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Reststop

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13.05.2005
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Reststop

Mit einem letzten leisen Seufzer löse ich mich von dir und lasse meinen nackten Körper neben dich auf das Bett gleiten. Sofort umfangen mich deine Arme stark und liebevoll zugleich und ich lege glücklich meinen Kopf auf deine Brust und schließe die Augen. Im Hintergrund höre ich den Regen auf die Fensterbank prasseln, das Radio neben deinem Bett spielt leise irgendeinen Popsender und ich lausche deinem Herzschlag, während du beginnst sanft meinen Rücken zu streicheln.
Ich hebe den Kopf leicht und sehe dich einfach nur an, deine schwarzen Haare sind feucht vom Schweiß und deine Locken stehen unbändig in alle Richtung ab. Deine Augen sind geschlossen und du atmest so gleichmäßig, als würdest du tief und fest schlafen. Ich drehe mich auf den Bauch und streiche über deine Wange. Dein Dreitagebart löst ein wohliges Kribbeln auf meiner Handfläche aus und ich ziehe mich ein Stück höher um dir einen sanften Kuss auf die Lippen zu hauchen. Du öffnest die Augen und lächelst mich an und ich bemerke, dass du genau wie ich erschöpft und zufrieden zugleich bist. Dann schließt du deine Lider und ich schmiege mich wieder an deiner Brust.
Niemals hätte ich vor ein paar Monaten gedacht, dass ich jemals hier in deinem Bett liegen würde und erinnere mich zurück an unsere erste Begegnung.
Du würdest die Umstände unseres Kennenlernens in deiner pragmatisch realistischen Art Zufall nennen. Für mich ist es Schicksal:
Ich war zum ersten Mal in dem Club gewesen, obwohl ich schon seit zwei Jahren hier lebte. Und du warst erst zum zweiten Mal hier um einen Freund zu besuchen. Bereits in der Eingangshalle trafen sich unsere Blicke und verweilten länger als die üblichen zwei bis drei Sekunden, die sich Fremde in der Regel schenken.
Kurz darauf hatte ich dich jedoch schon wieder vergessen, ein hübscher Mann unter vielen, zumindest bis du plötzlich neben mir standest. Dein Lächeln war warm und schon nach ein paar kurzen Sätzen war uns beiden klar, dass wir uns wiedersehen wollten.

Du drehst dich auf die Seite und reißt mich aus meinen Erinnerungen heraus. Ich sehe dich an und frage mich, was du träumst. Eben noch haben wir uns geliebt, aber ich bin mir nicht sicher, ob du in deinen Träumen bei mir bist oder bei ihr.
Du hast mir ihren Namen nie genannt, hast sie nie mit mehr als einem zusammenhängenden Satz erwähnt und doch spüre ich sie manchmal in dir. Sie ist mehr als nur eine Erinnerung, eher wie ein Gespenst, das urplötzlich auftaucht und wieder in deinem Kopf rumspukt. Ein Geist, der dich vergessen lässt, dass es mich gibt. Du sagst es mir nicht, aber ich sehe es in deinem Blick und deiner Mimik, wenn du neben mir liegst und doch gar nicht da bist. Wenn dein Gesicht diesen teilnahmslosen Ausdruck annimmt und es mir erscheint, als würdest du Mauern hinter deinen Augen aufbauen, damit ich nicht in diesen verborgenen Winkel deiner Seele vordringen kann.
„Jeder hat seine Vergangenheit“, hast du mir geantwortet, als ich dich einmal gefragt habe, was mit dir sei und damit war das Thema für dich beendet. Für mich hatte es in diesem Moment erst angefangen.
Ich stehe vorsichtig vom Bett auf, immer darauf bedacht dich nicht zu wecken und ziehe mich an. Im Radio läuft „Reststop“ von Matchbox Twenty und mir wird schmerzlich bewusst um was es in dem Lied geht: „While you were sleeping and I was listening to the radio and wonder what your dreaming, when it came to mind that I didn’t care. And I thought: Hell, if it’s over, I will better end it quick or I will loose all my nerve.”
Ein letztes Mal sehe ich dich an, streiche durch deine Locken, über deine Wange und genieße das wohlige Kribbeln, das es bei mir auslöst. Ich beuge mich über dich und meine Lippen treffen deine so flüchtig wie ein Geist. Deine Augenlider zucken kurz und dann schläfst du ruhig weiter.
Ich wollte nicht weinen, wenn ich dich verlasse, doch ich kann die Träne nicht verhindern, die bei dem Gedanken entsteht, dich nie wieder zu berühren, nie wieder in deinen Armen zu liegen, nie wieder mit dir zu sein.
Doch ich kann auch nicht bei dir bleiben, solange ich mich nicht von deinen Geistern befreien kann.
Auf dem Zettel, den ich auf dem Nachttisch zurücklasse, steht nur ein Wort: „Reststop“
Ich bin mir sicher, dass du weißt, was ich meine, auch wenn du wahrscheinlich nie verstehen wirst, dass ich gegangen bin, weil ich mich gefragt habe, was du träumst.

 

Hallo Luca,
ich teile christianheynks Eindruck und seine Meinung in bezug auf autobiographisch basierte Fiktion. Natürlich wissen wir nicht, ob dein Text einen real erlebten Kern hat, aber schon die Ich/Du-Perspektive, die du wählst (es ist mein Daueranliegen, dagegen anzureiten ;-) ) legt diese Vermutung nahe.

