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Rapunzel

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09.08.2006
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Rapunzel

Zum ersten Male sah ich sie vor etwa einer Woche. Es war in der rotgoldenen Dämmerstunde und ich stand am Fenster meines Gemaches. Weit ließ ich meine Blicke schweifen über die düsteren Wipfel des endlosen Waldes auf dem Lande meines Vaters, des Königs.
Wie schon an so vielen Tagen seit den Jahren meiner frühen Kindheit blieb mein Blick letztlich hängen an jenem Punkte am fernen Horizont, wo sich der dunkle Turm erhebt. Jener schwarze Turm, der in der weiten Ferne so winzig und verloren wirkt – und dennoch seinen Zauber hat. Wie eine Nadel stakt er da, ein Dorn zugleich im Fleische der Erde wie in dem des Himmels. Wie eine verbotene Brücke zwischen beiden.
Schon immer stand er da, verlassen, stumm und tot. Doch diesmal, das spürte ich gleich, war etwas anders, als es bisher gewesen. Zunächst vermochte ich nicht zu erraten, was dieses Etwas war, so sehr ich mich auch mühte, es in der Ferne zu erspähen.
Endlich glaubte ich, es zu erkennen: Ich vermeinte, in jenem großen Fenster des einzigen Zimmers des Turmes, eine Bewegung zu erkennen – nur leicht und undeutlich. Doch reichte diese noch unsichere Beobachtung, in mir die heftigste Befremdung zu erwecken – und eine seltsam gespannte Erwartung.
Da geschah mir gar Sonderbares: Mein Schauen ward mir wie heraus genommen aus dem Körper. Einem Adler gleich flogen meine Blicke über den Wald dahin, beinah bis an den Horizont – bis zu jenem Turme, den ich nun aus der Nähe sah. Und sie in jenem Fenster.
Als ich sie da stehen sah, ich meinte, alle Lebensgeister müssten mir entweichen: Groß stand sie da und aufrecht, wohlgeformt und wunderbar – ein mir fremdes Mädchen, allein in dem Turme. Ihr dunkles Haar, lang bis zu den Hüften, umwallte und umschwebte sie, wie eine Aura des Schönen an sich. Ihre Züge waren wie hingemalt mit aller feinster Feder von des Himmelsherren Hand höchst selbst. Und dann erst ihre Augen! Dunkel waren sie und tief – tief und herrlich wie das Meer – und doch von hellem Glanze. Lustigkeit und Liebreiz schimmerten tausendfach hervor, aus diesen schönen Augen, die – das war das Wunderbare! – geradewegs auf mich gerichtet waren. Die Schöne in der Ferne: Sie sah zu mir herüber!
Da ward mir schwindelig zumute und trotz aller Entzückung, war ich zutiefst erschrocken. Von jäher Scheu – war es gar Furcht? – ergriffen, riss ich die Blicke los, was gerade so gelang und fand mich wieder in meinem Gemache. Das Herz ging mir heftig, der Atem schnell.
Doch wollte ich Gewissheit. Bang lenkte ich meine Blicke wiederum hinüber zum Turme – und richtig: dort sah ich sie. Wieder, trotz der riesenhaften Entfernung, mit unnatürlicher Schärfe, als stünde sie vor mir. Diesmal saß sie auf einem Schemel und kämmte ihr langes Haar – und wieder schaute sie mich an, mit jenem verzehrenden Reize.
Nun aber verließ mich aller Mut. Zutiefst erschrocken über die Hexerei riss ich mich erneut los und zog, mit zitternden Händen, die Vorhänge vor das Fenster. Mit aller Ruhe war es von Stund an vorüber!

Der Spuk, er wollte nicht weichen – wurde nur noch ärger! Sah ich zum Fenster hinaus, so sah ich sie: Wie sie auf dem Schemel saß, ihr langes Haar kämmte und mich mit ihren Blicken marterte.
Ich versuchte, der Erscheinung zu fliehen: Lange Stunden verbrachte ich auf Ausritten durch die Wälder, andere beim Schachspiel, dann versuchte ich zu lesen – doch es war alles vergeblich. Auf keine Sache vermochte ich mich zu konzentrieren, der Griff der Schönen um meinen Geist wurde nur noch fester. Bald war es so weit, dass ich ihre Augen leuchten sah, wenn ich nur die meinen schloss, dass sie mich bis in meine Träume verfolgte. Sie gönnte mir keine Ruhe – ich war ihr verfallen.

Da beschloss ich, als er mich dieser Tage nach meiner Zerstreutheit fragte, meinem besten Freunde die Geschichte zu erzählen. Ich berichtete ausführlich und in allen Einzelheiten. In meiner Verzweiflung erzählte ich ihm auch von dem heftigen Verlangen, das die wunderschöne Dämonin in mir weckte.
Bis dahin hatte er meinen Ausführungen mit dem ihm eigenen Ernst und ohne ein Zeichen des Unglaubens stillschweigend gelauscht, bei dieser letzten Enthüllung aber, fuhr er in Entsetzen hoch: „Was redest du! Bedenke dich! In zwei Wochen bereits soll deine Hochzeit sein, mit des Kaisers Tochter und du gerätst ins Schwärmen, ob solch einer Fantasterei!“
Die Schamesröte stieg mir ins Gesicht und kleinlaut gab ich ihm zurück, wie recht er doch wahrscheinlich habe und dass ich töricht gewesen sei.
In meinem Herzen jedoch blieben die Dinge wie sie gewesen und wie ich sie berichtet.

Es wurde nur immer schlimmer: Selbst am Tage, fern von meinem Gemach, ereilten mich nun die Traumvisionen. Die Welt um mich fiel wie ein leichtes Requisit vor einem Windstoß, alles sank zurück und wurde schwarz – dann sah ich sie: Zuerst ihre Augen, in denen alle Herrlichkeit der Welt ihren Widerschein fand, dann die ganze wohlgeformte Gestalt auf dem hölzernen Schemel.
Und jedes Mal, wenn sie mir so erschien, war ihr Haar um ein Beträchtliches gewachsen. Dies setzte sich fort bis zum Unnatürlichen: Schon lag es auf dem Boden der Turmkammer und wurde noch immer mehr und immer länger.

