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Platzhalter

Seniors
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10.10.2006
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Platzhalter

Webers Theorie

Weber fand, dass das Leben einer Zugfahrt glich. Man setzt sich in ein schlecht beleuchtetes Abteil, schaut zu Anfang noch ab und an aus dem Fenster, doch wenn man erkennt – und man erkennt schnell -, dass dort draußen nur Bäume zu sehen sind, vielleicht mal eine Kuh, schließt man die Augen, macht es sich bequem und schläft ein. Und Webers Theorie nach, verpasst man nun den Moment, an dem man hätte aussteigen sollen, verschläft den Bahnhof mit dem roten Teppich, wacht irgendwann ein paar Stationen weiter auf, wenn der Zug zum Stillstand gekommen ist, reibt sich den Schlaf aus den Augen, steigt aus und fragt sich, wo zur Hölle man gelandet ist.

„Schmeckt es dir nicht?“
„Doch“, sagte Weber.
Laura löffelte lautlos die Suppe, stieß nirgends an, schlürfte nicht, saß aufrecht. Eine Strähne baumelte kokett über ihrem linken Auge.
„Es schmeckt dir nicht.“
„Doch.“ Weber stieß mit dem Löffel gegen den Rand des Suppentellers. Laura führte den nächsten zum Mund, hielt inne und blies mit spitzen Lippen. Die grüne Flüssigkeit auf dem Löffel kräuselte sich. Es war kein Laut zu hören.
Weber schmeckte nichts.
„Ich glaube nicht, dass Suppe wirklich Anlass für ein Gespräch bietet.“
„Über was möchtest du denn reden?“, fragte Laura.
Weber dachte angestrengt nach, hob einige Male die rechte Hand mit dem Löffel, als wolle er ein Startsignal geben. „Vielleicht doch über Suppe“, sagte er schließlich, zeigte ein Lächeln, versuchte es zumindest, doch er saß allein am Tisch.

Weber ging im Wohnzimmer auf und ab, blieb stehen und nahm ein Foto von der Vitrine: Laura und er auf den Stufen der Kirche, sie im Brautkleid, er in einem gut sitzenden Smoking. Die Spitzen des Anstecktuchs zeigten ein wenig zu weit nach links, nicht ganz perfekt. Weber suchte in den Augen des Bräutigams nach einem Zeichen, versuchte sich zu erinnern, was der Mann auf dem Bild wohl gefühlt hatte, den linken Arm um die Hüfte der Braut gelegt.
Hinter ihm glitt Laura durchs Zimmer, baute sich vor dem Bücherregal auf, streckte sich - tadellose Waden -, nahm ein Buch mit rotem Einband, setzte sich auf die Couch, schlug die Beine unter und las.
Weber spielte mit dem Gedanken, einen langen Spaziergang zu machen, in strömendem Regen, - wenn es sich denn einrichten ließe-, auf einer Brücke zu rasten, sich am Geländer abzustützen und schließlich, mit einem eleganten Sprung – aber Weber fand, so sehr er sich auch mühte, keinen Grund dazu. Lauras linker Fuß wippte, die Zehen blieben dabei steif.
„Soll ich dir vielleicht etwas kommen lassen, wenn dir die Suppe nicht gereicht hat?“, fragte sie.
„Nein, danke“, sagte Weber und dann, mit einigem Abstand: „Du bist ein Engel.“
Laura blätterte eine Buchseite um und nickte ihm ohne Mienenspiel zu.

Weber hatte die Hände unter den Kopf geschoben und starrte in der Dunkelheit des Schlafzimmers an die Decke. Laura lag neben ihm, von ihm gewandt, ihr Po zwei, drei Handbreit von seiner Hüfte entfernt. Machte keinen Mucks. Wie tot.
Irgendwann musste Weber eingeschlafen sein, denn am nächsten Morgen wachte er wieder auf.

