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Prinzessin für einen Tag

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21.03.2004
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Prinzessin für einen Tag

Die blasse Vorfrühlingssonne verschwand in dem Moment hinter den Dächern der Stadt, als Madeline die Wohnungstüre aufschloss. Mit einem Knarren schwang Madeline sie auf und trat ein. Kalter Rauch schlug ihr entgegen, ebenso der Gestank von Bratenfett, gemischt mit der aufdringlichen Duftnote eines Raumdeos. Mit schnellen Schritten durchquerte sie die ganze Wohnung und riss alle Fenster auf. Von draussen drang Kindergeschrei, Türknallen und Autogehupe herein, die Geräusche des Lebens, welches in der Vorstadtsiedlung pulsierte.

Es war keine schönes Siedlung, in dem Madeline lebte. Graue, hässliche Wohnblöcke ragten in den finsteren, wolkenverhangenen Himmel, innert kürzester Zeit hingestellt, um für die stetig wachsende Bevölkerung Wohnräume zu schaffen. Die Siedlung trug den klangvollen Namen ‚Jardin Paradis’, was soviel heissen mochte wie ‚Garten Eden’. Wie ironisch, dachte Madeline jedes Mal, wenn sie an dem ehemals schönen, nunmehr aber besprayten und verbeulten Metallschild vorbei ging. In den kümmerlichen, von Hunden zerwühlten Vorgärten knospten nur zaghaft einige wenige Schneeglöcklein, durchstiessen schüchtern die braune, matschige Schneedecke, nichts war zu sehen von der blühenden, immergrünen Pracht, von der in der Bibel erzählt wurde. In den Treppenhäusern roch es nach scharfen Putzmitteln, in den Hauseingängen nach Urin, nicht nach zarten Blumendüften und frischer Luft. Die Wände waren dermassen dünn, dass alles aus der Nachbarwohnung, Geschrei, Gestöhne, Klospülung und Dusche hörte. Die Wohnräume waren klein und beengend, es hätte praktisch nur einem schönen Bild, einem Blumenstrauss und einer bequemen Couch bedurft, die Zimmer anheimelnd und gemütlich zu machen, doch dazu fehlten Zeit, Kraft und Elan.

Wie jeden Abend war Madeline schrecklich erschöpft. Sie arbeitete tagsüber bei einem Putzinstitut, ein anstrengender, harter Job. Und wenn sie dann abends heimkam, mit schmerzendem Rücken und müden Beinen, musste sie noch kochen, den Abwasch vom Morgen erledigen, die Wohnung ein bisschen aufräumen und warten, bis ihr Alain nach Hause kam.

Alain. Seit fünf Jahren schon waren sie ein Paar, und nun wollten sie heiraten. Obwohl Madeline schon seit ihrer Kindheit von diesem Tag träumte, sich immer wieder in den schillerndsten Farben ausmalte, wie ihre Hochzeit eines Tages sein würde, wusste die, dass es für eine grosse und pompöse Feier nicht reichen würde. Alain war Bauarbeiter, sie Putzfrau, und ihre Löhne reichten gerade mal so eben zum Überleben. Doch seit Alain sie gefragt hatte, ob sie seine Frau werden wolle, hatte sie immer wieder ein bisschen Geld zur Seite gelegt, damit sie an diesem einen Tag nicht jede Münze zweimal umdrehen mussten und sich endlich auch einmal etwas über ihren Verhältnissen leisten konnten.

