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Piccadilly Circus

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21.01.2009
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Piccadilly Circus

Als wir auf die Straße hinauswanken, graut der Morgen. Kalte, klare Luft, leichter Nieselregen. Nina löst sich aus meinem Arm, taumelt zur Bordsteinkante und kotzt zwischen zwei parkende Autos auf den Asphalt.
„Morgenstund hat Gold im Mund“, lächelt Schröder und zündet sich eine Zigarette an.
Ich hak mir Nina unter, und dann machen wir uns auf den Weg nach Hause. Schröder vorneweg. Nina, bleich wie die Wand, kommt immer wieder ins Straucheln. Ich halte sie im Gleichgewicht und zerre sie neben mir her. Schröder singt was von SLIME. Plötzlich bleibt er stehen und betrachtet die umliegenden Wohnhäuser. „Im Grunde genommen is das doch alles Scheiße“, sagt er schließlich.
„Was is Scheiße?“
„Naja, alles. Dieser ganze verschissene Kapitalismus.“
„Wie kommst'n jetzt darauf?“, will ich wissen.
„Mir is schlecht“, stöhnt Nina von der Seite.
„Hafengegend war Arbeitergegend“, sagt Schröder. „Und nun guck dir diese sanierten Häuser an. Elitäre Scheiße.“
Ich guck mir die sanierten Häuser an. Schröder hat recht. Elitäre Scheiße.
„Und guck dir diese verschissenen Bonzenkarren an, die hier rumstehen.“
Ich guck mir die Autos an. Mercedes, BMW, Rover.
„Nenn mir einen Malocher, der es sich leisten kann, hier zu wohnen.“
Mir fällt keiner ein.
„Mir is schlecht“, würgt Nina und kotzt einen weiteren Schwall auf den Gehweg.
„Der Kapitalismus is'n Krebsgeschwür, ich sags dir“, sagt Schröder.
„Das is nix Neues.“
Schröder geht zum Straßenrand, beugt sich hinab, schiebt seine Finger in die Schlitze eines Gullydeckels, hebt ihn aus der Verankerung, wuchtet ihn vor seine Brust und stemmt ihn wie ein Gewichtheber in die Höhe. Ich bin immer wieder erstaunt, wozu Schröder in der Lage ist. Er steht da, leicht schwankend, den schweren, metallenen Gullydeckel über sich haltend. Er bewegt sich drei Schritte nach links und lässt das Ding in die Windschutzscheibe einer silbernen Limousine fallen. Das Glas zerbricht mit einem dumpfen Knall, bevor der Deckel die Mittelkonsole zwischen den vorderen Sitzen zertrümmert. Im nächsten Augenblick zerreißt die ohrenbetäubende Alarmsirene des Wagens die morgendliche Stille. Schröder grinst mich an … und dann laufen wir. Die abschüssige Straße hinunter. Schröder vorne weg. Nina an meiner Hand neben mir. Das Knallen unserer Lederstiefel auf dem Waschbeton hallt zwischen den Häuserfassaden wider. Wir rennen über eine leere Kreuzung und biegen in die nächste Seitenstraße ein und fliegen über Kopfsteinpflaster, keuchend, mit rasenden Herzen, dann links, an einem Alten mit Hund vorbei, bis zum Ende der Straße, jetzt langsamer werdend, rechts um die Ecke, noch fünfzig Meter, bis wir die Stufen zur U-Bahn-Station hinabhasten.
