Hallo buji!
Ich habe ja schon lange nichts mehr von dir gehört. Freut mich!
Freut mich, daß Du dich freust! »lange nichts gehört« beruht natürlich auf Gegenseitigkeit.
Du schreibst: "Mir ist unverständlich, wie Ihr hier so aneinanderkrachen konntet."
Ehrlich gesagt, mir auch.
Ich meinte das aber schon auf Euch beide gleichermaßen bezogen. Ich war nach dem Lesen eines Großteils des Threads ziemlich perplex, was da für Aussagen gefallen sind, deshalb hab ich erst auch nur so kurz dazu geschrieben. Jetzt hab ich alles gelesen.
Aber zuerst einmal dazu:
buji schrieb:
Mit deiner Ansicht, ich hätte mehr in die Geschichte hinein packen können, hast du nur teilweise Recht, nämlich wenn man das Problem aus der Sicht von KG-Hardlinern betrachtet. Ich hatte jedoch anderes vor. Und wenn ich es mir jetzt im Nachhinein so überlege, dann habe ich wieder einmal genau ins Schwarze getroffen. Poppen wurde wider Erwarten zum Tsunami. Ich liebe es immer mehr.
kg-Hardliner: Offensichtlich scheine ich in Deinen Augen einer zu sein, und es kommt so rüber, als wäre das für Dich etwas Negatives, ein Feindbild.
Nun muß ich mich fragen: Was macht einen kg-Hardliner aus und wie sehr entspreche ich diesem?
Lange Zugehörigkeit/hohe Beitragszahl? Das Festsetzen einer speziellen kg-Schablone im Kopf? Erfahrung beim Schreiben von Geschichten?
Auch, wenn ich hier die meisten Beiträge hab, bin ich sicher die letzte, die sich in ein Schema zwängen läßt und Geschichten anhand eines Fragenkatalogs bewertet. Ich gehe nach dem, was
ich aus der Geschichte mitnehme, danach, welches Lesegefühl
ich dabei habe, welches Gefühl die Geschichte in
mir auslöst, usw.
Ich habe keinen Fragenkatalog, bei dem Du zu wenig Punkte bekommst, auch keine Schablone, die ich über Deine Geschichten lege, und es hat mir auch noch nie jemand eines von beidem angetragen.
Es ist nur die Frage, ob Du etwas vermitteln willst.
Bei einigen Deiner Aussagen (damit meine ich nicht nur in diesem Thread) bekommt man das Gefühl, Du möchtest gern etwas verändern, Dir brennt richtig der Arsch, und wenn Du könntest, wie Du wolltest, wäre sowieso schon längst alles ganz anders. Dann liest man andere Aussagen – die, in denen Du Menschen am liebsten generationsweise in Schubladen sperrst und zum Feindbild erklärst – und fragt sich: »Was will er?«
Und dazu kommt dann noch Dein Anspruch, Tsunamis zu erzeugen, wobei sich immer wieder das Gefühl aufdrängt, daß Du dies über den Anspruch, damit etwas zu erreichen – jemandem wirklich die Augen zu öffnen oder tatsächlich etwas zu ändern – stellst. Es scheint, als wäre es Dir tausendmal lieber, Menschen gegen Dich aufzubringen, als etwas in die Richtung zu bewirken, das dem entspricht, was Du eigentlich kritisieren wolltest.
buji schrieb:
Wenn ich sehe, wie wir fortfahren, Mutter Erde zu vergewaltigen, und wenn ich dann an unsere Kinder und Kindeskinder denke, dann wird mir schlecht.
Ja, mir auch! Aber die Frage ist: Tust Du mit Deinen Geschichten etwas dagegen?
Und darüber werde ich auch weiterhin auf meine Art und WEise schreiben.
Und wie viel Sinn hat es, etwas bewußt so zu schreiben, dass man garantiert damit aneckt, wenn man doch eigentlich den Menschen etwas zeigen wollte? Oder willst Du nur brüllen, ohne zu versuchen, es zu ändern?
buji schrieb:
Bei mir kriegen manche Leute schon einen Herzinfarkt, wenn sie sehen, wie ich nach dem Kugelschreiber greife, haha.