Als ich es gar nicht mehr ertrug, beschloss ich mir Rat zu holen bei jener wunderlichen Alten, die mein Vater am Hofe hält, damit sie ihm die Sterne deutet und die einiges versteht von ungeheuren Zauberdingen.
Ich fand sie in der engen düstren Kammer, die sie nahe den Zimmern der Dienstboten behaust. Sie bat mich alsdann ihr gegenüber an ihrem kleinen Tische Platz zu nehmen und lauschte geduldig meinem Bericht. Während ich so erzählte, wandelte sich der Ausdruck in ihrem runzligen Gesicht: War es zuerst noch von leichtem Unglauben, dann von Verwunderung gezeichnet, so war es, als ich geendet hatte, zu meinem Missbehagen, erfüllt von tiefer nachdenklicher Sorge.
„Ja“, sagte sie dann gedehnt, nach einigem Zögern, „ich glaube, zu wissen, wer die Schöne ist, die Euch so foltert.“ Darauf schwieg sie wieder. Ihre Augen wurden trüb und undurchsichtig, als dämmerten hinter ihnen die verhüllenden Nebel vergangener Zeiten herauf. Gerade wollte ich sie drängen fortzufahren, da tat sie eben dies: „Ihr Name ist Rapunzel und ihre Geschichte ist bereits alt. Viel ist es nicht, was man über sie weiß und oftmals widersprechen sich die Legenden.
Gewiss ist jedoch, dass Rapunzel an jenes Turmzimmer gebunden ist. Dass sie dort fest gebannt ist und mit Magie gefesselt. Wer ihr dies angetan, das weiß ich nicht zu sagen. Nur, dass die Verwunschene seit geraumer Zeit schon, immer wieder einmal gesehen wurde, von Jünglingen adligen Blutes. Diese berichteten Ähnliches wie Ihr. Allerdings – und das ist das Sonderbare! – ließ die Erscheinung stets nach wenigen Tagen wieder von ihnen ab.
Dass sie Euch nun so lange plagt, mag an Eurer königlichen Abkunft liegen oder…“
„Mir ist es gleich, woran es liegt!“, fuhr ich erregt dazwischen. „Dies Weibsbild raubt mir den Verstand! Wenn der Fluch nicht bald von mir fällt, weiß ich nicht länger, was ich tu!“
Die Alte wog bedächtig den Kopf hin und her. „Ich kann Euch nichts weiter raten als geduldig abzuwarten. Mit Gottes Hilfe kommt die Heilung von allein.“

Heilung! Wie schlecht die Alte doch meine Lage verstand – wie wenig sie von meinem Seelenschmerze ahnte, der sich mehr und mehr zur Besessenheit hin wandelt.
Nein, Heilung ist ausgeschlossen, alle Hilfe vergeblich. Mein Schicksal treibt mich der schrecklichen Schönen zu mit eben jener Unausweichlichkeit, mit der ein runder Stein einen Hügel hinab rollt, mit der der Regen vom Himmel fällt. Das Leben wird mir ganz unmöglich, immerzu drängt sie in mein Blickfeld, drängt sie in meine Gedanken.
In dieser Nacht muss es gewagt sein: Ich werde meinen Weg durch den Wald suchen, hin zu Rapunzels Turme.

Es ist finster ringsum, doch in mir brennt es lichterloh. Das Schloss habe ich unbemerkt verlassen, den Wald erreicht – sein dichtes Laubwerk verwehrt mir den Blick auf die Sterne, beraubt mich um des Mondes Schein.
Doch solche Sorgen sind nun ferne, nur eines beherrscht noch mein Denken: Den Turm zu finden und meine Rapunzel.
Schnell tragen mich meine Füße – weiter und weiter ins Dunkel, fast ohne mein Zutun. Als sei mein Weg mir vorgegeben, in mir angelegt und festgeschrieben.
Kaum mehr achte ich des Weges und doch finde ich ihn – ihr Bild nur steht mir vor Augen, sonst ist alles versunken in ungewisser Schwärze.
Kein Pfad ist hier, kein Durchgang. Ich zwänge mich zwischen dicken Stämmen hindurch, erkämpfe mir meinen Weg durch Buschwerk. Ich falle und ich krieche, ich komme wieder hoch – und bemerke es doch kaum. Alle meine Nerven brennen, meine Sehnen meine Muskeln sind gespannt, alles auf das Ziel gerichtet.
Da! Endlich lichtet sich der Wald, wird zum offenen Platz. Silbriges Mondlicht fällt verheißungsvoll vom Himmel herab – da steht der Turm! Steinernes Monument des Schicksals, einziger Fixstern in meinen chaotischen Kosmos! Ein düsteres Versprechen.
Wie im Traume taumle ich auf den Turm zu – sind’s Dornensträucher, die mir da ins Fleische schneiden? Blut, das mir die Arme hinunter rinnt? – es ist einerlei! Nur immer voran und – da, oben sehe ich sie stehen! Hoch dort oben – ihre Augen, die schönsten Sterne, ihr Haar gleich dunklen Engelsschwingen.
Wieder stolpere ich, doch dann steh ich davor, meine Hand trifft den kalten Stein des Turmverlieses.
Und eh ich noch selbst weiß, was ich tu, drängen die gerufenen Worte über meine Zunge: „Rapunzel, Rapunzel! Lass dein Haar herunter!“
Sehnend blicke ich hinauf, da fällt es mir schon entgegen, der weiche Himmelsstoff. Ich könnte nun nicht länger zögern, selbst wenn ich’s wollte – der Zauber dieser Nacht entfaltet sich vollends. Meine Hände umfassen das dunkle Haar, mit meinen Füßen stemme ich mich gegen die Mauer und klettere empor. Zug um Zug hinauf.
Höher und höher in blinder Eile – schon umpfeifen mich die eisigen Nachtwinde, rütteln an mir, werfen mich hin und her – da bricht ein Stein unter meinem Fuße aus der Mauer. Gerade so kann ich mich noch halten.
Die Kräfte schwinden mir, doch bald ist es erreicht. Schon ist sie nah, die lockende Schöne. Trotz Ermüdung und Strapazen, noch einmal wird’s mir leicht ums Herz und die Gewissheit – da fährt mir der Schrecken einem Pfeil gleich in die Brust: Ist das, was dort in ihrer Hand hell funkelt, im Widerschimmer des Mondes…? Nein, ganz ausgeschlossen!
Da – jetzt hält sie ihn empor, den feinen Gegenstand… Und ich erkenne ihn! Sie wird doch nicht… !
Doch das unbarmherzige Lächeln der Sirene belehrt mich eines Besseren. Nun erst begreife ich vollends, welch böser Wahn mich in seinen Klauen hält: Denn noch als sie mit der kleinen Silberschere ihr Haar und meinen Lebensfaden mit einem Schnitt durchtrennt, da denke ich, wie schön sie ist.
Ich stürze in die Tiefe und jetzt erst sehe ich sie dort liegen: Die zerschmetterten Leiber derer, die Rapunzel vor mir rief.