Ein paar bleiche Nachtschwärmer hängen auf dem Bahnsteig herum und warten auf den ersten Zug. Wir lassen uns auf eine blaue Plastikbank fallen. Nina beugt sich zur Seite und würgt den letzten Rest ihres Mageninhaltes in einen Müllkübel. Ein junges Pärchen wirft uns angewiderte Blicke zu. Ich lege Zeige- und Mittelfinger zu einem V auf meine Lippen und schiebe die Zunge dazwischen hervor. Sie blicken erschreckt in eine andere Richtung. Schröder zieht eine Bierdose aus der Innentasche seiner Lederjacke und reißt sie auf. Weißer Schaum spritzt über den Bahnsteig. Er trinkt und reicht mir die Dose herüber.
„Eigentlich brauchen wir `n Aufstand“, sagt Schröder und spuckt auf den Boden. „Eine Revolution. Anarchie. Doch die Leute schweigen und halten still, weil sie satt sind, weil es Privatfernsehen gibt.“
Ich trinke von dem warmen Bier. Es schmeckt schal und bitter.
Von oben nähern sich Schritte, kommen schnell die Betonstufen zum Bahnsteig hinabgelaufen.
„Mit dem Fall der Mauer ist der Widerstand versandet“, sagt Schröder. „Die Medien haben die Kontrolle übernommen. Wozu auf die kalte Straße gehen, wenn ich in der warmen Stube Vietcong abballern kann.“
Nina hat ihren Kopf auf meinen Schoß gelegt. Ich blicke nach links. Zwei schwarzuniformierte Polizisten kommen auf den Bahnsteig gelaufen. Junge, sportliche Typen mit Jägerblick.
„Scheiße“, sage ich.
Schröder hat sie ebenfalls bemerkt. Sie kommen auf uns zu, angespannt, uns aufmerksam beobachtend.
„Für viele ist das Leben nur noch ein mediales Event“, sagt Schröder, während er den Uniformierten gelassen entgegenblickt. Dann erhebt er sich, richtet sich auf und steckt seine Hände in die Seitentaschen seiner Lederjacke. Er sieht mich an und zwinkert mir zu. Dann bewegt sich in ihre Richtung. Die Beamten bleiben stehen. Der Linke legt seine Hand an den Pistolenhalfter.
„Bleiben Sie stehen!“, ruft der Rechte. „Und nehmen Sie Ihre Hände aus den Taschen!“
Schröder grinst und schlendert voran.
„Sie sollen stehen bleiben! Stop!“
Der Linke hat seine Knarre gezogen. Der Rechte greift ebenfalls nach seiner Waffe. Nina kommt hoch und gähnt.
„Bleiben Sie stehen, drehen Sie sich um und legen Sie Ihre Hände gegen die Wand!“
„Mensch Schröder, mach keinen Scheiß“, sage ich leise.
Schröder geht kurz in die Knie, als ducke er sich unter einem heranfliegenden imaginären Handball weg. Er dreht seinen Körper zur Seite, zieht im gleichen Moment die Hände aus den Taschen, reißt sie hoch und brüllt: „ BABABABABABA…!“
Ein Knall hämmert durch das Bahnhofsgewölbe, laut und seltsam blechern. Schröders Schädel fliegt nach hinten, als habe ihn der imaginäre Handball mit voller Wucht gegen die Stirn getroffen. Seine Beine knicken weg, sein großer Körper sackt wie ein gesprengtes Gebäude in sich zusammen. Schröder fällt rücklings auf den Betonboden, ohne den Sturz abzufangen. Dann bewegt er sich nicht mehr. Blut spritzt aus einem Loch oberhalb seines linken Auges, wie bei einem Springbrunnen. Ich denke an London. Piccadilly Circus. Jemand schreit. Nina bohrt ihre Fingernägel in meine Hand. Der Springbrunnen versiegt. Ich starre in Schröders Gesicht. Er lächelt.