Stellst Du die persönliche Befriedigung über die Angst um Deine Kinder und Kindeskinder? Wie paßt das zusammen?
Ich will auch, daß meine Kinder, Enkel und Urenkel noch – oder vielmehr: wieder – in einer schönen Welt alt werden können. Erreiche ich das eher, indem ich Menschen ins Gesicht spucke, oder indem ich ihnen zeige, was ich meine, möglichst auf eine Art, dass sie anschließend vielleicht meine Meinung teilen oder zumindest darüber nachdenken? Nicht, weil es eine Regel der kg-Hardliner ist, sind Menschen eher bereit, etwas anzunehmen, wenn man ihnen nicht ins Gesicht spuckt oder sie in als negativ dargestellte Schubladen steckt.
Und dann fallen mir Deine Geschichten ein, in denen Du reale Fälle beschrieben hast, die Du in Deiner Funktion am Arbeitsamt kennengelernt hast. Die halte ich für Deine besten Geschichten, weil Du den Leser mitfühlen läßt. Die hab ich wirklich sehr gern gelesen. Und vor allem: Du hast gewußt, wie Du diesen Menschen real helfen kannst, wie Du Deine Vorgesetzten am Arbeitsamt überzeugen kannst! Nämlich nicht, indem Du irgendwelche Leute angesprungen bist, sondern indem Du tief hineingeblickt und Begründungen geschrieben hast, warum diese Fälle positiv zu entscheiden wären. Dementsprechend viel war auch in den Geschichten an Information vorhanden und zugleich hast Du sie so geschrieben, daß der Leser halbwegs mitfühlen kann. – Du weißt also sehr wohl, wie man überzeugt, aber wenn es Dir um die Zukunft Deiner Kinder geht, hast Du es vergessen… 
Für mich ergibt das ein Bild, daß Du da, wo es um Dein eigenes Fleisch und Blut geht, alles dagegen unternimmst, daß es so wird, wie Du es eigentlich möchtest, da Du ja dort, wo es um Fremde und nicht um die Zukunft Deiner Kinder geht, sehr gut weißt, wie es geht. Eine spezielle Form der Selbstschädigung?
Sie schädigt sich selbst durch die Einnahme von einer Droge.
Bei Drogen ist es halt offensichtlicher. Du verpaßt Dir diesen Kick mit Deinen Geschichten und den Diskussionen darunter. Die Frage ist bei beidem gleich: Wozu, wenn man dem eigenen Ziel damit schadet?
buji schrieb:
Da sieht man wieder einmal, wie gut es uns satten EU-lern geht. Wir haben sonst keine Sorgen. Wir haben genügend Zeit, um auch so schwer doof zu sein.
Du sagst das an sim gerichtet, und darin liegt auch ein Grund für mein Perplex-Sein nach dem Lesen. Gerade sim gehört nämlich wirkich nicht zu den Menschen, von denen Du hier sprichst.
Man kann Dir zwar mit Deiner »Gesundheit« wirklich nicht vorwerfen, daß Du keine Zeit hast, andere Geschichten zu kommentieren, aber bevor Du jemanden in so eine Schublade steckst, solltest Du dich trotzdem genauer informieren; sim ist obendrein schon ziemlich lange da. Du kannst Dir ja auch was ausdrucken und im Bett oder in der Badewanne lesen, oder vielleicht kann Dir Deine Freundin ja mal etwas vorlesen. Zum Beispiel sims letzte
Geschichte – damit hat er tatsächlich einige Menschen zum Nachdenken gebracht. Wodurch regt er zum Nachdenken an? Indem er genau die richtigen – die wichtigen – Informationen für den Leser annehmbar verstreut, oder indem er ihnen einen Felsbrocken vor die Füße wirft, den er hinterher zu einer Kristallkugel zu reden versucht?