Madeline ging ins Schlafzimmer und öffnete den Wandschrank. Dort hing, ganz alleine an der Stange, ein blütenweisses Kleid. Vorsichtig nahm Madeline es heraus, legte es aufs Bett und setzte sich daneben, stets darauf bedacht, den Stoff nicht zu zerknittern. Dann öffnete sie ihre Nachttischschublade, kramte ein bisschen darin herum und zog schliesslich zwischen zwei Büchern eine Postkarte heraus. Zärtlich schaute Madeline sie an. Eine Hochzeit war darauf abgebildet; links im Bild war ein ehrwürdiger Standesbeamter oder Pfarrer, ein junges Mädchen, das den Brautstrauss hielt, ein tuschelndes Ehepaar – die Eltern der Braut? - , im Hintergrund nochmals zwei Personen. Doch im Zentrum stand ganz klar die Braut.
Immer, wenn Madeline diese Frau betrachtete, erschien es ihr, als sähe sie ein ätherisches Wesen, ein Engel, eine Feenprinzessin. Ihre ganze Gestalt schien von einer Aura aus etwas Lieblichem, Schönem und Zartem zu sein, sie war wie in ein übersinnliches Licht getaucht. Wie anmutig sie den Federkiel hielt! Wie anmutig sie über das Buch gebeugt war! Wie anmutig sie wohl die Seidenhandschuhe von ihren Händen gestreift haben musste, um unterschreiben zu können! Wie anmutig… Alles an dieser Frau erschien Madeline anmutig, elegant, zauberhaft und wunderschön. Und wie zärtlich der Maler die Züge ihres Gesichts eingefangen hatte; die sanft geschwungene Nase, die Lippen, rosenknospengleich, die Augen andächtig niedergeschlagen und doch konzentriert auf das aufgeschlagene Buch gerichtet, die wohlgeformten Wangen wie angehaucht gerötet… Und immer wieder fiel Madelines Blick auf die Hände der Braut. Die langen, schmalen Finger und die Fingernägel stellte Madeline sich stets perfekt gefeilt und manikürt vor. Wie wohl die Unterschrift der Frau aussehen mochte? Bestimmt trug sie einen klangvollen Namen wie Evangeline, Olivia oder Sophia, und ihre Schrift war sicher verschnörkelt, verspielt und wie ein perfektes Gemälde anzusehen.
Und erst ihr Kleid! Der Stoff schimmerte wie der Mond in einer klaren, wolkenlosen Nacht, der Schleier umspielte ihre makellose Figur wie ein feines Tuch aus Wolken, lieblich festgesteckt am Blumenkranz, der ihre schlichte Frisur schmückte.
Wie Madeline diese Braut beneidete. Sie selbst war nicht annähernd so schön, geschweige denn anmutig. Madelines Beine waren oft angeschwollen vom vielen Stehen, ihre Hände rau und trocken von dem vielen Wasser und den Putzmitteln, mit denen sie bei der Arbeit in Berührung kam, und auch ihr Gesicht war nicht so feingliedrig und wohlgeformt. Ihre Lippen waren im Laufe der Zeit schmal geworden, ihre Züge waren gezeichnet von der harten Realität, und mit einer perfekten Figur konnte Madeline erst recht nicht aufwarten.
Ihr Blick fiel auf den Bräutigam. Wie gespannt er wirkte! Als ob er es nicht erwarten könnte, bis seine Frau endlich ihren Schriftzug in das Buch gesetzt hatte und er sie dann endlich als seine ihm rechtmässig Angetraute in die Arme schliessen kann… Und wie stattlich er doch war. Madeline konnte sich vorstellen, dass er Jurist oder sonst etwas wahnsinnig Wichtiges war, vielleicht bekleidete er ein hohes Amt in der Fabrik seines Vaters? Denn sein Vater hatte sicher eine Fabrik und war unglaublich reich, und seine Mutter leitete bestimmt mit sicherer Hand einen grossen Haushalt mit vielen Angestellten. Bestimmt hatten alle Leute auf diesem Bild ein Leben ohne Sorgen, ein Leben wie aus einem Märchen. Bestimmt hatte der Bräutigam nicht hart arbeiten müssen für den schmalen Goldring, der den Finger seiner Frau schmückte.
Alain hatte hart gearbeitet für den Ring, obwohl es nur ein schlichtes Modell aus Gold war. Für eine Gravur hatte es nicht gereicht. Madeline betrachtete den Ring voller Zärtlichkeit. Er bedeutete ihr sehr viel, auch wenn er nicht wahnsinnig wertvoll war. Zu gut erinnerte sie sich an den Tag, an dem Alain ihr den Antrag gemacht hatte. Es war, so musste Madeline sich eingestehen, nicht ganz so romantisch gewesen, wie sie es sich in ihren Träumen immer vorgestellt hatte.

