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Rachel

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16.03.2008
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Rachel

Rachel

Jimmy kickte einen Stein gegen eine Mauer, der in viele kleine Stücke zerbrach und zu Boden fiel. Das Geräusch war eine Wohltat in dieser schrecklichen Stille, die fast greifbar war. Leichter Nieselregen war aufgezogen, und die Luft wurde immer kühler.
Er lehnte lässig an einem Mauerrest und versuchte nachzudenken, doch es war nicht leicht. Jimmy zog an seiner Zigarette. Sein Motorrad stand ein ganzes Stück von der Ruine entfernt auf dem Parkplatz, in Sicherheit. Der Gedanke an die Maschine beruhigte ihn ein wenig.

Er brauchte viel Zeit um seine Gedanken zu ordnen und um zu entscheiden, was er als nächstes tun sollte. Es war immer noch ungewohnt für ihn, intensiv über etwas nachzudenken. Erst seit er Rachel kennen gelernt hatte und sich ein paar Mal mit ihr unterhalten hatte dämmerte es ihm, dass es außer trinken, rauchen, Fußballtraining, Hardrock und mit den Kumpels rumhängen auch noch andere Sachen im Leben gab, denen man seine Aufmerksamkeit schenken sollte. Und dieser Ort machte das Nachdenken noch schwerer.

Rachel war total anders als alle Mädchen, mit denen Jimmy bis jetzt zusammen gewesen war. Sie war gebildet, belesen und hatte ihre eigenen Ansichten zu allem, was in der Welt geschah. Und sie war wunderschön. Ihre Augen faszinierten ihn am meisten.
Sie war erst vor ein paar Wochen hierher gezogen, und hatte ihn auf dem Schulhof einfach so angesprochen, ob er ihr nicht ein wenig die Gegend zeigen könne. Jimmy war ziemlich überrascht gewesen, dass Rachels Wahl auf ihn, einen Außenseiter, und nicht auf seinen jüngeren Bruder Gerald gefallen war, der mit seinem Charme, seinen ausgezeichneten Schulnoten und seinem einnehmenden Lächeln der erklärte Mädchenschwarm der Schule war. Außerdem war er der Quarterback der Footballschulmannschaft, und nach jedem Spiel hatte er eine neue Freundin. Jimmy dagegen zog den ausländischen Fußball den heimischen Sportarten vor, seit er im Satellitenfernsehen eine Übertragung aus Deutschland gesehen hatte, doch seine Leistungen waren nur mittelmäßig. Auch seine anderen Schulnoten waren nicht gerade berauschend, obwohl er sich in letzter Zeit mehr anstrengte.
Seit er Rachel zum ersten Mal getroffen hatte, schien er selbst sich zu verändern, z.B. dachte er mehr als jemals in seinem Leben über Dinge wie Politik, Religion, das Leben im Allgemeinen nach. Nicht, dass irgendjemand in der Schule oder seiner Familie dies bisher bemerkt hatte, nicht solang Gerald da war und alle Aufmerksamkeit für sich beanspruchte.
Doch das war ihm ganz recht, so konnte er sich ungestört mit Rachel treffen und sie besser kennen lernen. Dies bedeutete, dass sie erst über Dinge wie die französische Revolution oder die beiden Weltkriege sprachen (was sich bei Rachel immer so anhörte, als wäre sie bei allen Ereignissen dabei gewesen), sich dann aber ausgiebig dem Erkundschaften ihrer Körper widmeten. Und Rachels Körper war phantastisch!
Gestern hatte Jimmy Rachel zum ersten Mal mit seinem Bike auf eine Spritztour mitgenommen, was er bisher keiner seiner Freundinnen angeboten hatte. Obwohl sie noch neu hier war, hatte Rachel den Weg zu dieser seltsamen Ruine gefunden. Auf ihren Wunsch hin hatte er auf einem Waldweg geparkt, und den Rest des Weges zusammen mit ihr zu Fuß bewältigt, ebenfalls eine relativ neue Erfahrung für ihn (zu Fuß gehen war was für Verlierer, und Jimmy war kein Verlierer sondern ein Einzelgänger, zumindest dachte er selbst so von sich). Rachels Kondition war viel besser als seine, trotz seines regelmäßigen Trainings. Sie hatte den stetig ansteigenden Weg mühelos bis zum Gipfel des Hügels bewältigt, während ihm schon nach 20 Minuten die Luft ausgegangen war. Doch vor einem Mädchen konnte er sich absolut keine Blöße geben und hatte alle Kraftreserven mobilisiert. Oben angekommen, hatte er vorgegeben, die Ruine auszukundschaften, in Wirklichkeit hatte er sich außer Sichtweite an eine Mauer gelehnt und 5 Minuten hart geatmet, bis sich sein Herzschlag wieder beruhigt hatte.