Dann in der S-Bahn – Weber hatte den Wagen nicht genommen, war einem Impuls gefolgt, wollte nicht mehr in Wände gehüllt durch die Stadt fahren, wollte sich unters Volk mischen. Dann in der S-Bahn: Eine Frau, vielleicht fünfundzwanzig, blonde Haare, etwas länger als bei einer Pagenfrisur, vielleicht hätte man Pony dazu sagen können, damit kannte sich Weber nicht aus. Lehnte an einer Stange, hielt ein Buch in der Hand und las, ihre Lippen bewegten sich mit; neben Weber, der bequem saß, hustete ein alter Mann, zwei Schulkinder stritten sich lautstark, die ganze Bahn lärmte und tönte, doch Weber, wie besessen von den Lippen der blonden Frau, lauschte und lauschte. Blendete das Husten aus, dann die Schulkinder, das Tönen und das Lärmen, blendete alles aus und er lauschte und da, so laut wie das Fallen eines Blattes, hörte er ihre Stimme. Weber lehnte sich vor, bewegte seine eigenen Lippen im Takt, die Bahn kam zum Stehen, Leute drängten sich an der blonden Frau vorbei, der hustende Mann neben ihm räumte das Feld, Menschen kamen, Menschen gingen, Weber blieb und als die Bahn sich wieder in Bewegung setzte, und der Platz neben Weber frei geblieben war, stand sie noch da, die Stange im Rücken und las. Weber klopfte, einer Kindheitserinnerung folgend, auf den Platz neben sich, und dachte flüsternd: „Mein rechter, rechter Platz ist frei.“ Die blonde Frau schaute auf, wie aus einem Traum geschreckt, musterte die Hand – die Hand mit dem goldenen Ring, in Gottes Namen, was tat er hier -, musterte Weber, zwinkerte über zwei volle Backen – sie hatte gut und gerne zehn, zwölf Kilo zu viel, wie Weber nun sah – und ließ sich mit viel Elan neben ihn fallen, seufzte auf, rieb die Schultern an der Scheibe hinter ihr und machte einige Geräusche, wie sie sonst nur alte Männer machten, wenn sie sich aus einem Mittagsnickerchen hochquälten.
„Richtig gut, zu sitzen“, sagte Weber.
„Verheiratet“, sagte sie, ohne aus dem Buch aufzusehen.
Und Weber, der sonst nur über Suppe redete, antwortete: „Verwitwet.“
„Meinte mich.“
„Nein“, sagte Weber. „Meinten Sie nicht.“
Und da schaute sie aus ihrem Buch hoch, strich mit einer Hand über Webers goldene Armbanduhr und sagte: „Nein, meinte ich nicht.“

„Musst du heute wieder weg?“
„Wenn es dir nichts ausmacht.“
„Tut es nicht“, sagte Laura und löffelte lautlos.
Weber stand auf, nahm seinen Teller und brachte ihn in die Küche, zog sich den Mantel an und auch die Schuhe, ging noch einmal ins Esszimmer zurück und fragte: „Soll ich dir etwas mitbringen? Vielleicht ein paar Blumen? Orchideen magst du doch.“
„Nicht nötig“, sagte Laura. „Du bist ein Schatz.“

Weber lief ein schmieriges Treppenhaus nach oben, es roch nach Ammoniak. Katze wahrscheinlich. Weber nahm zwei Stufen auf einmal, die Tür wurde ihm aus der Hand gerissen. Die blonde Frau in Jeans und dunkelgrünem Army-Shirt: Weber stieß sie gegen die Wand im Flur wie ein Teenager, presste seinen Mund auf ihren, drückte mit einer Hand gegen ihre linke Brust. Sie rieb ihren Fuß an seiner Wade, fuchtelte mit einem Arm die Tür zu. Weber brachte seine Hände unter ihren Po, spielte den starken Mann, hob sie ein Stück weit hoch und wollte sie ins Schlafzimmer tragen, sein Rücken schmerzte, er ächzte auf, sie schlug ihm auf die Schultern, zeigte ein breites Lächeln und flüsterte: „Der Gedanke zählt.“ Sie entwand sich ihm, entkam ins Schlafzimmer, Weber streifte die Schuhe ab, die Socken fühlten sich pappig auf dem Teppich an, auf dem Weg ihr nach: Ein Blick in eine chaotische Küche. Eine Bratpfanne hing in der Spüle und weichte in Schaumwasser ein.
Im Schlafzimmer präsentierte sie ihren Hintern, hockte auf allen Vieren im Bett, die Decke war zusammengelegt, das einzige Fenster auf gleicher Höhe mit den Spitzen der beiden Kopfkissen. Sie schlug sich mit einer Hand auf ihren Hintern, genau dort, wo die Tasche der Jeans war. Es patschte. Weber stürzte sich auf sie, brachte eine Hand zwischen ihre Beine, sie seufzte auf, rieb sich an ihm, irgendetwas drückte gegen Webers Schritt, er schloss die Augen, sie klemmte seine Hand zwischen ihren Schenkeln ein.

