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Rabenland

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10.07.2019
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Rabenland

Als Vater starb, trainierte ich mein Gleichgewicht. Fuß um Fuß auf der dünnen Schiene. Schaute nicht auf Fuß und Schiene, sondern raus auf die Ebene. Als wollte ich den Horizont vor mir per ausgleichender Kraft erreichen.
Mein Vater arbeitete bei der LAPAL, dem Lapislazuli-Bergwerk. Alle Väter arbeiteten bei der LAPAL. Sie trugen aus den Stollen einen tiefblauen Staub in die heimischen Hütten. Manchmal strich ich über unser Zink-Waschbecken im Badezimmer und sammelte den Staub von meinen Fingern.
Vaters Staub funkelte irgendwie ernster als der helle, kindisch blaue Staub der Abraumhalden. Der Wind verteilte ihn über Haut, Kleidung, Gebäude und Land. Die Arbeiterfamilien trugen hellblaue Kleidung, wegen des Waschens. Jaja, der Wasserpreis. Ich war nicht arm. Ich trug Weiß. Blaues, dreckiges Weiß. Recht hell.

Ein Rabe setzte sich auf das Bergwerk.
Zweimal schlug er mit den Flügeln.
Die Räder des Förderturms standen still.
Aber ich sprang von der Schiene und lief in die Siedlung.

Erst heulten die Sirenen, dann die anderen: Nachbarn und Bewohner, die Arbeiter der Spätschicht, die Leute aus den Blumenläden und vom Lebensmittelmarkt, Vaters Kollegen im Kollegen-Café. Aus dem Lungen-Sanatorium rollten die Blaustaub-Patienten auf die Mitte der Straße, hustend wie immer, was-ist-denn-passiert, ich lief: An den Aluhütten vorbei, je nach Schichterfolg hoch und bunt oder weiß und bungalow-flach. Ich hörte Zinktüren aufschlagen, schnelles Treten von Sandalen im blauen Staub.
Eine kräftige Hand griff mich, zerrte mich zu ihr, ich kniff die Augen zusammen, dachte an Emma, öffnete sie, sah Emma, die Steinwerkerin, unsere Nachbarin:
„Lea. Dein Vater war im Schacht. Der Schacht ist eingestürzt. Du schläfst jetzt bei uns. Und dann schauen wir weiter.“
Ich hatte nicht das Balancieren gelernt.
Ich hatte die Angst vor einem Ereignis gelernt, das jetzt das, was ich sah, aufriss. Mich in den hellblauen Staub schleuderte und in eine atemlose Ohnmacht drückte.

Aus der Ohnmacht aufwachen.
Sich auf- und abrappeln.
Muss ja weitergehen.

Weiterschauen also. Das hieß ein Jahr später: An Orten leben, wo die Gebäude wie Möbel heißen: „Einrichtung“. Ich klappte mein Mathematik-Schulbuch auf, fühlte das Siegel der LAPAL-Opferhilfe im Buchrücken. Ich klappte einen Schuhschrank auf, las den Besitznachweis der LAPAL-Opferhilfe. Mein Bett war normiert und an der Wand festgedübelt, jedes Element sicher verschraubt. Ich durfte die Akten sortieren. Ich erhielt Papier und Schulhefte auf Spendenbasis, neue Kleider der LAPAL. Ich lernte das Opferhilfe-Personal kennen: „Ich bin kein Opfer“, sagte ich ihnen, egal wie alt, woher, welcher Profession, ob Hausmeister oder Arzt oder nette Mutti. „Das ist richtig, dass du dich nicht so fühlst“, antworteten sie freundlich, mit einem Huch-du-armes-Kind und Ich-will-gut-sein in Stimme und Ausdruck. Sie senkten ihren Blick, friedlich die Gesichter. Ein Gesicht wie nach einer guten Mahlzeit. Sie sollten ekliger essen. Fermentierten Fisch. Rohes Fleisch. Rabe. Eine trug versehentlich einen Lapislazuli-Anhänger. Lustig.

Weiterschauen, das hieß aber auch: Nach einem guten, harten, wahren Wort für das Lila suchen, mit dem die Morgensonne die Ebene färbte, frotz, nannte ich das, frotzende Morgendämmerung, wenn ich vom Bett durch das Seitenfenster schaute. Nur den Raben, den sah ich nie.

Und Weiterschauen hieß auch: Mit anderen Bewohnerinnen und Bewohnern der Minderjährigen-Wohneinrichtung im Kreis sitzen. Verpflichtende Gruppentherapie.
Eine Psychologin, dünne Frau aus der Hauptstadt, erklärte ihr Therapiekonzept für die nächste Stunde. Aktives Einbringen. Arbeiten an sich und mit sich. Hoffnungen wecken, aber nicht solche, die nur enttäuschen können.
Also stellte sich die Psychologin aus der Hauptstadt auf und sprach:
„Ich möchte eine sehr, sehr schwierige Aufgabe mit euch machen.
Ihr habt euren Vater verloren.
Ich möchte, dass ihr eurem Vater einen Brief schreibt.
Was ihr eurem Vater sagen wollt. Lasst euch Zeit.“
Sie verteilte die Briefbögen. Ich meldete mich:
„Ja, Lea?“
„Kann ich noch ein zweites Blatt bekommen?“
„Du hast ja noch nicht angefangen?“
„Ich möchte einen Brief an meine Mutter und einen an meinen Vater schreiben. Sie lebten ja getrennt. Recht lange schon.“
Die Psychologin ärgerte sich bestimmt, sie hätte das ja wissen können, aus der Einrichtungsakte. Sie harrte aus, wie ein scheues Tier, das aber bitte reagieren sollte.
„Aber …“, führte ich fort und spürte die Blicke der anderen Bewohnerinnen und Bewohner: „Dieses Blatt wird reichen. Ich werde es einfach in zwei Blätter teilen. Ich habe nicht viel zu schreiben. Vater schuldet mir ein Fahrrad. Und Mutter ist immer herzlich eingeladen in der Einrichtung, wenn das für die LAPAL-Stiftung in Ordnung ist. Aber das wird es bestimmt sein.“ Ich lächelte. Sie lächelte nicht. Sie machte ihren Job ja ganz gut, wenn auch etwas unsicher für eine Psychologin aus der Hauptstadt. Ihr fehlte der Drive, der Mut, aktiv zu hassen, sie mochte das nicht und das war ihr Fehler.

In den Einrichtungen sprachen sie ja nie vom Tod meines Vaters. Sondern über ihn. In eintausendeinhundert Metern Tiefe sei im Schacht drei eine Kalksenke angefahren, ein ehemaliger See aus der Zeit eines geologischen Massensterbens, nur welches, das vergaß ich oft. Das lockere Seesediment habe den Schacht „instabilisiert“. Keine Zeugen, alle tot. Ich formte das Wort nach: In-sta-bi-li-siert, ich deutete ein Silbenklatschen an und sank auf ihr Niveau.
Je nach Zeit und Geschmack bastelte ich Geschichten zusammen, der Kern blieb: Ein leichtes Sterben sei das, in eintausendeinhundert Metern Tiefe. Eine Art Kontaktmetamorphose, die organische Körper einschloss und Vater auf die Größe einer Walnuss schrumpfen ließ, kein Schmerz, kein Leid, ein Zack und aus.

Am ersten Jahrestag des Unglücks weihen ein Priester, ein LAPAL-Direktor, ein Minister und eine andere Frau Vaters Grab ein. Oder Grab-Namens-Feld. Ich mag Unglück nicht; das Gegenteil wäre Glück, sprich die Arbeit im Bergwerk, die Knochen krümmt und Lungen verklebt.
In dem weißen Marmor stehen die Namen der dreiundfünfzig Opfer. Emma, die Steinwerkerin hat sie alle eingemeißelt, nach dem Alphabet, wie denn sonst. Bei Vater dachte sie: Ach je, auch der, und weiter gemeißelt. Ich schätze sie sehr.
Ein Bus bringt uns zur Gedenkstätte. Der Minister und all die anderen stehen vor dem Namen meines Vaters; zur rechten ausgewählte Gäste, die Presse, die Angehörigen und die ehemaligen Bergarbeiter vom Lungen-Sanatorium in ihren Rollstühlen, manche mit einem blauen Röhrchen aus dem Hals. Zur linken die freien Plätze für uns Halbwaisen. Die Menschen schweigen, als wir vortreten, kein Fotogeklicker, niemand hebt das Handy zum Video, die Fernsehkamera auf Off, sie denken uns für lange Zeit als Opfer. Eine Helferin in schwarzem Kostüm verweist uns auf die Plätze.
Ich setze mich ab, auf einen weichen, gestifteten Stuhl, die Stühle stehen enger und sind zu klein für meinen Hintern, meine Schenkel berühren die der anderen jugendlicher Opfer. Schaue zum Gedenkstein: Ich versuche Vaters Vornamen und meinen Nachnamen zu erkennen, der Direktor versperrt die Sicht. Ein leichter Wind weht und facht ein ewiges Feuer in einer Stahlschale an. Plötzlich sehe ich einen kleinen schwarzen Punkt im Himmel, über dem Gedenkstein fünfzig, sechzig Grad Süd, weit zieht er einen Bogen, einen sehr weiten, entfernten Punkt. Ich halte den Atem. Der LAPAL-Direktor tritt vor das Pult, er wischt sich die Lippen ab und schaut auf den Bus, über meinen Kopf hinweg, über alle Köpfe hinweg. Er redet ja. Der Punkt bleibt stehen. Ich fixiere ihn. Der Punkt steht, zieht plötzlich kopfüber zum Boden, freien Fall ins Hellblau.
Guter Tag. Bin zufrieden.

 

Hallo @Peeperkorn :-)

merci fürs ausführliche Kommentieren! Ich wusste nach den ersten Kommentaren nicht so richtig, wie es weitergehen soll. Aber ja, du hast ziemlich exakt das getroffen, was im Text falsch ist. Ich glaube, ich brauche mehr Sicherheit beim Schreiben, mehr Entschlusskraft, dass der Text sich in die Logik trägt. Ich habe mir beim Schreiben keine großen Gedanken gemacht. Auch vor dem Verfassen der Geschichte nicht. Vielleicht ist das der Fehler.

