Regen aus Blut
Das Leuchten wurde Wetter wurde Sturm, riss am Asphalt, trieb Flutwellen die Strasse hinab. Der Mensch stand da, ein Fels im Strom, unbeweglich. Die Nässe durchdrang ihn, die Kälte gefror ihn, er trieb davon. Vorbei an den Neonleuten, den Betonlügen, den eisernen Grenzen.
Hier liegt im treuen Angedenken unser lieber Vater, Sohn und... Das Grab eines alten Mannes. Hier ist Weisheit. Wer Verstand hat, der bedenke die Zahl, sie ist unendlich. So sind unsere Leben. Entschlossen schreitet er fort, achtet nicht auf die welken Blumen am Grab. Es muss etwas geschehen.
Es heisst, das Gute zerfällt immer von innen heraus, das sei sein Untergang. Dann werde das Böse wieder stark. Es heisst auch, das Böse wendet sich immer gegen sich selbst. Dann käme das Gute wieder zu seinem Recht. Was aber, wenn es dann nichts Gutes mehr gibt?
Pitsch. Ich definiere: Patsch. Das Gute - Tick. Spiritualität, die Welt des Geistes. Tack. Das Gute ist Abwendung von der materiellen Welt. Tock. Und Hinwendung zur spirituellen Welt. Tock - tock. Bis die materielle Welt nicht mehr existiert. Tocktocktock. Herein. Klack. Wer ist da? Das Böse: Materialismus. Triebe, Ausschaltung von Gedanken, Träumen, Erleuchtung. Tod. Verneinung der Spiritualität.
Kalte Nacht. Regenschleier liegen über den Neonstrassen der Stadt. Er schleicht durch die Lücken zwischen den Lichtvorhängen, nutzt die Zwischenräume der Regenstreifen, rollt in den Schatten, katzengleich. Ihn kümmert nicht der Weg, er hat kein Ziel. Die Nacht ist der Grund für seine Anwesenheit. Ihretwegen treibt es ihn hinaus aus seiner Höhle, die, nunmehr auch schon verschwemmt, ihren Sinn verloren hat. Er hüllt sich dichter in seinen Mantel, schmiegt sich an das nasse Textil. Die Augen spiegeln ein Bild, identisch mit einer beliebigen Nacht einer beliebigen Stadt. Leute im strömenden Regen, lachen, spüren ihn nicht, sehen keine Dunkelheit. Nass, ganz nass steht der Mensch da, in seiner Ecke am Rande der Bühne. Eine Nacht wie jeder Tag. In der Stadt wimmelt die Masse, es regnet Blut.
Er durchfliesst die Strassen dieser Stadt. Er strömt an der Masse vorbei, ein Engel, totengleich. Sie nehmen ihn wahr, artikulieren Laute, denken ein Lachen, schreien in Wahrheit. Schreien um Hilfe, lachen ihn aus. Kaum einer, der nicht starrt, kaum einer, der nicht schreit. Seine Lippen spiegeln ein Lächeln, dunkel, Kontrast. So wahr mir Gott helfe, heute lebt niemand in dieser Nacht.