„Wär’s nicht schön, wenn du einfach bleiben könntest?“, fragte sie, fasste grob nach Webers Arm und drapierte ihn um sich.
Weber schaute auf die fleckige Decke ihres Zimmers. „Ja, das wär’ echt schön“, sagte er.
„Deine Frau ist nicht tot.“
„Irgendwie doch“, sagte Weber.
„Komm, geh zu ihr“, sagte sie und nahm grob seinen Arm von sich.
Weber drehte sich um, legte sich auf sie, vergrub den Kopf zwischen ihren Brüsten, sie schlug ihm auf die Schultern.
„Du weinst doch jetzt nicht.“
„Ich kann dir zeigen, dass ich dich liebe, wirklich“, sagte etwas in Weber.
Das Trommeln hörte auf. Die Brüste waren weich und warm, ein Heilsversprechen. Webers roter Teppich.
„Willst du woanders hinziehen? In ein größeres Haus? Möchtest du vielleicht ein paar neue Sachen zum Anziehen? Magst du Orchideen?“
Sie drückte ihm die Fingernägel in die Schultern, stieß ihn von sich und sagte: „Raus.“

„Ich hab dir Orchideen mitgebracht“, sagte Weber.
„Danke, ich stell sie nachher in eine Vase“, Laura lächelte zart. „Ich glaube, ich hab noch eine.“ Laura stand von der Couch auf und glitt an ihm vorbei, aus der Küche hörte er sie sagen: „Geht es dir nicht gut? Du klingst, als brütest du etwas aus.“
„Vielleicht ist die Allergie wieder da“, sagte Weber.
„Die hast du seit Jahren nicht mehr gehabt.“
„Vielleicht wegen der Orchideen.“

Lauras Po wieder zwei, drei Handbreit von seiner Hüfte entfernt. Weber hatte die linke Hand unter seinem Kopf, mit der rechten versuchte er, sich einen runterzuholen und dachte dabei an die warmen, weichen Brüste; er blieb schlaff. Weber führte eine Hand an Lauras Schultern, seine Lippen bewegen sich und machten Schluss, mit klaren, starken Worten. Sagten so etwas wie: Ich bin nicht glücklich mit dir. Und du doch auch nicht. Es passt einfach nicht mehr. Siehst du es nicht. Du saugst das Leben aus mir raus.
Weber gab keinen Ton von sich.

Weber saß in der S-Bahn und starrte auf eine leere Stange. Schulkinder stritten im Hintergrund.
„Du musst dich damit begnügen.“
Weber drehte sich müde zu der Stimme. Ein Mann saß neben ihm, das linke Bein übergeschlagen, glattrasiertes, markantes Kinn, auf der Lippe aber ein buschiger Schnurrbart, ein Suppenfänger. Darüber eine dunkle Sonnenbrille, wie aus einem Agentenfilm.
„Ich glaub nicht, dass wir uns kennen“, sagte Weber.
Die Lippen des Mannes zuckten, er machte eine große Geste und breitete die Arme aus, fast schlug er Weber gegen die Brust.
„Ich hab da eine Theorie“, sagte der Mann und drehte den Kopf. „Ich glaube, das Leben ist wie eine Zugfahrt, man denkt, wenn man nur kurz einschläft, dann verpasst man den richtigen Bahnhof, aber ich will dir ein Geheimnis sagen.“ Der Mann beugte sich zu Weber. „Es gibt gar keinen roten Teppich. Das Einzige was du machen kannst, ist irgendwo auszusteigen, dir einen Eimer Farbe zu schnappen und dann pinselst du einfach …“
Weber riss dem Mann die Sonnenbrille vom Kopf und sah in seine eigenen Augen. Weber riss dem Mann den buschigen Schnauzer aus dem Gesicht und ein Schuljunge hinter ihm rief mit glasklarer Stimme: „Guck mal, Zwillinge.“
Der andere Mann nahm behutsam Sonnenbrille und Schnurrbart aus Webers Händen und verstaute sie in einer Manteltasche.
„Ich muss das nicht machen“, sagte er. „Ich wollte dir nur einen Gefallen tun. Für mich war mein Leben nicht das Richtige. Aber, mein Gott, schau dir Laura an. Sie hat das nicht verdient. Kannst du dir vorstellen, wie unglücklich sie ohne mich wäre? Willst du das verantworten? Sie ist eine gute Frau, dich kann sie bestimmt glücklich machen.“
In Webers Kopf nichts: Nur eine Leere.
„Soll ich dich etwas genügsamer machen? Ein paar Gedanken weniger? Vielleicht ein schönes Hobby, damit du auf andere Gedanken kommst? Du könntest ja kochen, dann hätte sie mehr Zeit sich zu entspannen.“
Der Zug hielt an, der Mann stand auf, Weber wollte ihm folgen, doch der Mann schaute zu ihm herunter und sagte: „Dein Platz ist bei ihr. Und, mal ehrlich.“ Der Mann lächelte. „Es ist ja nicht so, als hättest du eine Wahl, nicht wahr.“ Der Mann lächelte noch breiter, auch ehrlicher: „Mann, so muss sich Gott gefühlt haben, als er mit Adam gesprochen hat.“
Der Mann stieg aus, Weber eine Station später.