Es war an einem gewöhnlichen Abend gewesen, Madeline hatte gerade das Essen auf den Tisch gestellt, als Alain, noch immer in seiner Arbeiterkluft, ihr den Ring entgegenhielt und sie ohne Poesie und Romantik ziemlich unbeholfen fragte, ob sie ihn wohl heiraten wolle. Und in dem Moment, als Madeline Ja sagte, wurde ihr klarer denn je, dass ihre Hochzeit niemals so sein würde, wie sie es sich immer ausgemalt hatte. Sie würden zum Standesamt gehen, weder in einer Kutsche noch in einer Limousine, nur mit zwei Trauzeugen, sich dort das Jawort geben, ohne Glockengeläute, Rosenblätterteppich und weissen Tauben. Und Madeline wusste, dass sie nicht Prinzessin für einen Tag sein würde, wie sie es sich immer vorgestellt hatte. Sie würde nicht so atemberaubend schön sein wie die Braut auf der Postkarte. Sie würde auch kein Mädchen haben, das ihr den Brautstrauss hielt, und keine Eltern, Verwandte und Freunde würden im Hintergrund tuscheln und applaudieren, wenn sie die Ringe getauscht haben.

Madeline fuhr mit einem Finger sanft den Umrissen der Frau auf der Karte nach. Sie hatte sich die Karte vor langer Zeit schon gekauft, und sich immer, wenn sie sie hervorgenommen hatte, vorgestellt, dass ihre eigene Hochzeit einmal auch so sein würde. Doch nun…
Alle ihre Träume waren im Laufe der Zeit immer mehr in sich zusammengefallen, zuerst, als sie die Schule aufgeben musste, dann, als sie ihren schlecht bezahlten Job als Putzfrau annahm, als sie von Zuhause mit Alain in die Siedlung zog und schlussendlich, als er, der Bauarbeiter, ihr den Antrag gemacht hatte. Und sie hatte tatenlos dabei zugesehen, hatte es einfach geschehen lassen. Ein letzter Appell an ihren grossen Traum war das Kleid gewesen, das sie sich gekauft hatte. Der Schnitt war einfach, es war nicht reich verziert mit Stickereien oder aufgenähten Perlen, und der Stoff war weder Brüsseler Spitze noch Seide, Taft oder Atlas. Und doch, es war Madelines Hochzeitskleid. Schlicht wie ihr ganzes Leben, es passte ihr und schmeichelte ihrer Figur. Und immer, wenn Madeline es wie jetzt betrachtete, erinnerte sie der weisse Stoff an frisch gefallenen Schnee, an die weichen Wolkengebilde himmelblauer Sommertage, an die Schaumkronen, die auf den Wellen des Ozeans tanzen... Doch – was war das? Am Ausschnitt des Kleides war ein hässlicher brauner Fleck. Madeline fühlte augenblicklich, wie Panik in ihr hochstieg. Wie war der Fleck dort hingekommen? War es Make-up? Dreck? Schokolade? Verzweifelt versuchte sie, mit dem Fingernagel den Fleck wegzukratzen. Es half nichts, und auch mit Wasser und Seife war er nicht wegzukriegen. Bittere Tränen füllten Madelines Augen und flossen zuerst langsam, dann aber immer schneller und unaufhaltsam über ihre Wangen. Ihr Kleid, ihr schönes Brautkleid war ruiniert! Sie hatte all ihre Ersparnisse dafür ausgegeben, um sich wenigstens ein wenig als Prinzessin zu fühlen, aber jetzt…
Mit tränenverschleiertem Blick schaute sie wieder die Karte an. Nichts würde so sein wie dort. Diese Szene war nur eine hohle Illusion, ein längst zerstörter Traum, eine schmerzliche Phantasie. Madeline konnte die Braut nicht mehr ansehen, jedes Detail schmerzte und quälte sie. Wie in Trance zerriss sie die Karte in der Mitte. Es gab ein hässliches Geräusch, Madeline fühlte sich, als würde ihr die Seele aus dem Körper gerissen. Noch einmal zerriss sie die Hälften, dann wieder und wieder und wieder, bis nur noch kleine Fetzchen übrigblieben. Erschöpft und zitternd sackte Madeline auf das Bett. Sie hatte nicht mehr die Kraft zum Weinen, ihre Tränen waren versiegt, vom Schmerz erstickt.
Sie würde vor den Altar treten mit ihrem ruinierten Brautkleid, mit ihrem Bauarbeiter-Alain, mit ihrem beschissenen Putzfrauenjob und ihrer hässlichen Wohnung, und all das war so unperfekt und überhaupt nicht so, wie sie es sich immer erträumt hatte.
Ermattet schlang sie die Arme um den Oberkörper und schloss die Augen. Sie wollte nicht mehr.
Eine kalte Windbö fuhr durchs Fenster herein, erfasste die auf dem Bett verstreuten Fitzelchen der Karte und wirbelte sie herum. Madeline bemerkte es nicht. Sie hörte auch nicht mehr, als sich die Wohnungstür öffnete und Alain nach Hause kam.

