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Roland

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14.06.2008
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Roland

Es war dunkel im Zimmer. Eine von den Dunkelheiten, die tiefer wurde, je mehr er über sie nachdachte. Je mehr Macht er ihnen dadurch gab.
Das Fenster war geschlossen, die Läden aber trotz dem Sturm geöffnet. Nun schlugen sie in regelmäßigen Abständen an die Hauswand; zwischen Wand und Halterung hin und her geworfen, als könnten sie sich nicht entscheiden. Aber wenn er sie schloss, wurde es noch dunkler, denn keine Nacht – und mochte sie noch so sternenlos sein – konnte schwärzer sein, als ein Raum in der Phantasie eines Kindes.
Roland lag im Bett, alle braven Kinder lagen um diese Zeit im Bett. Aber er konnte nicht schlafen. Es lag nicht am Sturm. Nein, ein Sturm bedeutet Blitze, Blitze bedeuten Licht und Licht vertreibt Schatten. Außerdem mochte er das Prasseln, wenn die schweren Regentropfen gegen die Scheibe schlugen. Nur das Pfeifen des Windes, der direkt über ihm um die losen Schindeln auf dem Dach blies, das hasste er. Es erinnerte ihn das das Heulen von blutrünstigen Wölfen. Und Wölfe erinnerten ihn an Menschen.
Er hörte noch immer seine Familie in den Nachbarzimmern, der Hund der andauernd den Flur hoch und runter rannte. Die Krallen kratzten über den Boden.
Erneut griff Roland unter sein Kopfkissen, berührte den kleinen kastenförmigen Gegenstand und lächelte. Er hatte ihn tausende Male überdacht, gebaut, berührt, getestet – in Gedanken. Aber morgen würde es soweit sein, und sie würden ihn nicht aufhalten.
Natürlich nicht, niemand würde ihn je wieder aufhalten. Ein kleines Lachen kam über seine trockenen Lippen. Es war so einfach gewesen. So einfach. Alle Welt hatte es so lange versucht, war immer wieder gescheitert. Dabei hatte es nicht mehr als sein Taschengeld und ein wenig Schweiß gekostet.
Einer der Schatten kroch auf ihn zu. Er sah es genau vom Bett aus. Es war einer der Wölfe, er heulte und fletschte die Zähne. Roland dachte unwillkürlich an seine Schulkameraden. Ja, Kameraden, wenn man es denn so nennen konnte. »Roley-Poley«, sagte der Wolf lachend. »Komm her Roley-Poley. Ich habe etwas für dich, Roley-Poley«, sang das Tier.
»Hör auf«, sagte Roland zittrig. Er würde nicht mehr die Augen zusammenkneifen, nicht mehr die Ohren zu halten. Nicht mehr ertragen.
»Hör auf«, wiederholte er, diesmal fester.
Nur ein Knopfdruck, lediglich ein Knopfdruck, und er müsste sich das alles nicht mehr gefallen lassen. Nie mehr Roley-Poley, und nie mehr würden sie ihm sein Geld nehmen. Ein blutrünstiges Rudel, beißwütige Wölfe. Aber Tiere hielten ein, lag der Gegner erst am Boden.
»Ich bin gestürzt, Mama, ich war unvorsichtig, es tut mir leid«
Sie würden – nein, sie werden dafür bezahlen. Ganz sicher. Gleich morgen früh, noch nicht jetzt. Sollten sie doch nur zu ihm hinkommen, ihre Zähne fletschen. Er wird die Maschine aus seiner Tasche holen, er wird ihre überraschten, ängstlichen Gesichter sehen. Sie werden nicht mehr knurren, sie werden winseln, schreien.
»Roley-Poley, komm doch heute Nachmittag zum Fluss. Wir wollen mit dir spielen«
Ob es wehtat, seine Existenz zu verlieren? Roland hatte schon oft darüber nachgedacht. Vielleicht tat es ja nur den bösen Menschen weh. Die guten kamen doch sicherlich eh in den Himmel.
»Wenn du nicht kommst, müssen wir wohl unangenehm werden? Du weißt doch, dass man Schränke nur von außen öffnen kann, nicht wahr, Roley-Poley?«
»Hör endlich auf«, murrte Roland. Der Wolf lag inzwischen mit dem Kopf auf seiner Decke. Wieder heulte er. Vielleicht rief er seine Freunde. Seine – nicht Rolands.
Ein Blitz zuckte über den dunklen Himmel, erleuchtete das Zimmer für den Bruchteil einer Sekunde, aber es reichte, der Wolf verschwand, zog sich in den Schatten des Schreibtisches zurück, aus dem er gekommen war.
In Gedanken ging Roland wieder und wieder den nächsten Tag durch, und natürlich die Wochen danach. Alles wird ihm gehören, die ganze Welt wird ihm gehören. Sie werden schon sehen.