Als er nach Hause kam, fand er Laura. Sie saß am Esszimmertisch. Vor sich hatte sie eine braune Vase mit einem Strauß verdorrter Orchideen.
„Hast du mal dran gedacht, mich zu verlassen?“, fragte Weber.
Laura zog mit spitzen Fingern Blütenblatt um Blütenblatt heraus.
„Frag doch nicht so was, ich kann dich nicht verlassen“, sagte Laura.
„Und wenn ich dich darum bitte?“, fragte Weber.
„Dann bitte mich darum.“
Weber holte tief Luft, doch kein Wort kam heraus, er presste seine Fingernägel in die Handflächen.
„Es bringt nichts“, flüsterte Laura sanft. „Ich hab’s versucht, so oft schon. Soll ich uns etwas kommen lassen?“
„Du bist auch-,“ sagte Weber. „Wir sind Platzhalter.“
„Ich bin deine Frau. Ich will dich glücklich machen.“
Und da hörte Weber die Regentropfen, die schwer auf das Dach des Hauses prasselten und er griff mit Händen, die blutig waren, so fest hatte er die Nägel hineingedrückt, nach seinem Mantel.
Laura zog sich eine Strähne über das linke Auge. „Vielleicht sollten wir mal in den Urlaub fahren oder irgendwohin, wo öfter die Sonne scheint.“

 

Hey Quinn,

ich weiß nicht. Auch ich habe mir die Orchideen angestrichen, da sie ja als Motiv durch die Geschichte gezogen werden, und dann mal Wikipedia bemüht.
Das war nicht unspannend - auch in Bezug auf Deine Geschichte.

... und so versuchten ... Orchideen zu kultivieren. Heute ist die Kultur dieser bezaubernden Pflanzen nichts Ungewöhnliches mehr ... Diese Popularität hat aber auch dazu geführt, dass die Jagd nach dem Besonderen, dem Einzigartigen, dem Besitz besonders hochwertiger Pflanzen wieder aktueller denn je ist.

Außerdem ist es die einzige Möglichkeit, von bestimmten Klonen, beispielsweise prämierten Pflanzen, identische Nachkommen zu erzeugen, die auch den gleichen Kultivarnamen tragen dürfen.

Zitat Wikipedia - Orchidee

Man hat die Orchidee also ihrer Einzigartigkeit beraubt. Wenn es Dir also um die Kultivierung, die Vergesellschaftlichung geht, dieses Konforme, dann ist es tatsächlich egal, wer da zu wem spricht. Denn letztlich sind alle gleich. Sie alle löffeln Suppe. Und stimmt, Adam hatte keine Wahl, er bekam einzig Eva.
Und wenn dann eine Bratpfanne in der Spüle liegt (in welcher sich schlecht Suppen kochen lassen) dann vielleicht, verspricht man sich hier eine Orchidee, die man noch nicht kultiviert hat. Eine "Wilde" - ein seltenes Exemplar.

Allgemein gilt die Orchidee in der chinesischen Gartenkunst als Symbol für Liebe und Schönheit oder auch für ein junges Mädchen. Orchideen in der Vase stehen dort für Eintracht.

Zitat Wikipedia - Orchidee

Und am Ende welkt sie - die Vasenorchidee.
Weber nimmt seinen Mantel, geht hinaus in den Regen, zur Brücke und wird wahrscheinlich wieder nicht springen. Denn der Tod ist die einzige Möglichkeit sich der "Kultivierung" zu entziehen. Er aber wird mit einem neuen Strauss Orchideen nach Hause kommen - und die werden ihn weiter krank machen.

So könnte man Deine Geschichte lesen. So lese ich sie, nachdem ich Wikipedia bemüht habe. Kann jetzt total "über" sein, fügt sich aber.
Ohne Wiki, lese ich ebenfalls die Geschichte eines unzufriedenen, sich dem Alltag ergebenen, seiner Bequemlichkeit erliegenden Jammerlappens. Allerdings aus Quinnscher Feder - die ich sehr schätze ;).

Lieben Gruß zum Sonntag
Fliege

 

Ohne Wiki, lese ich ebenfalls die Geschichte eines unzufriedenen, sich dem Alltag ergebenen, seiner Bequemlichkeit erliegenden Jammerlappens.
Schön gesagt. :)

 
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Hallo Berg,

Introspektion kommt in vielen großartigen Geschichten vor. Du scheinst dagegen eine grundsätzliche Abneigung zu haben.
Nein, die Abneigung ist nicht grundsätzlich, sondern ist eher etwas Neues. Die Einblicke in eine Figur sind nicht immer erstrebenswert aus meiner Sicht und können dem Geschheen auch viel von ihrem Reiz nehmen.