 

Hallo machaczek!

Hmmmm. Ich bin ein bisschen ratlos jetzt, aber vielleicht beabsichtigst du das auch mit der Geschichte. Jedenfalls schaffst du es, dass einem (in diesem Fall mir) das Grinsen im Gesicht gefriert. Naja, mehr ein Schmunzeln eigentlich. Mir kommt die Geschichte ein bisschen unfertig vor, ich weiß selber nicht, was mir fehlt. Vielleicht die Erzählabsicht, vielleicht die In-sich-Geschlossenheit, vielleicht auch beides. Es fängt an, dass der Erzähler mit seiner Ische und diesem Schröder wohl besoffen nach Hause kommen, Schröder auf den Kapitalismus schimpft, einen Gullideckel in ein Auto schmeißt und dann auf einmal wird er von zwei Polizisten umgenietet, weil er sich wohl sein Hirn weggesoffen hat. So weit so gut. Ich mag durchaus Geschichten, die mir nichts weiter sagen wollen und einfach nur eine Situation oder eine Person oder sonstwas vorstellen, aber das wirkt auf mich wie etwas, von dem irgendwer den Anfang und das Ende weggeschnitten hat.
Und: Piccadilly Circus?

Gruß
strudel

 

Hallo machaczek,

also, das mit dem Piccadilly Circus habe ich jetzt auch nicht gerafft. Ansonsten ist es eine bitterböse Geschichte. Sprachlich gut umgesetzt, wie ich finde, in der Art wie die anderen, die ich von Dir in den letzten Tagen gelesen habe.

Bei Deinem Schröder hat sich ja 'ne ganze Menge Weltschmerz aufgestaut. Er scheint mir zu den Revoluzzern zu gehören, die quasi arbeitslos sind, wenn die Revolution rum ist und grad keine neue in Sicht.

Die Beschreibung von Ninas Übelkeit finde ich sehr plastisch, ich leide förmlich mit, mir war auch fast schlecht.
Ein paar Deiner Aussagen finde ich sehr zutreffend. In der derzeitigen Krise kann auch Otto-Normalbürger zum Kapitalismushasser werden, da braucht's nicht viel. Und die Aussage, dass sich satte Privatfernsehgucker nicht wehren, ist leider auch allzu wahr. Das hat unsere tolle Mediengesellschaft leider erreicht.

Ich fand die Geschichte lesenswert, obwohl ich mir einen weniger brutalen Schluss gewünscht hätte.

LG
Giraffe.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo machaczek,

mir geht es mit diesem Text ähnlich wie apfelstrudel. Irgendwie wirkt mir das wie ein Teil, herausgelöst aus einem größerem Ganzen. Dabei ist die Nachvollziehbarkeit nicht so recht mitgeliefert worden. Ich müsste schon ein bisschen mehr von Schröder mitbekommen, um ihm diese verrückten Aktionen abzunehmen. Indirekt durch den Erzähler würde da wahrscheinlich schon reichen, so aber kommt das aus dem Nichts. Und da wirkt die Szene etwas haltlos.

Dann noch etwas anderes: Es wäre schön, wenn du dich selbst ein bisschen verstärkt ins Forum einbringst. Schließlich lebt das alles hier vom Nehmen und Geben. Also, anstatt das Forum nur mit eigenen Geschichten zu überschwemmen, wäre es schicklich, wenn du dich auch mal als Kommentator einbringst :)
So oder so noh viel Spaß auf kg.de :)

grüßlichst
weltenläufer

edit: und einmal mehr hast du dich in der Rubrik vertan. Es bleiben mal wieder sonstige oder seltsam.

 

@weltenläufer
Sorry, dass ich mich immer wieder in der Rubrik vertue. Ich werde zukünftig auf "sonstige" ausweichen. Ich denke, dass ich da nichts falsch machen kann.
Im übrigen ist es nicht meine Absicht, dieses Forum mit meinen Geschichten zu "überschwemmen", ich habe nur eine ganze Menge von denen hier herumliegen und bin an der Resonanz interessiert. Darüber hinaus habe ich mich bereits als Kommentator betätigt und bin gerade mal seit `ner Woche in diesem Forum. Ich bitte um etwas mehr piano-:).

@weltenläufer und apfelstrudel
Sind Kurzgeschichten nicht immer ein herausgelöstes Stück aus einem größeren Ganzen? Müssen sie immer einen Anfang und ein Ende haben? Muss immer alles einen tieferen Sinn haben? Ich finde es schwierig, zunächst eine Figur skizzieren zu müssen, um ihr Handeln glaubhaft zu machen, denn dann verliert es den Charakter einer Kurzgeschichte. Ich denke vielmehr darüber nach, wie ich meine Geschichten noch kürzer darstellen kann. Es geht mir zunehmend um das Herunterbrechen auf das Wesentliche, um die Essenz. Doch davon bin ich noch weit entfernt.

