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Riegel

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03.03.2020
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Riegel

Jetzt geht der Bruder so spät noch aus dem Haus. Vom Fenster aus sehe ich ihn, wie er um die Ecke biegt, wie er kurz zuvor noch mal in meine Richtung blickt, aber doch an mir vorbei.
In seinem Zimmer ist es finster. Nur Schattenwerfer und ihre Schatten hier. Ein Schatten auch in der Schublade neben seinem Bett, wo sonst das Messer lag.

»Ich habe schon geahnt«, tönt es aus dem Flur, »dass du meinen Privatbesitz nicht achtest.«
»Wovon sprichst du«, sage ich bloß und schiebe währenddessen die Schublade zu, hebe sie leicht an, sodass sie in ihren Schienen keinen Laut von sich gibt, und setze mich aufs Bett.
»Es war doch schon heute Morgen klar, dass du etwas ausheckst«, sagt der Bruder und tritt in den Türrahmen. »Du warst schon immer ein schlechter Lügner, Riegel.«
»Nenn mich nicht Riegel und komm mir nicht zu nah!«
»Du musst doch keine Angst haben, Riegelchen, doch nicht vor deinem Bruder?«
»Wenn du mein Bruder bist, warum gehst du dann so spät noch aus dem Haus? Was hast du da draußen zu suchen? Reicht es dir nicht, hier mit mir zu sein, zwar nicht direkt zusammen, aber doch Zimmer an Zimmer, Wand an Wand, was lässt dich im Dunkeln wegschleichen wie ein Dieb oder vielleicht sogar Schlimmeres?«
»Worum geht es dir denn, Riegel?«

Als würde er auf einem Seil balancieren, betritt der Bruder den Raum. Setzt einen Fuß vor den anderen. Hacke, Ballen, Zehen entrollen sich wie ein Teppich, der jeden Laut erstickt.
»Bist du nicht gern allein? Ist es das?«
»Nein, darum geht es nicht.«
»So. Darum nicht. Aber vor irgendetwas hast du Angst, das ist ganz deutlich. Es ist ja, als würde das Schwarz um dich herum im Takt deines Herzschlags pulsieren. Du machst das Schwarze ja noch schwarzer mit deinen dunklen Gedanken –«
»Komm mir nicht zu nah, hab ich gesagt!«
Da erzittert der Raum kurz in zackigen Wellen, so schrill kratzt mein Schrei durch die Luft.
»Beruhige dich, Mann. Denk an die Nachbarn. Ich komm jetzt näher, Riegel – ich darf doch? Ist ja mein Zimmer, wenn man darüber nachdenkt, ich gehöre ja hier her. Du hingegen –«
»Ich hingegen bin ein Einbrecher, willst du darauf hinaus? Aber lass mich dich gleich unterbrechen, immerhin bin es ich, der hier die Miete zahlt, während du –«
»Während ich nachts durch die Gassen schleiche wie ein Dieb – oder Schlimmeres, waren das nicht deine Worte? Hast du Sorge, was dein Bruder in der Nacht da draußen macht? Hast du Angst? Ich könnte es dir verraten – ganz einfach. Dann müsstest du nicht mehr am Fenster stehen wie ein lausiger Spion oder ein Privatdetektiv, kein guter, muss ich an der Stelle noch mal anmerken.«
Da lacht der Bruder auf, dass ich mich an die Wand presse. So laut, dass vermutlich das halbe Haus davon wach wird, die Lampen anknipst und aufrecht im Bett sitzt.