 

Hallo Abdul,

Schockiert über die Hexerei
Schockiert = andere Stilebene

Hm, na ja, es ist ein ganz schön langer Vorlauf für eine einzige ein wenig ironische Idee. Also diese Sehnsucht, die Visionen, der Weg in den Wald – das muss natürlich über die Sprache funktionieren, weil es über den Spannungsaufbau da wenig zu holen gibt. Gut, die Geschichte geht sehr konventionell und klassisch auf ihr Ende zu, aber ein wenig … „schlenkerlos“.
Die „Pointe“; die „Perversion“ des Märchens ist gut gelungen, aber klar, die Geschichte lebt von der Sprache und die hält einen auch „wach“, wenn man so will. Um den Inversionen und Satzstellungen zu folgen, muss man schon fit sein. Es ist nicht immer perfekt (oben das mit dem „Schockiert“ war ja das krasseste Beispiel, ob jetzt das Wort „Requisite“ in die Märchensprache gehört, sei auch mal dahingestellt), es ist auch nicht immer originell und es nutzt sich leider auch ein wenig ab, aber es hält einen eben bei der Stange, weil es mal was anderes ist und das Gehirn dann schon stärker beansprucht als „normale“ Sprache.
Das Schwierige bei der gewählten Sprache ist es, dass man so ein bisschen in die Rolle des Muttersprachlers gedrängt wird, der einem Ausländer dabei zuhört, wie er versucht, Deutsch zu sprechen: Man hört sehr aufmerksam zu, auch ein wenig amüsiert, aber jeder kleine Fehler fällt dann sofort auf, weil es sich „komisch“ anhört und so bemüht.
Also … jetzt nur als doofe Metapher, ich bin natürlich kein Muttersprachler für diese Art von Sprache, aber es fällt einem als Leser glaube ich schnell auf, wenn etwas ein wenig „gezwungen“ klingt, ohne das man genau sagen könnte, woran es liegt.

Trotzdem gelungene Geschichte, hält einen auf Trab
Quinn

 

Hallo Sam,

Da fällt mir wirklich ein Stein vom Herzen, dass ich eine doch so positive Reaktion auf die Geschichte bekomme!
Ich hatte eher mit etwas in der Richtung, wie: "Und was ist daran jetzt Horror? Ist das nicht eher Fantasy/Märchen?" oder "Ich glaube das mit der Rapunzel hast du irgendwo geklaut, das gibt's schon." :D
Also, schönen Dank für's Lob.


Tach Quinn,

Auf die Sache mit dem "schockiert" falle ich irgendwie öfter herein, weil es für mich persönlich gar nicht so neumodisch klingt. Na ja.
Das Requisit habe ich aber mal stehen lassen, weil ich ja nicht wirklich Märchen-Sprache verwende (oder verwenden wollte) sondern lediglich eine altmodische Form von Sprache.

Das Schwierige bei der gewählten Sprache ist es, dass man so ein bisschen in die Rolle des Muttersprachlers gedrängt wird, der einem Ausländer dabei zuhört, wie er versucht, Deutsch zu sprechen: Man hört sehr aufmerksam zu, auch ein wenig amüsiert, aber jeder kleine Fehler fällt dann sofort auf, weil es sich „komisch“ anhört und so bemüht.
Ich glaube, da haben wir eine etwas unterschiedliche Beziehung zu dieser angestaubten Sprache. Zwar ist es natürlich auch für mich nicht die Sprache, der ich mich alltags, sei es gesprochen oder geschrieben, bediene, aber "fremd" ist sie mir dennoch nicht. Nach kurzem Einlesen klingt sie für mich stets völlig natürlich und nachdem ich mich beim Verfassen einer Geschichte erst einmal "eingeschrieben" habe, wär's für mich recht schwer, plötzlich "modern" weiter zu schreiben. Dadurch mag dann aber auch der ein oder andere Fehler hinein geraten - da ich nicht von "meiner" Sprache ins Alt-Sprech übersetze, verwende ich dann halt doch mal eine unpassende Wendung oder ein unpassendes Wort ("schockiert"), weil es mir gar nicht weiter auffällt.

Danke dir für die Kritik!


Gruß,
Abdul

 

Hallo AbdulAlhazred!

Ich glaube, der Tod, den dein Prinz durch Rapunzel erleidet, ist eine Strafe, da er etwas Verbotenes tut. Denn aus gutem Grund ist sein bester Freund über seine Absicht entsetzt, soll der Königssohn doch die Tochter des Kaisers heiraten, also eine arrangierte Ehe zum Wohle des Staates eingehen, wie es früher üblich war. Seine dämonische Liebe zu Rapunkel ist ein Ausweichversuch vor der arrangierten Ehe - doch das ist verboten, deshalb bezeichnest du Rapunzels Turm als "ein Dorn zugleich im Fleische der Erde wie in dem des Himmels. Wie eine verbotene Brücke zwischen beiden" - ein gelungenes poetisches Bild. Doch seine Bestimmung ist die arrangierte Ehe hier auf Erden. Der Aufstieg in den Himmel der verbotenen Liebe ist deshalb Sünde und wird mit dem Tode bestraft.

Deine Geschichte ist nicht nur poetisch, sondern hat auch Moral, die ja auch dazugehören muss.

Gerne gelesen und Grüße
gerthans

 

Hi Abdul.

Auch ich habe mich gut unterhalten gefühlt. Sehr schnell gelingt es dir, den Leser über die Sprachebene in die Geschichte zu holen. Obgleich auch sie mir derweil ein wenig gezwungen erschien ;).

Die Pointe hat mir sehr gut gefallen und besitzt durchaus ihren Schrecken. Insgesamt gern gelesen.

Gruß! Salem

 

Hallo Abdul!

Insgesamt eine ganz unterhaltsame Story. Die zweite Hälfte ließt sich besser als die erste, finde ich. In der ersten sind einige Wortwiederholungen drin (Ferne, erkennen, da (stand), Blick) und sie zieht sich ein kleines bisschen. Vll lassen sich da zwei, drei Sätze rausschmeißen oder kürzer formulieren.
Die Geradlinigkeit finde ich hier ganz in Ordnung, man hätte sich sicher auch andere Enden vorstellen können. :)

Beste Grüße

Nothlia

 

Hallo Abdul!

Gerade ist mein Kommentar gestorben, also muss ich nochmal anfangen. :dozey:
Wirklich klasse Geschichte, man könnte fast Anti-Märchen dazu sagen. Es kann ja fürchterlich in die Hose gehen, diese altertümliche Sprache zu verwenden, aber du hast das sehr gut hinbekommen. Dieser ironisch-düstere Anklang macht die Geschichte für mich erst richtig lesenswert (was jetzt durchaus positiv gemeint ist). Der Plot ist natürlich klassisch und schon vorhersehbar, der Text lebt also von der Umsetzung. Und die ist dir wirklich gelungen. Besonders die Anfangsszene mochte ich sehr, diese Assoziation Turm=Dorn und wie dann plötzlich das "Sehen" des Prots zu Rapunzel fliegt, starkes Bild.