@Giraffe
Viele meiner Geschichten resultieren aus meinen Erinnerungen. Ende der 70er, Anfang der 80er. Punkwelle schwappt nach BRD rüber, besetzte Häuser an der Hamburger Hafenstraße, RAF, Anti-AKW-Demos, diese ganzen wirren Zeiten. Der Hass auf der Kapitalismus, das Hirngespinst, dass man Gewalt mit Gewalt bekämpfen kann, war in vielen Köpfen verankert. Damals rannten eine Menge "Schröders" herum und ein Gullydeckel in der Fahrgastzelle einer Limousine war sicher sinnlos und überflüssig, aber nicht ungewöhnlich.
Und natürlich frage ich mich heute, wo denn die Massen sind, um sich der Riesenverarsche, die so abläuft, entgegenzustellen. Doch nichts passiert. Warum eigentlich? Woran liegt`s? Die mediale Verblendung ist sicher nur ein Erklärungsmodell dafür.
"Piccadilly Circus" bezog sich übrigens auf den Springbrunnen oberhalb von Schröders Auge, da sich auf dem Piccadilly Circus in London ein Springbrunnen in der Mitte des Platzes befindet. Eine zugegebenermaßen leicht makabre Assoziation - sorry.

Gruß
Machaczek

 

Hallo, machaczek,

heftige Geschichte. Mir ist auch das Grinsen im Gesicht erfroren. Als Schröder dem Erzähler zublinzelt und sein Polizeiärgerspielchen anfängt, ahnte ich schon: Das geht jetzt schief. Scheiße.
Das Gemeine ist: Es könnte auf diese Art schiefgehen. Sowas ist ja schon vorgekommen. Mir sind solche Horrorszenarien in Gedanken nicht fremd, ich glaube sogar, das kennt jeder, der nach durchgemachten Nächten aller Art schon unbesiegbar, allwissend und John-Wayne-mäßig herumgestreunt ist und Unfug getrieben hat. Das Auto kaputtzumachen und wegzulaufen war noch spaßig, womöglich politisch. Man fühlt ja in solchen Situationen oft, man habe eine Art Schutzmantel um: Fehler!
Erst noch der Spruch über das mediale Event ... Wetten, daß Schröder alles genauso geplant und dabei nur vergessen hat, daß er nach dem Sterben nicht aufstehen kann, um "Seht ihr?" zu sagen? Das kommt von dem John-Wayne-Gefühl. Ausgeschlafen hätte er es besser gewußt, wäre entweder einfach sitzengeblieben oder hätte die Hände nach der ersten Aufforderung aus den Taschen genommen. Armer, cooler Schröder.

Er lächelt.
Vielleicht guckt er ja von oben zu und sagt gerade Siehst du wohl? zu seinem fassungslosen Schutzengel.

Ich kenn auch so Schröders. So dramatisch hat es von denen noch keiner versemmelt, aber Gefängnis, lebenslange Schulden oder ein verlorener Führerschein sind allemal drin.

Diesmal kriegst Du eine Fehlerliste. Lies:

Als wir auf die Straße hinauswanken
Ich hak‘ mir Nina unter
Entweder Du machst seriöse Apostrophe, oder Du läßt sie ganz weg. Was Du in der ganzen Geschichte machst, sind Akzente. Der richtige Apostroph sitzt auf der #-Taste und sieht ' aus. Und zwischen ' und seinem Wort: Kein Abstand.
ins Straucheln
Naja, alles
„Das is‘ nix Neues.“
und stemmt ihn, wie ein Gewichtheber, in die Höhe
keine Kommata
Schröder vorne weg.
Vorneweg. Das hat doch aus einander geschrieben gar kein Tempo.
hallt zwischen den Häuserfassaden wider
noch 50 Meter, bis wir die Stufen zur U-Bahn-Station hinabhasten.
Zahlwörter besser ausschreiben.
sagt Schröder und spukt auf den Boden.
Schämen! Er spuckt.
hinab gelaufen.
hinauf-, herunter-, hinab-, entgegen-, dazu-, vorüber-, hindurch-: All diese Wörter (ganz viele gibt es) werden immer noch nahtlos ans Verb geschrieben. Die dauernde Auseinanderschreibung ist eine unnötige Schreckreaktion auf die Rechtschreibreform.
„Mit dem Fall der Mauer kein Komma ist der Widerstand versandet“
entgegen blickt.
Da! Da! Schon wieder!
BABABABABABA…
Abstand vor ...
Piccadilly Circus
An den Springbrunnen hätte ich nie gedacht. Aber ich hab zufälligerweise am Piccadilly Circus mal eine kaputte Punkfrau weinend einen Puppenwagen mit einer erstochenen Puppe darin (geschminkt & Messer im Bauch) herumschieben sehn. Seither gruselt es mich immer, wenn ich Piccadilly Circus höre, und das paßt zu jeder anderen schlimmen Szene. Glück gehabt, Autor.

