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Plötzlich ein Junge
Plötzlich ein Junge
„Ring!!!!“ Ich schreckte auf. Dieser blöde Wecker hatte mich mal wieder zu spät aus dem Schlaf gerissen. Hastig sprang ich auf, lief zum Kleiderschrank und zog mein Top, meinen Lieblingstanga und meine Lieblingsjeans an. Dann lief ich schnell in die Küche, schnappte mir einen Toast und brüllte laut: „Tschau, bis nachher!“ Ich wusste, dass mein Vater schon in seinem Arbeitszimmer saß. Und meine Mutter war sowieso auf der Arbeit.
Ich rannte schleunigst zur Bushaltestelle und erwischte den Bus noch in letzter Sekunde. Ganz hinten im Bus saß Sam, mein Schwarm. Ich stolzierte zu meinem Platz, und gab mir Mühe, mich so wie ein Model zu bewegen. Doch da die meisten mich nur sehr seltsam anschauten, entschied ich mich dann doch dazu, normal zu laufen. Nach 5 Minuten Fahrt tippte mir jemand auf die Schulter. Ich drehte mich um und blickte mit einem Mal Sam ins Gesicht. „Hi“, meinte er. Mein Herz blieb stehen: ER HATTE MIT MIR GEREDET! „Hi“, hauchte ich schmachtend, aber natürlich nur innerlich. Äußerlich grinste ich unsicher. „Bist du neu hier in der Gegend?“, fragte Sam. Ich war verwundert. Ich war schließlich in der selben Klasse wie er und hatte auch schon öfters ein kleines Pläuschen mit ihm gehalten, also musste er mich doch (er-)kennen. Ich blickte ihn verwundert an. Er schaute an mir herunter und meinte dann: „Ein Junge, der ein Top und ein Tanga trägt, wäre mir bestimmt schon aufgefallen.“ Ein Junge? Hatte er keine Augen im Kopf, oder was? Ich blickte um mich. Vielleicht hatte er ja gar nicht mit mir geredet? Aber die meisten waren schon ausgestiegen. Ich nickte unsicher. Besser so, als dass ich alles noch schlimmer mache. Wenn ich wie ein Junge aussah, wollte ich jemand Neues hier sein. Sam erzählte mir was über meine Schule, wobei ich vieles erfuhr, was ich noch gar nicht wusste. Über jede Person aus unserer Klasse gab er ein Statement ab. Gerade war er bei meiner Freundin Laura: „Ach, und Laura, die ist ganz okay, und ihre Freundin Melissa erst.“ Melissa? Das war doch ich! Das hieß, er meinte mich. Er mochte mich also. Ich jubelte innerlich. Den Rest der Fahrt redete er noch weiter, aber ich hörte kaum noch zu. Ich freute mich einfach zu doll.
In der Schule fragte ich Sam, wo denn die Toilette sei, ich musste ja immer noch die Rolle des neuen Schülers spielen. Er brachte mich aber leider zum Jungenklo. „Egal“, sagte ich mir, denn es war wirklich dringend, da ich zu Hause ja keine Zeit gehabt hatte, auf das Klo zu gehen. Auf dem Klo dann, warf ich erst noch automatisch einen Blick in den Spiegel... und wäre fast umgekippt. Denn dort blickte mir eine völlig fremde Person ins Gesicht. Es war ein Junge, der, im Gegensatz zur mir, ein ziemlich heller Typ war. Er hatte wirklich null Ähnlichkeit mit mir, fand zumindest ich. Ich rannte aus dem Klo – egal, wie dringend ich musste – und schleunigst zum Bus, so konnte ich mich doch nicht in der Schule blicken lassen. Zu Hause dann, setzte ich mich geschockt auf mein Bett. Mein Gott, war das schrecklich. Alle würden mich auslachen. Ich hatte totale Panik. Doch nach etwas Nachdenken, sah ich die positiven Dinge an diesem Wirrwarr. Ich konnte so schließlich einiges über Sam herausfinden. Ich ging ins Gästezimmer und zog die Klamotten von meinem Cousin an, die er bei seinem letzten Besuch hier vergessen hatte. Außerdem ging ich auf Klo, was ziemlich anstrengend war, dank meinem „neuem Begleiter“ .
So ging ich dann zurück zur Schule, in meine Klasse. Meine Lehrerin Frau Meyer schaute mich erstaunt an und fragte, was ich denn wolle. Ich antwortete: „Ich bin doch der Neue. Ich dachte sie wüssten das. Und entschuldigen sie bitte die Verspätung. Ich...“, ich räusperte mich erst mal, „ich hatte etwas mit meiner Schwester vertauscht...“ Ein paar grinsten, sie hatten mich vorhin gesehen. Frau Meyer, die unter großer Vergesslichkeit litt, dachte sie hätte wohl wieder was vergessen und hieß mich herzlich Willkommen. Dann fragte sie mich nach meinem Namen. „Mario Müller“, sagt ich prompt (wie kam ich nur so schnell auf einen Namen?).