Es bleibt offen, wie das mit dem Klonen genau geht, ob die Behörden damit kein Problem haben, wer es bezahlt, wie die psychischen Blockaden der beiden zustande kommen und vor allem, was die Originale machen, auch ihre Beweggründe, die Vorgeschichte des Ganzen usw. usw. Für meinen Geschmack lässt Du die interessantesten Teile der Geschichte unter den Tisch fallen. Ich muss allerdings zugeben, dass ich ohne Deinen Hinweis nicht verstanden hätte, worum es geht.
Ja, das bleibt alles offen, es soll ja auch keine SF-Geschichte sein, das „Klonen“ ist ja kein richtiger Prozeß, sondern eher etwas übersinnliches, wenn man so will .Ich bin mit der Geschichte in der Hinsicht aber auch nicht zufrieden, durch die Änderungen wurde es eben konkreter und das erfordert dann eigentlich auch eine andere Herangehensweise an die Thematik, so wie es im Moment ist, ist es sicher Stückwerk.

Danke dir für deine erneute Rückmeldung
Quinn

Hallo Katla,

Wenn Klon, ist das nicht seltsam, sondern SciFi. Außerdem finde ich es nicht folgerichtig, daß ein Klon - nur über die Genkopie - auch so ein halbtotes, initiativloses Abstellgleis-Dasein führen sollte. Ist das der seltsam-Aspekt? Das kommt nun so völlig aus dem Nichts, sollte die Einsicht nur über die Begegnung in der Bahn entstanden sein? Find ich nicht nachvollziehbar, auch nicht in dieser Rubrik.
Aus meiner Sicht ist der jetzige Weber so eine „minderwertige“ Kopie, die eben bestimmten Richtlinien im Verhalten unterworfen ist und der auch etwas fehlt. Du hast das im ersten Kommentar auch einige dieser Verhaltensdefizite genannt. So eine strenge Einteilung des Genres „Seltsam“ hätte ich gar nicht, für mich gehören hier viele Geschichte rein, die unter den weiten Begriff des magischen Realismus fallen und unter dem spielt sich für mich immer dann eine Geschichte ab, wenn Abstrakta konkret werden. Hier wird der Wunsch, auszusteigen aus einem Leben, ohne aber die Verantwortung aufzugeben, konkret durch diesen Platzhalter-Mythos, wenn man so will. So war es zumindest gedacht.

Danke auch dir für die erneute Rückmeldung
Quinn

Hallo Jynx,

Für mich war schlicht und einfach: Typ schläft in der Straßenbahn ein, hat dabei ein paar Visionen von einem Parallelleben und beim Aufwachen sitzt sein Alter Ego neben ihm und verflüchtig sich dann wieder.
Das scheint tatsächlich eine Möglichkeit zu sein, die Geschichte zu lesen, die ich gar nicht im Sinn hatte, aber Rick liest sie ja auch so. Ist interessant, ich hab damit überhaupt nicht gerechnet.

Der Hinweis mit dem fehlenden Innenleben der Figuren ist nicht ganz von der Hand zu weisen, ein wenig mehr hätte deutlich mehr an Tiefe gebracht und vielleicht auch deutlich weniger unzufrieden grübelnde Leser.…
Ja, ich kann das nachvollziehen, wobei ich bei dem Begriff der „Tiefe“ immer Probleme habe; ist jetzt eine Geschichte „tief“, weil sie viel erklärt, oder ist sie tief, weil der Leser Möglichkeiten findet, tiefer einzusteigen.
Die hier wird wohl als zu „flach“ empfunden, weil die Figuren mechanisch agieren und nicht immer nachvollziehbar. Ich weiß nicht, ob dort Introspektion helfen könnte, in den Passagen, in denen ein Blick in die Figuren kommt, trifft man dort auf Ratlosigkeit und Leere.

Danke auch dir für deine Kritik
Quinn

Hallo Mothman,

Das Leben besteht nicht aus unzähligen Möglichkeiten, sondern nur aus einigen wenigen Stationen, wo man sein Schicksal in eine neue Richtung lenken kann.
Knackpunkt ist: Man kann nur ein einziges Mal seinem Leben eine neue Richtung geben.
Soviel zur Theorie, wie ich sie aus der Geschichte heraus gelesen hab.
Ja, das ist die Theorie. Wenn’s mal festgefahren ist, ist es fertig.

Bedeutet das, dass Weber bisher glaubte noch nirgends ausgestiegen zu sein? Denkt er, er säße noch immer unentschlossen im Zug?
Ja, das Bild ist da nicht sauber durchgehalten. Ob man noch im Zug sitzt oder an der falschen Station steht, spielt aber keinen großen Unterschied. Aber das ist ein Fehler des Textes, ja, das Bild ist schief.

Ebenfalls unklar ist für mich die Tatsache, dass Webers „Zwilling“ bewusst ein Treffen mit Weber arrangieren konnte. Zudem verstehe ich nicht, welchen Anlass er dafür gehabt haben sollte.
Nur aus Mitleid?
Ich find das schon interessant, ich denke es ist auch einfach Neugier des „freien“ Webers, wie sich der andere so schlägt.

