen auf dem Boden bildeten eine Spur, die in den Wald führte. So konnte Marie ihre Freundin und deren Entführer finden. Ja, das würde sie tun. Und was sie dann tun würde, würde sie dann entscheiden, wenn es soweit ist.
Die Sonne ging langsam auf und so waren die kleinen Tropfen gut auf der dunklen Erde zu sehen. Ohne Pause hetzte sie hinterher, so sehr trieb sie die Angst, ihre beste Freundin zu verlieren, dass sie nicht einmal auf die kleinen Kratzer und Schnitte achtete, die sie sich bei ihrer Verfolgungsjagd durch das Gestrüpp zuzog. Sie hielt erst inne, als das Singen der Vögel von einem Rauschen übertönt wurde. Sie war gewiss schon zehn Minuten unterwegs. Als sie aus dem Unterholz heraus trat, fand sie sich vor einem zwar kleinen, aber ziemlich lauten Wasserfall wieder. Erstaunt stellte sie bei genauem Mustern des Ortes fest, dass ein kleines, kaum merkliches Rinnsal in den See am Grunde des Wasserfalls floss. Als sie dann den Wasserfall kurz betrachtete, fiel ihr neben der Schönheit der Natur, die sie immer wieder beeindruckte, etwas anderes auf oder eher ein: “Höre, was das Wasser stammelt”
Damit konnte nur der Wasserfall gemeint sein. Nun konzentrierte sich Marie wieder auf die kleinen roten Tropfen, die, wie sie schon von hier deutlich erkennen konnte, bis hin zum Wasserfall führten und hinter ihm zu verschwinden schienen. Sie folgte der Spur. Der Wasserfall stürzte von einem etwa einem Meter breiten Vorsprung in die tiefe hinab und dahinter, verborgen von den tosenden Wassermassen, lag der Eingang zu einer Höhle.
Marie konnte sich ein Kichern nicht verkneifen, weil es einfach ein Klischee war, dass jeder Wasserfall eine Höhle verbirgt. Aber nur eine Sekunden später hatte sie sich wieder im Griff. Ihre Gedanken waren wieder bei ihrer Freundin und dann bei dem Ding, was sie entführt hat. Angst befiel sie wieder, eine Angst vor der Gefahr, die in dieser Höhle vermutlich lauerte. Doch die Furcht davor, ihre Freundin wirklich zu verlieren, trieb sie gegen besseres Wissen in das Dunkel. Nach wenigen Metern auf dem glitschigen Untergrund umfing sie absolute Finsternis und sie hielt an. Das Rauschen des Wassers wurde von den Wänden zurückgeworfen und das Echo klang in diesem Gewölbe noch hundertmal lauter als es schon draußen der Fall war. Und dennoch drang ein schweres Atmen an ihre Ohren. Sie kannte diesen Laut nur zu gut. Die Angst machte sie regungslos. Sekundenlang herrschte nur Stille, wenn man das Atmen und den Wasserfall außer Acht ließ. Maries Herz pochte so laut, dass sie meinte, es müsse jeden Moment explodieren. Dann hörte sie ein leises Tapsen, als wenn jemand oder etwas durch eine Pfütze gehen würde. Sie löste sich aus ihrer Erstarrung. Sie brauchte Licht. Marie schaute sich um, vielleicht konnte sie irgendwie Feuer machen. Es war wieder einmal einer der Moment, wo sie sich wünschte, nicht mit dem Rauchen aufgehört zu haben. Dann hätte sie immerhin ein Feuerzeug mit.
Gerade hatte sie ihren Gedanken zuende gedacht, als sie ihre Augen zukniff. Nicht weit von ihr schien die Höhle in Flammen aufzugehen. Zumindest blitzen Stichflammen für einen Moment auf und erfüllten die gut zwei Meter hohe Höhle in ihrer ganzen Höhe. Dann knisterte ein Feuer, dass Marie in gut fünf Meter Entfernung den Weg versperrte. Aber soweit wollte sie gar nicht, denn im Schein des Brandes sah sie nur einen Meter vor sich ihre Freundin auf dem Boden liegen. Blut floss an ihrer Seite aus ihrem Körper und durchtränkte ihre Kleidung. Marie stürzte einen Schritt nach vorne und sank auf die Knie.
“Vanessa!”, schrie Marie auf. “Sag doch was!”
Doch keine Regung zeigte sich auf dem Gesicht ihrer Freundin. Tränen flossen Marie über die Wangen. Sie umarmte Vanessa und druckte ihren Körper an sich. Erleichtert löste sie die Umarmung wieder ein wenig, als Vanessas Atem über ihr Gesicht glitt.
“Vanessa..”, hauchte Marie sanft.
“Marie”, erwiderte ihre Freundin leise, aber mit seltsam fester Stimme. “Es tut mir leid.”
Marie schüttelte heftig den Kopf: “Nein, Vanessa, du kannst doch nichts dafür.”
“Marie, versteh doch, es ist nicht echt.”
“Was ist nicht echt?”
“Das Rätsel.”
“Doch, natürlich, ich habe alles gefunden. Du hattest Recht!”
Wieder liefen Tränen über Maries Gesicht. Sie schluchzte leise.
“Vanessa, geht es dir denn gut.”
Jetzt musste ihre Freundin grinsen. Dann setzte sie sich problemlos auf. Marie stutzte.
“Mir fehlt nichts.”
“Aber das Blut!”
“Filmblut.”
Marie verstand nichts mehr. Ihre Freundin glitt aus ihren Händen und auf den Boden. Marie starrte nur stumm auf die noch immer prasselnden Flammen vor ihr. Dann legte sich eine Hand auf ihre Schulter. Eine große Hand mit langen Fingernägeln, nein, mit langen Krallen. Marie sprang augenblicklich auf, ihre Hand schoss hoch.
“Nein!”, kreischte Vanessa, als Maries Hand sich in dem dicken Pelz vergrub.
“Marie, nicht!”
Marie stockte. Sie konnte das alles einfach nicht glauben. Was war hier nur los, fragte sie sich immer wieder. Das Ding, was immer es war, stand zuerst regungslos vor ihr, dann hob es die Hände und nahm seinen Kopf ab. Marie erstarrte. Das Wesen nahm wirklich seinen Kopf ab. Zumindest schien es so. Im nächsten Moment erkannte sie, dass es gar kein Monster war. Unter dem haarigen Kopf kam das Gesicht eines Jungen zum Vorschein. Es war alles nur ein Kostüm. Marie wandte sich zu Vanessa um und blickte sie stumm an, während ihre Augen reinen Unglauben ausstrahlten.
“Nein...”, flüsterte Marie tonlos.
“Es tut mir leid, Marie”
Vanessas Stimme klang ernsthaft traurig und bedauernd. Doch Marie begriff es einfach nicht. So viele Gedanken überschlugen sich in ihrem Kopf. Soviel Gefühle flogen durcheinander. Sie presste nur leise zwischen den Zähnen erneut ein “Nein” hervor. Vanessa stand auf. Sie ging einen Schritt zu ihrer Freundin. Sie umarmte Marie, die sich noch immer nicht regte.
“Marie, es tut mir leid, es war eine dumme Idee.”
“Was?”
“Marie, es ist doch alles nur ein dummes Spiel!”