Und kaum, als er sich erholt hatte, hatte es angefangen.
Er fühlte sich beobachtet, wie eine Maus in der Falle. Er konnte den Blick spüren, drehte sich nach allen Seiten um, doch er war allein.
Ganz allein, wie er plötzlich feststellen musste.
Rachel war verschwunden!
Er rief nach ihr, suchte in den herumliegenden Mauertrümmern, fürchtete, sie verletzt zu finden, doch er fand gar nichts, keine Haarspange, kein Kleidungsstück, nichts.
Er hielt ungefähr 2 Stunden durch, bis das Gefühl, trotz der anhaltenden Stille nicht allein zu sein, einfach nicht mehr zu ertragen war. Panisch lief er den Weg zurück zu seinem Bike, je dunkler der Himmel mit einem Mal wurde, desto schneller rannte Jimmy den Hügel hinunter. Seine Gedanken rasten. Hilfe holen kam nicht in Frage, man würde ihn entweder für einen Schwächling halten, oder ihn verdächtigen, Rachel etwas angetan zu haben. Der Sheriff hatte ihn seit einem Einbruchsversuch in den Drugstore, den man ihm aber nicht nachweisen konnte, sowieso schon mehr beobachtet, als ihm lieb sein konnte.

Er fuhr ohne Umwege nach Hause, verstaute sein Bike in der Garage, rannte ins Haus und schloss zum ersten Mal in seinem ganzen Leben seine Zimmertüre ab, nur um sicher zu gehen. Er kontrollierte, ob auch das Fenster verschlossen war, legte sich ins Bett und widerstand nur mit Mühe dem Impuls die Decke über den Kopf zu ziehen.
Er schlief sehr schlecht, seltsame wirre Träume von Rachel, die um Hilfe schrie während sie in ein dunkles Loch gezogen wurde, von einem Paar großer, kalter Augen, die ihn anstarrten, von einer Stimme, die ihn rief, und schließlich wieder von Rachel, deren Gesicht plötzlich zu zerfließen schien, brachten ihn um den Schlaf.

Am nächsten Morgen kannte er nur ein Ziel: Die Ruine. Obwohl eine innere Stimme ihn mahnte, nicht wieder zu diesem Ort zu fahren
(den er trotz seiner langen Erkundungstouren mit dem Bike noch nie vorher gesehen hatte), machte er sich nach einem hastigen Frühstück sofort wieder auf den Weg. Schließlich war er als Letzter mit Rachel zusammen gewesen, und nicht nur der Sheriff würde ihn ins Visier nehmen, sobald ihr Verschwinden bekannt werden würde. Er war verantwortlich für sie, für ihr Leben, soviel war ihm klar.

