Robby
Robby
Vier Grad unter null. Gerade eben war ich bei meinem Frisör, dem ich nun schon seit zwanzig Jahren die Treue halte.
Ich bin zu Fuß unterwegs in der Stadt. Mein neues, künstliches Hüftgelenk schreit nach Bewegung, der Weg in die Innenstadt wird mir gut tun. Zwanzig Minuten hin, zwanzig Minuten zurück, das Minimalpensum wäre für diesen Tag geschafft, mein Gewissen würde Ruhe geben.
Ich laufe den Unteren Graben entlang, hinüber zur City-Galerie, will dort einen Kaffee trinken und meine Kontoauszüge aus dem Automaten herauslassen.
Links und rechts der Strasse am Unteren Graben parken die Autos, dicht an dicht.
Es fielen wenige Zentimeter Neuschnee vergangene Nacht, die Windschutzscheiben der Anliegerparker tragen eine dünne Schneehaube.
Erstmalig fällt mir auf, dass eines der geparkten Fahrzeuge in Scheibenhöhe eine Schrift aufweist: „ROBBY“, ich werde neugierig.
Der nächste geparkte Wagen ein übergroßes Herz, darin ein klein gezeichnetes, rechts außen: „Robby“
Der dritte geparkte Wagen: I –Herz – LOVE YOU!“
Der vierte Wagen: „Charly – fuck you!“
Auf dem fünften: „“ROBBY- I NEED YOU!“
Der sechste: „ROBBY-MY DARLING
Ich beginne zu schmunzeln, lese die Botschaften nacheinander, laufe, vergesse meine kleinen Stiche in der Hüfte, versuche herauszufinden, wer sie ist, die Schreiberin der herzzerreißenden kleinen Botschaften die sich über vierzig, fünfzig geparkte Autos hinweg fortsetzen.
Sie ist verliebt, sie ist über beide Ohren verliebt in den imaginären Robby.
Ich erreiche das letzte der beschrifteten Fahrzeuge. Ein windschutzscheibengroßer rechtwinkeliger Pfeil: „COME TO ME!“
Der Pfeil zeigt auf einen Hauseingang nach dem Bürgersteig. Ich bleibe für einen Moment stehen und sinniere.
Ob er es geschafft hat, der ROBBY?
Oder werden die Mittagstemperaturen den sehnsüchtigen Wunsch eines jungen Herzens zu Wasser zerfließen lassen.
Ich bin seltsam berührt von den Zeichen dieser Nacht und gehe weiter......
© GRIFFEL 2009