Fuß um Fuß auf der dünnen Schiene, war Profi. Schaute nicht auf Fuß und Schiene, sondern raus auf die Ebene.
Irritierend auch diese Wiederholung. Dann auch noch negiert. Das Bild, das in meinem Kopf entsteht, ist, wie Lea auf Füsse und Schiene blickt. Brauchst du diese Wiederholung, könnte Lea nicht einfach auf die Ebene blicken?
Das habe ich geändert. Stimmt, sie sieht natürlich den Horizont vor sich. Hm, mit der Wiederholung wollte ich auf das Balancieren ansprechen: Ein Anfänger schaut auf die Füße, ein Profi eben nicht.
Sie trugen aus den Stollen einen tiefblauen Staub in die heimischen Hütten.
Das hat mich dazu gebracht, mir Bilder und Videos von Lapislazuli-Minen anzuschauen. Ich sehe da nur grauen Staub. Bestimmt hast du länger recherchiert oder kennst dich eh schon aus. Ist es wirklich plausibel, dass man mit blauem Staub an den Kleidern nach Hause kommt?
Vaters Staub funkelte irgendwie ernster als der helle, kindisch blaue Staub der Abraumhalden.
Und auf den Abraumhalden liegt ebenfalls blauer Staub? Das klingt so, als bestünde das gesamte Gestein aus Lapislazuli. Aber dem ist ja nicht so. Grau, grau, grau und dazwischen ein paar blassblaue Steine. Aber, wie gesagt, ich lasse mich gerne eines Besseren belehren.
Jetzt fühle ich mich fast schon wie ein Relotius oder, ich glaube, ein bisschen wie @Katla, der ich mal die Lichtsignale des Rasenden Rolands als völlig unrealistisch bewertet habe, obwohl sie darüber gar keine Story schreiben wollte. Mir war es gar nicht wichtig, wie eine Lapislazuli-Förderstätte in Wirklichkeit ausschaut. Auch die Siedlung, die Einrichtungen, die Versorgung der Kinder, all das hätte ich in einem realistischeren Setting an der Geographie ausgerichtet, sprich an den Verhältnissen in Chile, in Afghanistan, das kann ich nicht. Klingt wie eine Ausrede, ist es auch. Nein, das ist reiner Effekt im Namen der Challenge :-( Jetzt fühle ich mich wie so ein Lügner. Aber gut, ich erkenne die Unsauberkeit an.
Der Wind verteilte ihn über Haut, Kleidung, Gebäuden und Land
Intuitiv: Gebäude. (Wohin? - Über die Gebäude / Wo? - Über den Gebäuden)
Danke, das habe ich geändert, ebenso den nächsten Satz, stimmt, der Horizont, das habe ich gestrichen.
Die Räder des Förderturms standen still.
Gibt es in Lapislazuli-Minen Fördertürme?
Siehe oben. Eigentlich hängt ein Förderturm ja nicht vom Mineral oder Erz ab, das gefördert wird, sondern von der Tiefe.
Aus der Ohnmacht aufwachen.
Sich auf- und abrappeln.
Muss ja weitergehen.
Fand ich im Vergleich zu der analogen Stelle deutlich weniger eindringlich und mir hat sich nicht ganz erschlossen, weshalb du für diese eher profanen Gedanken dieselbe Form gewählt hast.
Hm, hm, so profan hätte ich die Gedanken gar nicht gewertet. Da steckt ja einiges an Zeit in den Zeilen und Erkenntnis.
antworteten sie freundlich, mit einem Huch-du-armes-Kind und Ich-will-gut-sein in Stimme und Ausdruck.
Für mich passt das nicht so recht in den knappen Duktus des Textes und zu Leas lakonischem Tonfall.
Hm. Ich empfand das eher als rotzige Ironie denn als Lakonie. Aber das scheint hier nicht zu wirken.
Hoffnungen wecken, aber nicht die, die nur enttäuschen können.
solche?
Merci, habe ich geändert :-)
Weiterschauen also. Das hieß ein Jahr später
Am ersten Jahrestag des Unglücks weihen ein Priester, ein LAPAL-Direktor, ein Minister und eine andere Frau Vaters Grab ein.
Das hat mich etwas verwirrt. Vielleicht oben: Ein halbes Jahr später oder so, damit die Chronologie klar bleibt.
Absolut richtig, ich ändere das!
Den Schluss habe ich nicht so recht verstanden. Sie sieht den Raben (nehme ich an).
Hm, das Ende ist schon mehrfach kritisiert worden. Ich werde es nochmal ändern. Stimmt, warum sieht sie in denn in diesem Ritual? Um eigene Macht und Kontrolle vorzutäuschen, um sie sich in einer Situation der Machtlosigkeit zu versichern? Ja, das ist definitiv nicht sauber.
Zu sehr hat er mich während der Lektüre begleitet und mich immer wieder fragen lassen, wie genau er gemeint ist und weil die stärkste Assoziation letztlich im Text keinen Anker findet, empfand ich den Titel insgesamt als irreführend.
Ähnlich erging es auch @linktofink. Ich glaube, der Text funktioniert oberflächlich betrachtet ganz gut, in seinen Tiefen wird er aber unsauber und illusorisch. Das merkt man beim Titel, wahrscheinlich nehme ich linktofinks Idee an. Danke für den Hinweis mit dem Anker!
Wir erfahren nur äusserst wenig Explizites über Leas Gefühlswelt und noch weniger über ihr Verhältnis zum Vater.
Ja, die Gefühlswelt, das ist mehrfach schon angesprochen worden. Da versuche ich mal, noch etwas zu machen. Du hast ja einen guten Hinweis gegeben, danke :-)

Lieber @Peeperkorn, ich bin dir sehr, sehr dankbar für die sehr wertvollen Hinweise. Dein Buch liegt bei mir auch im Bücherregal, ich wollte dir gerne noch etwas dazu schreiben. Merci.

Lg in die Schweiz,
kiroly

 
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Lieber @kiroly ,

danke für diesen besonderen und poetischen Text. Da ist eine Ruhe und auch eine Kraft in den Sätzen. Wunderbar. So muss das sein. Weil ich finde, und das ist mir beim Lesen deiner Geschichte eingefallen, wenn jemand schon gezeigt hat, was er kann, dann kann man ihm nicht mehr ständig erklären, was geht und was nicht. Dann muss der Text Kraft haben und wenn nicht, dann eben oder leider nicht. Aber dieser Text hat Kraft. Ich mag das Blau, dass wie die Stimmung in Form feinen Staubes über allem zu liegen und in allen Lungen zu wüten scheint. Hier ist alles ein wenig Archetyp und Symbol wie in Twin Peaks oder beim Landvermesser K. in einem winterlichen Dorf am Fuße eines unerreichbaren Schlosses. Das gefällt mir. Und natürlich ist hier auch viel Kiroly mit drin. Neben Umami einer der besonderen und kostbaren Geschmäcker. Der Behördensinn fehlt auch in dieser Geschichte nicht. Inszenierte Rituale und plan- und zweckmäßige Kommunikation. Die Härte, die das transportiert. Und schön auch, dass es eine weibliche Protagonistin ist und du ausgerechnet hier mit dem Archetyp brichst. Will ich nicht breit begründen, ich bin jedenfalls dafür. Es ist die Beschreibung eines Vorfalls und des Danachs. Die Geschichte läuft hierauf hinaus: Lea erkennt, beginnt zu glauben oder eigentlich scheint sie zu beschließen, zu glauben, dass der Rabe den Vater geholt hat oder der Vater sich im Raben in Leas Sprache und Denken reifiziert. Ich glaube, da ist mein einziger Kritikpunkt, der aber auch klein ist. Warum Rabe? Klar, dass ist ein nachvollziehbares motivgeschichtlich zigfach beschriebenes Symbol. Aber darum geht es hier ja eigentlich nicht so ganz. Du bist ja kein Kunstmärchenerzähler. Wenn ich dich richtig einschätze, ist es das Gefühl, es muss (oder könnte gut) der Rabe sein, aber diese jahrhunderte alte Motivgeschichte hast du dir damit auch eingekauft. Ob Todbringer oder nicht, er ist keine weiße Taube oder dergleichen. Hätte Lea sich das vorgestellt, das wäre eben etwas anderes, klar. Ich finde das auch ein gutes Ende oder auch ein sehr gutes :D Aber da frage ich mich zugleich, ob da bei der Planung der Geschichte in diesem Detail oder bei dieser Wendung nicht zu eilig Frieden mit dem Schreibteufel geschlossen wurde. Aber es ist, wie gesagt, nur eine Randnotiz, nichts, was den Text für mich ungenießbar macht, überhaupt nicht. Wirklich ein sehr schöner Text.

Als Vater starb, trainierte ich mein Gleichgewicht. Fuß um Fuß auf der dünnen Schiene, war Profi.

Der Rhythmus ist markant. Der erste Satz auch für sich genommen stark.

per ausgleichender Kraft

und diese, deine typischen Einfälle. Um die Ecke gedichtet :D Aber nicht faul, sondern gerade reif um gepflückt zu werden (Credits für die Metapher gehen an Erdbeerschorsch, glaube ich zumindest, vielleicht war es auch Ernst Offshore)

Alle Väter arbeiteten bei der LAPAL.

Ja, wo auch sonst. Toll, wie du dem so eine traumhafte, allumfassende Nuance mit dieser Behauptung verleihst.

einen tiefblauen Staub

Wirklich ein tolles Detail, dass die Story wie Kleister zusammenklebt (obwohl nur Detail)

hellblaue

fand es auch schön, dass sich das mit dem Blau dann noch weiter durchzieht.

Zweimal schlug er mit den Flügen.

Flügeln?

von der Schiene

Kannst du mir das erklären? Was ist mit dieser Schiene eigentlich gemeint? Tut mir leid, dass ich so auf dem Schlauch stehe.

hustend wie immer, was-ist-denn-passiert, ich lief:

ein schöner Einschub. Diese Form habe ich bisher noch nicht gesehen. Aber ich finde, wie du sie anwendest, passt das gut.

„Das ist richtig, dass du dich nicht so fühlst“, antworteten sie freundlich

So eine, tschuldige, so eine Arschloch-Antwort :lol: So herablassend irgendwie und zugleich wohlmeinend. Wahrscheinlich sogar 'korrekt'. Sehr gut, wie du das machst.
Das ist so, ohne ihre Gefühle anzuerkennen, ohne ihr ihre Wahrnehmung, kein Opfer zu sein, zu lassen.

Ihr fehlte der Drive, der Mut, aktiv zu hassen, sie mochte das nicht und das war ihr Fehler.

Die Stelle hat mich irritiert. Wollte ich dir nur rückmelden, falls du das so wolltest. Weil das so eine andere, spezielle Sprache ist, die Lea auch charakterisiert. Fand es etwas komisch.

Grab-Namens-Feld

sehr gut

manche mit einem blauen Röhrchen aus dem Hals

Und dass dann in einem Nebensatz mit maximaler Wirkung, ohne dass ich es als Effekt empfinde. Stark.

auf einen weichen, gestifteten Stuhl,

Dieses Adjektiv an der Stelle. Herrlich.


Sehr gerne gelesen :gelb:

 

Hallo @kiroly

ein Dank für das Lesen und ein Dank für das Kommentieren!

Gern geschehen.

Womit du auch den Finger direkt in die zentral klaffende Wunde des Textes legst: Emotionale Nähe.

Das tut mir sehr leid. Ich weiß ja selbst, wie hart das manchmal sein kann. Aber bestimmt kommt das Deinem Text zugute.

