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- 30.08.2003
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Quälerrei
Die Sterne am Himmel leuchteten wie Diamanten. In manchen Häusern der Stadt, auf die ich hinabsah, brannte noch Licht. Es war ein wunderschöner Anblick, der mich kalt ließ. Ich hörte das Rauschen der Blätter und sah die weißen Wölkchen meines Atems in die kalte Nacht hinausfliegen. Es war schon nach Mitternacht und ich hatte noch kein Auge zugetan. Ich saß am speerangelweit geöffneten Fenster, fror und dachte nach.
Warum zwangen sie mich immer dazu, das zu tun, was ich am meisten hasste? War es denn nicht mein Leben? War es denn nicht mein Körper? Warum durfte ich mein Leben denn nicht so führen, wie ich es wollte? Warum sperrten sie mich hier ein?Ich wusste, dass sie meinen Willen brechen wollten. Ich wusste, dass sie dachten, sie würden es bald schaffen. Doch diesen Kampf würde ich gewinnen, koste es was es wolle.
Ich stand auf, es war fast eins, ich wusste, dass alle schliefen. Auf Zehenspitzen schlich ich zur Tür. Ich zählte jeden Schritt, ich wusste genau wo die Dielen knarzten und umging diese verräterischen Fallen. Auch bei nur einem Geräusch, sei es ein kleines Knistern, würden sie mich entdecken und wüssten alles.
Doch das würde nie passieren. Auf dem Flur tastete ich mich an der Wand entlang, Licht schaltete ich nicht ein, das wäre zu riskant. Während ich den Gang entlangtappte, dachte ich über die Anderen nach. Ihr Wille war schon lange gebrochen, sie wehrten sich nicht mehr. Ich war die Einzige, die Widerstand zeigte. Darauf war ich stolz, dafür liebte ich mich.
Ich tastete nach der Türklinke und drückte sie vorsichtig herunter. Hinter mir riegelte ich ab, niemand sollte mich stören.
In dieser geräuschlosen Kulisse tastete ich mit der Hand lächelnd nach meinem Mund und drückte auf den hintersten Punkt meiner Zunge. Mir wurde schlecht und ich brach vor dem Klo zusammen. Als ich mich auf dem Fussboden übergab, wusste ich, dass ich den Kampf endlich gewonnen hatte aber mein Leben verlor.