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Realitätsverlust

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30.09.2005
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Realitätsverlust

Er starrte auf die weiße, nackte Wand vor ihm.
Warum hat sie das getan?
Dieser Gedanke kreiste in seinem Kopf seit sie ihn in diesen kahlen Raum gesperrt hatten.
Seine Mutter hatte ihn vor vier Stunden hierher gebracht. Nach einem Gespräch mit dem Doktor hatten sie ihn hier eingesperrt.
„Ich schreibe doch nur Geschichten. Was ist daran falsch oder krank, wenn man seine Phantasie spielen lässt?“ hatte er gefragt, und nachdem seine Mutter einen vielsagenden Blick mit dem Doktor gewechselt hatte, antwortete dieser:
„Daran ist nichts Falsches, solange man dabei die Realität nicht aus den Augen verliert, Junge.“
„Aber Mama, ich bin doch nicht verrückt“, hatte er sich flehend an seine Mutter gewandt. Sie blickte traurig auf den Boden und wich seinem Blick aus.
„Glaub mir, es ist das Beste für dich. Es wird dir sicher bald besser gehen, Sven, du musst nur mit diesen Geschichten aufhören…bitte“. Sie wischte verstohlen einige Tränen fort.
„Aber mir geht es gut, verdammt noch mal“, hatte er zornig geflucht.
„Wir bringen ihn erstmal auf die Station“, sagte der Doktor zu seiner Mutter, und dann waren zwei Schwestern gekommen und hatten ihn hierher gebracht.
Er schrieb Geschichten, seit er schreiben gelernt hatte.
Er liebte es, Gruselgeschichten zu schreiben. Von Vampiren und menschenfressenden Monstern, von sonnendurchfluteten Tälern, die plötzlich von Dunkelheit überschattet wurden.
Und er glaubte daran, ansonsten hätte er niemals mit solch einer Begeisterung verfassen können.
Genau deshalb war er jetzt hier. Wegen angeblichen Realitätsverlustes.
Aber ich glaube doch nur daran, solange ich eine Geschichte schreibe, grübelte er.
Natürlich gibt es keine grünen, schleimigen Wesen, die in der Dunkelheit den Menschen auflauern, aber das weiß Mama doch, ich verstehe einfach nicht, warum sie das getan hat.
Er war jetzt siebzehn Jahre alt und er fand sich recht attraktiv.
Sein glattes, blondes Haar war modern kurz geschnitten und er besaß eine athletische
Figur, die aber nicht zu muskulös wirkte.
Seine dunkelbraunen Augen strahlten Wärme aus.
Ich war doch immer freundlich und sittsam gewesen. Mama hat wirklich keinen Grund, mich hierher zu bringen. Ich bin niemals durchgedreht oder ausgerastet.
Heute Morgen hatte er ihr das Geschenk überreicht, denn heute war Mamas Geburtstag.
Er hatte sich sehr viel Mühe gegeben und eine Haarspange selbst hergestellt, mit getrockneten Blumen und bunten Perlen.
Mama hatte zuerst völlig entgeistert auf die Spange gestarrt und dann angefangen zu weinen.
Er wusste gar nicht, was los war.
Sie hatte ihn dann ohne ein Wort hierher gebracht und hier war er nun, völlig verständnislos.