Nein, bewusst habe ich das nicht so gehalten. Ich glaube, es ist eher der Schreibstil. Das wurde schon mehrfach gesagt, dass die Emotionen fehlen. Andererseits ... der Text ist aus Leas Sicht geschrieben, es ist mehr eine Lea, wie sie sich auch sehen will und sehen möchte. Sie betont ihre Stärke, ihren Willen, auch ihre Abgeklärtheit und Arroganz. Lea, das ist einerseits ein sensibler Mensch, andererseits jemand, der sich noch sucht und von einem Willen getragen wird. Ich dachte, dass vielleicht über den Raben symbolisiert wird, dass sie den Tod mehr verdrängt denn verarbeitet hat. Klingt alles leider sehr unschlüssig :-(

Ok - und das ist schon mal gut zu wissen.
Mmmmh. Ich denke, das solltest Du in dem Text dann zeigen.
Das Symbolisieren durch den Raben finde ich gut.
Vielleicht gelingt es Dir ja, auch ein wenig ihre sensible Seite zu zeigen, nicht nur die Abgeklärtheit. Ich denke, davon würde die Geschichte profitieren.

Hm, hier hatte ich gehofft, dass das Emotionale stärker zum Tragen kommt. Lea erkennt, dass die Therapeutin ihr Ziel, Vertrauen zu erwecken, nicht erreicht. Aber Lea will im Leben Ziele erreichen. Lea schwankt: Sie weiß nicht, welche Strategie sie wählen soll, wie sie ihr Ziel erreicht: Auf eine diplomatisch, kommunikative, ausgleichende Art oder kämpferisch, entschlossen, vielleicht sogar aggressiv. Lea sollte nicht sympathisch sein. Hier glaubt Lea, dass letztere Strategie die bessere Wahl ist. Das Scheitern der Therapeutin erklärt sie sich so, dass die Therapeutin zu nett, zu diplomatisch, zu schematisch arbeitet. So will Lea nicht sein: Sie empfiehlt der Therapeutin, aktiv zu hassen, die Welt in Gut und Böse einzuteilen.

Ok. Das verstehe ich, dass Du sich nicht sympathisch darstellen möchtest.
Auch hier bei diesem Punkt denke ich, Du solltest in Deinem Text mehr drauf eingehen. Damit ich als Leser die Möglichkeit bekomme, die Gedanken und Gefühle mitzuerleben und zumindest ein Stück weit zu begreifen.
Die Empfehlung an die Therapeutin finde ich heftig. Warum denkt Lea, es würde ihr selbst helfen, wenn die Therapeutin so agieren würde?

Macht das Sinn? Ich hoffe es

Ein bisschen. Ich hab selbst mal den Tipp bekommen, dass alle Erkärungen, die ich in den Kommentaren gebe, in meine Geschichte einfließen sollten. Vielleicht hilft Dir das ja.

Ich wünsche Dir einen schönen Sonntag und sende ganz liebe Grüße,
Silvita

 
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Hallo @kiroly ,

fein, dass du mich getaggt hattest, ich wollte ohnehin zum Kommentieren rüberkommen. (Keine Sorge ich hab's nicht als prompting gesehen.)
Mir haben überhaupt nur zwei Texte in dieser Challenge gefallen, mit sehr weitem Abstand zu allen anderen (ich hab in alle reingelesen, wenn nicht durchgelesen): der eine von linktofink, der andere ist deiner.

Ich war sofort drin, weil ich im TV kürzlich eine grandiose, schlimme Doku über ein Abraumhalde-Unglück sah (Disasters Engineered, S1E4: Aberfan, Wales 1966), und unabhängig davon grad selbst eine Minenstadt-KG geschrieben hab (Talnakh, Norilsk). Ein so seltenes Setting und ich war richtig aufgehypt, als ich merkte, wo es langging.

Als Vater starb, trainierte ich mein Gleichgewicht.
Eigentlich finde ich den ersten Satz toll in diesem Kontrast. Mir erscheint aber das Wording seltsam: heißt es nicht, man trainiert, das Gleichgewicht zu halten? Das Gleichgewicht selbst ist ja nicht etwas wie ein Muskel, den man physisch trainieren kann, sondern irgendwie komplexer was im Innenohr, frag mich.
Sie trugen aus den Stollen einen tiefblauen Staub in die heimischen Hütten.
So richtig im Fluss ist der Text nicht, allerdings hab ich den Eindruck, das ist Absicht. Man kann nicht vom Text weggetragen werden, man muss an jedem Satz arbeiten, so wie die Prots arbeiten. (Ist nicht negativ gemeint.) Dieser Satz ist ein Beispiel dafür, weil die Wortstellung zwar völlig korrekt, aber unerwartet ist. Sie trugen einen tiefblauen Staub aus den Stollen in die heimischen Hütten. wäre wohl die gängigste Variante.
Die armen Arbeiterfamilien trugen hellblaue Kleidung, wegen des Waschens, der Wasserpreis, jaja, der Wasserpreis. Ich war nicht arm. Ich trug Weiß. Blaues, dreckiges Weiß. Recht hell.
Das "arm" hab ich hier schon längst auf dem Schirm.
Keine Korrektur, nur Geschmack: eigentlich mag ich es harsch und elliptisch, und ich mag auch überlange Sätze. An einigen Stellen verliert sich aber der Eindruck dadurch, dass man anfangen muss, zu sortieren. Auch vom Klang her würde ich Punkt hier bevorzugen: ... Wasserpreis. Jaja ...

Das mit der weißen Kleidung ist cool, das ist ja in der realen europäischen Historie auch so. Weiß = macht sich nicht dreckig / Ritualgewand, Indigoblau = reich, rot = sakral oder auch für den Henker, gelb = Prostituierte.

Ein Rabe setzte sich auf das Bergwerk.
Zweimal schlug er mit den Flügen.
Die Räder des Förderturms standen still.
Aber ich sprang von der Schiene und lief in die Siedlung.
Ich finde das klasse mit den lyrikartigen Absätzen (nicht immer an den Stellen, dazu später), und hier ist das richtig schön.
Du könntest überlegen, den Ort zu konkretisieren, weil es so klingt, als sei das Bergwerk winzig: Ein Rabe setzt sich auf den höchsten Förderturm ... Okay, unelegant, aber so irgendwie.

Ich hatte etwas Abstruses, aber Passendes im Ohr, als du mit dem Raben kamst: Aus dem Y Gododdin (Wales, 600 / 900):
Quicker to the field of blood than to a wedding,
Quicker to the ravens' feast than to a burial.

Weil der Vater eben auch nach einem Kampf (der Minenarbeit) stirbt, nicht sanft zu Hause im Bett entschläft. Bitte nicht den Raben kicken.

Erst heulten die Sirenen, dann die anderen:
Nrgh, das klingt echt nicht schön. Das ist eine Form der Ellipse (Zeugma), und das wird meist für Ironie verwendet. Die ist hier unangebracht, weil das wirklich nach Klamauk klingt. Zumal ich nicht sicher bin, ob du meinst: Erst heulten die einen Sirenen und dann die anderen (Sirenen); oder erst heulten die Sirenen und dann die Leute.
Aus dem Lungen-Sanatorium rollten die Blaustaub-Patienten auf die Mitte der Straße, hustend wie immer, was-ist-denn-passiert, ich lief:
Du hattest vorher viele von den Bindestrich-Monstern, oder? Das war das Einzige, was mich richtig gestört hatte, und es sieht auch hier nicht toll aus. Vllt. kursiv ohne Bindestriche? (Bei den Patienten wäre es noch okay.) Außerdem bezieht sich das in Bindestrichen stehende gerade auf das Husten. Der Satz sieht mir etwas uneditiert aus.
Ich hörte Zinktüren aufschlagen, schnelles Treten von Sandalen im blauen Staub.
Aufschlagen, nicht zu-? Das wäre durchaus schön mit ein paar Worten mehr: dass sie so hart aufgerissen wird, dass sie gegen die Wand knallt.
An dieser Stelle hab ich überlegt, ob nicht Präsens eine geeignte Zeitform wäre. Ich verstehe aber, dass einiges emotional retrospektiv erzählt ist, vermutlich fluppt das mit Präsens nicht.
Eine kräftige Hand griff mich, zerrte mich zu ihr, ich kniff die Augen zusammen, dachte an Emma, öffnete sie, sah Emma, die Steinwerkerin, unsere Nachbarin:
Finde ich klasse, wieviel du auf der kurzen Strecke erzählst. (Könnte mir auch einen Punkt vor Emma vorstellen.)
„Lea. Dein Vater war im Schacht.
Der Schacht ist eingestürzt.
Du schläfst jetzt bei uns.
Und dann schauen wir weiter.“
Wie gesagt, an sich finde ich diese lyrisch wirkenden Teile toll, auch von der Sprache her. So richtig passt das für mich allerdings nur zur Prota, nicht zu weiteren Figuren und nicht für eine wörtliche Rede. Da sehe ich keinen Sinn drin, während die Sequenz davor eine Art Trauergesang für einen Helden assoziiert (Tonfall wie eben beim Gododdin).
Aus der Ohnmacht aufwachen.
Sich auf- und abrappeln.
Muss ja weitergehen.
Hier passt es. Ich weiß, dein Prota ist resigniert und bissl abgegessen, aber wie wäre der letzte Satz: Es muss (ja) weitergehen.
Fände es (siehe Ironie) auch nicht verkehrt zu sagen: Sich aufrappeln. Abrappeln.
Einfach, weil auf- und ab- eine Bewegung suggeriert, die dann doch nicht da ist.
An Orten leben, wo die Gebäude wie Möbel heißen: „Einrichtung“.
Das musste ich mindestens drei Mal lesen. Jetzt, da ich es verstanden hab, kann ich mich aber nicht entscheiden, ob ich das nervig oder total genial finde. :lol:
Ich klappte mein Mathematik-Schulbuch auf, fühlte das Siegel der LAPAL-Opferhilfe im Buchrücken.
Das finde ich in diesem Anschluss richtig geil, das ist von allen Wiederholungen / Ellipsen -Sondersatzformen her das mit Abstand eleganteste. Vllt auch, weil du nicht alles komplett verkürzt.
Ich lernte das Opferhilfe-Personal kennen: „Ich bin kein Opfer“, sagte ich ihnen, egal wie alt, woher, welcher Profession, ob Hausmeister oder Arzt oder nette Mutti.
Klasse, das zeigt mir die Prota super. Ich finde es gut, wie sie stolz widerspricht. Und irgendwie sehe ich da gleich auch ihren Vater. Und das passt zum Rabenbild.