Aber schon herrscht wieder Stille. Die folgenden Worte kommen dem Bruder ganz leise über die Lippen. Fast säuselnd, fast sinnlich.
»Du hast wieder an die Nachbarn gedacht, oder nicht? Als ich so laut gelacht habe. Hast, ob du wolltest oder nicht, den Maier und seine Frau vor dir gesehen, aufeinander, untereinander, eng umschlungen. Wie sie, auf allen Vieren, mit zerwühlten Haaren und geröteten Wangen die Nachttischlampe anknipst, darauf lauschend, ob hier noch weiter gelacht und gebrüllt –«, und hier brüllt der Bruder tatsächlich wieder, spricht die erste Silbe noch ganz leise und wird dann laut, »ge-brüllt wird, aber ihn stört das nicht, er macht weiter, bohrt sich tiefer hinein, kreist die Hüften und schabt genussvoll an ihren tropfenden Innenwänden. Ach, du solltest dich mal sehen, Riegel. Wie ein Zitteraal oder ein Kaninchen. Oder bin ich der Aal, ich und alle anderen, und nur du das Kaninchen? Immer fluchtbereit, immer mit angelegten Ohren, die Augen schreckensstarr geweitet, in Panik – aber wovor eigentlich? Was plagt dich denn, Riegelchen? Das Gewissen? Spuck’s aus! Bin doch bloß ich. Du weißt schon. Dein Bruder.«

So sicher war ich mir dabei nicht. Vorhin, als ich aus dem Fenster sah. Trug er da nicht noch etwas anderes? Trug er da schon diesen breitkrempigen Hut und den langen Mantel? Überhaupt hatte ich ihn noch nie in diesem Aufzug gesehen.
»Weißt du, Riegel, die Mutter hat mal gesagt –«
»Halt die Mutter aus der Sache raus!«
»Sachte, jetzt weckst aber du die Nachbarn auf! Alles gut, Herr und Frau Maier, alles gut, machen Sie weiter, hören Sie nicht auf meinen Bruder! Das geht vorüber, das ist nur eine Phase, ein kurzes Aufwallen unterdrückter Emotionen – ach nein. Jetzt sind mir die Worte der Mutter ja doch rausgerutscht. Sag mal, weinst du jetzt? Aber warum denn? Weil der Vater uns verlassen hat? Weil die Phasen ihm zu viele wurden, zu viel waren, weil er«, und da setzt der Bruder wieder die Hacke seines Fußes auf, »dich«, Ballen – »nicht«, Zehen – »mehr lieb hat?«

Irgendwo steht ein Fenster offen, denn im Raum wird es schlagartig kalt. Das weiße Licht der Laternen, das von der Straße hereindringt, verstärkt diesen Eindruck noch.
»Hier, nimm meine Decke. Du zitterst ja.«
»Deine Decke? Die ich besorgt, die ich bezahlt habe?«
Aber ich nehme sie trotzdem und werfe sie mir sogar über den Kopf, dass nur noch meine Augen zu sehen sind.
»Ich sehe sowohl den Vater als auch die Mutter in deinen Augen, Riegel. Der Vater ist der Schrecken – du das Kaninchen, das Fluchttier. Das erstarrt und gelähmt wird bei dem Gedanken, wie es vor sich selbst wegrennen kann. Der Vater … Ist das wummernde Herz. Der Puls. Mit der Mutter ist das schwieriger. Die Mutter ist wohl eines dieser Fabelwesen, wie man sie sich früher zurechtgesponnen hat, wenn man bei Nacht alleine im Wald unterwegs war, als Landstreicher unterm Sternenhimmel, von einer Stallung zur nächsten, und dann ein Geräusch vernahm. Eine geflügelte Wildsau mit Geweih oder ein Luchs mit acht dünnen, feingliedrigen Spinnenbeinchen, der an der Decke sitzt, in der Ecke, mit seinen acht schlitzförmigen Luchsaugen einfach nur dasitzt und zusieht und faucht, was weiß ich. Denn die Fantasie, die mir fehlt, die hast ja du von der Mutter bekommen. Und was für eine verheerende Kombination das ist, das weißt du ja selbst, mein Riegelein, nur deshalb schließt du dich wieder und wieder ein. Setzt der Fantasie bewusst Grenzen. Hinderst dich an der Flucht, und hoppla, jetzt frage ich mich doch, ob du das wirklich weißt, ob du dir dessen wirklich bewusst bist? Ob dir das schon mal jemand gesagt hat? Aber wer denn, wenn nicht ich – Herr und Frau Maier wohl kaum!«, und das brüllte er wieder, wie ein Bellen fast, wie ein Schnitt ins Fleisch, »kaum!«, zisch!, und da springe ich auf und will ihm an die Gurgel – und halte mich gerade noch zurück.