Er öffnete die Augen. Die Sonne schien zum Fenster herein, hatte ihn geweckt. Er wusste, genau wie in den letzten beiden Wochen würde er nun unter sein Kissen greifen und die Maschine nicht mehr vorfinden. Es waren immer Träume gewesen, zu schön, um wahr zu sein.
Seine Fingerspitzen stießen auf etwas. Es war kalt, hart. Roland zog seine Hand zurück, als hätte er sie verbrannt, stolperte und fiel nach hinten zu Boden. Er hatte sich geirrt, es war etwas anderes. Wahrscheinlich sein Game Boy, oder das Messer, dass er sich nie traute mit zu nehmen, da er sonst von der Schule flog. Ja, das war es. Sicher. Er lachte und rappelte sich auf. So etwas Lächerliches. Warum hatte er diese Träume nur in letzter Zeit? Und warum waren sie nur so schrecklich real? So lächerlich real? Er beugte sich erneut über sein Kissen, zögerte. Was wenn es doch echt war? Dieses Mal wirklich?
Unsinn.
Und wenn doch?
»Unsinn!«, schrie er und riss das Kopfkissen weg.
Sie lag dort. Weder der Game Boy, noch das Messer. Sie lag dort. Roland hatte nicht sehr auf das Design geachtet, ein schwarzer, klobiger Kasten, mit einem großen Knopf unter einer kleinen Schutzscheibe, die man aufklappen konnte.
Er taumelte zurück. Lachte. Es war fast, als würde sie ihn ansehen, ihn flehen, sie zu berühren, zu streicheln. Wie er es so oft getan hatte – in seinen Träumen.
»Warum«, stotterte Roland. »Warum hast du sie mir diesmal gelassen?« Er lachte. Erst leise, dann lauter. Er bekam keine Luft mehr, und lachte nur noch innerlich weiter.
»Ich bin es leid«, antwortete er. Roland schaute nicht auf. Die Stimme kam hinter ihm vom Fenster her. »Was leid?«
»Dich erneut von derselben Dummheit abzuhalten«
Roland grinste sarkastisch. »Wer bist du? Gott?«, fragte er höhnisch.
»Das wäre ich, würdest du diesen Part nicht bereits für dich beanspruchen. Ich bin lediglich ein Aufpasser, von dir programmiert, damit du in Gedanken ein besseres Leben führen kannst. Aber du hast trotz deiner zweiten Chance nichts geändert«, endete er müde.
»Das ist lächerlich, wovon sprichst du?« Roland versuchte sein Lächeln aufrecht zu erhalten, aber es fror immer mehr ein. Er wusste, dass er die Antwort hören musste, aber er wollte nicht. Alles, nur das nicht.
»Du bist falsch«, sagt er. »Du bist nur eine Gedankenspielerei deines wahren Ichs. Du warst des Alleinseins satt. Ich weiß nicht einmal, die wie vielte Kopie du bereits sein könntest. Vielleicht gab es bereits vor mir Aufpasser, die es ebenfalls leid waren, dich zu stoppen. Und du hast den selben Fehler immer und immer wieder begangen«
»Wovon sprichst du?« Roland war wieder wütend, er hatte kaum ein Wort verstanden, er wollte nichts verstehen.
»Begreifst du es denn immer noch nicht? Du hast bereits sämtliche Existenzen außer deiner eigenen ausgelöscht. Dies alles hier ist lediglich eine Projektion, die im Geiste deines Originals stattfindet. Aber bald ist das eh vorbei. Sein Körper ist schwach, in wenigen Tagen ist es zu Ende. Überleg dir gut, was du jetzt tust«
Roland wandte sich um, als die Stimme verstummte, aber am Fenster stand niemand. Er schaute zum Bett. Die Maschine lag noch immer dort, grinste ihn verschwörerisch an.
Ich bin dein einziger Freund, sagte sie. Er glaubte ihr.
Roland öffnete die Augen. Ein Blitz hatte ihn geweckt. Der Leuchtziffern des Weckers standen auf 00:34, Samstag. Roland lächelte.
Er wusste, er hatte irgendeinen seltsamen Traum gehabt. Total konfuses Zeug. Er war allein auf der Welt gewesen. Die Vorstellung gefiel ihm, aber das könnte doch nie Realität werden.
Der Sturm draußen wurde immer leiser und verebbte schließlich ganz. Roland stand auf und schloss die Fensterläden, legte sich wieder hin und versuchte weiter zu schlafen. Es war nun komplett dunkel, aber so still im Haus, dass er nicht einschlafen konnte. Er dachte nach.
Schatten verloren sich zwar im Licht, aber Licht war es auch, das die Schatten erschuf. Wenn er also das Licht löschte, kam die Dunkelheit. Und die Dunkelheit verbarg Dinge. Und auch Dinge, die nicht da waren. Vielleicht ist es besser so.