Liebe Grüße aus der Zielgruppe,
Makita.

P.S. Nicht nach Sonstige. Nach Seltsam. Seltsam ist eine schöne Rubrik!

 
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Hallo Makita!
Ja, ja, das berühmt-berüchtigte John-Wayne-Gefühl. Kenne ich auch zu gut. Und kenne Leute, die das auch kannten und damit baden gingen. Nicht auf die heftige Tour wie Schröder, aber annähernd. Oder anfingen mit harten Drogen rumzuexperimentieren, weil sie meinten, über der Sache zu stehen. Heroin und so'n Scheiß. Hab 2 daran krepieren gesehen.
Und danke für die Korrektur. Ja, ja, die Rechtsschreibereform ... HINAUSWANKEN wird mir so als Fehler angezeigt, also trenne ich es in meinem Opportunismus. Okay, ich werde in Zukunft dran denken und es ignorieren. Habe die Story noch einmal bearbeitet.
Thanx nochmal und viele Grüße in die Zielgruppe von einem aus der Zielgruppe.
Machaczek

... ach so, ab jetzt alles nach SELTSAM. Ja, ist ne schöne Rubrik. Hast recht. Hab noch was bei SONSTIGES reingestellt, was wohl auch eher nach SELTSAM gehört. Puh, schwierig diese Schubladen!
M.

 

Hallo machaczek,

es ist irgendwie komisch, nach den beiden anderen Geschichten hätte ich schwören können, Du seist weiblich, aber diese hier lässt mich anderes vermuten.

Tja, warum stellt sich niemand der „Riesenverarsche“ entgegen? Weil alle Alternativen in größerer Verasche endeten vielleicht? Wir könnten seitenlang diskutieren, aber dafür ist hier nicht der Ort. Ich finde die Geschichte gut, wenn auch nicht ganz so stark wie etwa „Heiner ist jetzt Buddhist“. Insgesamt greifst Du meiner Meinung nach ein bisschen zu stark in die Klischeekiste, insbesondere das Lächeln am Ende ist so ein Schlusspunkt, der das ganze etwas überzieht. Andererseits habe ich diese lebenden Klischees auch schon vor mir gehabt. Nur: Geben diese Figuren wirklich genug für eine Geschichte her? Das nur als Kleinigkeit, auch wenn ich die Geschichte sprachlich (mal wieder) sehr gelungen finde und gerne gelesen habe.

Gruß
TeBeEm

PS Angesichts der Wirren um den Piccadilly Circus (hab ich vor Deiner Erklärung auch nix mit anfangen können) würde ich überlegen, den Titel zu ändern...?

 

Hallo Machaczek, Du schreibst:

Ich finde es schwierig, zunächst eine Figur skizzieren zu müssen, um ihr Handeln glaubhaft zu machen, denn dann verliert es den Charakter einer Kurzgeschichte.

Das finde ich richtig; die Einführung bringt die Figur sehr nahe, denn Du schreibst sehr lebendige, fühlbare Dialoge. Und die Kurzgeschichte als den Augenblick des Übergangs - finde ich gut. In solchen Minuten schwingt alles, was vorher war und was sein wird.

Die Handlung ist drastisch inszeniert, aber nicht ungewöhnlich; suizidales Verhalten gegenüber Polizisten gibt es auf vielen Demos.

