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Puppengesicht

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12.10.2010
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Puppengesicht

Johann ist ein Mann mittleren Alters. Er geht gerne zur Arbeit und liebt sein Leben. Oft ist er bereits vor seinen Kollegen im Büro. Dann genießt er die Ruhe in dem großen Gebäude, macht sich eine Kanne Ingwertee und sieht aus dem Fenster. Heute Abend soll das Weihnachtsfest stattfinden.

Maren erscheint eine halbe Stunde nach Johann. Sie weiß nie, wie er das macht, so früh im Büro zu sein. Lachend öffnet sie die gemeinsame Bürotür und schmeißt ihre Handtasche auf den Tisch neben ihrem PC. „Wieder eher“, stellt sie fest und entblößt ihre weißen, ebenmäßigen Zähne. „Eines Tages bekommst du noch einen Orden dafür“. Johann lächelt verlegen zurück. Seine grauen schmalen Augen wenden sich wieder der Dunkelheit draußen zu. „Der frühe Vogel fängt den Wurm, Maren.“ „Dann bist du quasi der Wurmkönig unter uns“, stellt sie erheitert fest und geht in die Teeküche, um sich einen stärkenden Kaffee zu bereiten.

Johann mag Maren. Ihre fröhliche Art kommt bei den Kollegen gut an. Er wünschte, er hätte auch diese Macht, Menschen für sich zu gewinnen. Lars, vom Büro nebenan, steckt seinen Kopf durch die halb geöffnete Bürotür. „Heye Mann, ihr kommt doch heute Abend auch, oder?“ „Klar doch“, erwidert Johann freundlich. „Super, dann lerne ich deine Frau ja endlich einmal kennen“, grunzt Lars und verschwindet wieder. Johann wendet sich mit gerunzelten Augenbrauen dem Foto auf seinem Schreibtisch zu. Er weiß nicht, wie er es ihnen sagen soll, dass er auch dieses Mal wieder alleine kommen wird. Das Gesicht auf dem Foto ist schön. Ihr ebenmäßiger Teint und die großen grünen Augen stehen in einem wunderschönen Kontrast zu den dunklen Locken, die das Gesicht umrahmen. Viele seiner Kollegen waren erstaunt, dass Johann mit solch einer Schönheit zusammen sein soll und das schon seit vielen Jahren. „Ein Gesicht, so perfekt, wie bei einer Puppe“, hat Maren einmal gesagt. Johann muss unwillkürlich grinsen, als er daran zurückdenkt. Er spielt gedankenverloren mit dem goldenen Ring an seinem Finger. Das Gebäude füllt sich mit Leben. Lachend, schwatzend oder mürrisch kehren auch die letzten Angestellten ein. Den ganzen Tag über wird von dem bevorstehenden Weihnachtsfest gesprochen. Was soll man anziehen, wird der Chef wieder eine seiner langatmigen Reden halten und wer wird alles kommen? Viele sind gespannt auf Johanns Frau. Man munkelt, dass der schweigsame aber sympathische Mann sogar zum Abteilungsleiter befördert werden wird. Nach dem Mittagessen sagt er es ihnen. Er sagt, dass seine Frau krank geworden ist. Er hat einen Anruf bekommen. „Schade“, sagen die Einen, „War ja klar“, denken die Anderen. Maren schürzt die Unterlippe, als er es ihr sagt. Sie sieht ihn komisch an, sagt aber nichts. Die kleinen Fältchen um ihre Augen vertiefen sich. „Aber es ist alles in Ordnung?“ fragt sie besorgt. „Ja, Maren, vielen Dank. Vielleicht das nächste Mal“, erwidert Johann.

Dann geht er aus dem Gebäude, seinen dunklen Mantel fest umschlingend. Es schneit. Er freut sich auf heute Abend. Als er in die warme Wohnung kommt, ruft er „Ich bin da, Schatz“. Er wird sich vor dem Weihnachtsfest noch ein Stündchen hinlegen. Seine Frau liegt noch im Bett. Schnell schlüpft er in seinen Pyjama und legt sich neben sie. Sie ist ganz kalt. Er wird sie wärmen. Als er sie umdreht sieht er in ihre starren grünen Augen. „Hallo Schatz. Ich habe ihnen gesagt, dass du krank bist, ja?“ sagt er zu ihr bevor er ihre Lippen aus Plastik küsst. Dann streicht er sanft über ihren harten Rücken und spielt leise mit dem vertrauten Schild ihres Herstellers.

 

Hallo,

hab mal ne Doku über das Thema gesehen. Und eigentlich soll ja eine Geschichte Menschen und ihr Innenleben einem nahe bringen, die Doku hat es besser hingekriegt als du, obwohl sie nicht die Möglichkeit hatte Sätze wie "X dachte Y" oder "X fühlte sich heute so Y". Du verstehst.

Du machst es dir einfach, du schreibst um das Thema herum, ja, natürlich ist es tragisch wie die Einsamkeit einen Menschen zu einer Puppe treibt, aber das weiß man ja gar nicht bei deiner Geschchte. Kann ja auch sein, dass er ehm einen Plastik-Fetisch hat? Puppenfetisch, was weiß ich. Du druckst dich so bisschen um die Sache, was ihr eben die Schärfe/Brisanz nimmt.

Am Ende kommt raus, dass seine angebliche Frau eine Puppe ist und der Leser soll schockiert sein, dass ein Mensch mit einer Puppe ins Bett steigt. (?) Denn für Mitleid und Schrecken bleibt die Kg zu distanziert in der Beschreibung.

Schwach. Das gibts und es gibt "Schlimmeres". Schwach, weil du uns diesen Menschen, seine Motivation, seine Gefühle nicht nahe bringst.
So bleibt das eine Geschichte über einen Typen, der seinen Kollegen weiß machen möchte, mit einer Schönheit verheiratet zu sein und eigentlich steigt er mit einer Puppe ins Bett. Ja, und?

JoBlack

 

Hallo JoBlack,
ich kenne diese Doku leider nicht, wurde aber bereits von einer Freundin darüber informiert. Schade, ich dachte der "Stoff" wäre verrückt genug, um einmalig zu sein. Die Motivation des Protagonisten deute ich bereits im ersten Drittel an: Macht. Er wünscht sich, auch diese Macht (wie seine Kollegin)zu besitzen, Menschen so für sich zu gewinnen. Die Entkleidung seines Innenlebens habe ich absichtlich hinter dem Überraschungseffekt zurückgestellt. Nun ja: für Dich unbefriedigend, wie es scheint. Ich werde über diesen Hinweis brüten und ihn in die nächste Geschichte einfließen lassen..

Gruß T.

 

Hallo Tobilinski,

leider muss ich mich da joblack anschließen. Das war in der Form nix. Da bleibt alles zu blass und zu sehr an der Oberfläche. In meinen Augen könnte die idee nur dadurch punkten, dass du hier in die Tiefe gehst. Den einen Satz, dass er gerne das Charisma der Arbeitskollegin hätte, das ist zu dürftig. Wie er sich selbst dabei im Wege steht genau das auszustrahlen, das wäre erzählenswert. Entsprechend klarer käme die Motivation, sich mit einer Puppe in die Isolation zu flüchten. Titel und Erwähnung des Fotos verraten übrigens schon zu viel, alsdass die Pointe noch Durchschlagkraft hätte.

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo Weltenläufer,
lieben Dank. Arbeite an der nächsten Geschichte und will´s dort besser machen.*

T.

 

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