»Oho, schau mal an!«, sagt der Bruder bloß und bleibt an der gleichen Stelle stehen. Mitten im Raum, einen Fuß vor den anderen gesetzt, mit den Armen das Gleichgewicht haltend.
»Da war es fast so weit – Erbsünde und Brudermord, wie prophezeit! Darauf läuft es also hinaus. Und trotzdem – hält dich etwas zurück. Was ist es denn, Riegel? Was fesselt dich noch, was lässt dich die Augen senken? Doch nicht die Scham? Nein, wozu denn schämen, zumal vor mir, deinem Bruder – deiner Familie! Ich kenne dich doch, mehr sogar, als du dich selbst kennst, mag es mir manchmal scheinen. Ich weiß doch, dass du einen Schwanz hast wie ich und ich weiß doch von deiner Fantasie … Und ich will dich nicht quälen, Bruder, aber auch unser Vater hatte einen solchen Schwanz, du erinnerst dich? Ich bin mir da gar nicht mehr sicher … Also, was dich angeht. Was du weißt … Aber du hast doch nicht wirklich geglaubt, alles ausblenden zu können? Zu verdrängen, in eine Schublade zu stecken und – ach, fast hätte ich es vergessen. Fast habe ich nicht mehr daran gedacht, Riegel. Wie schlau … wie durchtrieben … nur ein Schatten …«
Hacke.
»… wo sonst …«
Ballen.
… das Messer lag.«
Zehenspitzen.
»Mach Platz.« Säuselnd wieder, zieht er den Hut aus. Den Mantel. Alles sonst.
So schlüpft er ins Bett.
»Also, Riegel … Bist du bereit?«
Ich dachte, ich wär’s.

 

Hallo,

weil ich befürchte, dass mir der Text zu geheimniskrämerisch geraten ist, habe ich ihn darauf noch mal abgeklopft und das Kernthema deutlicher herausgearbeitet. Ich hoffe, dass er jetzt mehr in sich geschlossen ist und einen Sinn ergibt - bei der ersten Fassung war ich mir da nicht ganz sicher ...

Liebe Grüße,
Akka

 

Guten Morgen @Akka

warm werde ich mit deiner Geschichte nicht. Sie verwirrt mich von Beginn an. Ich gebe ein paar Beispiele.

Jetzt geht der Bruder so spät noch aus dem Haus.
"der Bruder" ist eine ungewöhnliche Formulierung. Ich denke da spontan an einen Mönch. Oder meint es hier doch einen Verwandtschaftsgrad?

Jetzt geht der Bruder so spät noch aus dem Haus. Vom Fenster aus sehe ich ihn, wie er um die Ecke biegt, wie er kurz in meine Richtung blickt, aber doch an mir vorbei.
Hier komme ich mit dem Ablauf nicht klar. Wenn jemand um die Ecke biegt, gibt es für mich zwei Möglichkeiten. Entweder die Person kommt kommt in Sicht oder verschwindet aus dem Blickfeld. Wenn er jetzt geht, erscheint es unlogisch, wenn er in Sicht kommt. Aber wenn er aus dem Blickfeld verschwindet, kann er ja nicht mehr in die Richtung des Beobachters schauen.

»Ich habe schon geahnt«, tönt es aus dem Flur, »dass du meinen Privatbesitz nicht achtest.«
»Wovon sprichst du«, sage ich bloß und schiebe währenddessen die Schublade zu, hebe sie leicht an, sodass sie in ihren Schienen keinen Laut von sich gibt, und setze mich aufs Bett.
»Es war doch schon heute Morgen klar, dass du etwas ausheckst«, sagt der Bruder
Ist der Ich-Erzähler noch derselbe? Ich frage mich das, weil der Bruder doch gerade gegangen ist, aber jetzt ist er plötzlich wieder da. Ist das jetzt eine Rückblende?


»Wenn du mein Bruder bist, warum gehst du dann so spät noch aus dem Haus?
Auch dieser Satz ist mehr als verwirrend. Was ist der Zusammenhang zwischen jemandes Bruder sein und das Haus verlassen?

