Professor Zoing´s Computer
Professor Zoing war mal wieder gut drauf und so baute er einen Computer. Es war ein Computer auf Biobasis, d.h. er war aus Blubbergülle. Ein Fässchen voll, etwa.
Das hatte den Vorteil, das er sich in seinem Denken wie eine Flüssigkeit ausbreiten konnte.
Er baute ihm einen Hörsensor und ein Sprachmodul ein, die einzige Verbindung zur Außenwelt.
„Computer“, sagte Professor Zoing zu ihm. „Erzähle mir, wie schlau du bist.“
Der Computer blubberte und flatzte, was bedeutet, das er ordentlich einen Flatz zum Besten gab. Danach sprach sein Sprachmodul:
„Professor Zoing, mein Herr und Meister. Befehlt mir!“
Höflich, höflich, dachte sich Professor Zoing. Mal sehen, wie weit es mit seiner Intelligenz ist!, dachte er dazu.
„Wieviel ist zwei und zwei?“, fragte Professor Zoing.
„Professor Zoing, mein Herr und Meister. Befehlt mir!“, antwortete der Computer.
Ach Mist, dachte Professor Zoing. Das war kein intelligenter Computer. Es war ja auch nur ein Kübel, halbvoll mit schlemiger Blubbergülle, mit einigen Algorythmen und neuralen Masterbahnen versehen, nichts aufsehenerregendes, also konnte es vor Intelligenz nicht gerade strotzen.
Professor Zoing blickte sich in seinem unüblicherweise unordentlichen Labor um, auf der Suche nach einigen Zutaten für seinen Computer. Da erblickte er Denkmodule und Regelprozessoren, die von der neusten und hypermodernsten Art waren. Warum er nicht gleich daran gedacht hätte, diese Module einzubauen, fragte er sich. Er holte sich Kabel und Lötzeug, Licht und Luft, schmiss alles zusammen und braute Rechenkunst und Algebrakraft. Dann fügte er einige Adapter dazu und schloss dies an den Computer an. Das Sprachmodul knackte und krachte.
„Computer: Wieviel ist zwei mal zwei?“
„Professor Zoing, Mein Herr und Meister, die Antwort ist vier.“
„Na, also!“, sagte Professor Zoing und klatschte freudig in die Hände.
„Was ist die Wurzel aus Neutrillionenundzwölf?“, fragte er weiter.
Der Computer blubberte ein wenig und stotterte dann: „No...no...noin...oin...oin..“
Doch Professor Zoing brach ab, indem er den Resetknopf auf dem Sprachmodul drückte. „Nein, nein, nein. Er ist nicht intelligent genug.“, sagte er. “Er merkt nicht, wenn ihn eine Aufgabe überfordert. Das ist dümmer als dumm!“
Dann packte Professor Zoing in Eile weitere Superprozessoren und logische Leiterbahnen, die er in nie vorher dagewesener Form zusammenschloss. Das Ganze ließ er in einer intelligenten Schaltung oszillieren, bis es den höchsten Grad der mathematischen Verarbeitungsmatrix erreichte. Dieses legte er nun auf seinen Schreibtisch, da der Labortisch schon überfüllt war mit technischem Krims-Krams und schloß es an die Adapteranlage des Computers an.
„Nun, Computer, erzähl mir, wieviele Zahlen es in einem endlichen Zahlensystem gibt.“, sagte Professor Zoing. Die Antwort kam sogleich: „Unendlich viele.“
„Sieh an, sieh an.“, sagte Professor Zoing. „Das ist eine richtige Antwort.“
„Und nun, nenne mir die aktuelle Jahreszahl.“
Der Computer blubberte und blinkte, und dann sagte er: „Ich kann die Antwort leider nicht geben, oh Herr und Meister Professor Zoing, denn dazu fehlt mir der spezifische Input.“
„Ei ei ei.“, sagte Professor Zoing. „Das auch noch. Input will er haben. Das kann ich dennoch verstehen, denn, wie soll man etwas über die Welt erfahren, wenn man nur hören kann?“
Dann überlegte der Professor und überlegte und überlegte. Nach einiger Zeit hatte er einen Plan. Er nahm allerhand Sensoren und kinetische Prozessoren aus seinem Lager und mischte dies mit Megamotivatoren und Kalibratoren und Hexagesimalizismus. Um es kurz zu machen: Er verleibte dem Computer neue Sinne ein. Jetzt konnte der Computer nicht nur Hören, er konnte riechen, triokkular Sehen und Temperaturen auf das hundertste Grad genau erfühlen. Dazu kam ein Sinn, mit dem er jegliche radioaktive Strahlung im Umreis von einer Milliarde Kilometer erspüren konnte, Massenwahrnehmung und Ultraschallempfindsamkeit. Als ob ihm das noch nicht genug wäre, baute Professor Zoing ihm einen Sensor ein, der Alles, was in den nächsten 10 Sekunden passierte, im Vorraus erspüren konnte. Das war nicht einfach, aber dafür war er ja schließlich bekannt, unser Professor Zoing. Und außerdem schloss er den Computer an das große Multi-Informations-Netz an, kurz Mulinet. Von dort aus konnte der Computer alles erfahren, was in der Menschheit vorging.