Ein paar Schnitzer:

nicht zu erraten, was dieses etwas war
dieses Etwas
ein mir fremdes Mädchen, alleine in dem Turme
Allein. Alleine ist meines Wissens nach umgangssprachlich.
von dem heftigen Verlangen, dass die wunderschöne Dämonin in mir weckte.
das
immer zu drängt sie in mein Blickfeld,
immerzu

Gern gelesen.
apfelstrudel

 

N'Abend gerthans,

Dank dir fürs Lesen und die Kritik. Deine Überlegungen bezüglich einer Moral hinter der Geschichte sind durchaus schlüssig und stellen wohl auch eine mögliche Interpretation des Erzählten dar.
Ich aber habe beim Schreiben weniger in diese Richtung gedacht - für mich ist Rapunzel einfach eine femme fatale (Ich hoffe, das schreibt man zumindest ungefähr so...) und dem Fatalen, dem Schicksal entgeht man halt nicht. ;) Oder wie Stephen King mal so oder so ähnlich (oder auch ganz anders :D) schrieb: Viele Geschichten des Grauens handeln einfach davon, wie Menschen schlimme Dinge geschehen.


Hallo Salem,

Freut mich, dass die Geschichte dich unterhalten konnte! Dank dir für's Lesen.


Hallo Nothlia,

In der ersten sind einige Wortwiederholungen drin (Ferne, erkennen, da (stand), Blick) und sie zieht sich ein kleines bisschen. Vll lassen sich da zwei, drei Sätze rausschmeißen oder kürzer formulieren.
Ja, möglich dass sich der Anfang ein wenig zieht. Die Anfangsszene war das, was in meinem Kopf zuerst entstand und was ich vor dem Aufschreiben immer wieder im Geiste hin und her drehte - viele Gedanken -> viel Text. ;) Ich werde aber noch mal kritisch drüber lesen, ob's nicht auch stellenweise kürzer geht.
Die Geradlinigkeit finde ich hier ganz in Ordnung, man hätte sich sicher auch andere Enden vorstellen können.
Auf der DVD wird ein alternatives Ende drauf sein...
Schön, dass auch du dich nicht gelangweilt hast.


Hallo strudel,

Gerade ist mein Kommentar gestorben,
Mein Beileid... :(

Wirklich klasse Geschichte, man könnte fast Anti-Märchen dazu sagen. Es kann ja fürchterlich in die Hose gehen, diese altertümliche Sprache zu verwenden, aber du hast das sehr gut hinbekommen.
Danke dir.

Hm, und ich dachte schon, ich hätte es tatsächlich geschafft, einen Text ohne Fehler rein zu stellen. Tja. Danke für's Raussuchen.


Gruß,
Abdul

 

Hallo,

wirklich, ich kann mich meinen Vorrednern nur anschließen, eine sehr gute Geschichte. Wo lernt man nur so zu schreiben, bin glatt etwas neidisch!!
Aber ich gönne Dir Dein Talent und weiß nur eins: ICH muss noch sehr viel üben!

Mach weiter so!

Maiceena

 

Hallo Maiceena,

Was bleibt mir da, als mich ganz herzlich für dieses große Lob zu bedanken? Nicht viel, also: Danke.


Hallo geronemo,

als Einknacklektüre, in der Koje, lese ich grad Kings "Eye of The Dragon".
Wenn man schon zugibt, dass man King liest, dann darf der Zusatz mit der Einknacklektüre nicht fehlen, was? ;) Bei mir ist's schon eine Weile her, dass ich das Buch gelesen habe, kann mich gar nicht erinnern, dass mir die Sprache als altertümlich aufgefallen wäre. Dafür ist's aber wohl auch wirklich zu lang her, alles woran mich ich wirklich erinnere ist ein böser Zauberer mit einem komischen Namen... (FLagg?)

da hat also schon wieder ein Toter mir erzählt, wie er zu Tode kam.
Na, so unverschämt war ich dann aber doch nicht: Nur der erste Teil steht im Imperfekt, der Rest ist Präsenz - es handelt sich nicht um eine Erzählung durch den Prinzen, vielmehr soll sein eigenes Erleben wiedergegeben werden.

Manchmal gehst du mit dem Altergetümel etwas weit.
Ja, das mag sein. Wenn man sich sprachlich gerade richtig schön ergeht, kann's vorkommen, dass man etwas weit geht.

Der Prinz gehört leider zu den vielen Übergewichtigen und, sich hochziehend zieht er das Punzliche zu sich herab. Sie treffen sich im Fluge gleichsam auf halbe Höhe, verpassen sich einen kurzen Kuss, mehr ist nicht drin und fallen gemeinsam ins Platte. Wobei sich im letzten Moment die Fülle des rapunzlichten Haares als Polster erweist und er noch tiefer und intensiver sich mit der Rapunzel beschäftigen kann. Fallada da du hangest. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann klettern und fallen sie noch heute.
Hm, deine Umsetzung wäre doch wohl was für "Humor", oder? Jedenfalls ist's eine andre Geschichte. Außerdem: Um sich im Fallen zu küssen müssten die beiden ja nebeneinader herfallen. Da Rapunzel aber nicht schneller, sondern genau so schnell wie der fettleibige Prinz fallen würde, müssten sie dann wirklich erst abstürzen, wenn der Prinz ganz oben ist. Und warum sollten sie? Der Prinz wird durchs Emporklettern ja nicht schwerer.
Na, genug moderne Physik, ist ja nur ein Märchen, was? ;)

Dass das Ende dich nicht zufrieden stellte, tut mir leid. Danke dir für's Lesen und Kritisieren!


Gruß,
Abdul

 

Grüß dich Pfuhler,

Freut mich, dass dir die verwendete Sprache zusagte. Inhaltlich, da hast du recht, marschiert die Geschichte ohne große Schlenker und Überraschungen bis zum Ende durch - ist aber auch schwer zu vermeiden, wenn man da an ein Märchen gebunden ist.


Hallo noch mal gero,

Das ist bei mir wortwörtlich so gemeint und entspricht der Wahrheit.
Na, mein Kommentar war da auch nicht ganz ernst gemeint - wie, das siehst du richtig, auch die Geschichte nicht hundertprozentig und bitterernst zu nehmen ist. Horror/Grusel verträgt sich ja zumeist gut mit einem leichten Augenzwinkern. Nicht so allerdings mit grobem Ulk oder Klamauk, wie's auch immer öfter geboten wird.