Auch, wenn die folgende Aussage zu jenen von sim gehört, wo ich ziemlich erstaunt war, weil sie nicht wirklich hätte sein müssen, hättest Du aus ihr lesen können, daß sim eher nicht zu jenen EU-lern gehört, denen es so grenzenlos gut geht und die keine Sorgen haben:
sim schrieb:
Wollen wir in einen Wettbewerb treten, wer von uns in seinem Leben schon mehr gelitten hat oder mehr leidet?
Sind wir es, die das Auto gesteuert haben?
@sim: Was bringt es denn, sich gegenseitig das Leid an den Kopf zu werfen oder sich in der Größe des Leidens zu messen?

buji hat Dir sein Leid ja nicht vorgeworfen, sondern damit begründet, warum er nicht so viel vor dem PC sitzen kann – als Folge des Vorwurfs, er verhalte sich wie ein asoziales Arschloch, den er damit entkräften wollte.
Natürlich haben wir beide mit unseren Kindheiten insgesamt mehr – Jahrzehnte – gelitten und leiden immer noch an manchen Folgen davon, aber das nimmt doch buji nicht die Rückenschmerzen; auch nicht, daß es jemand anders war, der das Auto gesteuert hat. Und wissen wir denn etwas über bujis Kindheit, können wir annehmen, sie sei das ganze Gegenteil, ein einziges Honiglecken gewesen? Irgendwo hat auch ewiges Gegen-die-Wand-Rennen seinen Ursprung.
Auf jeden Fall hat jeder von Euch sein Leiden, das ihn irgendwie behindert, und statt Euch das vorzuwerfen, fände ich es irgendwie netter, wenn jeder das Leiden des anderen akzeptiert, sim buji das Nichtkommentieren anderer Geschichten nicht nachträgt, und buji sim seinen kleinen Ausrutscher nicht, den ich übrigens durchaus verstehe, auch wenn er nicht nett war. Man leidet jahrzehntelang an seiner Kindheit, konnte eigentlich noch nie richtig glücklich sein, aber die Gesellschaft will nichts davon hören, hat weder Hilfe noch Mitleid, wir sollen uns das gar nicht anmerken lassen, während jemand mit körperlichem Leiden sehr schnell beides, Mitleid und Hilfe, bekommt und sich nichts dabei denken muß, wenn er es irgendwo als Entschuldigung vorbringt. Deshalb weiß ja auch jeder, wie man eine blutende Fleischwunde versorgt, aber kaum jemand, wie man mit jemandem umgeht, dessen Seele blutet. Wir existieren praktisch gar nicht. Da ist es kein Wunder, wenn ein seelisch Leidender sich dann auch mal irgendwie ungerecht behandelt fühlt, oder einem körperlich Leidenden kein Mitleid zugesteht – er bekommt ja selbst auch keins.
buji schrieb:
Wer Drogen nimmt, der hat nun einmal dieses super Feeling, sonst würde er ja nicht süchtig werden. Hätte ich dieses Gefühl als beschissen beschrieben, dann hätte ich gelogen.
Zur Sucht oder anderen Formen von selbstschädigendem Verhalten neigt man nicht, weil es ein super Feeling macht, sondern weil man es in der Kindheit lernt. Das Verlangen nach Liebe wird mit dem Abtöten des Selbst verknüpft, weil man ja die Liebe der Eltern nur erlangen kann, wenn man sich ihren Anforderungen entsprechend zurechtbiegt/innerlich stirbt. Die Kinder solcher Eltern sind aber nie gut genug, laufen der ersehnten Liebe vergebens hinterher, wiederholen diesen Kreislauf immer wieder, bis von der Sehnsucht nur mehr die Sucht übrigbleibt. Die Sehn-Sucht nach dem Glücksgefühl, das nur eine kurze Illusion ist, ist nichts anderes als die Fortsetzung der vergeblichen Suche nach Liebe und Geborgenheit. Auch als Kind hat man insgeheim schon gewußt, daß es wieder nicht zum Glück führt, so sehr man auch versucht, brav zu sein, aber trotzdem gab man die Hoffnung die ganze Kindheit über nicht auf. Man weiß später auch, daß man nicht wirklich glücklich wird, wenn man das Glück oder die Geborgenheit in Drogen sucht, aber man ist gefangen in diesem Kreislauf aus Hoffen, Sich-dafür-selbst-Schaden-Zufügen, der enttäuschenden Ernüchterung hinterher und dem neuerlichen Verlangen nach dem vermeintlichen Glück.