 

Okay... Bin ja mal gespannt, wie die Geschichte ankommt... Und ich sollte vielleicht noch sagen, dass der Text ursprünglich zu einem Bild geschrieben wurde (die erwähnte Postkarte). Leider fand ich sie bisher noch nirgends im Internet und einen Link anzugeben, werd mich aber weiterhin bemühen... :)

*Sissi*

 

Liebe Sissi!

Die Gegenüberstellung von Arm und Reich ist Dir gut gelungen. Was ich aber ein bisschen vermisse in Deiner Geschichte, ist die Liebe selbst. Madelines Gedanken drehen sich eigentlich nur um materielle Dinge. Irgendwie dachte ich die ganze Zeit, daß sie wohl am Schluß draufkommen würde, daß all das unwichtig ist, wenn die Liebe stimmt. Einen Ansatz dazu hast Du an der Stelle mit den Ringen, wo ihr bewußt wird, daß Alain für die Ringe hart gearbeitet hat, im Gegensatz zu dem reichen Heini, aber irgendwie blieb mehr davon aus. Sie ist nur frustriert, und das finde ich ein bisschen schade. Denn so bleibt eigentlich nur eine Anklage übrig, wie hart sie es haben und was sie sich alles nicht leisten können.

Ich würde hier den Schluß ausdehnen. Zum Beispiel könnte Alain sie wecken, erkennen, daß es ihr nicht gut geht, und sie in die Arme nehmen. Dann könnte sie vielleicht doch endlich die Liebe spüren, und mit der Energie, die ihr das gibt, könnte sie eine Borte für das Kleid kaufen gehen (kostet nicht viel) und über den Ausschnitt, auf dem sich der Fleck befindet, nähen. Dann ist es sicher das schönste Hochzeitskleid überhaupt…

So, dann spazier ich noch schnell mit dem Seziermesser durch Deine Geschichte…;)

»Die blasse Vorfrühlingssonne verschwand in dem Moment hinter den Dächern der Stadt, als Madeline die Wohnungstüre aufschloss. Mit einem Knarren schwang sie auf, und Madeline trat ein.«
– müßte theoretisch heißen »schwang sie sie auf«, oder? Mein Vorschlag wäre: »hinter den Dächern der Stadt, als sie die Wohnungstüre aufschloss. Mit einem Knarren schwang Madeline sie auf und trat ein.«

»Zigarettengeruch schlug ihr entgegen, ebenso der Gestank von Bratenfett, gemischt mit der aufdringlichen Duftnote eines Raumdufts.«
– Wenn Du statt »Zigarettengeruch« »kalter Rauch« schreibst, hast Du den »Geruch« noch übrig, um nicht zweimal »Duft« zu verwenden, z.B. »gemischt mit dem aufdringlichen Geruch eines Raumdufts.« Obwohl, eigentlich würd ich »Raumdeo« oder so schreiben. ;)

»Es war kein schönes Quartier, in dem Madeline lebte. Graue, hässliche Wohnblöcke ragten in den nicht minder grauen, wolkenverhangenen Himmel, innert kürzester Zeit hingestellt, um für die stetig wachsende Bevölkerung Wohnräume zu schaffen.«
– Bei »Quartier« denk ich irgendwie eher an die Wohnung, dann sprichst Du aber von Wohnblöcken, Vorschlag: Es war keine schöne Siedlung, in der Madeline lebte.
– »Grau« würd ich nicht wiederholen, sondern den Himmel zum Beispiel als finster beschreiben: Graue, hässliche Wohnblöcke ragten in den finsteren, wolkenverhangenen Himmel