Er hörte, wie sich ein Schlüssel in der Tür seines Raumes drehte und blickte hoffnungsvoll darauf.
Sie hat bestimmt noch einmal über alles nachgedacht und holt mich nun wieder nach Hause. Ich werde nicht böse auf sie sein. Einen schlechten Tag kann jeder mal haben.
Eine Schwester betrat den Raum.
„Sven, kommst du bitte mit? Der Doktor möchte dich sehen und mit dir sprechen. Hast du deine Tabletten genommen?“
Widerwillig hatte er das Zeug vorhin geschluckt und fühlte sich jetzt etwas schwindelig.
„Ja, habe ich genommen“, sagte er und ging auf sie zu.
Die Schwester führte ihn in das Büro des Doktors, welcher hinter einem großen Schreibtisch saß und ihm nun bedeutete, Platz zu nehmen.
„Gut, Junge, ich werde dir ein paar Fragen stellen, die du bitte wahrheitsgemäß beantwortest, ja?“ fragte ihn der Doktor.
„Okay“, erwiderte Sven und blickte ihn gespannt an.
Der Doktor öffnete eine der Schubladen seines Schreibtisches und holte einen kleinen Spiegel hervor.
Er hielt ihn Sven hin und sprach: „Sag mir bitte, was du siehst, Sven“.
„Ähm, na mich natürlich“, antwortete Sven etwas verwirrt.
„Beschreib mir bitte die Einzelheiten“, sagte der Arzt zu ihm.
„Naja, blonde Haare, braune Augen, mittelgroße Nase, einige Sommersprossen, ein...“
„Okay, das geüngt“, unterbrach der Arzt ihn. „Und nun beschreib bitte mein Aussehen“.
„Ich weiß wirklich nicht, wozu das gut sein soll“, sagte Sven etwas nervös.
„Ich möchte dir helfen, Sven, also tu mir bitte den Gefallen und mach, was ich dir sage“, erklärte ihm der Arzt freundlich.
„Ich weiß zwar immer noch nicht, inwiefern Sie mir helfen wollen, da ich mich bestens fühle, aber nun gut.
Sie haben graue Haare, ein - naja - etwas faltiges, aber freundliches Gesicht, blaue Augen, eine Brille…“
„Okay“, unterbrach ihn der Arzt abermals, „warte kurz“.
Er nahm den Aktenordner, der vor ihm auf dem Tisch lag und blätterte darin.
Sven rutschte nervös auf seinem Stuhl herum, er ahnte zumindest, dass das, was sie von ihm hier wollten, nichts Angenehmes war.
Der Arzt stoppte das blättern und begann zu lesen.
„Der Doktor mit dem grauen Haar und dem freundlichen Gesicht klopfte ihr beruhigend auf die zarten Schultern. Die Falten in seinem Gesicht und die runde Brille auf seinen blauen Augen ließen ihn vertrauensvoll, großväterlich wirken…“.
Sven starrte den Doktor mit offenem Mund an.
„Aber das ist ja eine meiner Geschichten. Woher…“.
„Deine Mutter war so freundlich. Warum sieht der Arzt aus deiner Geschichte genauso aus wie ich?“ fragte der Doktor und schaute ihn forschend an.
„Ich…weiß nicht…Zufall vielleicht?“, stammelte er nun. Ihm war zunehmend schwindelig.
Diese verfluchten Medikamente
Der Raum verschwamm vor seinen Augen. Er versuchte angestrengt sich, auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren.
„Nein, das ist kein Zufall, denn ich sehe nicht so aus, wie du es beschrieben hast. Sieh mich an und sag mir; was du siehst“.
Sven starrte den Doktor an. Vor seinen Augen verschwammen die Konturen des Arztes, sein graues Haar verschwand und stattdessen kamen grüne, schleimige Tentakel aus seinem Kopf.
Erschrocken versuchte Sven, zurückzuweichen und kippte mit seinem Stuhl nach hinten.
„Schwester“, rief das Doktording. „Beruhige dich, Sven“, blubberte er beruhigend auf ihn ein.
Eine Schwester kam hereingestürmt und half Sven beim Aufstehen.
„Ich muss hier raus“, schrie er und versuchte, zur Tür zu stürmen, doch die Schwester hielt ihn zurück.
„Nimm den Spiegel und sieh Dich an“, sprach der Arzt zu ihm und hielt ihm den Spiegel hin“.
„Ich will nicht“, heulte Sven.
„Tue es, Sven“, sagte nun auch die Schwester.
Sven nahm den Spiegel entgegen und versuchte, dabei den Arzt nicht anzusehen. Aus den Augenwinkeln nahm er aber etwas Grünes, Schleimiges wahr, das ihm den Spiegel hinhielt.
Er blickte hinein.
„Was…aber ich…“, entfuhr es ihm entsetzt. Ein riesiges, blutunterlaufenes Auge stierte ihm entgegen. Keine blonden Haare, sondern giftgrüne, mit Borsten besetzte Tentakeln befanden sich auf seinem Kopf, die wild umher peitschten.
Zwei schwarze Löcher klafften an der Stelle, wo sich eigentlich die Nase befinden sollte.
Gelbe, wulstige und aufgeplatzte Lippen entblößten lange spitze Zähne, von denen gelber, glibbriger Schleim tropfte.
Sven übergab sich auf den Boden. Rote, zersetzte Brocken klatschten auf die Fliesen, die einen erbärmlichen Gestank mit sich brachten.
„Schwester, würden Sie das bitte entfernen“, sagte nun das Doktording, das seinem Spiegelbild nicht unähnlich sah.
Dann wandte er sich Sven zu.
„Tut mir Leid, Junge, aber du musst in die Realität zurück finden“, sprach er mitfühlend zu dem am Boden hockenden, heulenden grünen Monster.
„Es gibt keine Menschen, genau so wenig wie eine Sonne, oder ein Meer, es ist…“
„Hören Sie endlich auf“, schrie Sven verzweifelt, „gar nichts wissen Sie. Lassen Sie mich in Ruhe, ich bin nicht so wie Sie, ich bin ein Mensch, Sie gehören eingesperrt“. Er blickte den Arzt feindselig an.
„Ich denke, für heute reicht es“, seufzte der Arzt und winkte die Schwester heran, die daraufhin ihre Tentakelarme nach ihm ausstreckte.
Er wich zurück, aber sie umklammerte seine Tentakeln fest und rammte ihm eine Spritze in seinen wabbernden Bauch.
„Es werden noch einige Sitzungen nötig sein“, sprach er freundlich auf ihn ein, „ aber ich denke, das war ein guter Anfang.“
„Nein, lassen Sie mich“, kreischte Sven und schlug um sich. Dann begann der Wirkstoff der Spritze zu wirken und es wurde dunkel um ihn.
Grüne, borstige Fangarme legten sich sanft um ihn und trugen ihn zurück in seinen Raum