Der Erzählfluss war ruhig, fast angenehm einlullend. Nur leider hat mir persönlich der Knalleffekt gefehlt. Nach dem die Geschichte zu Ende war, hatte ich das Gefühl noch eine Zeitlang auf dem Fluss der Erzählung eingelullt weiter zu treiben. Dann ein kurzes Kopfschütteln und ich war mit meinen Gedanken woanders.
Ja, ich glaube auch, die Geschichte ist zu lethargisch in den Figuren angelegt, das scheint mir auch das Hauptproblem zu sein. Ist zu herbstlich, wenn man so will.

Danke dir für die Kritik, ich konnte damit einiges anfangen
Quinn

Hallo Jo,

Ich habs so verstanden (nur fürs Protokoll) der echte Weber wollte aus seinem Leben ausbrechen, ohne dabei Laura unglücklich zu machen/ zu verletzen und hat sich kurzerhand klonen lassen. Und die Frau merkt das nicht, weil sie ... boah, die Frau, keine Ahnung, die ist wie ... wie ihre grüne Suppe, wahrscheinlich auch noch ungesalzen. Da fehlt reichlich Salz.
Ja, das war dann der End-Gag. Der Frau ist es genau so ergangen. :) Es stimmt, so war das gedacht. Sie ist ja auch keine „schlechte“ Frau, wenn man so will.

Da kommt richtig Leben in die Bude, es ist so, als würde so eine Spielfigur plötzlich zum Leben erwachen und merken, hey, ich mache ja jeden Tag das gleiche und verpasse jeden Tag auch die Möglichkeit was anderes zu machen. Aber er ist so konditioniert/"programmiert", dass er es nicht hinbekommt, Laura zu verlassen und sein Leben zu leben oder an der richtigen Station auszusteigen.
Ja, er sabotiert das ja auch. Er ist ja richtig auf Laura geeicht, dass er nichtmal diesen Seitensprung durchstehen kann, ohne es zu versauen. Also das was in ihm verschüttet ist, bricht kurz durch, bevor alles wieder zusammenbricht.

Was ich dir damit sagen will: Mir gefällt die Geschichte - aufgrund der Figuren und der Stimmung, die du geschaffen hast. Die Bilder haben für mich gepasst, ich hatte das Gefühl einen Film zu gucken. Hätte ich jetzt nen Hut, würd ich ihn abnehmen.
(Und mir zu Liebe, vergisst du den Namen Laura?)
Das freut mich, dass dir die Geschichte so gut gefallen hat und dass ich das Gefühle habe, doch für irgendwen verständlich geschrieben zu haben. Wobei das natürlich immer der Todeskuss ist, wenn du eine Geschichte von mir magst. :)
Das mit den Namen: Ja. Ich hab jetzt die Model-WG gesehen und werde die Bezeichnung meiner Frauenfiguren in Zukunft davon inspiriert gestalten. So richtig 21. Jahrhundert. Mit Larissa und so!

Danke dir, dein Kommentar hat mich aufgebaut
Quinn 

Auf die restlichen Kommentare gehe ich später ein, sonst wird das so eine Bleiwüste.

P.S.: Ich hab es jetzt noch mal überarbeitet, und versucht die Dialoge zum Ende hin etwas auszubauen, aber ich tue mir schwer damit. Die Geschichte ist wohl fehlerhaft wie sie ist und sträubt sich anders zu werden.

 

Hallo Quinn,

interessanter Text.

In einem Zug durchgelesen, nur
zwei Kleinigkeiten:

baumelte kokett über
klingt komisch

nahm ein Foto von der Vitrine
Nimmt man nicht eher ein Foto "aus" der Vitrine

Gruss Hanqw.

 

Ich bin schon wieder furchtbar spät dran.

Hallo Rick,

Es hat mit Zügen oder Bahnen zu tun, mit dem Leben, mit Ferne, Ausstieg, Aussteigen, Haltestellen, mit der richtigen Haltestelle, dem Weg und dem Ziel.
Ich denke, das sind auch ganz klassische Motive. Lebensentwurf, „der Schritt vom Weg“. Mit so was schlägt sich wahrscheinlich jeder mal herum. Die Konsequenzen getroffener Entscheidungen.