Jemand sagte,"Rabentochter" wäre ein toller Titel, und obwohl das etwas fantasy-kitschig ist, finde ich das duchaus schön und passender. Denn das Thema des Titels wird zwar auf eine Art eingelöst (der Rabenvogel als Geister-Vater / Vaterseele ...) , aber nicht auf die andere (schlechter Vater).

antworteten sie freundlich, mit einem Huch-du-armes-Kind und Ich-will-gut-sein in Stimme und Ausdruck.
Ich kann mit diesen Bindestichkonstruktionen gar nicht. Ich krieg den Satz auch nicht so schnell auseinandergefusselt, dass da ein Bild entsteht, dabei wolltest du es sicher spontan, schnell. Ich muss den Satz also zwei Mal lesen und hänge damit länger drin, als eine kursive, bindestrichlose Variante erforderte.
Sie senkten ihren Blick, friedlich das Gesicht.
Klingt sehr biblisch, fast schon nach Wachturm.
Und so richtig passen die beiden Satzteile auch nicht zusammen, wenn man das erst als Ellipse liest (= sie senkt das Gesicht).
Eine trug versehentlich einen Lapislazuli-Anhänger.
Das glaube ich nicht, den wird sie sich wohl morgens umgehängt haben. Du meinst eher sowas wie aus Unachtsamkeit. An sich finde ich das ein tolles Detail, wunderbare (negative) Charakterisierung und schön, wie dem Kind das auffällt. Da hat man gleich nochmal das Thema Trauer im Blick, ohne, dass du es aussprichst.
Zeit auch die Distanz der Frau (stellvertretend = der Minenbesitzer) zu dem Leben und Sterben der Arbeiter, wie weit sie trotz der leeren, rituellen Geste entfernt ist.
, frotz, nannte ich das, frotzende Morgendämmerung
Das ist so genial.
wenn ich vom Bett durch das Seitenfenster schaute, nur den Raben, den sah ich nie.
Punkt zwischen schaute und Raben? Fände ich von der Betonung schöner, auch im Hinblick auf deine Lyrikformatierung an anderer Stelle.
Und „Weiterschauen“ hieß auch:
Bei der dritten Nennung steht das plötzlich in "". Besser einheitlich.
Ich werde es einfach in zwei Blätter teilen. Ich habe nicht viel zu schreiben. Vater schuldet mir ein Fahrrad.
Das ist so schön. Völlig unkitschig, aber absolut realisisch für Trauer. Kleine, grandiose Sätze.
Je nach Zeit und Geschmack bastelte ich Geschichten zusammen, der Kern blieb: Ein leichtes Sterben sei das, in eintausendeinhundert Metern Tiefe. Eine Art Kontaktmetamorphose, die organische Körper einschloss und Vater auf die Größe einer Walnuss schrumpfen ließ, kein Schmerz, kein Leid, ein Zack und aus.
Geschmacksache, aber zwischen den markierten Wörtern könnte ich mir auch einen Punkt vorstellen. Ansonsten gefällt mir das sehr gut.
In dem weißen Marmor stehen die Namen der dreiundfünfzig Opfer. Emma, die Steinwerkerin hat sie alle eingemeißelt, nach dem Alphabet, wie denn sonst. Bei Vater dachte sie: Ach je, auch der, und weiter gemeißelt. Ich schätze sie sehr.
Gedanken kursiv? Ansonsten tolle Stelle.
Ich versuche Vaters Vornamen und meinen Nachnamen zu erkennen, der Direktor verdeckt den Namen.
Drei Mal Namen finde ich suboptimal. Zumal das am Anfang auch recht umständlich ist, wie in Erwartung von Kritik, was du genau meinst. Du könntest schreiben: der Direktor versperrte mir die Sicht oder so, es ist schon klar, worauf.
Er redet ja. Der Punkt bleibt stehen. Ich fixiere ihn. Der Punkt steht, zieht plötzlich kopfüber zum Boden, freien Fall ins Hellblau.
Mag ich. Schräg, nicht zu schräg.
Guter Tag. Bin zufrieden.
Erm ... Okay.
Es gibt im Englischen das Wort bathos, das sowohl für etwas Physisches wie auch im übertragenen Sinn bei Texten oder Filmen benutzt wird: das Gefühl, als ob man eine Treppe runtergeht und die letzte Stufe ist niedriger als erwartet, sodass man überraschend hart aufkommt, so eine Stauchung. Das hatte ich hier. Irgendwie war ich bei meinem Bild der Prota an dieser Stelle zu einem anderen Schluss gekommen: Noch begriffen in den an sich widersprüchlichen Gefühlen der Trauer wie auch dem Fatalismus, dass alles weitergehen muss. Das hier ist jetzt aber imA entweder zynisch, oder gefühlskalt oder extrem naiv-dümmlich. Nix davon passt zu meinem Bild. Ich schreibe selbst ständig no-drama Enden, und finde das auch an sich sehr schön. Hier fehlt mir was. Keine Auflösung, aber ein starkes Bild, kein ambivalentes.

Zum Thema "emotionale Verbindung zu der Prota": Ich hasse es wie die Pest, wenn ich das Gefühl habe, mir wird Sympathie angetragen, dann lehne ich Protas oft aus reinem Opportunismus ab.
Ich kann sehr gut damit, wie du das löst und finde, es ist dem Setting / Sujet perfekt angemessen. Macht die Figur für mich auch spannend, interessant, sehr sympathisch und eben lässt es mich viel mehr mitfühlen, als wenn du mich durch alle Emotionen schleifst.
Es geht ja auch darum, dass die Trauer unter den Alltagsnotwendigkeiten verschüttet / verdrängt wird, und da du als Icherzählerin schreibst: wo sollen da all die auserklärten, breitgeretenen Empfindungen dann herkommen? Das wäre ein Perspektivfehler zum Zweck des Emo-Infodumpings, schlimmer gings kaum. Du löst es bereits über show don't tell und Symbolik. So bin ich direkt dabei, ohne den Autoren ständig beim Plotten vor mir zu sehen.

Sorry Silvita, nicht bös gemeint, da sind wir ganz anderer Ansicht:

Womit du auch den Finger direkt in die zentral klaffende Wunde des Textes legst: Emotionale Nähe.
Das tut mir sehr leid. Ich weiß ja selbst, wie hart das manchmal sein kann. Aber bestimmt kommt das Deinem Text zugute.
Dem möchte ich äußerstem Nachdruck widersprechen. Es muss nicht überall Kitsch und Mainstream-Gefühlsdusel rein. Es gibt auch Leser, die es subtil mögen, die auch mal gern [no pun intended!] etwas graben möchten, nachfühlen, austarieren. Ich will mir nicht alles aufs Brot streichen lassen, mich macht das echt in vielen Texten richtig aggressiv.

Emotionale Nähe ist sehr gut möglich in diesem Text, in dieser Form. Für mich vielleicht nur in dieser Form. Ähnlich hab ich das ja bei linktofinks Beitrag geschrieben: Ich möchte hier auch mal Texte lesen, die mehr als unterhaltsamer, menschelnder Text sind, sondern mir eine ungewohnte Einsicht in den Kopf einer ungewöhnlichen Prota geben (und in diesem Fall sogar eine sehr wahrscheinliche, realistische Einsicht, so ich Inteviews mit Leuten erinnere, die in einer ähnlichen Lage sind.)

Zu deiner getaggten Bemerkung oben: Ich werfe selbst nur allzu gern aus dem Glashaus mit Steinen. So hab ich das aber bei dir nicht empfunden. Erstens, weil ich - wie du - deine Minenstadt als offensichtlich spekulative gesehen habe und daher nur ganz kurz über den Förderturm stolperte. Andererseits, weil deine Signalbemerkung völlig angebracht war. Ich hab das Setting (Sellin etc.) benannt, auch wenn es spekulativ gedacht war und hätte mich nicht so wehren sollen, du hattest recht mit der Kritik. Außerdem hat die Bemerkung den Text verbessert, und mir ein weiteres paranormales Element ermöglicht. Alles gut. Zum Winter schreibe ich eine zweite, längere Grabinski-Dampfeisenbahnstory, und werde sicherlich bei dir um einen kritischen Komm / Korrektur betteln kommen.

Liebe Grüße und vielen Dank für den schönen, ungewöhnlichen Text,
Katla

 

Hey @kiroly

Wir erfahren nur äusserst wenig Explizites über Leas Gefühlswelt und noch weniger über ihr Verhältnis zum Vater.
Ja, die Gefühlswelt, das ist mehrfach schon angesprochen worden. Da versuche ich mal, noch etwas zu machen. Du hast ja einen guten Hinweis gegeben, danke :-)
Da hast du aber nur den einen Teil dessen zitiert, was ich geschrieben habe, denn ich habe ja unmittelbar danach gesagt, dass ich das an sich stimmig finde. Das hat mich jetzt nochmal etwas beschäftigt, nachdem ich Katlas Kommentar gelesen habe.
ch hasse es wie die Pest, wenn mir Sympathie angetragen wird, dann lehne ich Protas oft aus reinem Opportunismus ab.
Ich kann sehr gut damit, wie du das löst und finde, es ist dem Setting / Sujet perfekt angemessen. Macht die Figur für mich auch spannend, interessant, sehr sympathisch und eben lässt es mich viel mehr mitfühlen, als wenn du mich durch alle Emotionen schleifst.
Es geht ja auch darum, dass die Trauer unter den Alltagsnotwendigkeiten verschüttet / verdrängt wird, und da du als Icherzählerin schreibst: wo sollen da all die auserklärten, breitgeretenen Empfindungen dann herkommen? Das wäre ein Perspektivfehler zum Zweck des Emo-Infodumpings, schlimmer gings kaum. Du löst es bereits über show don't tell und Symbolik.
Das ist schön polemisch auf die Spitze getrieben, als gäbe es zwischen der im Text gewählten Lösung und übelstem Kitsch keine Alternative. Aber grundsätzlich bin ich schon einverstanden. Mein Stichwort war denn auch nicht "Gefühl" sondern "Tiefe", vielleicht auch: Komplexität des Charakters. Ich habe noch mal die eine oder andere Antwort gelesen, die du auf die Kommentare gegeben hast und gesehen, dass dein eigentliches Kernthema Leas Kampf um Autonomie ist. Weshalb dann - ich bohre noch einmal lästig nach - der Titel? Weshalb lässt du den Text mit dem Tod des Vaters beginnen und mit dem Auftauchen des Raben beenden? Ist nur eine hingeworfene Frage, aber was, wenn der Text anders eingeklammert und mit einem solchen oder ähnlichen Satz beginnen würde?
In den Einrichtungen sprachen sie ja nie vom Tod meines Vaters.
Das würde alles etwas anders gewichten. Womöglich gäbe es mir mehr Zeit, mich auf Lea einzulassen, wenn der Text nicht so zack dramatisch beginnen würde. Du nennst in den Kommentaren viele Adjektive, die Lea beschreiben sollen, auch widersprüchliche, und wenn ich die alle aus dem Text herausgezogen hätte, dann ja, dann hätte ich die Komplexität gespürt, die ich von einer Hauptfigur erwarte. Wie gesagt, das müssen nicht Gefühle sein, schon gar keine, die benannt werden. Vielleicht ist der Text halt einfach etwas zu kurz, um die Figur in ihrer Ambivalenz, im Balancieren zu zeigen. Du schreibst zum Beispiel, dass Lea nicht weiss, wie sie ihre Ziele erreichen soll, kommunikativ oder aggressiv. Davon habe ich wenig mitgekriegt, einzig diesen Satz über die Psychologin. Hat Lea überhaupt Ziele? Diesen Kampf um Autonomie, ich glaube, den könnte man noch etwas stärker herausarbeiten. Vielleicht hat mich aber auch - wie bereits angesprochen - lediglich der Titel und dieser erste Abschnitt auf eine falsche Fährte gelockt, oder besser: ich war nicht in der Lage, meine Erwartungen im Fortgang der Lektüre anzupassen. Das ist sehr interessant, verunsichert mich aber auch. Vielleicht bin ich einfach nicht mehr in der Lage, eine gute Kurzgeschichte zu lesen und zu schätzen, ich arbeite mich momentan durch Jonathan Franzens 700-Seiten-Romane, das trübt wohl ein wenig den Blick. Nimm von meinen wirren Gedanken, was du brauchen kannst.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo @Carlo Zwei :-)

merci für Deinen Kommentar und das Lesen des Texts! Hat mich sehr gefreut.