Er warf die Zigarette auf den Boden und drückte sie aus. Es waren schon wieder fast 3 Stunden seit seiner Ankunft vergangen und er hatte Rachel nicht gefunden. Jimmy war sich ganz sicher, dass nur er allein Rachel finden konnte, es hätte keinen Sinn gemacht, Verstärkung zu holen. Es war totenstill, und wieder lastete dieser Blick auf ihm. Mit jeder Minute wurde das Gefühl wieder stärker.
Er verzweifelte langsam. Überall hatte er gesucht, war sogar ein kleines Stück in Richtung Wald gelaufen, aber auch dort war keine Spur von Rachel gewesen. Er drehte sich um und blickte auf das Haus, oder vielmehr den Rest davon. Es musste einmal ein großes stattliches Herrenhaus gewesen sein, jetzt war es nur noch ein Haufen Schutt. Jimmy beschloss, seine Suche noch auf das Innere auszudehnen, soweit dies überhaupt noch möglich war.
Vorsichtig betrat er den Eingangsbereich, einen ehemals großen Salon oder so etwas, jetzt nur noch ein löchriger Boden, mit einem ebenfalls löchrigen Dach darüber. Je weiter er in das Haus vordrang, desto dunkler wurde es. Und doch konnte er an der gegenüberliegenden Wand einen Kamin erkennen, vor dem sogar noch ein alter Ledersessel stand. Es roch muffig, nach Schutt, Staub, und noch etwas anderem, dass er nicht beschreiben konnte.
Plötzlich meinte er, trotz dieses üblen Geruchs Rachels Parfüm riechen zu können, was natürlich kompletter Unsinn war. Aber jetzt war er sich ganz sicher, dass Rachel hier war. Wieder schien eine Stimme ihn zu rufen, und während sein Körper immer weiter in die Dunkelheit vordrang, hörte er seine Seele innerlich schreien. Doch er wusste, dass er nicht umkehren würde.
Er war fast beim Kamin angekommen, als ihm plötzlich der Atem stockte und sein Herz auszusetzen schien: in dem fast vermoderten Sessel saß – etwas.
Dieses Etwas trug Rachels Kleider.
Diese Etwas roch nach Rachels Parfüm.
Er stöhnte unwillkürlich. Das konnte unmöglich wahr sein. Das konnte nicht Rachel sein!
Er schaute noch mal hin, doch er konnte den Anblick ihres Gesichts nicht ertragen, auch nicht den Gestank ihres schon vor Jahrhunderten gestorbenen Körpers. Jimmy schloss die Augen und wich unwillkürlich zurück. Weit kam er nicht.
Das letzte, was er fühlte, war, dass sein linkes Hosenbein nass wurde, als er sich in die Hose machte, die unglaublich widerliche Berührung von einer vermoderten Hand, die ihn am Hals packte und ihn runter zog und der faule, tote Atemhauch, als Rachel ein letztes Mal seinen Namen rief.

 

Hallo Träumerle,

das ist ja keine sehr neue Idee für eine Horrorgeschichte. Dadurch war es ziemlich vorhersehbar. Spätestens hier:

Dies bedeutete, dass sie erst über Dinge wie die französische Revolution oder die beiden Weltkriege sprachen (was sich bei Rachel immer so anhörte, als wäre sie bei allen Ereignissen dabei gewesen)

war mir klar, was es mit der Rachel auf sich hat. :)

Das macht erst mal nichts, wirklich neue Ideen gibt's ja ohnehin kaum, aber trotzdem finde ich, wenn man eine derart "klassische" Geschichte erzählt - Protagonist lernt jemanden kennen, verliebt sich, es stellt sich heraus dass geliebter Mensch seit Jahren tot ist - dann muss man sich mehr Mühe geben, damit sich der Leser wenigstens mit den Protagonisten identifiziert. Jimmy und Rachel wirken auf mich aber zu austauschbar, als dass ich Mitgefühl für sie entwickeln könnte.
Du beschreibst den Handlungsablauf, aber mir fällt es sehr schwer, mich da hineinzuversetzen. Erst stellst du uns Jimmy und sein Umfeld ein bisschen vor, führst Rachel ein, dann fahren sie zu dieser Ruine, Rachel verschwindet, dann sucht er sie ... und schließlich findet er sie. Das ist im Prinzip ein guter Aufbau für die Geschichte, da wird die Spannung gesteigert ... leider ist in deiner Geschichte nicht viel Spannung da, die gesteigert werden könnte.
Der Anfang ist für mich eher langweilig. Da frage ich mich wieder einmal, warum so viele deutsche Autoren meinen, ihre Geschichten müssten unbedingt in Amerika spielen, in diesem unendlich langweiligen und klischeehaften Highschool-Milieu mit den Sportlern und Cheerleadern auf der einen und den uncoolen Außenseitern auf der anderen Seite. Grade bei so einer Spuk-Geschichte ... Europa hat doch eine viel längere Geschichte und viel mehr gruselige Ruinen zu bieten :p
Aber wenn du denkst, dass dieses US-Teeniefilm-Setting unbedingt erforderlich ist für die Geschichte, würde ich dir empfehlen, den Anfang wenigstens lebendiger zu machen, mehr "show don't tell". Zum Beispiel das mit Jimmys Bruder - das könntest du an einem Dialog zwischen den beiden zeigen. Oder dass diese Rachel so furchtbar schön und ach so schlau ist - das würde ich dir viel eher abkaufen, wenn du zum Beispiel mal zeigst, wie sie und Jimmy miteinander reden, oder wenn es eine Szene gäbe, in der sie mit anderen interagiert, damit ich einen Vergleich habe zwischen ihr und den oberflächlichen, unbelesenen anderen Mädchen.