»‚Jardin Paradis’, was soviel heissen mochte wie ‚Der Garten Eden’.«
– würde das »Der« weglassen: ‚Garten Eden’

»wenn sie an dem ehemals schönen, metallenen, nunmehr aber besprayten und verbeulten Schild vorbei ging«
– »metallenen« würd ich ins Schild einbauen: Metallschild (es war ja auch nicht nur ehemals aus Metall ;))

»einige wenige Schneeglöcklein«
– würde entweder »einige« oder »weniger« streichen, da es dasselbe aussagt

»Die Wände waren dermassen dünn, dass alles aus der Nachbarwohnung, Geschrei, Gestöhne, Klospülung und Dusche.«
– hier fehlt was

»Und dann, wenn sie abends heimkam,«
– »Und dann« gefällt mir irgendwie nicht so, würde entweder nur eins der beiden Wörter verwenden (»Und wenn sie …« oder »Dann, wenn sie …), oder das »dann« hinter das »sie«: Wenn sie dann abends heim kam, …

»und darauf warten, bis ihr Alain nach Hause kam.«
– entweder »darauf warten, dass …«, oder »darauf« streichen: »und (so lange) warten, bis …«

»Seit fünf Jahren schon waren sie zusammen, und nun wollten sie heiraten.«
– »zusammen« klingt, find ich, nicht so toll, warum nicht »Seit fünf Jahren liebten sie sich schon« oder »…waren sie ein Paar«

»wie ihre Hochzeit dann sein würde,«
– »dann« würd ich streichen, eventuell durch »eines Tages« oder so ersetzen

»dass es für eine grosse, pompöse und festliche Feier nicht reichen würde.«
– »große und pompöse Feier« würde reichen, »festlich« sollte eine Feier ja sowieso sein ;)

»Alain war Bauarbeiter, sie Putzfrau, und ihre Gehälter reichten gerade mal so eben zum Überleben.«
– weiß nicht, ob das bei Euch auch unterschieden wird, bei uns bekommen Arbeiter Löhne, Angestellte und alle höheren Berufe ein Gehalt, Alain und Madeline würden also Löhne bekommen

»damit sie an diesem Tag für einmal nicht jede Münze zweimal umdrehen mussten und sich endlich auch einmal etwas über ihren Verhältnissen leisten konnten.«
– zweimal »einmal«, außerdem erscheint mir das »für« nach »Tag« nicht ganz richtig, würde beides streichen: damit sie an diesem einen Tag nicht jede Münze zweimal umdrehen mussten

»Vorsichtig nahm Madline es heraus,«
– ein e bei Madeline vergessen

»Zärtlich schaute Madeline sie an.«
– kann man zärtlich schauen?

»Eine Hochzeit war darauf abgebildet; Links im Bild war ein ehrwürdiger Standesbeamte oder Pfarrer, ein junges Mädchen, das den Brautstrauss hielt, ein tuschelndes Ehepaar – die Eltern der Braut? - , im Hintergrund«
– nach dem Strichpunkt klein weiter: abgebildet; links
– ein ehrwürdiger Standesbeamter
– keine Leertaste zwischen Gedankenstrich und Beistrich: Braut? –, im (außerdem hast Du einmal einen langen, einmal einen kurzen Gedankenstrich)

»erschien es ihr, als ob sie ein ätherisches Wesen sehen würde, ein Engel, eine Feenprinzessin.«
– Vorschlag: als sähe sie ein ätherisches Wesen
– einen Engel

»Ihre ganze Gestalt schien von einer Aura aus etwas Lieblichem, Schönem und Zarten zu sein,«
– Zartem
– warum nicht »schien eine einzige Aura aus … zu sein«?