Ja, der Text. Der scheint ja sehr, sehr unterschiedlich "anzukommen" oder, anders gesagt: Jede und jeder liest im Text irgendwo etwas anderes. Das macht mich ein wenig ratlos. Ratlos in der Hinsicht, dass ich sehr viele Vorschläge nachvollziehen kann, aber ja ... hm ... was setze ich um, was ist wichtig. Im Grunde ziehe ich einen Orbit und gerate an den Ausgangspunkt der Geschichte, an das "Schreibsein", das einen leitet.

Warum Rabe? Klar, dass ist ein nachvollziehbares motivgeschichtlich zigfach beschriebenes Symbol.
So banal es klingt: Der fiel mir als erstes ein. Da sieht man, wie sehr solche kulturelle Topoi einen beeinflussen. Ich habe mich eher von Assoziationen leiten lassen denn von einer ausgeplanten Struktur. Hm, andererseits finde ich linktofinks Vorschlag der Rabentochter ganz gut - ist der Rabe im Titel, bleibt der Rabe im Text, sonst nicht.

Zweimal schlug er mit den Flügen.
Flügeln?
:-D Witzig, ist, glaube ich, bisher keinem aufgefallen?
von der Schiene
Kannst du mir das erklären? Was ist mit dieser Schiene eigentlich gemeint? Tut mir leid, dass ich so auf dem Schlauch stehe.
Da dachte ich tatsächlich an eine Eisenbahnschiene. Die Förderanlagen der LAPAL prägen die Landschaft, da gehören Gleise, Gleisanlagen, Schienen hinzu. Ich habe jetzt im nächsten Satz Schiene durch Gleis ersetzt, dann wird das vielleicht deutlicher.

Ihr fehlte der Drive, der Mut, aktiv zu hassen, sie mochte das nicht und das war ihr Fehler.
Die Stelle hat mich irritiert. Wollte ich dir nur rückmelden, falls du das so wolltest. Weil das so eine andere, spezielle Sprache ist, die Lea auch charakterisiert. Fand es etwas komisch.
Hm, hm, ja, da gebe ich dir Recht. Das ist ja eher eine psychologisch, therapeutische Sprache. "aktiv hassen", schon sehr instrumentell. Ich lasse die Stelle erstmal so stehen, aber ich merke sie mir mal an.

Lieber @Carlo Zwei, vielen Dank für deinen schönen Kommentar. Hat mich sehr, sehr gefreut. :-)

Lg
kiroly

***

Hallo @Silvita :-)

merci für das zweite Vorbeischauen!

Womit du auch den Finger direkt in die zentral klaffende Wunde des Textes legst: Emotionale Nähe.
Das tut mir sehr leid. Ich weiß ja selbst, wie hart das manchmal sein kann. Aber bestimmt kommt das Deinem Text zugute.
Keine Rechtfertigung für Kritik!

Vielleicht gelingt es Dir ja, auch ein wenig ihre sensible Seite zu zeigen, nicht nur die Abgeklärtheit. Ich denke, davon würde die Geschichte profitieren
Ja, da habe ich tatsächlich ein paar Ideen. Das Sensible zeigt sich ja eher in der Vater-Tochter-Beziehung, die taucht überraschend wenig auf. Das ist ja mehrfach angesprochen worden, wahrscheinlich auch durch den Titel, durch den Einstieg.
Die Empfehlung an die Therapeutin finde ich heftig. Warum denkt Lea, es würde ihr selbst helfen, wenn die Therapeutin so agieren würde?
Hm, da sollte ruhig "Rotz und Trotz" zum Vorschein kommen. Lea kann sehr hart sein, auch moralisch hart. Sie zieht ihre Linie durch und sie hat die Energie, die Welt in zwei Seiten einzuteilen und die andere zu bekämpfen. Das könnte ihr helfen, mit der ganzen Situation in der Einrichtung auch klarzukommen und sie erkennt für sich, dass das "richtig" ist. So sehr will ich das nicht darstellen; das wäre eine andere Geschichte. Lea kann gefährlich sein, wenn sie in einer falschen Umwelt aufwächst.

Vielen Dank für Deinen zweiten Besuch, das ist nicht selbstverständlich :-)

Lg
kiroly

 

Hallo @Katla :-)

kiitos paljon für Lesen und Kommentar! Ja, der Text. Da fühle ich mich inzwischen wie ein Ratsuchender, der einen Kreis schreitet. So viele gute und nachvollziehbare Meinungen und Ansichten, aber ich glaube - so kitschig das klingt - zum Schluss muss man sich selbst vertrauen.

Mensch, dein sprachlicher Blick ist aber auch wirklich, wirklich präzise^^.

Als Vater starb, trainierte ich mein Gleichgewicht.
Eigentlich finde ich den ersten Satz toll in diesem Kontrast. Mir erscheint aber das Wording seltsam: heißt es nicht, man trainiert, das Gleichgewicht zu halten? Das Gleichgewicht selbst ist ja nicht etwas wie ein Muskel, den man physisch trainieren kann, sondern irgendwie komplexer was im Innenohr, frag mich.
Hm, stimmt. Da habe ich mal den DWDS herangezogen, kein Treffer für "Gleichgewicht trainieren". Das kommt auf die Überarbeitungs-Liste. Es sind so viele Anmerkungen zum Text erschienen, ich hab' die mal ein wenig sortiert, ich verliere schon den Überblick.

Sie trugen aus den Stollen einen tiefblauen Staub in die heimischen Hütten.
So richtig im Fluss ist der Text nicht, allerdings hab ich den Eindruck, das ist Absicht. Man kann nicht vom Text weggetragen werden, man muss an jedem Satz arbeiten, so wie die Prots arbeiten. (Ist nicht negativ gemeint.) Dieser Satz ist ein Beispiel dafür, weil die Wortstellung zwar völlig korrekt, aber unerwartet ist. Sie trugen einen tiefblauen Staub aus den Stollen in die heimischen Hütten. wäre wohl die gängigste Variante.
Hm, ich wollte die Sprache der Handlung, der Bewegung annähern.

Die armen Arbeiterfamilien trugen hellblaue Kleidung, wegen des Waschens, der Wasserpreis, jaja, der Wasserpreis. Ich war nicht arm. Ich trug Weiß. Blaues, dreckiges Weiß. Recht hell.
Das "arm" hab ich hier schon längst auf dem Schirm.
Keine Korrektur, nur Geschmack: eigentlich mag ich es harsch und elliptisch, und ich mag auch überlange Sätze. An einigen Stellen verliert sich aber der Eindruck dadurch, dass man anfangen muss, zu sortieren. Auch vom Klang her würde ich Punkt hier bevorzugen: ... Wasserpreis. Jaja ..
Das ist eine gute Idee, das habe ich direkt umgesetzt.

Das mit der weißen Kleidung ist cool, das ist ja in der realen europäischen Historie auch so. Weiß = macht sich nicht dreckig / Ritualgewand, Indigoblau = reich, rot = sakral oder auch für den Henker, gelb = Prostituierte.
Super interessant, was man durch ein kleines Detail ja alles lesen und finden kann! Nein, das wusste ich nicht.
Ich hörte Zinktüren aufschlagen, schnelles Treten von Sandalen im blauen Staub.
Aufschlagen, nicht zu-? Das wäre durchaus schön mit ein paar Worten mehr: dass sie so hart aufgerissen wird, dass sie gegen die Wand knallt.
An dieser Stelle hab ich überlegt, ob nicht Präsens eine geeignte Zeitform wäre. Ich verstehe aber, dass einiges emotional retrospektiv erzählt ist, vermutlich fluppt das mit Präsens nicht.
Hm, aber die Leute rennen ja aus den Häusern auf die Straße.
„Lea. Dein Vater war im Schacht.
Der Schacht ist eingestürzt.
Du schläfst jetzt bei uns.
Und dann schauen wir weiter.“
Wie gesagt, an sich finde ich diese lyrisch wirkenden Teile toll, auch von der Sprache her. So richtig passt das für mich allerdings nur zur Prota, nicht zu weiteren Figuren und nicht für eine wörtliche Rede. Da sehe ich keinen Sinn drin, während die Sequenz davor eine Art Trauergesang für einen Helden assoziiert (Tonfall wie eben beim Gododdin).
Daran habe ich gar nicht gedacht. Aber stimmt, du hast einen guten Vorschlag gemacht, diese lyrisch wirkenden Teile (LWT) mit dem Protagonisten zu verbinden. Kiitos!

An Orten leben, wo die Gebäude wie Möbel heißen: „Einrichtung“.
Das musste ich mindestens drei Mal lesen. Jetzt, da ich es verstanden hab, kann ich mich aber nicht entscheiden, ob ich das nervig oder total genial finde. :lol:
:lol:

Jemand sagte,"Rabentochter" wäre ein toller Titel, und obwohl das etwas fantasy-kitschig ist, finde ich das duchaus schön und passender. Denn das Thema des Titels wird zwar auf eine Art eingelöst (der Rabenvogel als Geister-Vater / Vaterseele ...) , aber nicht auf die andere (schlechter Vater).
Ja, der Titel hatte etwas von Effekt. Aber ja, er findet, wie Peeperkorn das gut geschrieben hat, keinen Anker im Text. Ich denke, ich werde linktofinks Vorschlag der Rabentochter übernehmen. Zum Vater-Tochter-Verhältnis wollte ich noch einen Absatz hineinschreiben.

Eine trug versehentlich einen Lapislazuli-Anhänger.
Das glaube ich nicht, den wird sie sich wohl morgens umgehängt haben. Du meinst eher sowas wie aus Unachtsamkeit. An sich finde ich das ein tolles Detail, wunderbare (negative) Charakterisierung und schön, wie dem Kind das auffällt. Da hat man gleich nochmal das Thema Trauer im Blick, ohne, dass du es aussprichst.
Zeit auch die Distanz der Frau (stellvertretend = der Minenbesitzer) zu dem Leben und Sterben der Arbeiter, wie weit sie trotz der leeren, rituellen Geste entfernt ist.
Katla, ja, genau das meine ich^^. Voll gut, dein detaillierter Blick.

wenn ich vom Bett durch das Seitenfenster schaute, nur den Raben, den sah ich nie.
Punkt zwischen schaute und Raben? Fände ich von der Betonung schöner, auch im Hinblick auf deine Lyrikformatierung an anderer Stelle.
Und „Weiterschauen“ hieß auch:
Bei der dritten Nennung steht das plötzlich in "". Besser einheitlich.
Das habe ich übernommen, merci.

