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- 06.12.2006
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Photosynthesis
Die ersten, frühmorgendlichen Sonnenstrahlen fielen noch schwach und schräg über die regennassen Wiesen und Felder. Von dem wütenden Sturm in der Nacht hatten sich viele Ähren wie ein Haarkleid flach zu Boden gelegt. Es tropfte und gluckste von den Blättern der vereinzelt dastehenden Bäume und Büsche. Ein erstes, zaghaftes Fiepsen war zu vernehmen, daß von einem unverhofften, lauten Rascheln und Trillern begleitet wurde. Die erste Lerche des Tages zog mit ihrem Gesang hoch in die frische Morgenluft und verkündete einen neuen Tag.
Abrupt endete ihr Trillern, sie flatterte unsicher und hilflos unter den rosa angehauchten Zirruswolken dahin und stürzte wie ein Stein zu Boden.
Aus den Feldern und Wiesen erhob sich langsam der Nebel in weißen Wolken, die mit seltsam grauschwarzen Schlieren durchzogen wurden. Dieser Dunst drehte sich träge zu kleinen Wirbeln die sich miteinander verbanden. Mit dem Stand der Sonne verkürzten sich die schwarzen Schatten, die nach und nach ein höchst befremdliches Bild preisgaben.
Unter dem Licht der jetzt stärker werdenden Sonne verflüssigten sich die einzelnen Pflanzenhalme. Sie quollen auf, wellten und verfärbten sich zu einem giftigen Gelb, daß sich schnell in ein widerliches Braun und zuletzt zu einem tiefschwarzen Etwas wurden. Undefinierbare kleine Hügel lagen verstreut umher, aus denen noch hier und da Tierläufe und Federn erkennbar waren. Das Tropfen und Glucksen änderte seinen Ton kaum merklich in ein zähes Zischen und Platschen. Von den einzeln stehenden Bäumen zogen sich die pechschwarzen, gummiartigen Blätter entlang der Äste als zähfließender Brei zusammen und landeten mit einem satten, ekelhaften Plopp auf der Erde. Die Luft begann durchdringend nach Fäulnis und Verwesung zu stinken.
Nach und nach senkte sich jeder Halm, verwandelte sich und waberte als pechschwarze Gallerte über die Ackerkrume.
Wie von Geisterhand erhoben sich Gebilde an den Wegrainen, die auf den ersten Blick wie Friedhofskreuze aussahen.
An den Querbalken der T-Kreuze flatterten neongelbe Plastikfetzen mit der Aufschrift:
Vorsicht! Versuchsfelder mit Gen-veränderten Pflanzen!!
(Elisabeth Rosing)