»Wie anmutig sie den Federkiel hielt! Wie anmutig sie über das Buch gebeugt war! Wie anmutig sie wohl die Seidenhandschuhe von ihren Händen gestreift haben musste, um unterschreiben zu können! Wie anmutig… Alles an dieser Frau erschien Madeline anmutig, elegant, zauberhaft und wunderschön.«
– die vielen »anmutig« haben mich ein bisschen gestört, Vorschlag: »Wie anmutig sie den Federkiel hielt! Wie elegant sie über das Buch gebeugt war! Wie elegant sie wohl die Seidenhandschuhe …, um unterschreiben zu können! Wie schön… Alles an dieser Frau fand Madeline zauberhaft.«

»Die langen, schmalen Finger, und die Fingernägel«
– keinen Beistrich nach »Finger«

»und er sie dann endlich als seine ihm rechtmässig Angetraute in seine Arme schliessen kann…«
– würde das zweite »seine« durch »die« ersetzen: in die Arme schließen

»wurde ihr klarer denn je bewusst,«
– das »bewusst« hinten stört: »wurde ihr klarer denn je« oder »wurde ihr bewusster denn je«

»Und Madleine wusste, dass sie nicht Prinzessin für einen Tag sein würde«
– Madeline

»zuerst, als sie aus der Schule fiel,«
– »aus der Schule fiel« ist nicht die schönste Formulierung…;) Vorschlag: als sie die Schule aufgeben musste

»Und doch, es war Madelines Hochzeitskleid, schlicht wie ihr ganzes Leben, …«
– würde nach »doch« einen Doppelpunkt und nach »Hochzeitskleid« einen Punkt machen, dann wirkt es irgendwie mehr

»an die weichen Wolkengebilde an himmelblauen Sommertagen, an die Schaumkronen,«
– fände besser »an die weichen Wolkengebilde himmelblauer Sommertage«

»Es gab ein hässliches Geräusch, Madeline fühlte sich, als ob ihr die Seele aus dem Körper gerissen worden wäre.«
– würde nach »Geräusch« einen Punkt machen
– Vorschlag: als würde ihr die Seele aus dem Körper gerissen

»Sie hörte auch nicht mehr, als sich die Wohnungstür öffnete und Alain nach Hause kam.«
– dieses »mehr« klingt, als hätte sie sich umgebracht – hat sie aber nicht, wenn ich die Geschichte richtig verstehe, würde daher schreiben: Sie hörte auch nicht, wie sich die Wohnungstür …


Alles Liebe,
Susi :)

 

Wow... Dankeschön für diese ausführlichen Korrekturen! Ich werde einige davon dankbar einfügen.
Noch zu einigen Dingen, die du gesagt hast (ich weiss jetzt nicht, ob das hier so üblich ist, dass der Autor seine Hintergrundgedanken mitteilt; ich tus einfach mal):
- das mit der Liebe: ich war mir beim Schreiben eben nicht so sicher, ob sie ihn überhaupt oder wenn, wie stark liebt. (Ich weiss, dass das keine Ausrede ist, aber es war eben ein Schulaufsatz, für den wir 1.5h Zeit hatten, und ich wollte mal schauen, wie er unüberarbeitet rüberkommt, mal so als Experiment - werde ihn jetzt aber selbstverständlich bearbeiten und hoffentlich finde ich dann eine Lösung.)
- Die 'anmutig' habe ich absichtlich so gehäuft. Irgendwie erschien es mir passend.
- Und der Schluss... eigentlich hatte ich eben die Absicht, dass es ein offener Schluss sein sollte.... der Leser sollte also selber für sich entscheiden, was passiert ist...
- 'Quartier' bedeutet eben im Schweizerdeutsch 'Siedlung' und dieses Wort war mir nicht so geläufig... verstehe jetzt aber was du damit meinst und werde es ändern, da die Mehrheit der Leser ja wohl doch Deutsche sein werden... :-)
So, und jetzt werde ich mich mal ans Bearbeiten machen... :-)
Nochmals vielen lieben Dank!

*Sissi*

 

Hallo?! :( Warum antwortet denn niemand? Ist die Geschichte sooo schlecht? :confused:

 

Hallo Sissi!