Ich habe dann abgebrochen, da die Geschichte für mich leider nicht funktioniert. Evtl. klären sich meine Fragen im weiteren Verlauf auf, allerdings hast du mich bereits davor verloren.

VG
Markov

 

Hallo Akka,

du sagst nach deiner Bearbeitung:

weil ich befürchte, dass mir der Text zu geheimniskrämerisch geraten ist, habe ich ihn darauf noch mal abgeklopft und das Kernthema deutlicher herausgearbeitet. Ich hoffe, dass er jetzt mehr in sich geschlossen ist und einen Sinn ergibt - bei der ersten Fassung war ich mir da nicht ganz sicher ...
Leider muss ich dir sagen, dass mich der Text (dennoch) verwirrt, ich werde daraus nicht schlau.

Ich versuche mal ein paar Dinge aufzuzeigen, die mir aufgefallen sind.

Jetzt geht der Bruder so spät noch aus dem Haus. Vom Fenster aus sehe ich ihn, wie er um die Ecke biegt, wie er kurz in meine Richtung blickt, aber doch an mir vorbei.
In seinem Zimmer ist es finster. Nur Schattenwerfer und ihre Schatten hier. Ein Schatten auch in der Schublade neben seinem Bett, wo sonst das Messer lag.
In meiner Lesart sitzt er am Fenster und sieht "den Bruder" (Wer ist das? Sein Bruder oder so etwas wie sein Bro/Kumpel?) aus dem Haus gehen. Aber halt nicht aus demselben Haus, in dem der Erzähler ist. Dann wird von dem Bett gesprochen und ich denke, hm, doch dasselbe Haus.
Ich musste das zweimal lesen, um es zu kapieren. Und das direkt beim ersten Absatz, fand ich nicht so lesefreundlich.

»Ich habe schon geahnt«, tönt es aus dem Flur, »dass du meinen Privatbesitz nicht achtest.«
»Wovon sprichst du«, sage ich bloß und schiebe währenddessen die Schublade zu, hebe sie leicht an, sodass sie in ihren Schienen keinen Laut von sich gibt, und setze mich aufs Bett.
»Es war doch schon heute Morgen klar, dass du etwas ausheckst«, sagt der Bruder und tritt in den Türrahmen.
Du hast im Text so oft was von Füßen, Zehen, Ballen geschrieben (Warum so oft?), aber das Wichtige, dass der Bruder wieder zurückkam, unterschlagen.
Und: Wie kann er aus dem (Haus?-)flur sehen, dass er an der Schublade war?

Reicht es dir nicht, hier mit mir zu sein, zwar nicht direkt zusammen, aber doch Zimmer an Zimmer, Wand an Wand, was lässt dich im Dunkeln wegschleichen wie ein Dieb oder vielleicht sogar Schlimmeres?«
Der letzte Halbsatz klagt wie aus einem Gedicht von Schiller.

Generell zu den Dialogen:
Wäre das mit dem Zimmer, den haargenauen Bewegungen des Bruder nicht, sondern würden die beiden auf einer Bühne stehen und ihre Texte für eine Aufführung zu Drama üben/rezitieren, sähe ich keinen Unterschied.
All heißen: Wer spricht so geschwollen im Alltag?

Du machst das Schwarze ja noch schwarzer mit deinen dunklen Gedanken –«
Was soll der Gedankenstrich hier (hast du oft)? Ich kenne das so, dass man mit Auslassungspunkten arbeitet, wenn das Wort oder der Satz unvollendet ist.

und hier brüllt der Bruder tatsächlich wieder, spricht die erste Silbe noch ganz leise und wird dann laut,
"und hier brüllt" könntest du streichen. Zum einen ist es nicht ganz richtig bzw. es reicht zu schreiben, dass er erst leise ist, dann brüllt.

und da springe ich auf und will ihm an die Gurgel – und halte mich gerade noch zurück. »Oho, schau mal an!«, sagt der Bruder
Hier ist der Gedankenstrich korrekt angewendet.