Affären sind eh kein Ausstieg. Nachdem das erste Feuer heruntergebrannt ist, verdoppeln sich nur die Probleme. Dieselben Gespräche mit der Geliebten wie mit der Frau, dieselben Vorwürfe, dieselbe Müdigkeit in der Beziehung, derselbe Stress, dieselbe Alltäglichkeit, wenn das Fremdgehen seinen Reiz verliert, und man sich plötzlich wieder nach Hause flüchtet. DAS wäre mal ne Story!
Es ist erstaunlich, wie ähnlich wir uns manchmal in den Gedanken sind. Das gehörte tatsächlich zu dem Grundmaterial dieser Geschichte, ich hab’s dann aber nicht verwendet, weil es nicht so rund wurde. Es ist auch interessant, dieser Blick auf Beziehungen aus einem Hierachie-Modell heraus. Laura ist Güteklasse II und die blonde Güteklasse IV sozusagen. Und für ne IV verlässt man ja keine II.
Es gab mal eine gefloppte deutsche Serie auf RTL mit der kleinen blonden da, die spielte eine Karrierefrau, x Kinder und smodisch und schlank und lebendig und alles, und ihr Mann hat sie dann für eine etwas dümmliche, dickliche Frau verlassen, die aber netter zu ihm war.
Also die Serie ist jetzt keine große Erwähnung wert, aber das Motiv spukt mir seitdem im Kopf herum. Dass es eben nicht nur so ist, wie oft gezeigt und fast schon ein Klischee: Die gute Hausfrau, die alles für ihren Mann getan hat, wird mit Mitte 40 durch eine jüngere ersetzt, sondern das damit mal gebrochen wird.

So, ein bisschen ungeordnet, mein Kommentar, das kam einfach mal so raus. Überlegungen, die einen Autoren bestimmt interessieren, weil sein Text dafür verantwortlich ist.
Ja, natürlich, interessiert mich das immer. Ich hatte jetzt bei der Geschichte den Fokus eher auf diesem Lebensentwurf-Ding und auch mit wie wenig Emotionen man so durchs Leben kommt, wenn man’s drauf anlegt, aber das Material, das du hier lieferst, wird sicher auch noch mal ordentlich verarbeitet. :)

Danke dir für den Kommentar
Quinn

Hallo Jutta,

Ziemlich gleich, ob der zweite Typ ein Alter Ego, echter Zwilling oder Klon ist, mir fehlt bei der Geschichte ein Spannungsbogen, es deutet sich früh an, dass wahrscheinlich alles so bleibt, doch nirgends erfahre ich, wieso, weil die Personen über eine oberflächliche Vorstellung nicht hinauskommen.
Hm, ja, das stimmt. Ich hab mir bei der Geschichte wenig einen Kopf um einen Spannungsbogen gemacht, der aufbau ist da schon klassisch. Und die Figuren werden durch ihre Handlungen charaktersiert, so war’s gedacht. Schade, dass es für dich dann so oberflächlich wirkt, aber an der Kritik ist natürlich was dran.

Natürlich darf eine Geschichte so angelegt sein, es gibt genug Menschen, die sehenden Auges alles belassen wie es ist, doch ich möchte etwas mehr an die Hand bekommen, um mich in die Personen einfühlen zu können. Laura interessiert mich zum Beispiel sehr,doch ich habe keine Ahnung wer oder wie sie eigentlich ist. Und Weber? Wieso ist ihm alles so langweilig? Was tut oder unterlässt er, um, es zu ändern?
Ihm fehlt der Lebensodem sozusagen, so war das gedacht. Beiden, deshalb wirkt das so tot. Also als „unseltsam“-Geschichte mit Menschen aus Fleisch und Blut, die mit beiden Beinen in der Realität sind würde die Geschichte anders funktionieren müssen, mehr als Beziehungsmelodram. So ist natürlich nicht viel mit Emotionen, das ist klar. Aber so was gibt’s doch auch so oft.

Ich habe keine Lust, mich an einem Ratespiel zu beteiligen, wer nun was sagt oder wer nun wer ist; das wäre alles gar nicht nötig, wenn die Geschichte eine Tiefendimension hätte. Vielleicht ein wenig mehr 'show and tell'!
Ja, so geht es ja einigen. Mit der „Tiefendimension“ da bin ich immer skeptisch. Es ist hier, glaube ich, so viel oder so wenig da wie in vielen anderen meiner Geschichten. Ich hab mir was dabei gedacht. Es ist dann die Frage, ob der Leser das für so interessant hält wie ich oder nicht. Da steckt man oft schwer drin. Bei der Geschichte scheint diese Ebene für die allermeisten nicht vorhanden zu sein oder sie interessiert sie nicht oder sie ist zu verkünstelt. Daraus kann man nur lernen.
Danke für deinen Kommentar
Quinn

Hallo Fliege,
ich hab gehört du wartest schon sehnsüchtig auf eine Antwort. 

Und wenn dann eine Bratpfanne in der Spüle liegt (in welcher sich schlecht Suppen kochen lassen) dann vielleicht, verspricht man sich hier eine Orchidee, die man noch nicht kultiviert hat. Eine "Wilde" - ein seltenes Exemplar.
Die Blonde hat eben Feuer im Arsch, wie man bei uns so schön sagt. Die lebt, die bebt richtig, während Laura natürlich … sie nimmt keinen Raum mehr ein, sie gibt keinen Laut von sich, sie leben parallel in dieser Beziehung.