Alles in Allem eine Story, deren Horror sich gut wegstecken lässt.
Dann muss ich mir wenigstens keine Angst machen, dass ihr alle die nächsten Nächte schlecht träumt. ;)


Gruß,
Abdul

 

Hallo Abdul,

habe mir mal erlaubt die kg wieder rauszukramen. Habe schon seit langem eine ausgedruckte Version davon und habe sie erst jetzt wieder gefunden. Das ist schön, denn so war es sozusagen eie Überraschungsperle, die mir heute einen kleinen Teil meiner Bahnreise versüßt hat.

Ja, denn ich habe deine Rapunzel-Version wirklich gerne gelesen.
Der verschrobene Sprachstil liegt dir recht gut, ich bin nur auf wenige Holperer gestoßen, die ich dir im Folgenden kurz aufzeigen möchte.


Gleich zum EInstieg ist mir diese gleichförmige Adjektivhäufung aufgefallen.

Weit ließ ich meine Blicke schweifen über die düsteren Wipfel des endlosen Waldes auf dem Lande meines Vaters, des Königs.
Wie schon an so vielen Tagen seit den Jahren meiner frühen Kindheit blieb mein Blick letztlich hängen an jenem Punkte am fernen Horizont, wo sich der dunkle Turm erhebt. Jener schwarze Turm, der in der weiten Ferne so winzig und verloren wirkt – und dennoch seinen Zauber hat
Das ist für deine ansonsten sehr gelenken Satzbauten ein schon beinahe plumper Absatz, wie ich finde.

Wie eine Nadel stakt er da, ein Dorn zugleich im Fleische der Erde wie in dem des Himmels. Wie eine verbotene Brücke zwischen beiden.
Das ist sehr gut!

Die Schamesröte stieg mir ins Gesicht und kleinlaut gab ich ihm zurück, wie recht er doch wahrscheinlich habe und dass ich töricht gewesen sei.
richtig rauskippen tut man hier. Das Wort passt absolut nicht und ist zudem unnötig. Streichen

recht inflationär gehst du an manchen Stellen auch mit den Ausrufezeichen um. Da würde ich noch weiter ausdünnen. An dieser Stelle kannes getrost weg. Die Hervorhebung durch die Bindestriche reicht vollauf

Allerdings – und das ist das Sonderbare! – ließ die Erscheinung stets nach wenigen Tagen wieder von ihnen ab.

Ebenso inflationär gebrauchst du das Wörtchen da. Da :D würde ich unbedingt noch mal rübergehen. Da ist zudem so schon ein unschönes Wort. INsbesondere diese Passage fällt auf:

Da! Endlich lichtet sich der Wald, wird zum offenen Platz. Silbriges Mondlicht fällt verheißungsvoll vom Himmel herab – da steht der Turm! Steinernes Monument des Schicksals, einziger Fixstern in meinen chaotischen Kosmos! Ein düsteres Versprechen.
Wie im Traume taumle ich auf den Turm zu – sind’s Dornensträucher, die mir da ins Fleische schneiden? Blut, das mir die Arme hinunter rinnt? – es ist einerlei! Nur immer voran und – da, oben sehe ich sie stehen!
und bald darauf:

Da – jetzt hält sie ihn empor, den feinen Gegenstand…
Einmal im Satzanfang sollte reichen. Ach ja ... kommen immer nach einem Leerzeichen.

So, das war jetzt nur Frimelzeuchs, einer ansonsten sehr lesenswerten Geshcichte, die mir wirklich Spaß gemacht hat. Schön, dass ich sie (wieder)gefunden habe.

grüßlichst
weltenläufer

 

hallo abdul,

gern gelesen,

ich mag Geschichten, die auf so alte Märchen gründen, wo man interessiert aufblickt, ob man bestimmte Sachen kennt. Aber ich glaube, bis auf die Sache mit dem Turm und der Frau darin, hast du etwas neueres erzählst. Ein paar schöne Standardsachen reingetan, die eine schöne Geschichte ausmachen. Der Königssohn, der bald vermählt wird, der aber Rapunzel bewundert, an sie denkt, sie begehrt. Ich glaube, eine schöne, nette, runde Geschichte vorgefunden zu haben.

Die meldodische "dichterische" Kurzgeschichtensprache hat mir auch gefallen, und war auch ein Grund am Ball zu bleiben.

Die Welt um mich fiel wie ein leichtes Requisit vor einem Windstoß, alles sank zurück und wurde schwarz

Requisit wirkt komisch unangebracht, zumal der Erzähler nicht gerade darauf zugeschnitten ist, solche Wörter zu benutzen. Kann man was besseres finden.

MfG Mantox

 

Hallo Abdul,

ich schließe mich den meisten Vorpostern an. Die Geschichte trägt sich durch die fein gewobene, wie aus einer verloren Zeit stammende, doch schön zu lesende Sprache.

Das Rapunzel hier als männermordende Dämonin daherkommt, ist fast schon nebensächlich, begleiten wir doch eigentlich den Prinzen auf seinem Weg in den Wahn. Schön beschrieben, wie der Wahn den Prinzen immer mehr umfängt, und dieser, obgleich er sich dessen bewußt, doch ohne echte Gegenwehr dem Abgrund entgegen eilt.

Ich habe mit Genuß gelesen.

Lieben Gruß
Dave

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Abdul!

Da Du ja dieser Tage Geburtstag hattest – zu dem ich Dir auch noch herzlich gratuliere! – hab ich nun endlich auch von Dir eine Geschichte gelesen. Und die hat mir auch noch richtig gut gefallen, wobei ich mich weniger gegruselt habe, sondern vielmehr schmunzeln mußte, aber ich vermute, das war so beabsichtigt. :)

Allerdings finde ich, nimmst Du der Geschichte viel Spannung, indem Du Rapunzel schon im Titel erwähnst.
Ich hatte sie mir schon zwei Tage vor Deinem Geburtstag ins Word kopiert – ohne Titel – und nachdem ich erst gestern wieder Zeit hatte und in der Zwischenzeit jede Menge anderer Dinge im Kopf, hatte ich den Titel inzwischen vergessen und las die Geschichte, ohne nochmals nach dem Titel zu schauen. So kam ich erst gar nicht drauf, bis ungefähr bei der Hälfte die Alte sagt: »Ihr Name ist Rapunzel« Da fiel mir dann auch wieder der Titel ein, und ich weiß nicht, ob sie mir so gut gefallen hätte, wenn die halbe Spannung von vornherein beim Teufel gewesen wär. Also nicht von Anfang an zu wissen, daß es um Rapunzel geht, fand ich gut, deshalb rate ich Dir zu einem weniger verräterischen Titel. (»Ferngesteuert« oder sowas in der Richtung vielleicht. ;))