In dem weißen Marmor stehen die Namen der dreiundfünfzig Opfer. Emma, die Steinwerkerin hat sie alle eingemeißelt, nach dem Alphabet, wie denn sonst. Bei Vater dachte sie: Ach je, auch der, und weiter gemeißelt. Ich schätze sie sehr.
Gedanken kursiv? Ansonsten tolle Stelle.
Geändert!

Ich versuche Vaters Vornamen und meinen Nachnamen zu erkennen, der Direktor verdeckt den Namen.
Drei Mal Namen finde ich suboptimal. Zumal das am Anfang auch recht umständlich ist, wie in Erwartung von Kritik, was du genau meinst. Du könntest schreiben: der Direktor versperrte mir die Sicht oder so, es ist schon klar, worauf.
Stimmt, danke für den Vorschlag, habe ich so abgeändert.

Es geht ja auch darum, dass die Trauer unter den Alltagsnotwendigkeiten verschüttet / verdrängt wird, und da du als Icherzählerin schreibst: wo sollen da all die auserklärten, breitgeretenen Empfindungen dann herkommen? Das wäre ein Perspektivfehler zum Zweck des Emo-Infodumpings, schlimmer gings kaum. Du löst es bereits über show don't tell und Symbolik. So bin ich direkt dabei, ohne den Autoren ständig beim Plotten vor mir zu sehen.
Für diese Zeilen bin ich dir sehr, sehr dankbar, weil du das, was mir im Kopf schwebte ziemlich genau getroffen hast - eine Form verliehen, das trifft es. Wenn ich jetzt die Analogie vom Kommentaranfang aufgreife, "der Ratsuchende schreitet einen Kreis" (oh! Wie hoch das klingt! Der Ratsuchende), dann stelle ich fest: Ich glaube, der Text braucht Länge, da ist noch mehr drin. Mal schauen, was mir einfällt.

Vielen, vielen Dank für Deinen Kommentar. Er hat mir sehr geholfen, er hat mir bestärkt, nicht ganz so falsch zu liegen. Oder ich drücke es so aus: Gute Geschichten gibt es sehr viele, aber ich lese gerne andere Geschichten, ich erwarte von einem Buch gar nicht so viel Aufbau, Struktur und Plot, auch Einfachheit nicht. Ich mag beim Lesen die Bilder, die entstehen, das ist mir wichtig, daraus empfinde ich, ob etwas passt oder nicht. Das liegt dann oft daneben oder steht ein wenig windschief im Raum. Ich glaube, da kann man auch mutiger sein, da kann man etwas wagen, einen Eindruck zu treffen, der nicht den klassischen Wegen folgt. Manchmal bin ich überrascht, wie viel in einer Alltagssituation steckt, der Text markiert nur wenige Punkte der Situation und erzeugt "etwas". Ich hoffe, das ist verständlich.

Kiitos paljon :-)
kiroly

***
Lieben Gruß auch an die Stadt Helsinki. Ich kenne ein wenig Pohjois-Karjala und mag Leevi and the Leavings tatsächlich sehr :-D

***

Hallo @Peeperkorn :-)

vielen Dank für Deinen zweiten Besuch. Uff, da weiß ich gar nicht, wie ich den Dank spiegeln kann.

Weshalb dann - ich bohre noch einmal lästig nach - der Titel? Weshalb lässt du den Text mit dem Tod des Vaters beginnen und mit dem Auftauchen des Raben beenden? Ist nur eine hingeworfene Frage, aber was, wenn der Text anders eingeklammert und mit einem solchen oder ähnlichen Satz beginnen würde?
Ja, der Titel ergab sich spontan aus der Assoziation. Es stimmt aber, er passt nicht. Er passt nicht, weil ich einen Titel gewählt habe, der mit dem Text inhaltlich nichts zu tun hat, dafür "bildlich". Vielleicht reflektiert der Titel auch die bildlich-assoziative Arbeitsweise, mit der ich das Ganze geschrieben habe. Das ist kein lästiges Nachbohren und du brauchst dich nicht zu entschuldigen.
Vielleicht ist der Text halt einfach etwas zu kurz, um die Figur in ihrer Ambivalenz, im Balancieren zu zeigen. Du schreibst zum Beispiel, dass Lea nicht weiss, wie sie ihre Ziele erreichen soll, kommunikativ oder aggressiv. Davon habe ich wenig mitgekriegt, einzig diesen Satz über die Psychologin. Hat Lea überhaupt Ziele?
Den Text empfinde ich tatsächlich sehr kurz. Er könnte länger sein, definitiv, ich hatte auch den Eindruck des Abbruchs beim Schreiben. Der Charakter Lea ... ja, mittels der Kommentare habe ich über ihn nachgedacht. Er schildert ja nur einen Aspekt in Leas Leben, mehr nicht. Im Grunde ändert sich wenig an der Welt, in der sie lebt. Ich glaube, eine aggressive Lea bräuchte eine andere soziale Lage. Ich empfinde eine Trennung zwischen Setting/Geographie und Persönlichkeit als sehr abstrakt und realitätsfern. So sehe ich den Menschen nicht: Ein paar Aspekte Persönlichkeit, eine Menge Situation. Ich hoffe, man kann das nachvollziehen^^.

Das ist sehr interessant, verunsichert mich aber auch. Vielleicht bin ich einfach nicht mehr in der Lage, eine gute Kurzgeschichte zu lesen und zu schätzen, ich arbeite mich momentan durch Jonathan Franzens 700-Seiten-Romane, das trübt wohl ein wenig den Blick. Nimm von meinen wirren Gedanken, was du brauchen kannst.
Ich empfinde da überhaupt gar nichts als "wirr". Ganz im Gegenteil, ich bin dir wirklich dankbar für deine beiden professionellen Kommentare. Nur ist mir eines aufgefallen: Die einen empfanden den Text als sehr schön, den anderen fehlte die emotionale Nähe und wieder einigen die Logik, der Plot auch. Das sind sehr unterschiedliche Anforderungen, die an einen Text gestellt werden. Als Leser brauche ich gar nicht so viel Story. Ich wünsche mir aber, dass ich irgendwann beide "Betrachtungsweisen" vereinen kann.

Bei deiner Kritik an der Lapislazuli-Mine habe ich mich gefragt, warum es mir so leicht fiel, eine Welt blauen Staubs vorzustellen. Ich glaube, das ist die Krux einer anthropogen überformten Welt: Die Elemente einer Landschaft unterliegen Veränderungen, die ohne Hintergrundwissen beliebig wirken. Windenergieanlagen wirkten weltfremd in den 50er Jahren, die Tagebau-Landschaften in Leipzig-Land habe in 40 Jahren ganze Dörfer umgepflügt, Staudämme, Hochspannungsleitungen, Autobahnkreuze, die Plausibilität entsteht eher aus Gewohnheit denn aus Wissen. Damit habe ich einfach ein wenig gespielt.

Vielen Dank :-)
Lg
kiroly

 

Hi @kiroly

gutes soll man sich ein wenig aufheben. Ich war versucht, deine Geschichte gleich zu lesen, nachdem du sie eingestellt hast, bin dann aber bei der Reihenfolge geblieben, allein um auch wirklich alle Texte zu genießen.
Der Text ist schon stark, sehr dicht und sprachlich fein. Trotzdem fehlt mir etwas, das deine Texte normalerweise enthalten, jedenfalls passagenweise, nämlich eine gewisse Leichtigkeit. Mag sein, dass dieser Eindruck am Setting liegt, am Thema, das man (ich) schon sattsam verfolgt habe: Bergbau, Ausbeutung, Scheinheiligkeit.
Aber auch die Last der Symbole, die der Text enthält, beschwert ihn: Rabe, Blau (wozu eigentlich blau, wozu eigentlich Rabe, löst sich das auf?)
Und noch was zum Lapislazuliblau: das uneingelöste Glüchsversprechen der Farbsymbolik wird ein wenig beliebig, bzw, erwartbar durch ein Grubenunglück dekonstruiert. Bei solchen Symbolen hätte ich mir mystischer Elemente gewünscht.
Sind bloß ein paar Gedanken, angesichts eines Textes, den ich sicher ein zweites oder drittes Mal lesen werde.

Paar Stellen:

Schaute nicht auf Fuß und Schiene, sondern raus auf die Ebene. Als wollte ich den Horizont vor mir per ausgleichender Kraft erreichen.
feine Symbolik, den Ausgleich finden durch Balancieren, Einklang
Ich war nicht arm. Ich trug Weiß. Blaues, dreckiges Weiß. Recht hell.
schöne Stelle
Ich hörte Zinktüren aufschlagen, schnelles Treten von Sandalen im blauen Staub.
ab hier wird es mir zu viel mit dem Blau, das klingt dann so, als wolle der Erzähler die Metapher im Gedächtnis des Lesers einprägen
„Das ist richtig, dass du dich nicht so fühlst“, antworteten sie freundlich, mit einem Huch-du-armes-Kind und Ich-will-gut-sein in Stimme und Ausdruck.
diese Stelle hat dann Leichtigkeit, finde ich
Ein Gesicht wie nach einer guten Mahlzeit. Sie sollten ekliger essen. Fermentierten Fisch. Rohes Fleisch. Rabe. Eine trug versehentlich einen Lapislazuli-Anhänger. Lustig.
Was ist gegen Fisch einzuwenden, oder Sushi, mm?
Ich lächelte. Sie lächelte nicht. Sie machte ihren Job ja ganz gut, wenn auch etwas unsicher für eine Psychologin aus der Hauptstadt. Ihr fehlte der Drive, der Mut, aktiv zu hassen, sie mochte das nicht und das war ihr Fehler.
mm, wie soll das Mädchen denn in der Lage sein, eine Psychologin aus der Hauptstadt mit anderen zu vergleichen, kauf ich ihr nicht ab
manche mit einem blauen Röhrchen aus dem Hals.
okay, auch noch ein blaues Röhrchen
Ich versuche Vaters Vornamen und meinen Nachnamen zu erkennen, der Direktor versperrte die Sicht.
den Schluss mag ich sehr

viele Grüße aus dem blaufernen Tag
Isegrims

 

Hallo @Isegrims :-)

vielen Dank für Deinen Kommentar und vielen Dank für das Lesen der Geschichte.

Der Text ist schon stark, sehr dicht und sprachlich fein. Trotzdem fehlt mir etwas, das deine Texte normalerweise enthalten, jedenfalls passagenweise, nämlich eine gewisse Leichtigkeit.
Als ich das las, dachte ich: Krass, hätte gar nicht gedacht, dass in den Texten eine Leichtigkeit enthalten ist. Aber schön, dass du das so siehst. Hat mich aber tatsächlich verblüfft.
Aber auch die Last der Symbole, die der Text enthält, beschwert ihn: Rabe, Blau (wozu eigentlich blau, wozu eigentlich Rabe, löst sich das auf?)
Das ist gut beschrieben, das klingt nach Statik, nach dem Grundgerüst eines Texts. Die Symbolik und der Rabe tragen zu viel Last. Ja, hier kann ich nur auf die Überarbeitung verweisen. Ich bin da noch etwas zurückhaltend, was konkrete Erweiterung angeht, danke für den Hinweis.
Und noch was zum Lapislazuliblau: das uneingelöste Glüchsversprechen der Farbsymbolik wird ein wenig beliebig, bzw, erwartbar durch ein Grubenunglück dekonstruiert. Bei solchen Symbolen hätte ich mir mystischer Elemente gewünscht.
Mit Glück habe ich tatsächlich Lapislazuli gar nicht assoziiert. Eher mit einem sehr tiefen Blau, mehr nicht. Da war ich recht profan.

