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Reststop
Mit einem letzten leisen Seufzer löse ich mich von dir und lasse meinen nackten Körper neben dich auf das Bett gleiten. Sofort umfangen mich deine Arme stark und liebevoll zugleich und ich lege glücklich meinen Kopf auf deine Brust und schließe die Augen. Im Hintergrund höre ich den Regen auf die Fensterbank prasseln, das Radio neben deinem Bett spielt leise irgendeinen Popsender und ich lausche deinem Herzschlag, während du beginnst sanft meinen Rücken zu streicheln.
Ich hebe den Kopf leicht und sehe dich einfach nur an, deine schwarzen Haare sind feucht vom Schweiß und deine Locken stehen unbändig in alle Richtung ab. Deine Augen sind geschlossen und du atmest so gleichmäßig, als würdest du tief und fest schlafen. Ich drehe mich auf den Bauch und streiche über deine Wange. Dein Dreitagebart löst ein wohliges Kribbeln auf meiner Handfläche aus und ich ziehe mich ein Stück höher um dir einen sanften Kuss auf die Lippen zu hauchen. Du öffnest die Augen und lächelst mich an und ich bemerke, dass du genau wie ich erschöpft und zufrieden zugleich bist. Dann schließt du deine Lider und ich schmiege mich wieder an deiner Brust.
Niemals hätte ich vor ein paar Monaten gedacht, dass ich jemals hier in deinem Bett liegen würde und erinnere mich zurück an unsere erste Begegnung.
Du würdest die Umstände unseres Kennenlernens in deiner pragmatisch realistischen Art Zufall nennen. Für mich ist es Schicksal:
Ich war zum ersten Mal in dem Club gewesen, obwohl ich schon seit zwei Jahren hier lebte. Und du warst erst zum zweiten Mal hier um einen Freund zu besuchen. Bereits in der Eingangshalle trafen sich unsere Blicke und verweilten länger als die üblichen zwei bis drei Sekunden, die sich Fremde in der Regel schenken.
Kurz darauf hatte ich dich jedoch schon wieder vergessen, ein hübscher Mann unter vielen, zumindest bis du plötzlich neben mir standest. Dein Lächeln war warm und schon nach ein paar kurzen Sätzen war uns beiden klar, dass wir uns wiedersehen wollten.
Du drehst dich auf die Seite und reißt mich aus meinen Erinnerungen heraus. Ich sehe dich an und frage mich, was du träumst. Eben noch haben wir uns geliebt, aber ich bin mir nicht sicher, ob du in deinen Träumen bei mir bist oder bei ihr.
Du hast mir ihren Namen nie genannt, hast sie nie mit mehr als einem zusammenhängenden Satz erwähnt und doch spüre ich sie manchmal in dir. Sie ist mehr als nur eine Erinnerung, eher wie ein Gespenst, das urplötzlich auftaucht und wieder in deinem Kopf rumspukt. Ein Geist, der dich vergessen lässt, dass es mich gibt. Du sagst es mir nicht, aber ich sehe es in deinem Blick und deiner Mimik, wenn du neben mir liegst und doch gar nicht da bist. Wenn dein Gesicht diesen teilnahmslosen Ausdruck annimmt und es mir erscheint, als würdest du Mauern hinter deinen Augen aufbauen, damit ich nicht in diesen verborgenen Winkel deiner Seele vordringen kann.
„Jeder hat seine Vergangenheit“, hast du mir geantwortet, als ich dich einmal gefragt habe, was mit dir sei und damit war das Thema für dich beendet. Für mich hatte es in diesem Moment erst angefangen.
Ich stehe vorsichtig vom Bett auf, immer darauf bedacht dich nicht zu wecken und ziehe mich an. Im Radio läuft „Reststop“ von Matchbox Twenty und mir wird schmerzlich bewusst um was es in dem Lied geht: „While you were sleeping and I was listening to the radio and wonder what your dreaming, when it came to mind that I didn’t care. And I thought: Hell, if it’s over, I will better end it quick or I will loose all my nerve.”
Ein letztes Mal sehe ich dich an, streiche durch deine Locken, über deine Wange und genieße das wohlige Kribbeln, das es bei mir auslöst. Ich beuge mich über dich und meine Lippen treffen deine so flüchtig wie ein Geist. Deine Augenlider zucken kurz und dann schläfst du ruhig weiter.
Ich wollte nicht weinen, wenn ich dich verlasse, doch ich kann die Träne nicht verhindern, die bei dem Gedanken entsteht, dich nie wieder zu berühren, nie wieder in deinen Armen zu liegen, nie wieder mit dir zu sein.
Doch ich kann auch nicht bei dir bleiben, solange ich mich nicht von deinen Geistern befreien kann.
Auf dem Zettel, den ich auf dem Nachttisch zurücklasse, steht nur ein Wort: „Reststop“
Ich bin mir sicher, dass du weißt, was ich meine, auch wenn du wahrscheinlich nie verstehen wirst, dass ich gegangen bin, weil ich mich gefragt habe, was du träumst.