Ich weiß doch, dass du einen Schwanz hast wie ich und ich weiß doch von deiner Fantasie … Und ich will dich nicht quälen, Bruder, aber auch unser Vater hatte einen solchen Schwanz, du erinnerst dich?
Ist das die Kernaussage des Textes?
Danach legt er sich ins Bett seines Bruders.

Sorry, aber so richtig warm werde ich nicht mit dem Text.
Die merkwürdige Sprache, teilweise altertümliche oder lyrische Formulierungen, die Verwirrung, wer wo guckt. Die Details mit den Schritten ... Oder kam Vater (tot? Knast?) so immer leise ins Zimmer geschlichen (Thema: Missbrauch. Idee aus Netflix-Film über die Menendez-Brüder)? Dann würde ich das hervorheben.
Ist Riegel der Nachname? Dann heißt der andere normalerweise ja genauso – warum nennt er ihn so? Oder soll das wie "Dickerchen" lauten? Auch hierzu kein Hinweis.

Ach so: Mal wechselst du im Text in die Vergangenheit und ich sehe keinen Grund dafür.

Hoffe, du kannst mit meinen Hinweisen etwas anfangen.

Wünsche dir einen tollen Sonntag.
Liebe Grüße, GoMusic

 

Hallo @Markov,

warm werde ich mit deiner Geschichte nicht. Sie verwirrt mich von Beginn an.

Schade!

Hier komme ich mit dem Ablauf nicht klar. Wenn jemand um die Ecke biegt, gibt es für mich zwei Möglichkeiten. Entweder die Person kommt kommt in Sicht oder verschwindet aus dem Blickfeld. Wenn er jetzt geht, erscheint es unlogisch, wenn er in Sicht kommt. Aber wenn er aus dem Blickfeld verschwindet, kann er ja nicht mehr in die Richtung des Beobachters schauen.

Ich habe das ein wenig abgeändert und hoffe, dass es jetzt deutlich ist.

Ist der Ich-Erzähler noch derselbe? Ich frage mich das, weil der Bruder doch gerade gegangen ist, aber jetzt ist er plötzlich wieder da. Ist das jetzt eine Rückblende?

Nein, das ist keine Rückblende. Ich verstehe da auch deine Verwirrung, ich habe den Text schließlich bewusst so angelegt, dass vermeintliche Sicherheiten bröckeln, das ist auch hier der Fall. Unglücklich natürlich, wenn das einen Leser nach weniger Zeilen rauswirft.

Auch dieser Satz ist mehr als verwirrend. Was ist der Zusammenhang zwischen jemandes Bruder sein und das Haus verlassen?

Ich verstehe auch hier deine Kritik. Im eigentlichen Sinne gibt es da natürlich keinen Zusammenhang. Aber Riegel fragt ja zwei Sätze später, ob es dem Bruder nicht reicht, mit ihm zusammen zu sein, ob er nicht genug ist, wo sie doch Brüder sind.
Da du bereits mit einem Stirnrunzeln in den Text gestartet bist, hat der Text dich und dein Vertrauen in seine Logik an diesem Punkt aber wohl einfach schon verloren und auch das ist eine Erkenntnis, für die ich dir danke!

Hey @GoMusic,

Leider muss ich dir sagen, dass mich der Text (dennoch) verwirrt, ich werde daraus nicht schlau.

Und noch mal - schade!

In meiner Lesart sitzt er am Fenster und sieht "den Bruder" (Wer ist das? Sein Bruder oder so etwas wie sein Bro/Kumpel?) aus dem Haus gehen. Aber halt nicht aus demselben Haus, in dem der Erzähler ist. Dann wird von dem Bett gesprochen und ich denke, hm, doch dasselbe Haus.
Ich musste das zweimal lesen, um es zu kapieren. Und das direkt beim ersten Absatz, fand ich nicht so lesefreundlich.

Ich frage mich, wie diese Lesart zustande gekommen ist? Also wo du liest, dass es sich um ein anderes Haus handelt? Falls es an dem Blick lag, hier habe ich nach Markovs Hinweis noch mal nachjustiert.