Mein größter Kritikpunkt ist aber die Sprache. Du willst offenbar in altertümlichem Deutsch schreiben, aber mir kommt der Versuch etwas halbherzig vor. Du hast Dich zwar bemüht, daß es alt wirkt – das ist schon gut zu erkennen –, aber um das wirklich gut zu machen, hättest Du meiner Meinung nach noch viel mehr wirklich altertümliche Ausdrücke sammeln müssen (besonders gut fand ich aber die Sirene, dafür ein Lob!). Versuch das vielleicht mal für die nächste solche Geschichte: Sammle zwei, drei Jahre lang alle altertümlichen Ausdrücke, die Dir über den Weg laufen. Du kannst auch den Duden von vorn bis hinten nach dem Vermerk »veraltet« absuchen oder Fachliteratur oder richtig alte Bücher lesen, aber dieses Sammeln geht so nebenbei, daß es eigentlich gar kein Aufwand ist – nur Geduld braucht man halt. ;)

Trotz der sprachlichen Kritik hab ich die Geschichte aber sehr gern gelesen. :)

Besonders gefallen hat mir diese Stelle …

Mein Schauen ward mir wie heraus genommen aus dem Körper. Einem Adler gleich flogen meine Blicke über den Wald dahin
… und wie Du im Weiteren immer wieder beschreibst, wie es ihn zu ihr hinzieht und er gar nichts anderes mehr denken kann, als an diese Schönheit. (Vielleicht ist die Geschichte für Männer ja doch eher Horror … :D)


Bleiben noch ein paar kleine Anmerkungen, der Reihe nach:

»Wie schon an so vielen Tagen seit den Jahren meiner frühen Kindheit blieb mein Blick letztlich hängen an jenem Punkte am fernen Horizont, wo sich der dunkle Turm erhebt.«
– Vorschlag: Wie schon so oft seit den Tagen meiner frühen Kindheit
– statt dem »wo« wäre besser »an/von dem«
– »letztlich« ist eigentlich eine Kurzform von »letztendlich«, welches wohl früher eher gebräuchlich war. Das kann ich zwar nicht mit Sicherheit sagen, aber ich halte es für sehr wahrscheinlich, und weil ich gerade nachgeschaut hab, ob bei »letztendlich« im Duden was dabeisteht (tut es nicht), bin ich zufällig auf ein Wort für die oben angeregte Sammlung gestoßen: »letzen (veraltet für laben, erquicken); du letzt; sich letzen« – aufschreiben und weitersammeln. ;)

»der in der weiten Ferne«
– gibt es auch eine nahe Ferne?

»und dennoch seinen Zauber hat.«
– statt »hat« gäbe es hier stärkere Verben, z.B. ausstrahlt, aussendet, versprüht

»Ich vermeinte, in jenem großen Fenster des einzigen Zimmers des Turmes,«
– ob es das einzige Zimmer ist, kann er nicht wissen, nur, daß es das einzige Fenster (auf der von ihm einsehbaren Seite) des Turmes ist, Vorschlag daher: in jenem großen und einzigen Fenster des Turmes

»Mein Schauen ward mir wie heraus genommen aus dem Körper«
– zusammen: herausgenommen

»bis zu jenem Turme, den ich nun aus der Nähe sah. Und sie in jenem Fenster.«
– zweimal »jenem«

»Als ich sie da stehen sah, ich meinte, alle Lebensgeister müssten mir entweichen«
– ich glaube nicht, daß man hier früher so verdreht »ich meinte« gesagt hat, sondern ebenfalls »meinte ich« oder »vermeinte ich«, allerdings hat das ohnehin wenig mit Meinung zu tun und eine Wortwiederholung ist es auch (»Ich vermeinte, in jenem großen Fenster«), daher würde ich eine andere Formulierung suchen.

»Ihre Züge waren wie hingemalt mit aller feinster Feder«
– zusammen: allerfeinster

»und trotz aller Entzückung, war ich zutiefst erschrocken.«
– ohne Beistrich (Komma)

»riss ich die Blicke los, was gerade so gelang«
– das wirkt eher sehr modern als altertümlich

»Das Herz ging mir heftig, der Atem schnell.«
– das Herz ging? Und der Atem auch? :susp:

»Doch wollte ich Gewissheit.«
– An sich ist nichts falsch an dem Satz, aber Du verwendest so viele schwache Verben, daß es nicht schaden könnte, das eine oder andere zu ersetzen: Doch gierte mir nach Gewissheit, zum Beispiel.

»Bang lenkte ich meine Blicke wiederum hinüber zum Turme«
– zu dem Turme

»und richtig: dort sah ich sie.«
– vollständiger Satz nach dem Doppelpunkt, daher groß: Dort sah ich sie.

»Wieder, trotz der riesenhaften Entfernung, mit unnatürlicher Schärfe, als stünde sie vor mir. Diesmal saß sie auf einem Schemel und kämmte ihr langes Haar – und wieder schaute sie mich an,«
– auch »wieder« verwendest Du recht gern, besonders in dem Abschnitt (auch schon vor den beiden Sätzen)

»Nun aber verließ mich aller Mut. […] Mit aller Ruhe war es von Stund an vorüber!«
– zweimal »aller«, eines könntest Du durch »jeglicher« ersetzen

»Zutiefst erschrocken über die Hexerei riss ich mich erneut los und zog, mit zitternden Händen, die Vorhänge vor das Fenster.«
– die Beistriche vor und nach »mit zitternden Händen« sind überflüssig

»Sah ich zum Fenster hinaus, so sah ich sie: Wie sie auf dem Schemel saß, ihr langes Haar kämmte und mich mit ihren Blicken marterte.«
– in dem Fall klein weiter nach dem Doppelpunkt
– das doppelte »sah« ließe sich bestimmt auch vermeiden, und statt dem »saß« könntest Du evtl. »hockte« schreiben, da es ja ein Schemel ist, auf dem man mehr hockt als sitzt.