 

Hallo Sumpfkuh,

Ich war doch immer freundlich und sittsam gewesen.
"sittsam" ist ein blödes Wort, das benutzt doch kein 17jähriger.

Zudem gefällt mir diese gesamte Rückblende nicht, zumal du die Perspektive dafür wechselst. Ich finde sie auch einfach nicht nötig.

Ich war doch immer freundlich und sittsam gewesen. Mama hat wirklich keinen Grund, mich hierher zu bringen. Ich bin niemals durchgedreht oder ausgerastet.

Wieder einmal ein kleines Horrormärchen von dir. Mir gefällt der Grundgedanke, dass in einer Welt der Monster die Menschen erdacht werden. Was ich leider wieder einmal zu bemängeln habe, ist, dass deine Geschichte diesen eigentlich tollen Grundgedanken nicht gerecht wird.
Deine Ideen gefallen mir ja meistens, nur sind sie zu leichtfertigt rübergebracht. Denn was passiert hier eigentlich mehr, als das ein Junge in ein Arztzimmer gebracht wird. Es scheint mir, als würdest du einfach immer versuchen, die Pointe zu suchen (die ich hier wirklich gut finde), dabei aber vergisst, dir die geeignete Handlung auszudenken.

Dennoch natürlich gerne gelesen,
Eike

 

Hmm, wenn ich noch mehr Handlung eingebracht hätte, dann wäre die Geschichte mal wieder ewig lang geworden.
Eigentlich ist doch alles gesagt, bzw. drin?
Irgendwann werd ich auch noch mal deinem "Spektakulär"-Sinn gerecht! :D

Gruß,
die Sumpfkuh

 

Hallo Sumpfkuh!

Die Idee gefällt mir wirklich gut. :thumbsup:
Du solltest vielleicht noch etwas flüssiger schreiben.

Viele Grüße,

DarkLady

 

Hallo Dark Lady,

freut mich, dass es dir gefallen hat.
Ich werde mir Mühe geben, flüssiger zu schreiben ;-)

Gruß,
die Sumpfkuh

 

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