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Renaissance
Das stetige Brummen des Projektors schneidet sich in meinen Kopf; sägt ihn langsam, fast bedächtig von innen heraus auf. Wissen hat sich darin verkrochen... Lange genug! Raus mit der Schlange, die mir wieder und wieder versucht falsche Hoffnungen einzuflüstern. Man sieht nicht klar! Es geht nicht! Die Weisheit hat gelogen, schon in jungen Jahren. Das verschwommene Schattenspiel des gekreuzigten Platon tanzt auf den kahlen Wänden des Raumes, tanzt zur traurigen Melodie des Projektors.
Wird das Wissen sich ergeben, oder muss es erst Gewalt zu spüren bekommen? Ein Krieg besteht aus vielen Schlachten und auch, da bin ich mir sicher, wenn die Scherben der Spiegel um mich herum von meinen bisherigen Misserfolgen zeugen, wird der letzte Kampf mein sein. Auge um Auge gegen eine Übermacht, die ich selbst in mir gebettet habe. Die Schlacke des Alkohols hat nicht geholfen den König der Lügen, die Wahrheit, zu unterjochen.
Raus... Sie muss raus... Raus aus mir, dann muss ich hier raus... Raus aus diesem Raum. Wenn dabei ein Teil von mir verloren geht, werde ich ihn einfach suchen, ihn mitnehmen und pflegen. Irgendwie krieg ich ihn schon durch. Schizophrenie war zu keiner Zeit ein Problem für mich.
Ich stehe auf, merke den eigenen Saft an den Füßen, als ich durch die Splitter gehe. Jemand klopft... Nicht an der Tür; der Raum hat ja keine. Es klopft an der Wand. Ich klopfe wütend zurück und verdeutliche damit, dass man nicht mit mir sprechen kann. Das geht noch nicht, ich bin doch klug. Erst wenn dieser Makel behoben ist, kann ich mit dir reden, dich ins Café einladen, mit dir schlafen. Hast du überhaupt was zum schlafen? Bist du dumm? Passt meine Liebe denn in deinen Kopf?
Fragen! Das darf nicht wahr sein! Schon wieder habe ich gedacht. Leise, ganz heimlich kommen die die Fragen, legen Feuer und ich komme mit dem Löschen nicht hinterher.
Da fällt mir ein: Feuer bekämpft man mit Feuer; das wird mein Triumph! Ich staple alle Bücher der Welt in der Mitte des Raumes, zünde sie an, bade in ihrem unheiligen Rauch. Platon schüttelt seinen leblosen Kopf.
"Na und!", brüll ich ihn an. "Du hast nichts erreicht! Da hängst du, Schattenkönig, Höhlenmensch! Nun so dumm als wie zuvor!" Sein Abbild löst sich auf, fließt wie Teer an der Wand entlang und bildet Buchstaben. Leider ist es mir noch immer möglich sie zu entziffern:
So sein Argument. Meine Antwort: Tränen. Von einem uralten Toten geschlagen; wie erbärmlich... Warum ist er so gemein? All die Jahre gemeinsam einsam... Nun ist er ewig; hat einfach aufgelegt. Kein Schatten mehr... Nur das Brummen des Projektors. Die Säge hat er mir gelassen. Und noch etwas ist mir von ihm geblieben. Eine weitere quälende Frage: Warum bin ich nicht ewig? Ist es mein Martyrium, das mich in der Endlichkeit versinken lässt?
Worte, die verfluchten Bastarde, drängen sich in meinen Kopf und zwingen mich sie aufzuschreiben. "Reis dich zusammen", sagen sie. "Geh nicht hier raus, draußen ist`s kalt. Nimm doch dein Gefängnis einfach mit." Ich kann mich nicht zur wehr setzen, gehe an die Wand und reiße sie aus ihrem Fundament. Das Gefängnis lächelt den Schatten des Klopfers an, der noch immer brav wartet, dass ich ihm antworte. Die vergangenen Sekunden geben mir eine Ahnung von der Ewigkeit... Ich spreche. Gedämpft kommt die Lüge, die ich aus der Asche der Bücher ziehe, bei ihm an.
Eines der Worte von vorhin bohrt mir eine blutige Scherbe in den Rücken und meint, dass noch etwas zu erledigen sei. Fast hätte ich sie vergessen, doch die Wunden, die niemand außerhalb meines Kerkers sieht, lassen es nicht vollständig zu. Ich nehme einen unregelmäßig gerissenen Zettel und folge dem Befehl meiner Peiniger... Ich gebe ihnen ein Gesicht:
die Zukunft der Trauer,
mir Hoffnung ins Ohr.