»Ich versuchte, der Erscheinung zu fliehen:«
– entweder »entfliehen« oder »vor der Erscheinung zu fliehen«; derartige Verkürzungen sind nicht unbedingt ein Merkmal des alten Deutsch, und sie passen auch nicht sehr in den sonst

»doch es war alles vergeblich.«
– besser: vergebens

»Bald war es so weit, dass ich ihre Augen leuchten sah, wenn ich nur die meinen schloss, dass sie mich bis in meine Träume verfolgte. Sie gönnte mir keine Ruhe – ich war ihr verfallen.«
– zweimal »dass«, und irgendwie klingt der Satz auch komisch. Ich würde nach »schloss« einen Punkt machen und schreiben: Sie verfolgte mich bis in meine Träume, gönnte mir keine Ruhe

»die Geschichte zu erzählen. Ich berichtete ausführlich und in allen Einzelheiten. In meiner Verzweiflung erzählte ich«
– zweimal »erzählte«, vielleicht »meinen besten Freunde in die Geschichte einzuweihen«?

»„Was redest du! Bedenke dich!«
– statt »Bedenke dich« (ich glaube nicht, daß das jemals so gesagt wurde) schlage ich »Geh in dich!« vor

»In zwei Wochen bereits soll deine Hochzeit sein, mit des Kaisers Tochter und du gerätst ins Schwärmen, ob solch einer Fantasterei!“«
– das nachgeschobene »mit des Kaisers Tochter« wirkt nicht gut, würde es nach vorne holen: soll deine Hochzeit mit des Kaisers Tochter sein, und du …
– so, wie Du es geschrieben hast, würde auch ein Beistrich nach »Tochter« gehören

»Die Schamesröte stieg mir ins Gesicht«
– das ist Außenansicht, nicht, wie er es empfindet, Vorschlag: Mir wurde heiß bis zu den Ohren

»wie recht er doch wahrscheinlich habe«
– Recht

»Die Welt um mich fiel wie ein leichtes Requisit vor einem Windstoß,«
– dem Satz fehlt auch etwas, eigentlich würde ich ja sagen »bei einem Windstoß um«, aber ist das das, was Du sagen wolltest, oder ist es eher ein mißglücktes Vermeiden des vielleicht ausgelutschten »fiel in sich zusammen«? Aber wenn die Geschichte in so veraltetem Deutsch gehalten ist, stören doch solche Ausdrücke auch nicht, weil sie damals ja noch nicht so verbraucht waren, daß man ständig Umwege suchen mußte.

»dann sah ich sie: Zuerst ihre Augen, in denen alle Herrlichkeit der Welt ihren Widerschein fand, dann die ganze wohlgeformte Gestalt auf dem hölzernen Schemel.«
– klein weiter nach dem Doppelpunkt

»und wurde noch immer mehr und immer länger.«
– daß es immer länger wurde, ist okay, aber mehr?
– das »noch« würde ich streichen

»beschloss ich mir Rat zu holen bei jener wunderlichen Alten, die mein Vater am Hofe hält, damit sie ihm die Sterne deutet und die einiges versteht von ungeheuren Zauberdingen.«
– beschloss ich, mir Rat zu holen … am Hofe hält, damit sie ihm die Sterne deutet, und die …

»Sie bat mich alsdann ihr gegenüber an ihrem kleinen Tische Platz zu nehmen«
– alsdann, ihr gegenüber
– statt der Wiederholung ihr/ihren würde ich »an dem kleinen Tische« schreiben

»Während ich so erzählte, wandelte sich der Ausdruck in ihrem runzligen Gesicht: War es zuerst noch von leichtem Unglauben, dann von Verwunderung gezeichnet,«
– würde statt dem Doppelpunkt einen normalen Punkt machen

»so war es, als ich geendet hatte, zu meinem Missbehagen, erfüllt von tiefer nachdenklicher Sorge.«
– keinen Beistrich nach »Missbehagen« (»Missfallen« gefiele mir besser), dafür nach »tiefer« (Aufzählung)
– »erfüllt von einer tiefen, nachdenklichen Sorge« würde den Text auch älter erscheinen lassen

»sagte sie dann gedehnt, nach einigem Zögern«
– den Beistrich brauchst Du auch nicht

»„ich glaube, zu wissen, wer die Schöne ist, die Euch so foltert.“«
– viel, viel schöner wäre hier: mich dünkt, ich weiß, …

»„Ihr Name ist Rapunzel und ihre Geschichte ist bereits alt. Viel ist es nicht, was man über sie weiß und oftmals widersprechen sich die Legenden.
Gewiss ist jedoch,«
– das »alt« finde ich vom Klang her zu kurz, würde da sowas wie Jahrhunderte einfügen
– Beistrich nach »weiß«
– möglichst keine Zeilenwechsel innerhalb einer direkten Rede

»dass Rapunzel an jenes Turmzimmer gebunden ist. Dass sie dort fest gebannt ist und mit Magie gefesselt. Wer ihr dies angetan, das weiß ich nicht zu sagen. Nur, dass die Verwunschene seit geraumer Zeit schon, immer wieder einmal gesehen wurde, von Jünglingen adligen Blutes. Diese berichteten Ähnliches wie Ihr. Allerdings – und das ist das Sonderbare! – ließ die Erscheinung stets nach wenigen Tagen wieder von ihnen ab.
Dass sie Euch nun so lange plagt, mag an Eurer königlichen Abkunft liegen oder…“«
– da wimmelt es von das und dass, aber kaum jemand verwendet so viele dass beim Sprechen, schon gar nicht jemand, der ruhig erzählt. Obendrein würde ich die Alte nicht so viel in einem Stück sprechen lassen, Vorschlag: Gewiss ist jedoch: Rapunzel ist an jenes Turmzimmer gebunden. Sie ist dort festgebannt (zusammen) und mit Magie gefesselt. Wer ihr dies Übel angetan, vermag niemand zu sagen, doch wird sie schon seit geraumer Zeit immer wieder einmal von Jünglingen adligen Blutes gesehen, die Ähnliches berichteten.“ Bei den letzten Wörtern senkte sie ihre Stimme geheimnisvoll und nach einer kurzen Pause sprach sie weiter: „Das Sonderbare ist: Stets ließ die Erscheinung nach wenigen Tagen wieder von ihnen ab.“
– jedenfalls ist der Beistrich nach »schon« zuviel, den Zeilenumbruch würde ich auch rausnehmen und vor die drei Punkte gehört eine Leertaste.

»„Mir ist es gleich, woran es liegt!“, fuhr ich erregt dazwischen.«
– hätte das nicht besser gleich da gepaßt, wo sie erzählt, daß Rapunzel im Turm mit Magie gefesselt ist? Die Alte da zu unterbrechen, hätte zudem den Vorteil, daß sie nicht so lang am Stück reden müßte.

»Wenn der Fluch nicht bald von mir fällt, weiß ich nicht länger, was ich tu!“«
– »tu« klingt auch sehr neumodern und ist auch gar nicht schön.

»„Ich kann Euch nichts weiter raten als geduldig abzuwarten.«
– raten, als
– raten/abzuwarten klingt etwas gereimt, wie wärs mit »als Euch in Geduld zu fassen«?