Ich muss Susi recht geben: Deine Prot ist nicht sympathisch genug, um den Leser voll für sich und die Geschichte einzunehmen. An sich ist die Idee, einen zerplatzten Traum anhand einer romantischen Postkarte darzustellen, recht schön, aber man kann es nicht genug nachempfinden. Madeline lässt sich zu sehr hängen, sie kämpft nicht, und obwohl das im normalen Leben oft genug der Fall ist, ist man als Leser mit solchen Figuren in Geschichten unzufrieden. Zum Beispiel ist Putzfrau sicher ein harter Job, aber auch Putzfrauen haben mal Urlaub und dann auch Zeit und Kraft, die Wohnung mit ein paar Kleinigkeiten nett herzurichten, und Alain ist ja auch noch da.
Fast möchte ich Alain zurufen: Heirate die Tussi nicht, du bist ihr als Bauarbeiter nicht gut genug, sie wird dir ewig vorwerfen, an deiner Seite ein armseliges Leben zu führen!

Als gelernter Bauarbeiter ist man übrigens zwar sicher kein Rockefeller, aber auch kein armer Schlucker, erst recht nicht, wenn man keine Familie versorgen muss, sondern nur mit einer Frau zusammenlebt, die auch ein bisschen was verdient. Wenn du willst, dass die zwei so arm sind, lass Alain Hilfsarbeiter sein, das wäre realistischer.

Jedenfalls reichen die Umstände nicht aus, um den zerplatzten Traum realistisch wirken zu lassen. Klar kann eine junge Frau von einer rauschenden Hochzeit träumen, einem schillernden Leben, aber entweder sie beschließt, darum zu kämpfen (Kurs in der Abendschule für besseren Job etc.), oder es fällt ihr, wie Susi vorschlug, ein, dass es noch anderes und Wichtigeres gibt, oder du verpasst deinem armen Pärchen einen echten Schicksalsschlag (sie plant, die Wohnung hübscher einzurichten, hat sich auf eine Hochzeit in Weiß gefreut, die ihren Postkartentraum ein bisschen erfüllen wird, da hat er einen Unfall und ist querschnittsgelähmt - oder irgendwie so).

Noch ein paar Kleinigkeiten:

„Mit einem Knarren schwang Madeline sie auf ...“

So, wie es formuliert ist, knarrt nicht die Tür, sondern Madeline.


„Graue, hässliche Wohnblöcke ragten in den finsteren, wolkenverhangenen Himmel,...“

Wenn vorhin gerade die blasse Frühlingssonne hinter den Dächern verschwand, kann der Himmel nicht finster und wolkenverhangen sein.


„Die Wände waren dermassen dünn, dass alles aus der Nachbarwohnung, Geschrei, Gestöhne, Klospülung und Dusche hörte.“

Da fehlt ein „man“ hinter dem „dass“.


„In den kümmerlichen, von Hunden zerwühlten Vorgärten knospten nur zaghaft einige wenige Schneeglöcklein, durchstiessen schüchtern die braune, matschige Schneedecke, nichts war zu sehen von der blühenden, immergrünen Pracht, von der in der Bibel erzählt wurde.“

Bezogen auf die Jahreszeit - Schneeglöckchen blühen im Februar - ist es auch ein bisschen viel verlangt, eine immergrüne Pracht zu erwarten ... ;-) - darum würde ich noch erwähnen, dass selbst im Sommer nichts von einem Paradies zu merken ist.

„...es hätte praktisch nur einem schönen Bild, einem Blumenstrauss und einer bequemen Couch bedurft, die Zimmer anheimelnd und gemütlich zu machen ...“

Genitiv: „Eines schönen Bildes ... eines Blumenstraußes ...“


„ ... und keine Eltern, Verwandte und Freunde würden im Hintergrund tuscheln und applaudieren, wenn sie die Ringe getauscht haben...“

Wieso nicht? Was ist falsch an dem Pärchen, dass sie keine Verwandten und noch nicht mal Freunde haben?


„Madeline fuhr mit einem Finger sanft den Umrissen der Frau auf der Karte nach.“

„ ... die Umrisse“

Gefallen haben mir an deiner Geschichte die Beschreibungen. Man sieht alles deutlich vor sich, du sprichst alle Sinne an.

Viele Grüße
Pischa

 

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