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Realitätsverlust
Er erwachte wie jeden Morgen schweißgebadet, mit einem dumpfen Pochen hinter seinen Schläfen.
Verwirrt, ja fast ängstlich sah er sich um. Langsam schälten sich die Umrisse seiner kargen Einrichtung aus der Dunkelheit und erst jetzt realisierte er dass er sich in seinem Schlafzimmer befand.
Ein Blick auf den Wecker zeigte ihm, dass es langsam Zeit wurde aus dem Bett zu kriechen, wenn er nicht erneut zu spät kommen wollte!
Aber wie jeden Morgen hatte er Schwierigkeiten sich von seinem Traum zu lösen.
Das Pochen in seinem Kopf klang langsam ab und er sah wieder deutlich die schrecklichen Bilder der Nacht vor sich. Dieser erst verständnislose, dann verzweifelte Blick, das Flehen in den Augen, er konnte ihre Angst regelrecht riechen, die krampfenden Gliedmaßen, überall das verdammte Blut und mittendrin diese Frau, welche langsam ihr Leben aushauchte! Er hatte förmlich diesen süßlichen Geruch von frischem Blut in seiner Nase, sogar jetzt, wo er sich augenscheinlich wieder im wirklichen Leben, auf seinem nass geschwitzten Laken befand.
Und er stellte sich wie jeden Morgen die gleiche Frage. Warum hatte er immer wieder diese sich so sehr ähnelnden, schrecklichen Träume?!
Langsam und völlig übermüdet quälte er sich mit seinen Beinen über den Bettrand und befühlte seine schmerzenden Gliedmaßen. Er spürte jeden einzelnen Knochen, so als ob er im Traum mit sich selbst gerungen hätte.
Und dann immer wieder diese Bilder, jede Nacht der gleiche Traum, jeden Morgen die gleichen Qualen, körperlich, sowie auch psychisch!
Als könne er die Schrecken seines Traumes abspülen, ließ er unter der Dusche lauwarmes Wasser über seinen Kopf und den schmalen Körper laufen und für einen kurzen Moment fühlte er sich ein wenig besser.
Beim Blick auf seine Uhr stellte er erschrocken fest, dass die Zeit gerade noch für einen schnellen Kaffee reichen würde, wenn er nicht erneut zu spät auf Arbeit kommen wollte.
Den Geruch aus seinem Traum immer noch in der Nase würde er jetzt eh keinen Bissen runter bekommen.
Als er für einen kurzen Moment seine Augen schloss, um den immer noch leichten Druck in seinem Schädel los zu werden, blitzte wieder das Bild dieser sterbenden Frau in seinem Hirn auf.
Er musste diesen Traum aus seinem Kopf bekommen, aber er wusste dass es ein schier sinnloses Unterfangen war! Wie immer würden ihn diese Gedanken und Bilder den ganzen Tag begleiten und es würde wie immer dazu führen dass ihm ein Fehler nach dem anderen passierte! In seinen Träumen machte er nie Fehler, aber die kamen des Nachts, jedoch tagsüber befand er sich in der Realität und da führten Fehler zwangsläufig zu Problemen, Probleme die seine Chefin schon lange nicht mehr einfach so hin nahm!
Er streifte sich hastig seine Jacke über und hatte sofort wieder diesen süßlichen Geruch in der Nase, verwirrt und völlig übermüdet öffnete er die Tür um sich draußen seine braunen Wildlederschuhe anzuziehen. Als sein Blick zum Boden glitt wurde ihm mit einem Schlag übel und er musste sich am Türrahmen festhalten um sein Gleichgewicht nicht zu verlieren. Die braune Farbe seiner Schuhe war nur noch stellenweise sichtbar, der Rest des Leders war über und über mit einer dicken Blutkruste überdeckt.
Er brauchte sich nicht erst bücken um festzustellen dass es sich hierbei wirklich um Blut handelte.
Ein weiterer Blick in die Ecke seines Flures zeigte ihm ein Bündel blutverschmierter Klamotten, schlagartig drängten sich wieder die abartigen Bilder der Träume aus den letzten Nächten in seinen Kopf und er schleppte sich mit letzter Kraft zurück ins Wohnzimmer, um das Telefon zu erreichen bevor ihm seine Beine endgültig den Dienst versagten.