 

Deine Geschichte ist mir unbegreiflich. Also ich verstehe nicht, worum es da geht.

Gruß Felix

 

Hi
Naja, letzenendes um ein total durchgeknalltes, verrücktes Kind. Hmm... ich hasse es zu erklären, vor allem weil Storys dann immer so bedeutungslos klingen... Na, schön. Wer selber ein wenig rumrätseln will, braucht ja nicht weiterlesen. Also: Ein Junge namens Roland - den ich etwa auf 10 bis 12 schätze - wird in der Schule übel gemoppt, verprügelt, etc. Will aber gleichzeitig auch niemandem was davon erzählen, soll ja vorkommen. Deshalb erfindet er eine Maschine, mit deren Hilfe er an seinen Mitmenschen Rache üben kann. Eine Waffe (sozusagen) die alle Menschen auf der Welt außer ihm selbst auslöschen würde. Von hier an spaltet sich die Geschichte quasi in mehrere Möglichkeiten auf: 1. Er baut die Maschine tatsächlich, nutzt sie und er ist komplett alleine auf der Welt. Einige Zeit später merkt er natürlich wie scheiße das ist. Er findet aber keine Möglichkeit, alles rückgängig zu machen und erfindet so eine Art Cyberspace (um es mal ganz klischeehaft auszudrücken, mir fehlen gerade die richtigen Worte), in dem er sein Leben nochmal leben will. Dafür hat er auch extra dieses Aufpasserprogramm entwickelt, damit sein Cyber-Ich nichts dummes anstellt, da er seine Erinnerung nicht mitübertragen hat. Roland2 lebt sein Leben aber genau wie zuvor und baut ebenfalls diese Maschine. Irgendwann gibt das Aufpasser-Programm seinen Geist auf und hält ihn nicht mehr davon ab. Also erschafft Roland2 vielleicht einen Roland3 und so weiter.
2. Möglichkeit: Bis zum Augenblick, wo Roland zum zweiten Mal die Augen aufschlägt war einfach nur alles geträumt. (langweilig aber möglich)
Anmerkungen: Der Wolf ist lediglich eine Manifestation seiner Ängste. Und ja, es ist seltsam, dass ein Junge eine so seltsame Maschine entwickelt, aber so mancher würde sich wundern, was Kinder schon alles zusammengebastelt haben...
Ja, ich weiß, die Geschichte IST seltsam, aber sie ist (zum Glück) bei weitem auch nicht mein bestes Werk. An denen arbeite ich noch, und die werden auch etwas logischer. Außerdem habe ich an Roland im Nachhinein zu viel verändert, vielleicht sollte ich es einfach nochmal schreiben.
Gruß Sil

 

Hallo,

Je mehr Macht er ihnen dadurch gab.
Ihr dadurch gab, der Dunkelheit.