Gruß Set

 

Hallo machaczek,

eigentlich passen TSS ja besser als Slime, um den Soundtrack zu dieser Begebenheit im Hamburger Morgengrauen zu liefern, auch wenn die _noch_ anachronistischer auf mich wirken würden als Slime.
Bis auf das Ende finde ich den direkten Stil gut durchgehalten, dieses Bild von der Fontäne, die oberhalb des Auges den Springbrunnen aus dem Titel gibt, ist mir dann jedoch _zu_ viel. Ich glaube nicht, daß oberhalb vom Auge eine Arterie verläuft, die Blut herausspritzen lassen würde, es fliesst vielleicht, läuft oder quillt, doch für einen Piccadilly Circus dürfte es vielleicht die Halsschlagader sein.
Insofern auch mein Rat, den Titel zu überdenken, ohne diese metaphorische Überspitzung fände ich das Gesamtbild stimmiger.

Textkram :

Ich hak mir Nina unter,
hake oder hak'
„Und nun guck dir diese sanierten Häuser an. Elitäre Scheiße.“
Ich guck mir die sanierten Häuser an. Schröder hat recht. Elitäre Scheiße.
„Und guck dir diese verschissenen Bonzenkarren an, die hier rumstehen.“
Ich guck mir die Autos an. Mercedes, BMW, Rover.
:bib:

Gut erzählte kleine Begebenheit.

Grüße
C. Seltsem

 

@TeBeEm, Setnemides und C. Seltsem!
Danke für eure Rückmeldungen. Ich sitze hier und denke über einen neuen Titel für die Geschichte nach, doch es fällt mir nichts ein. Ich muss noch länger darüber nachdenken. Oder habt Ihr Ideen?
@ C. Seltsem
Wer ist TSS? Sagt mir so nichts.
Ich werde meine Schwägerin mal befragen, ob sich oberhalb des Auges eine Arterie befindet. Die ist Ärztin.
@TeBeEm
Nee, sorry, aber ich bin ein Mann..:-).
@ Setnemides
Ich bin ganz deiner Meinung!!
Gruß Machaczek
PS: Bearbeitung der Story folgt.

 

Hallo Machaczek,

sprudeln tut es nur, wenn eine außen liegende Arterie verletzt wird, am Hals, Oberarm oder Oberschenkel, sonst nicht. Ich finde diesen Aspekt nicht wichtig für die Geschichte, auch den Titel nicht. Von außen ist es schwierig, Titel zu finden, rein descriptive fallen mir ein wie "Held auf dem Bahnsteig", "Lächeln im Morgengrauen" oder "Schröders Event".

Gruß Set

 

Aufs Kapitalismus und Bonzen schimpfen, aber nicht wissen, dass es mit Polizei nicht zu spaßen ist. Tja, machaczek, dein Schröder hat wohl selber zu viel Privatfernsehen gesehen, mit all der Glitzerwelt, die man sich nicht leisten kann, und die daher nichts als Neid und Wut erzeugt. Die Geschichte ist einfach gestrickt: Ein bisschen Geschimpfe auf die da oben, ein bisschen Kraftprotzerei und ein Polizist, der zu schnell schießt und schon ist einer tot - Pech gehabt.

Die Frage ist, was wolltest du mir, einem Leser, damit sagen. Die Geschichte ist weder typisch noch untypisch, sie ist schlichter Alltag, steht aber in Seltsam. Will sie vielleicht etwas aufzeigen – die Luxussanierungen oder eine Polizei, die als Helfer der Sanierer über Leichen geht, vielleicht auch die Perspektivlosigkeit der Jugend (das macht sich immer gut, wenn man die Gründe nicht nennt)?

Nein, nicht einmal in eine ordentliche linke Zeitschrift hätte sie gepasst, dafür wird darin einfach zu wenig gesprochen bzw. angeprangert, aber für die Umsetzung der Parole „Macht kaputt, was euch kaputt macht“, dafür wäre sie schon gut - auch weil handwerklich gut geschrieben.

Dion

 

Hallo machaczek,
lebendige Charaktere, die handeln und reden, alles von Beginn an spannend, dazu saftiges Zeitkolorit. Die dicke Tragik am Ende finde ich gut, weil sie m.M. nach alle unterschwelligen Ängste subsummiert, damals wie heute. Auch der Titel passt, ich mag es, über Assoziatives nachzudenken. Sehr gerne gelesen.
LG, Jutta

 

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