Natürlich erzählt Dir das niemand so, im Smaragd oder sonstwo – die Leute laufen ja nicht als Selbstanalyse herum. Aber als Autor sollte man auch hinter solche Aussagen schauen (was redet sich derjenige bloß schön, wo ist die Wahrheit?), dann erst kann man etwas aufzeigen. Ansonsten ist es eben das bereits erwähnte Bild-Zeitungs-Niveau – was kein Vorwurf ist, sondern hoffentlich doch ein Ansporn. Mit dieser
Gutmenschenzeitung willst
Du doch nicht auf einer Stufe stehen, oder?

Um gleich beim Thema zu bleiben:
buji schrieb:
Wenn du Alles auf BILD-Ebene herunter brichst, dann müsstest du hier eine Menge Geschichten vernichten, hahaha, auch ein paar von deinen eigenen.
Welche von sims Geschichten meinst Du? Ich kenne alle Geschichten von sim, und mir fällt keine einzige ein, die mit der Bild irgendwie in Einklang zu bringen wäre. Dein »hahaha« läßt mich vermuten, daß Du das nur so dahingesagt hast – hast Du? Es ist aber auch ganz allgemein Deine Meinung über sim, die die Vermutung nahelegt, daß Du von ihm noch gar nichts gelesen hast – bist ja nicht dazu verpflichtet, aber dann wäre doch ein bisschen Zurückhaltung bei solchen persönlichen Wertungen angesagt. – Genauso übrigens, wie alle anderen, die Du immer wieder in Schubladen steckst.
Schubladendenken trennt die Menschen, schafft Streit und letztlich Krieg, und wir wollten doch unseren Kindern eine friedliche Welt hinterlassen, nicht wahr? Warum arbeitest Du ständig dagegen, statt Dein schriftstellerisches Können, Deine sprachliche Originalität und Deine Kraft für etwas einzusetzen, womit Du überzeugen kannst?
Provozieren ist vielleicht lustig, aber es bringt nichts, und das weißt Du. Wer hat zum Beispiel mehr erreicht: Die Anti-Zwentendorf-Bewegung der späten Siebziger, deren Mitglieder unermüdlich und überall mit Infoständen präsent waren, die Bevölkerung informiert haben und letztlich den Ausstieg Österreichs aus der Atomenergie bewirkt haben (und in Form von Global2000 immer noch aktiv sind), oder die Anarchos und Hausbesetzer der Achtziger, die zwar provoziert haben, wo aber sonst nicht viel dahinter war?
Den Anti-AKW-Leuten war ihr Vorhaben wichtig, es ging ihnen um ihre Kinder, um die ökologische Zukunft – deshalb haben sie ihre Sache mit Hirn gemacht.
Als die Gemeinde Wien den Hausbesetzern ein Haus zur Verfügung stellen wollte, hat sich herausgestellt, daß ein Großteil von ihnen aus gutem Haus war, teilweise sogar Politikersöhnchen. In Wirklichkeit ging es für sie um nichts, sie hatten ja ihr Zimmer im Haus oder gar der Villa der Eltern und genug am Sparbuch für eine Eigentumswohnung. Das hat es ihnen erlaubt, zu provozieren. Lustig wars, hahaha. – Einzig die Leute von der Schwulenbewegung waren echt, unter den Hausbesetzern. Ihnen ging es tatsächlich um die Sache, und deshalb haben sie sich auch rechtzeitig distanziert, haben ihr Hirn gebraucht und schließlich doch ein Haus, die heutige Rosa-Lila-Villa, bekommen. – Nicht, weil sie provoziert haben, sondern weil sie argumentiert haben. Weil der, dem etwas wichtig ist, seine Sache mit Hirn angeht.
Liebe Grüße,
Susi