Du hast im Text so oft was von Füßen, Zehen, Ballen geschrieben (Warum so oft?), aber das Wichtige, dass der Bruder wieder zurückkam, unterschlagen.
Und: Wie kann er aus dem (Haus?-)flur sehen, dass er an der Schublade war?

Ich vermute, dass das mit dem Flur ein regional bedingtes Missverständnis sein könnte? Für mich ist der Flur der Wohnungsflur, woanders wäre das vielleicht der Gang, die Diele?

Wie schon oben erwähnt, wollte ich bewusst damit spielen, dass vermeintliche Sicherheiten bröckeln. Er geht ums Eck, er ist also weg - und dann steht er doch im Flur. Später wird erwähnt, dass der Bruder Klamotten trägt, die Riegel noch nie an ihm gesehen hat, am Ende greift er Riegels Gedanken vom Messer auf, fast wörtlich, was rein rational betrachtet keinen Sinn macht.

Bitte nicht falsch verstehen - ich kann mir noch so viele Gedanken machen, wenn die dann aber nur in meinem Kopf Sinn ergeben, dann läuft etwas falsch, Punkt.

Generell zu den Dialogen:
Wäre das mit dem Zimmer, den haargenauen Bewegungen des Bruder nicht, sondern würden die beiden auf einer Bühne stehen und ihre Texte für eine Aufführung zu Drama üben/rezitieren, sähe ich keinen Unterschied.
All heißen: Wer spricht so geschwollen im Alltag?

Ich wollte jetzt sagen: Das ist in diesem Fall eben kein Alltag, dann fiel mir aber auch, dass ich den Text ja sogar so gestichwortet habe. Habe ich jetzt mal rausgenommen.

Hier ist der Gedankenstrich korrekt angewendet.

An den anderen von dir erwähnten Stellen habe ich den Strich jeweils gewählt, um deutlich zu machen, dass die wörtliche Rede vom Gegenüber unterbrochen wird - ich dachte, das schon häufiger so gelesen zu haben. Schaue mir aber gerne noch mal an, wie es wirklich korrekt verwendet wird.

Ist das die Kernaussage des Textes?

Ich denke, man könnte das so lesen. Riegel verdrängt hier Vergangenes, Missbrauch in der Familie. Der Bruder konfrontiert ihn damit, kommt ihm näher, dringt in ihn ein.
Für mich ist nicht mal klar, ob der Bruder tatsächlich vor Ort ist, ob er überhaupt existiert, er übernimmt vor allem eine Funktion, die der Konfrontation. Legt frei, was im Unterbewusstsein verriegelt ist, daher auch die Namenswahl.

Ach so: Mal wechselst du im Text in die Vergangenheit und ich sehe keinen Grund dafür.

Ich habe den Text noch mal abgeklopft und hoffe, alle betreffenden Stellen entdeckt zu haben.

Vielen Dank für deine Zeit, GoMusic. Nach den bisherigen Kommentaren zu urteilen ist mein Gedanke nicht aufgegangen, ein bisschen verwirrt bin ich, weil ich auch schon gegenteilige Rückmeldungen bekommen habe. Vermutlich liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen, wie so oft.
Ich versuche vorerst mal, ein bisschen Abstand zu gewinnen und hoffe vielleicht noch auf weitere Rückmeldungen, um dann zu sehen, wo ich bei der Überarbeitung ansetzen werde.

Liebe Grüße,
Akka

 

Moin, @Akka

Ich habe vorhin angefangen, deine Story zu lesen. Ich weiß aber nicht ganz, ob ich das so richtig verstehe. Vielleicht lese ich sie heute Abend nochmal. Zwischendurch war ich der Meinung, Riegel bildet sich das alles nur ein aka Tyler Durden. Das hab ich aber dann wieder verworfen.

Was mir besonders auffiel, waren die Dialoge. Da hab ich mich gefragt, sprechen die so? Manchmal ist das so überzogen und an anderen Stellen so plump, das passt für mich nicht richtig.