Ich setzte mich wie selbstverständlich auf den Platz neben Sam. Stundenlang quatschte ich ihn über mich aus, und ich erfuhr, dass er voll auf mich stand. Ich freute mich riesig, und es war mir total egal, dass mich Frau Meyer rausschickte, weil ich zuviel redete. „Du benimmst dich wie ein verschwatztes Mädchen. Und das an deinem ersten Tag.“ Einige lachten dann auch noch, wegen meinem Auftritt im Bus vorhin.
In der letzten Stunde hatten wir schwimmen. Ich trug eine ziemlich enge Badehose. (Warum war mein Cousin nur so klein?) Im Umkleideraum versuchte ich möglichst nirgendwo hinzugucken. Nicht bei den anderen Jungs, und erst Recht nicht bei mir.
Im Schwimmbad dann, mussten wir wetttauchen. Ich tauchte gegen Sam. Er verlor knapp. Als wir aus dem Becken stiegen, stieß er mich in die Seite und meinte: „Nicht schlecht. War ´ne coole Nummer!“ Ich merkte wie ich rot wurde, aber was noch schlimmer war, ich merkte wie mein neuer, kleiner Freund sich langsam erhob. Einige bemerkten es und bekamen einen Lachkrampf. Und Sam? Der wurde nun auch rot und rannte raus. Ich lief hinterher und traf ihn im Umkleideraum. „Tut mir Leid“, meinte ich beim Eintreten und starrte auf den Boden. „Macht nix“, meinte er leise. Dann grinste er mir ins Gesicht und meinte: „Steckst wohl mitten in der Pubertät, was?“ Ich grinste auch, aber eigentlich war mir das nur superpeinlich. Dann schaute Sam wieder zu Boden und meinte: „Weißt du, du erinnerst mich total an Melissa. Du hast die selbe Art wie sie, und sogar die selben Augen. Ich frage mich, warum sie nicht in der Schule ist. Hoffentlich ist sie nicht krank.“ Ich freute mich irgendwie, dass er sich so um mich sorgte, aber er tat mir auch Leid. Ich hockte mich vor ihm und sagte: „Es geht ihr sicher gut, vielleicht schwänzt sie ja auch.“ „Ich hoffe du hast Recht“, entgegnete er seufzend.
Zu Hause blieb ich den ganzen Tag in meinem Zimmer. Was war, wenn ich nie wieder, ich wurde? Ich merkte, wie mir ein paar Tränen die Wangen hinunterkullerten. Plötzlich hörte ich Schritte. Meine Mutter kam in mein Zimmer, oh nein, was würde sie von mir denken? Ich wischte mir mit dem Handrücken schnell die Tränen aus dem Gesicht. Sie blickte mich erstaunt an und meinte: „Oh mein Gott! Was soll das denn?“ Sie ging heulend hinaus. Ich ging zu ihr, da ich die Reaktion doch etwas komisch fand. „Was ist?“, fragte ich, „erkennst du mich nicht? Ich bin es, Melissa!“ Sie schaute mich aus verquollenen Augen an: „Du siehst genauso aus, wie Mario!“ „Wie wer?!“ Den Namen hatte mich mir doch vorhin gegeben! Was sollte das denn bedeuten. „Wie Mario, dein verstorbener Bruder“, meinte sie leise. Ich schrie auf. Ich schrie und schrie, und es fand kein Ende.
Ich schreckte auf. Ich lag in meinem Bett, es war also nur ein Traum. Ich stand auf. Es war zwar etwas zu früh, aber ich wollte über den Traum reden. Meine Mutter war wach, dass wusste ich. Um diese Zeit trank sie immer eine Tasse Kaffee, um danach zur Arbeit zu fahren. Ich erzählte ihr von meinem Traum, und als ich geendet hatte, meinte sie entsetzt: „Mario war wirklich dein Bruder!“ Sie erzählte mir an diesem Morgen noch vieles von „meinem Bruder“! Er war 12 Jahre älter als ich gewesen. Und an denselben Datum vor 10 Jahren, war er in derselben Nacht von einem Auto überfahren wurden. Ich war damals genau 4 Jahre alt gewesen. Und er 16. Das ganze musste ich erst einmal verdauen.
Ich ging erst zur dritten Stunde zur Schule. Ich gab Frau Meyer eine Entschuldigung, in der stand, dass ich aus familiären Problemen nicht zur ersten Stunde erscheinen konnte. Laura versuchte mich auszuquetschen, weshalb ich erst jetzt kam, doch ich schwieg. Ich konnte es noch niemanden erzählen.
In der nächsten Pause fasste ich mir ein Herz und ging zu Sam. Ich wollte ihn fragen, ob er mit wir gehen wolle. Wenn die eine Hälfte des Traumes gestimmt hatte, stimmte die andere ja vielleicht auch. Und das würde heißen, dass Sam in mich verliebt war. Und es stimmte tatsächlich. Sam meinte, er hatte mich schon längst fragen wollen, aber er habe sich nie getraut.
Das ganze ist nun schon 3 Monate her. Ich habe die Sache mit meinem Bruder einigermaßen verdaut und mit Sam bin ich immer noch glücklich zusammen. Diesem Traum werde ich für immer danken, da er mein Leben erleichtert hat!!!