Ohne Wiki, lese ich ebenfalls die Geschichte eines unzufriedenen, sich dem Alltag ergebenen, seiner Bequemlichkeit erliegenden Jammerlappens. Allerdings aus Quinnscher Feder - die ich sehr schätze .
Ja, Berg kommt da natürlich mit Anlauf und tritt dem Gestrauchelten noch in die Weichteile, wie es seine Art ist. :)
Die Geschichte war gedacht als: Ein Mann gibt sich mit einem Leben zufrieden, mit dem er nicht glücklich ist. Und es kommt heraus: Dass er nur der Platzhalter für jemanden ist, der mit seinem Leben auch nicht glücklich war, und der nun mit ihm getauscht hat. Diese Möglichkeit fehlt ihm nun. So. Ich hielt das für ne klasse Idee.
Gut, dann ist folgendes passiert: Die Leute haben es gelesen und: Och, das ist ja so trist. Genau so ist es, so leben viele.
Dann hab ich gesagt: na ja, hier, guck mal passage da, trifft sich selbst und so.
Und dann ging’s: So nen Scheiß mit den Rätseln immer. :)
Es ist schwer da auf Kommentare zu antworten. Natürlich ist dieses Motiv darin: ein unzufriedener, lethargischer Jammerlappen. Das ist klar ein Motiv, das die meisten sehen. Man ist irgendwie unzufrieden mit dem Grau in Grau und so weiter. Aber die Geschichte sollte ja hier nicht stoppen, sondern eben noch den Schritt weiter gehen. Dass er und seine Frau nicht „echt“ sind, sondern nur Platzhalter für „echte“ Menschen. Der Schritt ist wohl ziemlich in die Hose gegangen. Weshalb ich hier nicht sitze und sage: „Vielen Dank, ich fand die Idee auch ganz toll“, sondern immer: „hm, ja, das war wohl nix“ murmle. :)

Die Orchideen in der Geschichte sind ein weiteres Bild für das Fehlen dieses Lebensodem. Sie gehen ein. Laura kann sie nicht am Leben halten. Und sie macht sich auch nichts mehr aus ihnen, wie die frühere Laura. Sie essen ja auch nichts, sie haben keinen Geschmack an irgendetwas, nicht an einander, nicht an anderem. Und als Weber einmal Geschmack an etwas findet, an der Blonden, sabotiert er’s selbst.
Also es klingt wieder bequem, aber aus dem Text hab ich gelernt: Wenn ein Leser Muster erkennt, dann rastet er irgendwann ein. Dann liest er die Geschichte so. Da kommt er nicht mehr raus. Wenn hier zwei Seiten „Das Leben ist so trist und Suppe ist grün und es gibt ne Affäre kommt“, dann ist der Leser da drin, dann ist es aus. :) Da müsste ich wahrscheinlich Piraten bringen und nicht nur einen Doppelgänger in der S-Bahn, damit sich da noch was tut. Das muss man als Autor wirklich lernen.

Also vielen Dank für deinen Kommentar, Fliege
Quinn

Hallo Hanqw,

schön, dass du die Geschichte interessant fandest (wobei ich nicht weiß, ob das jetzt wirklich als Kompliment gedacht war oder mehr als „Interessant, Pflaumenmakkaroni“).
Die Detailanmerkungen schau ich mir noch an

Gruß
Quinn

 

Hallo Quinn,

wenn ich einen Text ganz und in einem Stück durchlese
ist er spannend und damit gut.

Erlich gesagt, stelle ich mir die Frage, ob das alles
ohne die folgende Stelle funktioniert hätte:

Bin aber Ratlos.


Mich würde interessieren, warum du so was schreibst?:

Im Schlafzimmer präsentierte sie ihren Hintern, hockte auf allen Vieren im Bett, die Decke war zusammengelegt, das einzige Fenster auf gleicher Höhe mit den Spitzen der beiden Kopfkissen. Sie schlug sich mit einer Hand auf ihren Hintern, genau dort, wo die Tasche der Jeans war. Es patschte. Weber stürzte sich auf sie, brachte eine Hand zwischen ihre Beine, sie seufzte auf, rieb sich an ihm, irgendetwas drückte gegen Webers Schritt, er schloss die Augen, sie klemmte seine Hand zwischen ihren Schenkeln ein.

Gruss Hanqw

 

Hallo Hanqw,

das hab ich geschrieben, damit der Leser eine Vorstellung hat, was in dem Schlafzimmer passiert, bevor sie miteinander schlafen. Gerade die Szene hielt ich für wichtig als Gegensatz zu dem sonstigen Text, da ist ein kurzer Ausbruch, der allerdings auch immer wieder gestört wird, auch in der Leidenschaft.

Gruß
Quinn

 

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