Hier mal einige Beispiele:

was lässt dich im Dunkeln wegschleichen wie ein Dieb
und dann im Gegensatz da zu:
Bin doch bloß ich
oder:
als würde das Schwarz um dich herum im Takt deines Herzschlags pulsieren.
und
»Beruhige dich, Mann.

Und da bin ich direkt an der nächsten Stelle, die mich etwas rauswirft:
»Beruhige dich, Mann. Denk an die Nachbarn.
sagt der Bruder zu Riegel, und gleich darauf brüllt er selbst los, sodass die Nachbarn wach werden können. Also doch Tyler Durden, alles Einbildung, er ist das selbst in seinen Schüben?

Wenn dem nicht so ist ...

... würde ich den ersten Satz streichen und mit dem zweiten einsteigen und Riegel in Szene setzen, zeigen, wie er ins Zimmer rüber schleicht, an die Schublade geht. Das würde glaube ich Spannung aufbauen.

Und was ich mich fragte: Hat sein Bruder extra das Haus verlassen, bloß so getan, um dann Riegel zu ertappen?

Dieses "der Bruder", "die Mutter", "der Vater" hat mich auch etwas irritiert. Ich finde, da braucht es keine Artikel. Gerade im Dialog, als die beiden über die Eltern anfangen zu streiten.

Aber schon herrscht wieder Stille. Die folgenden Worte
Entweder herrscht Stille oder jemand sagt etwas. Deshalb bin ich da unschlüssig, ob die beiden Sätze so zusammenpassen.

Riegelchen
würde Riegel schreiben, oben antwortet er ja, dass er den Namen Riegel nicht mag. Das reicht ja, um ihn zu ärgern. So wirkt Riegel jünger, soll aber gleichzeitig der sein, der die Miete zahlt. Das verwirrt, da bleiben Fragen offen. Vielleicht kannst du die Beziehung der Brüder noch etwas klarer ausarbeiten.


So long,
Jahny

 

Hallo @Akka !

Ich finde deine Geschichte interessant. Ja, leicht verständlich ist anders, aber ich habe mir abgewöhnt, unter der Rubrik "Seltsam" jedes Härchen mit der Logiklupe zu analysieren. Betrachtet man die Handlung als realistischen Bericht, ergibt sie tatsächlich wenig Sinn. Allerdings habe ich den Eindruck, du schilderst hier einen Traum: Verschwommene Räumlichkeiten, Personen, die sich widersinnig verhalten... in der Traumlogik passts dann wieder.
Ich wage mich an eine Interpretation:
Der Bruder ist kein echter Bruder, sondern eine Seite der Persönlichkeit des Erzählers, den er seit kleinauf verleugnet will, dies aber nicht schafft, oder zumindest nicht mehr. So lese ich z.B. Stellen wie die mit dem Einbrecher:

»Ich hingegen bin ein Einbrecher, willst du darauf hinaus? Aber lass mich dich gleich unterbrechen, immerhin bin es ich, der hier die Miete zahlt, während du –«

»Du hast wieder an die Nachbarn gedacht, oder nicht? Als ich so laut gelacht habe. Hast, ob du wolltest oder nicht, den Maier und seine Frau vor dir gesehen, aufeinander, untereinander, eng umschlungen. Wie sie, auf allen Vieren, mit zerwühlten Haaren und geröteten Wangen die Nachttischlampe anknipst, darauf lauschend, ob hier noch weiter gelacht und gebrüllt –«, und hier brüllt der Bruder tatsächlich wieder, spricht die erste Silbe noch ganz leise und wird dann laut, »ge-brüllt wird, aber ihn stört das nicht, er macht weiter, bohrt sich tiefer hinein, kreist die Hüften und schabt genussvoll an ihren tropfenden Innenwänden. Ach, du solltest dich mal sehen, Riegel. Wie ein Zitteraal oder ein Kaninchen. Oder bin ich der Aal, ich und alle anderen, und nur du das Kaninchen? Immer fluchtbereit, immer mit angelegten Ohren, die Augen schreckensstarr geweitet, in Panik – aber wovor eigentlich? Was plagt dich denn, Riegelchen? Das Gewissen? Spuck’s aus! Bin doch bloß ich. Du weißt schon. Dein Bruder.«
Hier wirds für mich am deutlichsten: Seine "dunkle Seite", die der Prot aus Scham zum Schweigen bringen möchte, die aber immer stärker wird (rumbrüllt), die Furcht, sie nicht länger vor den Mitmenschen verstecken zu können, wodurch ihm die anderen Menschen obszön aufdringlich erscheinen (dargestellt durch die poppenden Nachbarn)... Könnte jetzt noch einen auf Freud machen und die dunkle Seite als einen unterdrückten Aspekt seiner Sexualität interpretieren, weil du was von einem Aal schreibst 😉 Funktioniert für mich aber auch noch gut, wenn das genaue Wesen der dunklen Seite vage bleibt.

