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Reise in die Vergangenheit
Bernhard schaute immer wieder auf das Ticket, das vor ihm lag.
"Chicago - Frankfurt a. Main"
Nun stand es fest, er würde fliegen.
Er wusste zwar, dass es Wahnsinn war, diese Reise in die Vergangenheit
zu wagen.
Aber Bernhard konnte nicht anders.
Seit seine Freundin Beatrice ihn gebeten hatte, sie zum Besuch ihrer schwerkranken Großmutter nach Deutschland zu begleiten, beschäftigte ihn diese Entscheidung Tag und Nacht.
Ach Bea, was wusste sie schon von seiner Zeit vor dem Mauerfall in Deutschland!
Nichts hatte er ihr erzählt von den Jahren im Knast, von der vorzeitigen Entlassung und der damit erpressten Zugehörigkeit zur Staatssicherheit.
Nichts ahnte Bea davon, dass Bernhard durch die Berichte und Fotos, die er an die Stasi weitergab, eine ganze Gruppe, darunter auch seinen Freund Dieter, für Jahre ins Gefängnis gebracht hatte.
Hier in Chicago, weit weg von alledam, hatte er gehofft, all das zu vergessen.
Doch jetzt, nach Beas Bitte, war alles wieder aufgebrochen.
Nein, er hatte eigentlich nie wieder nach Deutschland gewollt!
Jede Menge Ausreden waren ihm in schlaflosen Nächten durch den Kopf gegangen. Doch er kam einfach nicht zur Ruhe.
Jetzt erst begriff er sein ganzes verkorkstes Leben. Nein, er wollte sich nicht mehr verstecken.
Stellen würde er sich ganz gewiss nicht, dazu steckten ihm die Knastjahre noch zu tief in den Knochen.
Die Vergangenheit ließ ihm von nun ab, keine Ruhe mehr. Was war aus seinen "alten" Freunden geworden? Vor allem, wie ging es Dieter?
Irgendwie mußte er das doch herausbekommen!
Vielleicht würde er dann endlich wieder Ruhe finden.
Es war Wahnsinn, aber er musste einfach noch einmal nach Berlin, noch einmal in die Eckkneipe, in der er oftmals sein schlechtes Gewissen ertränkt hatte.