Du kannst Stimmung und Bilder mit deinem Schreibstil transportieren, die postkoitale Alphawellen-Stimmung hast du gut eingefangen. Meine Kritik betrifft eher den Plot. Es fehlt das Besondere, die Spannung, die Klimax. Deine Prot bleibt mir als Leserin fremd: Warum hat sie offenbar nie wirklich intensiv nachgefragt, was es mit der Ex auf sich hat? Warum hat sie ihm ihr sicher nicht frisches Leiden an seinem Schweigen nie wirklich deutlich offenbart?
So hat das Handeln der Prot etwas misslungen Theatralisches, in meiner Vorstellung steht sie danach auf der Straße und denk sich: 'Mensch, was hab ich da wieder für'n Scheiß gemacht!' Aber das sieht der Leser natürlich nicht, denn das kommt nach dem "Ende" deiner Kopffilmrolle.

Vielleicht kannst du noch ein bisschen Volumen reinbringen.

Noch zwei Anmerkungen zum Ausdruck:

während du sanft beginnst meinen Rücken zu streicheln.

Sicher meinst du "während du beginnst, meinen Rücken sanft zu streicheln".

und ich lasse mich zurück in meine vorherige Position an deiner Brust gleiten.

"Position" finde ich zu technisch-topographisch in dem Zusammenhang, wie wäre es mit "und ich schmiege mich wieder an deine Brust"?

Gruß!

Chica

 

Hallo ihr 2,

erstmal danke für eure (meist) zutreffende Kritik.
Allegemein zu dem Thema, dass man sofort merkt, dass ich eine junge Frau bin, die möglicherweise eigene Erfahrungen verarbeitet, will ich sagen, dass ich persönlich es nicht schlimm finde, wenn man erkennt, zu welcher Gruppe der Autor gehört. Außerdem glaube ich fest daran, dass jeder Autor einen Teil von sich immer in eine Geschichte mitgibt. Manche können es halt besser verbergen als andere...

Das Ichbezogene Literatur belanglos ist, halte ich generell für übertrieben, da es sicher auch Autoren gibt, die solche Literatur nicht nur spannend schreiben, sondern auch den nötigen Tiefgang reinbringen können. Aber das ist wahrscheinlich immer Meinungssache.

@christianheynk:
Wo ich dir auf jeden Fall zustimmen muss ist, dass ich innerhalb des Textes zu sprunghaft und auch nicht ausgereift genug bin. Ihr habt beide Recht, dass es auf den Leser belanglos wirken muss.
Allerdings wollte ich auch sagen, dass ich mit dem Plot nicht auf ein gewisses Ziel hinaus wollte, es sollte sein was es ist. Eine Stimmung, ein Augenblick im Leben zweier Menschen. Das ich damit nicht mehr als zwei Seiten voll kriege ist auch nicht gewollt. Dazu fühle ich mich momentan auch noch garnicht in der Lage eine "typische" KG zu schreiben, deshalb diese Anfangsversuche.

@chica:
Schön, dass dir meine Stimmungsbeschreibungen gefallen haben (naja ich freu mich auch über positive Kritik ;-) )
Ich habe oben schon erwähnt, dass es stimmt, dass meine Prot zu belanglos und nichtssagend bleibt, vielleicht schaffe ich es ja mal, es tiefer gehen zu lassen und auch ihre Gründe deutlicher machen kann.
Da Menschen allerdings sehr unterschiedlich sind, halte ich es nicht für unrealistisch, dass sie einfach geht, weil sie mit seiner Vergangenheit nicht klarkommt. Nicht er ist das Problem, sondern sie selbst. (Ich glaub das hab ich nicht gut klar gemacht)

Also danke nochmal für die Kritik und nur so am Rand: Nein, diese Geschichte ist nicht autobiographisch ;-)

Liebe Grüße
Luca

 

Guten Morgen Luca,
mir hat Deine leise Liebesgeschichte gefallen. Das nette junge Mädchen, von nebenan, das nach der „Diskoverliebtheit“ mehr will, feststellen muss, dass „Er“ nicht bereit/nicht in der Lage usw. in ihr tatsächlich das Gefühl der „angekommenen Liebe“ zu wecken, habe ich gesehen und gespürt.
Auch wenn jetzt meine Leserbefindlichkeit durch die Nähe zu J.H. ein wenig diskreditiert scheint. Die Verbindung mit der Bachmannpreisträgerin versöhnt mich wieder. Und Dir, Luca, sollte sie die Gleitsichtbrille ein Wenig an die Decke richten!!:lol:
Chica will mehr aus Deiner Prota herausholen, ist bei ihrer tollen Schreibe allzu verständlich. Aber nicht alle „Mädels können die Türe so effektvoll, wie im Schlampenfieber zuhauen“, wäre auch langweilig. Die Reaktion der Prota fand ich angemessen.
Ob Du nun autobiografisch schreibst oder nicht, ist mir ziemlich egal (d.h. wenn Du das nette junge Mädchen von nebenan… dann würde ich schon gern wissen wollen, was Du so treibst). :sealed: Nachvollziehbar ist die Geschichte allemal.
Ich freu mich, dass ich die Geschichte gelesen habe!
Gruß Thomas !

 

Hallo

Siggi Thomas,
danke für deinen Kommentar und natürlich freue ich mich, dass du die Geschichte mochtest, auch wenn sie wirklich nochmal überarbeitet werden sollte.
Liebe Grüße
Luca

 

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