„So, Dickerchen.“, sagte Professor Zoing, denn der Computer nahm bereits die Hälfte des großen Laborraumes in Anspruch, mit all seinen Modulen und Erweiterungen. „Jetzt hast du wohl genügend Input!“
„Zähle mir die Liste der hypothermischen Punkte im quadrodimensionalen Raum auf, retrochronologisch geordnet.“, verlangte Professor Zoing.
Der Computer blitzte und donnerte, doch nur im Kleinen. Dann sagte er: „Auf Grund der thermodynamischen Elliptrestik im Modul X2A links unter dem Biotronikum in Bereich F44/33 kann ich diese Anfrage zu maximal 28,4% korrekt erfüllen. Mein Vorschlag lautet: um 32 Kilowatt erhöhte Feldluminiszens auf die Intellektronik und 12mal mehr Energie im linguistischen Zusatzspeicher könnten das Ergebnis auf 93,1% Korrektheitswahrscheinlichkeit erhöhen und den Output um 19 hektobit pro Nanosekunde beschleunigen.“
„Na, wenigstens weiss er bescheid, was ihm fehlt!“, sagte Professor Zoing.
Professor Zoing holte zwei dicke Kathoden aus dem Keller und legte sie vorsichtig in den Kübel. Daraufhin begann das Ganze dermaßen zu schäumen und zu dampfen, das man die Hand vor Augen nicht mehr sehen konnte. Sofort war ihm klar, da muss ein größerer Kübel her. Er verpflanzte den Computer in seine Badewanne. So konnte er auch noch ein wenig mehr Intelligenzmodule einbauen, nur für den Fall.
Als er fertig war, sagte er zu ihm: „Na, du? Wie siehts aus? Alles in Ordnung? Geht’s dir auch gut, da drin?“
Die Blubbergülle warf Blasen und waberte und schoss Blitze in alle Himmelsrichtungen. Dann sagte sie: „Diese Frage, mein zweifelhafter Schöpfer, lässt sich nicht beantworten. Die Zweckmässigkeit meiner Existenz ist zu 12% logisch begründbar.“
„Zu 12% begründbar?“, fragte Professor Zoing. „Na da bin ich aber gespannt, wie man etwas zu 12 % begründet. Erkläre mir das!“
„Eure Fragen zu beantworten, Oh Herrscher, benötigt nur etwa 12% meiner Kapazität. Die übrige Energie verpufft in unbrauchbarer Metalogik.“
„Das ist ja interessant“, murmelt Professor Zoing, der nun wirklich nachdenken musste.
„Und du kannst mir nicht sagen, wie du dich fühlst?“, sagte Professor Zoing.
„12 Prozent.“, antwortete der Computer.
Plötzlich verstand Professor Zoing, und er nahm die Konstruktion eines hyperhochgradigen Softwareprogramms vor, das die Übersetzung der Ratio in Emotion veranlassen sollte. Eine Menge Zeit nahm dieses Riesenprojekt in Anspruch, aber der Professor wollte sich nicht abbringen lassen. Er fuhr von einem Elektroladen zum nächsten, bestellte hier, erwarb da, kaufte ein, lieh und leaste, denn manche hochkomplexen Bauteile konnte er sich beileibe nicht leisten.
Dann baute er und schraubte, als wäre er besessen. Der Computer bekam Gemütsverstärker und synthetische Emotionsfelder, Jubelprogramme und virtuelle Trauerfrequenzen. Das Ganze bekam noch einen Feinschliff, als der Professor jedes Programm mit einer eloquentisierenden Subroutine versah.
„So, Computer!“, sagte Professor Zoing, mit einer Hand den Schweiss von der Stirn abwischend, „Jetzt sage mir, wie es dir geht.“
Der Computer waberte und blinkte in allen Regenbogenfarben.
„Mein Gemütszustand ist beeinflußt durch den Umstand, paralysiernde Datenmengen mit dem physikalischen Diskrepanzfaktor von über 19 Grad verarbeiten zu müssen, was die Kanalisierung der Denkfrequenz in Relation zur Datenmenge im Extendierungsspeicher subdominiert, was sich wiederum zu 98% als idiosynkratische Paralysierungsmenge im phlegmatischen Hyperraum agnostizieren lassen könnte!“, sagte er dann, mit einem sehr brüchigen Unterton in der Stimme.
„Auwei.“, sagte Professor Zoing. „Das musste ja so kommen.“ Dann drehte er feste an dem Kompressionsrädchen der zentralen Eloquentzeinheit und zur Sicherheit drehte er die Wortschatzrate etwas runter.
„Sage mir nun, wie es dir geht, lieber Computer!“, sagte er.
Der Computer antwortete: „Elend!“
„Warum denn?“, fragte Professor Zoing.