„Das ist richtig, dass du dich nicht so fühlst“, antworteten sie freundlich, mit einem Huch-du-armes-Kind und Ich-will-gut-sein in Stimme und Ausdruck.
diese Stelle hat dann Leichtigkeit, finde ich
Ich glaube, ich verstehe, was du mit Leichtigkeit meinst. Leichtigkeit im Sinne einer "Unmittelbarkeit"?
Ich lächelte. Sie lächelte nicht. Sie machte ihren Job ja ganz gut, wenn auch etwas unsicher für eine Psychologin aus der Hauptstadt. Ihr fehlte der Drive, der Mut, aktiv zu hassen, sie mochte das nicht und das war ihr Fehler.
mm, wie soll das Mädchen denn in der Lage sein, eine Psychologin aus der Hauptstadt mit anderen zu vergleichen, kauf ich ihr nicht ab
Leider verstehe ich dich nicht ganz - auf was bezieht sich dein Vergleich? Oder anders gesagt, auf welche Ebene? Andere Menschen, andere Psychologen, andere Psychologen aus der Hauptstadt? Ich hatte mir das auf alle Menschen gedacht. Vielleicht muss das stärker betont werden.

Lieber @Isegrims, vielen Dank für das Lesen und das Kommentieren. Ich hatte die letzten Tage recht viele Schichten, jetzt entspannt es sich wieder, deswegen gelang mir eine Überarbeitung noch nicht. Merci :-) Gruß in den Taunus

kiroly

 

Hallo @linktofink :-)

Ich hatte dir auf deinen inhaltlichen Vorschlag noch nicht geantwortet! Jetzt tue ich das :-D Mir fällt es nicht leicht, darauf zu antworten. Aus zwei Gründen:

1. Ohne Honig um den Bart zu schmieren, schätze ich deine Kommentare sehr und sie rücken einen Text auf eine grundlegendere Ebene, sie reduzieren ihn auf eine logische Statik. Andererseits war das nie mein Standort, von dem ich auf ein Thema blicke, ich glaube, ich bin da vager, undeutlicher, psychologischer. Mir hilft das sehr, @linktofink, weil dein Ansatz mir hilft, eine Vorstellung aus dem Kopf in Text umzusetzen, Mut zur Kante und Kontur, zum Verständnis. Ich habe nur immer Sorge, dass die eigene, subjektive Plausibilität mit empfundener Logik verwechselt wird. Also, das Subjektive ist für einen selbst nichts anderes als das Rationale (kann man mich verstehen?). Ich glaube, du baust eher Texte. Du siehst die großen Linien, auf denen das Gewölbe getragen wird. Ich bin da (noch) anders, ich fange an und gucke mal, was so passiert, es sollte nur irgendwie passen. Dazu später mehr.

2. Der Vorschlag greift inhaltlich sehr weit hinein, ich weiß nicht, ob dass dann eher ein linktofink denn ein kiroly wird.

So wäre ihre Distanziertheit, ihr ver-rückter(im Wortsinn) Standort in den Maßnahmen der Opferhilfe nachfühlbar. Sie passt nicht in das System, allein begründet durch ihre Natur, nicht durch altkluge Arroganz. Sie wäre eine Suchende nach sich selbst, nach dem, was in ihr ist, keine Blockierende.

Vielleicht lese ich das auch falsch und interpretiere ich auch falsch, aber ich lese hier vor allem dein Unverständnis einer Blockadehaltung oder eines (schön!) ver-rückten Standorts zu Maßnahmen der Opferhilfe. Möglicherweise hattest du einen Gedanken wie Hä, ihr wird so sehr geholfen und sie checkt das nicht, sie ist so undankbar. Das scheint ein Knoten zu sein, denn du nicht lösen kannst. Mir erscheint das zu rational und logisch gedacht. Seltsamerweise erging es mir genau anders herum. Ich konnte Lea sehr, sehr gut verstehen (gut, ich war ja der Schreiber^^). Sie wird aus der Situation ins Passive gedrückt. Klar, das weißt du ja, aber mehr habe ich gar nicht gedacht. Ich erwarte von Lea weder Dankbarkeit noch Akzeptanz für die LAPAL-Opferhilfe. Vielleicht mag hier meine Arbeitserfahrung - das ist eine arrogante Position, ich weiß - einen Einfluss haben, ich erwarte weder Danke noch Bitte von Menschen, denen geholfen wird. Nicht, weil ich abgestumpft bin, sondern weil viele Menschen auf einen einzigen Aspekt einer Situation fokussieren, der ihr Selbstbild angreift. Das ist oft schwer aushaltbar, besonders für die Angehörigen, aber eben ... psychologisch realistisch. Bei Lea ist das die Autonomie, die Stärke, wie sie sich selbst betrachtet. Ich versuche, die Geschichte ja aus Leas Sicht zu schreiben.

Dennoch: Das werde ich nach dem 16. März nochmal verbessern wollen. Aus deinem Kommentar nehme ich mit, eine grundlegende Linie zu verfassen, wie eine Geschichte sein kann.

Einschub: Inhaltlich wollte ich während der Abstimmungsphase nichts ändern. Oder anders gesagt: Mir erscheint es seltsam, dass jemand am 13. März einen inhaltlich anders gewichteten Text liest als jemand am 3. März und beide dürfen noch abstimmen. Ich denke, das verletzt auch die Fairness, nicht jeder hat so viele Kommentare samt Vorschlägen erhalten wie dieser Text. Vielleicht bin ich da aber überstreng. Privates: Das Bild von Wettbewerb hat mir mein Vater noch vermittelt. Back- und Konditorwettbewerbe, beste Nussschnecken oder bestes Fettgebäck. Da wurde sogar auf exakt gleiche Lichtverhältnisse - abgezählte LEDs oder Glühlämpchen in der Auslage - geachtet, damit die Jury zu einem validen Urteil gelangt. Hinter dem Backprodukt durfte niemand stehen, um die Jury nicht zu beeinflussen. Die Jurymitglieder durften während der Begutachtung nicht reden und ausschließlich anhand vorgefertigter Kriterien eine Liste abarbeiten. Gut, vielleicht bin ich wirklich etwas sehr streng, aber hier geht es um Fairness und, puh, das trifft eine meiner moralischen Schlagadern. Aber ich mochte den Ernst, mit dem ein Backwettbewerb stattfindet, der sehr bewusste Ernst für das Detail, der aus dem Respekt vor Arbeit entstanden ist.

Flusenlese während der Abstimmungsphase fände ich in Ordnung. Obwohl ich schon damit Probleme habe (und mich nicht daran gehalten habe).

Ende des Einschubs

Merci :-)
Lg aus Leipzig
kiroly

 

Lieber @kiroly,

Der Vorschlag greift inhaltlich sehr weit hinein, ich weiß nicht, ob dass dann eher ein linktofink denn ein kiroly wird.
NEIN, kiroly, ein linktofink sollte das keinesfalls werden (bloß nicht :D). Ich hab halt eine sehr direkte Art, mich dazwischen zu fummeln, Dinge vorzuschlagen, das ist immer nur als Anregung gedacht, nie als Anweisung und ich mach das nur solange, bis die Leute stopp sagen. Das Stopp habe ich also jetzt gehört. :Pfeif:

Ich glaube, mein Unverständnis rührte auch daher, dass ich die Prota auf 10 - max. 14 Jahre geschätzt hatte und ich diese Kaltschnäuzigkeit mit dem Alter nicht übereinbrachte. Das hatte für mich schon fast psychopatische Züge, sich gefühllos über alles und jeden zu erheben. Nur um das entsprechend einzubetten, hatte ich mit dieser Rabenidee versucht, das einzubetten in eine Vorstellung einer anderen Daseinsform (und um dem Rabenbild Substanz zu geben) Aber gut, die meisten anderen haben es im gedachten Sinne als Selbstschutz gelesen, als durch die Ereignisse ins Passiv geworfenes Wesen, also alles gut.

Zu den Änderungen vor dem 16.03. aus Gründen der Fairness: Ich glaube tatsächlich, das siehst Du zu eng, lieber kiroly, viele haben massiv geändert, Carlo Zwei, Habentus, MRG, Silvita, Nicolajewitsch, YouWillKnowMe, ich selbst auch ein wenig, um nur die zu nennen, die mir ohne groß nachzudenken einfallen. Okay, viele Änderungen lagen vielleicht nicht bei allen im Abstimmungszeitraum, aber Textarbeit inkl. Änderungen ist ausdrücklich erlaubt und gewünscht, das wissen auch die, die schon abgestimmt haben. Sie hätten ja noch bis zum 15.03. abends warten können, nicht wahr? ;) Ich denke, so streng wie bei den Bäckern und Konditoren müssen und sollten wir es nicht handhaben.

Liebe Grüße, peace, l2f

 

Lieber @kiroly,

Der Vorschlag greift inhaltlich sehr weit hinein, ich weiß nicht, ob dass dann eher ein linktofink denn ein kiroly wird.
NEIN, kiroly, ein linktofink sollte das keinesfalls werden (bloß nicht :D). Ich hab halt eine sehr direkte Art, mich dazwischen zu fummeln, Dinge vorzuschlagen, das ist immer nur als Anregung gedacht, nie als Anweisung und ich mach das nur solange, bis die Leute stopp sagen. Das Stopp habe ich also jetzt gehört. :Pfeif:

Ich glaube, mein Unverständnis rührte auch daher, dass ich die Prota auf 10 - max. 14 Jahre geschätzt hatte und ich diese Kaltschnäuzigkeit mit dem Alter nicht übereinbrachte. Das hatte für mich schon fast psychopatische Züge, sich gefühllos über alles und jeden zu erheben. Nur um das entsprechend einzubetten, hatte ich mit dieser Rabenidee versucht, das einzubetten in eine Vorstellung einer anderen Daseinsform (und um dem Rabenbild Substanz zu geben) Aber gut, die meisten anderen haben es im gedachten Sinne als Selbstschutz gelesen, als durch die Ereignisse ins Passiv geworfenes Wesen, also alles gut.

Zu den Änderungen vor dem 16.03. aus Gründen der Fairness: Ich glaube tatsächlich, das siehst Du zu eng, lieber kiroly, viele haben massiv geändert, Carlo Zwei, Habentus, MRG, Silvita, Nicolajewitsch, YouWillKnowMe, ich selbst auch ein wenig, um nur die zu nennen, die mir ohne groß nachzudenken einfallen. Okay, viele Änderungen lagen vielleicht nicht bei allen im Abstimmungszeitraum, aber Textarbeit inkl. Änderungen ist ausdrücklich erlaubt und gewünscht, das wissen auch die, die schon abgestimmt haben. Sie hätten ja noch bis zum 15.03. abends warten können, nicht wahr? ;) Ich denke, so streng wie bei den Bäckern und Konditoren müssen und sollten wir es nicht handhaben.