Das Fenster war geschlossen, die Läden aber trotz dem Sturm geöffnet.
Trotz erfordert Genitiv: trotz des Sturms

konnte schwärzer sein, als ein Raum in der Phantasie eines Kindes.
Komma raus, der Vergleich bildet keinen vollständigen Satz

der direkt über ihm um die losen Schindeln auf dem Dach blies
Sehr unschöner Satz: Der direkt über ihm um die … auf dem
Partikelflut: der über ihm Schindeln vom Dach blies; schon 4 Wörter gespart:
Der Schindeln vom Dach blies; Noch mal 2 gespart, und alles gesagt.

Er hörte noch immer seine Familie in den Nachbarzimmern, der Hund der andauernd den Flur hoch und runter rannte.
den Hund, der andauernd

Moah, das Gespräch, was du da reinballerst, reicht als Quintessenz für eine Outer-Limits-Doppelfolge, sogar für eine gute und die wurde schon gedreht.
Ehm, es ist halt dann am Ende unbefriedigend, finde ich. Also diese Stimmungsbeschreibungen, die Angst, das Wetter, der Wolf: Das ist okay, bisschen konventionell, aber okay. Diese mystische Box, die dann nach dem Traum noch da ist, gefällt mir echt gut.
Dann dieser Kurzauftritt von dem Aufpasser – der geht mir schon wieder eher auf den Sack. Wobei die zugrunde liegende Idee mit der Projektion einfach wahnsinnig spannend ist und ein Spiel mit Realitätsebenen einleiten würde – das würde allerdings auch verdammt viel Arbeit machen und die ist die Geschichte nicht bereit zu leisten.
Ist ein bisschen so, als isst man in einem Restaurant. Es gibt Erbsensuppe und Jägerschnitzel (ein bisschen zäh, aber genießbar) und dann kommt der Kellner an und hält einem ein Foto von einer Siebenschichten-Schoko-Torte hin, sagt: „Hmmm, die wäre bestimmt köstlich“ und bringt die Rechnung.

Gruß
Quinn

 

Hallo Sileon,

Dann mal direkt rein ins Vergnügen:

Es war dunkel im Zimmer. Eine von den Dunkelheiten, die tiefer wurde, je mehr er über sie nachdachte. Je mehr Macht er ihnen dadurch gab.
Den Einstieg hast du, obwohl gut gemeint, versaubeutelt. Nicht-Gegenständliches wie die Dunkelheit zu zählen ("die Dunkelheiten") wirkt immer befremdlich und gestelzt, damit machst du's dem Leser gleich schwer.
Und auch diese Klassifizierung "Eine von den..." ist unglücklich: Die Dunkelheit ist etwas Machtvolles, Unergründliches - da kannst du nicht einfach kommen und über diese und jene Dunkelheiten referieren.
Gleich von Anfang an: Weniger Gedanken, weniger Distanz, mehr Empfindung -dann klappt's auch mit der Atmosphäre!

Hier ist noch eine kleine Unsauberkeit:

Sie würden – nein, sie werden dafür bezahlen.
Das "werden" kannst du nur gebrauchen, wenn es sich um die Gedanken des Protagonisten handelt. Sonst ist's die falsche Zeit: Präsenz, du brauchst aber Imperfekt.
Wären es aber Gedanken, so ginge der erste Teil des Satzes nicht. Warum sollte er denken "Sie würden dafür bezahlen."?

Tja, irgendwie wirkt die Geschichte nicht wie aus einem Guss. Der Anfang erinnert stark an konventionelle Grusel-Geschichten und ich denke, der Text wäre nicht übel, wenn er konsequent in diese Richtung weiter ginge.
Dann aber löst sich alles in ein total überdrehtes und viel zu weitläufig angelegtes SF-Szenario auf. Der Leser bekommt eine große Menge recht absurder Informationen per Dialog eingetrichtert: Glaubwürdigkeit strebt gegen null.
Also, für mich ist die Geschichte zum Ende hin verunglückt. Nichts für ungut.


Gruß,
Abdul

 

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