»Wie schlecht die Alte doch meine Lage verstand«
– Du könntest zur Abwechslung auch einmal »das alte Weibsbild« oder so schreiben. ;-)

»alle Hilfe vergeblich.«
– »vergebens« fände ich besser

»Mein Schicksal treibt mich der schrecklichen Schönen zu mit eben jener Unausweichlichkeit,«
– würde nach »zu« einen Beistrich machen (ob er ein Muß oder ein Kann ist, weiß ich jetzt nicht)

»mit der ein runder Stein einen Hügel hinab rollt, mit der der Regen vom Himmel fällt.«
– »mit welcher« wäre schöner

»Das Leben wird mir ganz unmöglich, immerzu drängt sie in mein Blickfeld, drängt sie in meine Gedanken.«
– weiß nicht, ob man früher »drängt sie« ohne »sich« gesagt hat, glaube eher nicht, aber Du könntest einmal ein anderes Verb verwenden, z.B. immerzu schiebt sie sich in mein Blickfeld, bohrt sie sich in meine Gedanken.

»sein dichtes Laubwerk verwehrt mir den Blick auf die Sterne, beraubt mich um des Mondes Schein.
Doch solche Sorgen sind nun ferne,«
– Warst Du schon einmal in der Nacht im Wald, ohne Taschenlampe? Da denkst Du nicht an den Blick auf die Sterne, sondern vor allem, daß Du nichts siehst, weil es da wirklich stockfinster wird.

»Schnell tragen mich meine Füße – weiter und weiter ins Dunkel, fast ohne mein Zutun.«
– Ich finde, Du solltest das mehr auskosten: Laß ihn vorher nicht von den Sternen reden, die er nicht sieht, sondern zweifeln, ob er es schaffen wird, in der Finsternis. Wenn ihn dann plötzlich die Beine wie von selbst durch den Wald tragen, kommt das viel besser. So ist es so dahinerzählt, es ist finster, er sieht keine Sterne, die Füße tragen ihn fast ohne sein Zutun, als wäre alles ganz normal. Daß Du in den folgenden beiden Sätzen …
»Als sei mein Weg mir vorgegeben, in mir angelegt und festgeschrieben.
Kaum mehr achte ich des Weges und doch finde ich ihn«
… dasselbe noch einmal anders formulierst, ändert nichts an der Tatsache, daß es zu unspektakulär rüberkommt.

»Kein Pfad ist hier,«
– das kann er in der Finsternis gar nicht ausmachen

»erkämpfe mir meinen Weg durch Buschwerk.«
– nachdem Du vorher schon einmal »Laubwerk« hast, finde ich, da wird zuviel gewerkt, und würde entweder das Werk vom Laub einfach streichen oder hier statt »Buschwerk« »Gebüsch« schreiben

»meine Sehnen meine Muskeln sind gespannt,«
– Aufzählung: meine Sehnen, meine Muskeln

»einziger Fixstern in meinen chaotischen Kosmos!«
– in meinem chaotischen Kosmos

»sind’s Dornensträucher, die mir da ins Fleische schneiden? Blut, das mir die Arme hinunter rinnt? – es ist einerlei!«
– »es ist« möchte gern beim Streichkonzert mitspielen ;-)

»Nur immer voran und – da, oben sehe ich sie stehen!«
– so, wie ich den Satz verstehe, gehört da kein Beistrich nach »da«

»Und eh ich noch selbst weiß, was ich tu,«
– Und eh ich selbst noch weiter weiß

»da fällt es mir schon entgegen, der weiche Himmelsstoff.«
– »es« würde zwar auf das Haar passen, aber auf »Himmelsstoff«? Wobei ich den Ausdruck »Himmelsstoff« für Haare so ziemlich das Schwülstigste an der Geschichte finde. ;-)

»selbst wenn ich’s wollte«
– »ich es« statt »ich’s« wäre vom Klang her schöner und glaubwürdiger, wenn es alt klingen soll, »ich’s« ist doch eher was Neueres.

»Zug um Zug hinauf.«
– das halte ich für mindestens so neu wie die Eisenbahn

»Die Kräfte schwinden mir, doch bald ist es erreicht.«
– Meine Kräfte schwinden

»im Widerschimmer des Mondes…?«
– Leertaste vor die drei Punkte

»Da – jetzt hält sie ihn empor, den feinen Gegenstand…«
– ebenso

»Und ich erkenne ihn! Sie wird doch nicht… !«
– Leertaste vor, aber nicht hinter die drei Punkte

»Die zerschmetterten Leiber derer, die Rapunzel vor mir rief.«
– müßte meiner Meinung nach »gerufen hatte« heißen


Liebe Grüße,
Susi :)

 

Sooo ...
Nachdem ich die letzten Tage hindurch nur zu Dingen kam, auf die ich recht wenig Lust hatte, antworte ich endlich einmal auf die neuen Kritiken hier.
Zunächst einmal danke ich euch natürlich für eure Kritiken, weltenläufer im Besonderen für's Hervorkramen und Häferl zusätzlich für die Glückwünsche. :)
Dass die Geschichte allgemein gut ankam, freut mich natürlich zusätzlich. Aber ich seh schon, ich muss mich wohl noch mal intensiv mit diesem schon versunken geglaubten Werk auseinandersetzen. ;) Zumal ich auch einige der älteren Anmerkungen noch nicht berücksichtigt habe ...
Tatsächlich ist es immer wieder erstaunlich, wie viel Murks noch in so einer Geschichte steckt, nachdem man sie für fertig hält. Dass ich etwa so viel herum "da"te, wie weltenläufer zeigte, hätte ich allein nie gesehen.
Und Häferls Liste hat meine Geschichte längenmäßig wohl mal wieder übertroffen. ;) Herzlichen Dank noch einmal für die Mühe!

Häferl schrieb:
Mein größter Kritikpunkt ist aber die Sprache. Du willst offenbar in altertümlichem Deutsch schreiben, aber mir kommt der Versuch etwas halbherzig vor.
Das mit dem halbherzig stimmt wohl auch. Denn tatsächlich habe ich nicht im Ansatz die aufwändigen Recherchen betrieben, die du vorschlägst. Ich habe schlicht den richtigen Ton gesucht und versucht, ihn zu halten, nachdem ich ihn gefunden glaubte. Bei sorgfältigem Hinsehen kann meine "altertümliche" Sprache wohl wirklich nicht bestehen.

Nun ja ... Hoffentlich finde ich demnächst die Zeit, das Ding nach mal von vorn bis hinten durchzuarbeiten.


Gruß,
Abdul

 

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