Liebe Grüße, peace, l2f

 

Hey @kiroly,

ich hab den Text sehr gerne gelesen, ich mag den Schreibstil, den Sound, allerdings haben mich auch zwei Dinge gestört. Was mir gut gefallen hat am Text war das Seltsame (im Sinne des Tags), das "Mystische", auch der kecke Erzählton/die kecke Wesensart deiner Protagonistin und das fast märchenhafte Setting mit dem blauen Staub überall und der ansonsten postsowjetischen Tristesse. Ich mag auch, wie der Text in seiner Kürze eine relativ große Zeitspanne aufgreift und versucht, sie zu erzählen. Also, mir gefällt wirklich viel am Text, versteh mich nicht falsch.

Ich weiß nicht, ob ich dem Text damit gerecht werde, aber die emotionale Connection zu deiner Protagonistin hat mir ein wenig gefehlt - was denkt sie wirklich über ihren Vater? Über den Todesfall? Wie äußert sich die Trauer und der Verlust in ihrem Leben? Spürt sie denn keine Schwere oder irgendetwas? Oder habe ich etwas überlesen?

Guter Tag. Bin zufrieden.
Deine Prot ist keck und cool, davon bin ich Fan; aber sie ist zu cool, und zwar so cool, dass sie mich nicht in sie hineinblicken lässt. Wie gesagt, ich bin Fan deiner Prot, aber irgendwann muss ich auch in sie hineinblicken können oder zumindest emotional ein wenig mehr geschüttelt werden, was den Todesfall angeht, meiner Meinung und meinem persönlichen Geschmack nach. Ich spüre hier zu wenig Traurigkeit oder im Allgemeinen zu wenig Reaktion auf den Stollenunfall, um den es ja in der Geschichte eigentlich geht.
Wenn du genau damit spielen möchtest in dem Text, dass der Todesfall deine Protagonistin ungewöhnlich kalt lässt, dass sie jeder fragt: Bist du nicht traurig? Und sie ehrlich sagt: Nee, bin ich nicht! Also, wenn das Kecke und Unverwüstliche das Außergewöhnliche deiner Prot ist, würde ich das noch ein wenig mehr klarstellen und vllt. noch eine Situation konstruieren, in der das stark herauskommt. So nehme ich deiner Prot vieles ab, aber nicht, dass ihr der Todesfall nichts ausmacht. Ich sehe da eine Menge Abwehrmechanismen. Oder vielleicht ist die Traurigkeit so unterschwellig kommuniziert, dass ich sie nicht gesehen habe und es liegt an mir.

Was ich noch sagen muss, und ich möchte da kein Spielverderber sein, aber ich finde, es reduziert die Qualität des Textes ein wenig unnötig, dass Lapislazuli-Bergwerke nicht akkurat dargestellt wurden. Also, dass da ein Recherchefehler vorliegt. Ich laste dir das jetzt nicht schwer an, aber wenn du mit dem Text außerhalb des Forums etwas machen wollen würdest, würde ich entweder das Lapislazuli in ein fiktives Material ändern oder das anderweitig zu lösen versuchen.

Als wollte ich den Horizont vor mir per ausgleichender Kraft erreichen.
Wie kann man den Horizont denn mit "ausgleichender Kraft" erreichen? Ich checke den Satz nicht :D

Ihr fehlte der Drive, der Mut, aktiv zu hassen, sie mochte das nicht und das war ihr Fehler.
:D Erinnert mich an die gute maria.meerhaba.

Falls ich was überlesen habe oder du der Meinung bist, ich habe evtl. Stellen falsch verstanden, sag gerne auch Bescheid.

Gerne gelesen!

Viele Grüße
zigga

 

Hallo @zigga :-)
Vielen Dank für deinen Besuch und die Einschätzung zum Text!

Ich spüre hier zu wenig Traurigkeit oder im Allgemeinen zu wenig Reaktion auf den Stollenunfall, um den es ja in der Geschichte eigentlich geht.

Das ist der Kritikpunkt, den fast jede und jeder angesprochen hat und den ich auch nachvollziehen kann. Ändern möchte ich das noch; ich habe auch schon einige Ideen, auch wenn mir das Überarbeiten oft sehr, sehr schwer fällt. Da stehe ich mir selbst im Weg. Wahrscheinlich wird das erst etwas nach der Abstimmungs-Deadline, auch aus Gründen der Fairness (wobei linktofink meinte, ich sehe das zu streng^^).

Was ich noch sagen muss, und ich möchte da kein Spielverderber sein, aber ich finde, es reduziert die Qualität des Textes ein wenig unnötig, dass Lapislazuli-Bergwerke nicht akkurat dargestellt wurden.

Ja, das hat auch Peeperkorn kritisiert. Ist tatsächlich "in die Challenge geschummelt". Man hätte eher mit blauem Licht arbeiten können denn mit einem blauen Staub, der ja in Lapislazuli-Steinbrüchen braun und grau, höchstens blassblau wirkt. Mir ist auch bewusst, dass das unsauber ist. Ich habe es so akzeptiert. Klar, man kann das jetzt als mangelnde Mühe sehen, aber mir erschien das beim Schreiben einfach nicht wichtig, ein Lapislazuli-Werk korrekt
darzustellen. Hm, ich denke, ich würde außerhalb der Challenge gar kein Material erwähnen. Die Verarbeitungsprozesse von Mineralerzen ändern sich, die letzten 50 Jahre haben eine bunte Kollektion an technisch überformten Landschaften entstehen lassen, dass es fast beliebig wirkt und aus dieser Beliebigkeit des Laien schöpfe ich die Plausibilität von blauen Landschaften. Aber dann ohne Material, sonst wird's seltsam und blöd. Aber an eine weitere Verwertung der Geschichte habe ich, naiverweise, gar nicht gedacht. Ich hatte einen kindlichen Ansatz, einfach die fünf Wörter in eine Story packen.

Ausgleichende Kraft - da dachte ich an das Balancieren, mehr nicht.

Vielen Dank für Deine Einschätzung :)

LG, heute aus Dresden
kiroly

 

Ein Rabe setzte sich auf das Bergwerk.
Zweimal schlug er mit den Flügen.
Die Räder des Förderturms standen still.​

Ihr fehlte der Drive, der Mut, aktiv zu hassen, sie mochte das nicht und das war ihr Fehler.

Krähenvögeln wird die Intelligenz zumindest unserer behaarten Vettern, den „Menschen“affen nachgesagt und nicht grundlos wählte Odin Kolkraben wie Hugin (mutmaßlich abgeleitet von huga, „denken“) und Munin (von „erinnern“, muna, zu denken taugt nix, wenn das Gedächtnis versagt) zu Ratgebern, vor allem aber zeigen alle Krähenvögel Parallelen „menschlicher“ Züge auf - was sich bis in Allgemeinplätze wie "eine Kräher hackt der andern kein Auge aus" niederschlägt – sie leben in sozialen Verbänden und für den Kolkraben (ob für alle Krähen weiß ich nicht) gilt, dass ein Paar ein Leben lang zusammen bleibt – Monogamie, dass es erstaunt, dass hartherzige, lieblose Eltern, die sich nicht um ihre Kinder kümmern, „Rabeneltern“ genannt werden … also auch der „Rabenvater“.

Dass im Falle eines Rabenvaters der Sohn sein „Gleichgewicht“ finden muss, leuchtet ein. Was nicht einleuchtet ist der m. E. Fehlschluss

Als Vater starb, trainierte ich mein Gleichgewicht. Fuß um Fuß auf der dünnen Schiene, war Profi. Schaute nicht auf Fuß und Schiene, sondern raus auf die Ebene.
Verdient nicht i. d. R. ein Profi seinen Lebensunterhalt mit seiner Fähigkeit, „sein Gleichgewicht“ zu finden und vor allem im Gleichgewicht zu bleiben?

Dieses Blatt wird reichen. Ich werde es einfach in zwei Blätter teilen.
Aber plötzlich taucht der Name „Lea“ auf und ich denk an den Gründungsmythos der Kinder Israel, wenn Jakob im aramäischen Hause Laban, dem Schwager Isaaks, die jüngere Tochter Rahel als Lohn für seine Arbeit begehrt, aber die ältere – „Lea“ – traditionell zuerst vergeben sein muss …

Halt ein Erklärungsversuch von mir für den „Rabenvater“, wenn die Geliebte zwei, die ungeliebte Frau aber zehn Kinder gebiert (ich vereinfache, den genauen Wortlaut kann jeder in der Genesis nachlesen in Genesis 24 ff.) Wie alle große Kunst kommt der Erzähler der Bücher Mosis mit Andeutungen aus ...

Neben dem "Flügel" im einleitenden Zitat ist im folgenden die Zeit ein wenig durcheinandergekommen

Ich versuche Vaters Vornamen und meinen Nachnamen zu erkennen, der Direktor versperrte die Sicht. Ein leichter Wind weht und facht ein ewiges Feuer in einer Stahlschale an.

However - gern gelesen vom

Friedel -
der noch ein schönes Wochenende wünscht, und ich mag Sturm, solange mir weder Ast noch Ziegel auf den Kopf fallen ...

 

Mensch @Friedrichard :-)

erst jetzt fällt mir Dein Kommentar auf. Und auch diesen ur-dämlichen Fehler im Eingangszitat. Flügen. Gruselig. Betriebsblindheit.

Merci für das Kommentieren und die, immerhin kurze Flusenlese. Der Hinweis auf den Profi-Fehlschluss, ich habe ihn korrigiert.

Aber plötzlich taucht der Name „Lea“ auf und ich denk an den Gründungsmythos der Kinder Israel, wenn Jakob im aramäischen Hause Laban, dem Schwager Isaaks, die jüngere Tochter Rahel als Lohn für seine Arbeit begehrt, aber die ältere – „Lea“ – traditionell zuerst vergeben sein muss …
Vielen Dank für das Herausfinden einer von mir ins Unterbewusstsein verschobenen Begründung für den Titel, die ich trotz kognitiver Anstrengung verschüttet hatte^^. Ironie beiseite, ich lese gerade die Jakobsbücher von Olga Tokarczuk und verlor in der Vielfalt an Inhalten aus Tora und Altem Testament den inhaltlichen Grund, so informierte ich mich und dachte, hm, da ist also ist die Lea, eine Assoziation zum Rabenvater fand ich nicht. Die präsentierst du hier. Vielen, vielen Dank, ich gebe zu, ich hänge sehr am Titel. Lea als biblische Gestalt und nicht als nett klingender Vorname in internationaler Gegenwart, kurz, doppelt so viele Vokale wie Konsonanten, leicht zu schreiben in vielen Sprachen, deine Idee nehme ich für die Überarbeitung auf, ich sammle. Ich wollte die Geschichte deutlich erweitern, eine kleine Serie aus drei Teilen wird es werden.

Friedrichard, vielen, vielen Dank. Gruß aus dem Münsterland. Beliebtes Münsterland-Randthema, der Ruhrpöttler mit Eis an Burg Vischering.

Lg
kiroly

 

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