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Prinzessin
Zaghaft hielt die kleine Prinzessin das Blatt Papier in den Händen. Es war leer, nur einzelne Tropfen ihrer salzigen Tränen verzauberten die Leere.
Ihre Augen waren rot, ihr Blick gesenkt und traurig.
Ein Windhauch strich durchs offene Fenster durch Ihr Haar.
Gänsehaut bildete sich auf ihrem Nacken.
Behutsam faltete sie das Blatt Papier in ihren Händen und stand langsam auf.
Vorsichtig betrachtete Sie sich in dem großen Spiegel, der an der gegenüberliegenden Wand aufgestellt war, als hätte sie Angst der Anblick könnte sie erschrecken.
Sie war traumhaft schön, ihr weisses Kleid lag wie verzauberter Schnee an ihrem Körper an, ihre alabasta-farbende Haut leuchtete wie pure Magie.
Ihr Blick war wie ein Ozean. Dunkel offenbarten ihre Augen die tiefe See ihrer Sehnsucht.
Sie war schön, sie war perfekt. Und dennoch strafte sie jeder Gedanke daran mit einem stechenden Schmerz der Einsamkeit, hatte sie doch niemanden mit dem sie ihr Glück teilen konnte.
Mit dem gefalteten Stück Papier ging sie zum offenen Fenster. Sie öffnete ihre Hände und beobachtete wie der Wind es wie eine Feder in die Luft beförderte.
Jeden Tag wieder hoffte sie, dass ihr Brief gefunden würde.
Sie schaute zur Tür, sie war offen.
Sie schaute zum Fenster, es war offen.
Sie schaute in den Spiegel. Selbst der kleinste Schutzwall war gebrochen, sie war bereit eingenommen zu werden.
Doch es wollte niemand kommen.
Das Blatt Papier segelte stundenlang durch die Luft. Immer wieder wurde es umher gewirbelt, bis es endlich seinen bestimmten Platz erreichte.
Die Hände zitterten, als sie den Brief auseinander falteten. Vorsichtig strichen sie über das Blatt und spürten die Salzkörner der verblichenen Tränen.
Ein Lächeln bildete sich im Gesicht des jungen Bauernmädchen. Eine warme Explosion der Freude erfüllte ihren Brustkorb.
Noch nie hatte Sie einen so schönen Brief bekommen.