Den Teil, wo er sie in der Ruine sucht, fand ich zu schnell abgehandelt. Das ist zwar eine beängstigende Situation, wenn ein Mensch, der grade noch da war, plötzlich spurlos verschwindet, aber wenn du das einfach nur hinschreibst, "er suchte sie zwei Stunden lang, dann gab er auf und verließ den Hügel" dann kommt da überhaupt keine Atmosphäre auf. Wie kommt es denn zum Beispiel, dass er sich beobachtet fühlt? Hört er vielleicht Geräusche? (leises Lachen, dass wie das von Rachel klingt und immer verstummt, wenn er sich umdreht, würde sich zum Beispiel anbieten ;))

Das Ende schließlich kommt zu unvermittelt. Da frage ich mich: Was treibt ein seit langem totes Mädchen dazu, an eine amerikanische Highschool zu gehen und sich dort einen Freund zu suchen, den sie dann ins Verderben reißen kann? Klar, es ist eine Geistergeschichte, aber so eine gewisse innere Logik, irgendein Motiv (Jimmy sieht aus wie der Geliebte, wegen dem sie damals in den Tod ging, oder er ist ein Nachfahre von dem, oder irgendsowas in der Art), das vermisse ich trotzdem.

Sprachlich fand ich die Geschichte ganz in Ordnung, es gibt nur eben nichts, was sie über die große Masse ähnlicher Geschichten hinaushebt, und damit war sie für mich leider nicht besonders interessant.

Grüße von Perdita

 

Hi. Irgenwie hat Perdita mit allem recht. Die Story hat mich nicht gerockt.

Mir ist spontan noch was aufgefallen:

dem Erkundschaften ihrer Körper widmeten
das würde ich anders schreiben, so liest es sich umständlich. Außerdem könntest Du statt "Bike" auch mal Maschine oder so schreiben und sein "Bike in der Garage verstauen" ist auch nix, eher "parken" oder so.
Außerdem hätte ich nichts in Klammern gesetzt.

Jo. Da ist bestimmt noch mehr, daß mir nicht aufgefallen ist aber sicher von ein paar bestimmten Leuten haarklein aufgelistet wird

Gruß Felix

 

Die Geschichte fand ich im allgemeinem gut, nur ein paar kleine Mängel gab es noch:

Er lehnte lässig an einem Mauerrest und versuchte nachzudenken,
Schreib doch lieber: Rest einer Mauer.
Gestern hatte Jimmy Rachel zum ersten Mal mit seinem Bike auf eine Spritztour mitgenommen, was er bisher keiner seiner Freundinnen angeboten hatte.
Das hörte sich zuerst so an, als ob er keine oder nicht viele Freundinnen gehabt hätte.
Und kaum, als er sich erholt hatte, hatte es angefangen.
Er fühlte sich beobachtet, wie eine Maus in der Falle.
Beobachtet man denn eine Maus in der Falle?
Er schlief sehr schlecht, seltsame wirre Träume von Rachel, die um Hilfe schrie während sie in ein dunkles Loch gezogen wurde, von einem Paar großer, kalter Augen, die ihn anstarrten, von einer Stimme, die ihn rief, und schließlich wieder von Rachel, deren Gesicht plötzlich zu zerfließen schien, brachten ihn um den Schlaf.
Du hättest ein oder zwei Punkte setzten können und das wäre besser, oder wenigstens beginnen wie bei einem richtigen Satz
Er schlief sehr schlecht, seltsame wirre Träume von Rachel
Tut mir Leid, aber das musste ich loswerden. Das Ende fand ich übrigens nicht gruselig, sondern eher lustig. :rotfl:
Diemond

 

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