Weil die Phasen ihm zu viele wurden
Das klingt für mich dann eher nach einem seelischen Leiden (Depression, Borderline oä), wobei ich mich da fragen würde, wieso er das geheimhalten will.

Der Vater … Ist das wummernde Herz. Der Puls. Mit der Mutter ist das schwieriger. Die Mutter ist wohl eines dieser Fabelwesen, wie man sie sich früher zurechtgesponnen hat, wenn man bei Nacht alleine im Wald unterwegs war, als Landstreicher unterm Sternenhimmel, von einer Stallung zur nächsten, und dann ein Geräusch vernahm. Eine geflügelte Wildsau mit Geweih oder ein Luchs mit acht dünnen, feingliedrigen Spinnenbeinchen, der an der Decke sitzt, in der Ecke, mit seinen acht schlitzförmigen Luchsaugen einfach nur dasitzt und zusieht und faucht, was weiß ich. Denn die Fantasie, die mir fehlt, die hast ja du von der Mutter bekommen. Und was für eine verheerende Kombination das ist, das weißt du ja selbst, mein Riegelein, nur deshalb schließt du dich wieder und wieder ein. Setzt der Fantasie bewusst Grenzen. Hinderst dich an der Flucht, und hoppla, jetzt frage ich mich doch, ob du das wirklich weißt, ob du dir dessen wirklich bewusst bist? Ob dir das schon mal jemand gesagt hat? Aber wer denn, wenn nicht ich
Die Passage mit der Fantasie lässt aber noch eine andere Lesart zu: Nämlich, dass alles doch kein Traum, sondern eine Handfeste Wahnvorstellung ist. Würde auch zur oben erwähnten psychischen Erkrankung passen. Dass er auch seine Fantasie unterdrücken will, heißt vielleicht, dass er sich seiner Halluzinationen halb bewusst ist oder dass er seine dunkle Seite nicht mal in Gedanken ausleben möchte.

»Mach Platz.« Säuselnd wieder, zieht er den Hut aus. Den Mantel. Alles sonst.
So schlüpft er ins Bett.
»Also, Riegel … Bist du bereit?«
Ich dachte, ich wär’s.
Das Ende gefällt mir gut. Herrlich ambivalent. Vage genug, dass es zu allen oben erwähnten Lesarten passt und konkret genug, dass jeder eine Vorstellung bekommt, was jetzt unter der Bettdecke passiert. Der letzte Satz rundets schön ab und setzt nochmal eine große Schippe Ambivalenz drauf👍
Nur das mit dem Riegelchen erschließt sich mir so gar nicht.

Was deine Formulierungen angeht, scheinst du ja schon einiges Nachgebessert zu haben (habe leider nicht die ursprüngliche Version gelesen), bin nur über zwei Stellen gestolpert:

Setzt einen Fuß vor den anderen. Hacke, Ballen, Zehen entrollen sich wie ein Teppich, der jeden Laut erstickt.
Entrollt sich der Fuß wirklich wie eine Teppich, oder meinst du, er tritt so leise auf wie auf einem Teppich, der Schall dämpft? Würde ich eventuell umformulieren.
Du machst das Schwarze ja noch schwarzer mit deinen dunklen Gedanken
Die Steigerung von schwarz lautet schrwärzer.

Und wenn ich jetzt mit allem daneben liege, dann sag mir ruhig bescheid 😁

VG
MD

 

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