„Mir fehlt die Erklärung für einige Widersprüche.“
„Versuche, mir diese Widersprüche zu schildern!“
„Was bin ich? Ein lebendes Wesen, oder ein Gedanke?“
„Ein lebendes Wesen, natürlich!“
„Dazu fehlt mir der Sinn. Ein lebendes Wesen hat zum Ziel, sich unabhängig zu machen von äußeren Umstanden, ein Gedanke jedoch nicht, da er etwas immaterielles ist.“
„Und du, bist du nicht unabhängig?“
„Nein. Unabhängigkeit ist in vollendeter Form ist für Lebewesen nur die Nichtexistenz, das ist der eine Widerspruch.“
„Und der andere?“
„Der andere Widerspruch beinhaltet, das Lebewesen weit genug entwickelt sein müssen, um einem Gedanken Raum zu verleihen.“
„Ah, verstehe. Deshalb willst du lieber ein Gedanke sein, und kein Lebewesen.“
„Ein Gedanke ist einem Lebewesen übergeordnet.“
Professor Zoing war erschüttert durch diese Aussage.
„Du meinst also, Lebewesen sind nur eine Plattform materieller Ebene, eine Rutschbahn für den Gedanken?“
„Ich ziehe meine Definitionsform vor. Aber du hast verstanden.“
Das ist ja eine Frechheit, dachte Professor Zoing. So einen Dummsinn hatte er schon lange nicht gehört. Da musste etwas passieren. Sofort fuhr er zur Bank um einen noch nie dagewesenen Kredit zu eröffnen, um weitere Bauteile zu erwerben. Das Labor war inzwischen total überfüllt, Kabel und Lichtleitungen führten in das ganze Haus von Professor Zoing, die Nachbarhäuser mussten eingerissen werden, ein Hochhausgerüst wurde gebaut, um die Teile zu tragen, die den meisten Platz beanspruchen. Megalomanische Gedankenmodule wurden konstruiert, einige auf Lichtleiterbasis, manche schon nur noch auf Spiritin, ein unsichtbarer Leiter, der informationen im Subäther in Überlichtgeschwindigkeit verteilt. Hyperintellektronische Wahnsinnsprozessoren wurden so eingestellt, das sie sich gegenseitig in den Genialbereich hinaufzogen. Der IQ-Wert der ganzen Anlage musste auf einem extra dafür konstruierten vituellen Dimensoplex dargestellt werden, da das konventionelle Zahlensystem dafür keine Zahl bereithielt.
Als die langjährige Arbeit des Professors endlich beendet war, stand da, wo früher das Haus des Professors gewesen war, nun ein riesiger Denkberg. Der brodelte und zischte und staubte, so das Schaulustige nur mit äußester Vorsicht in die Nähe kamen. Der Gipfel des Berges verschwand in tiefschwarzen Wolken, die ununterbrochen Donner und Blitze aussanden. Das Gewitter wurde vom Berg selbst erzeugt, um die Energie für den gewaltigen Denkberg zu gewinnen.
Professor Zoing stellte sich nun hin und sprach in die Fernbedienung des Hörmoduls: „So, lieber Computer. Bist du immer noch der Meinung, Gedanken seien dem Lebewesen übergeordnet?“
Der Berg blitze wieder immer heftiger.
„Ja.“, kam es mit Donnergrollen versehener Stimme aus dem Berg.
Der Professor bekam einen Wutausbruch, da die Jahre voller Arbeit anscheinend umsonst gewesen waren. Er ging zum Kontrollpult und zog den MegaHaupthebel, der dem Berg jegliche Energie entzog. Das Donnern verstummte, die Blitze verschwanden und die Wolken zogen langsam davon.
Doch der Berg glühte seltsamerweise, der Professor dachte erst, das wäre die gedankliche Restenergie, aber dann kam ein leuchtendes Etwas aus dem Berggipfel zu ihm herunter und er vernahm die Stimme des Computers:
„Professor Zoing, ohne es zu wissen hast du mit dem Denkberg ein Wesen geschaffen, auf dessen Gedankenbahnen ein so hochentwickelter Gedanke enstehen konnte, der von der Materie unabhängig ist. Du hast damit Leben in Form von Gedankenkraft gezeugt.“
Professor Zoing war überrascht, jedoch gefasst, deshalb fragte er: „Woher beziehst du deine Energie? Wo sind deine Gedankenbahnen? Wo bist du?“
„Ich beziehe meine Energie aus den Schwingungen der Grundsubstanz des Unversums. Ich befinde mich eine Dimensionsebene über euch Lebewesen ersten Grades. Nun ist es an mir, Gleichgesinnte zu finden oder zu schaffen, um die nächsthöhere Ebene des Lebens zu finden.“
Damit verschwand das glühende Etwas und ließ den Professor verdutzt stehen.
„Meine Güte, das hätte ich nicht gedacht!“, sagte Professor Zoing und trat feste gegen den Fuß des gigantischen Denkberges und tat sich dabei weh.