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Rotkäppchen im 21. Jahrhundert

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25.05.2003
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Rotkäppchen im 21. Jahrhundert

Rotkäppchen im 21. Jahrhundert, zweite Version​

»Es war einmal eine kleine süße Dirne, die hatte jedermann lieb, der sie nur ansah, am allerliebsten aber ihre Großmutter, die wusste gar nicht, was sie alles dem Kind geben sollte. Einmal schenkte sie ihm ein Käppchen von rotem Sammet, und weil ihm das so wohl stand und es nichts anderes mehr tragen wollte, hieß es nur das Rotkäppchen. Eines Tages sprach seine Mutter zu ihm „komm, Rotkäppchen, da hast du ein Stück Kuchen und eine Flasche Wein, bring das der Großmutter hinaus; sie ist krank und schwach und wird sich daran laben. Mach dich auf, bevor es heiß wird, und wenn du hinauskommst, so geh hübsch sittsam und lauf nicht vom Weg ab, sonst fällst du und zerbrichst das Glas, und die Großmutter hat nichts. Und wenn du zu ihr in die Stube kommst, so vergiss nicht, guten Morgen zu sagen, und guck nicht erst in allen Ecken herum.“«
Rotkäppchen musste sich sehr zusammennehmen, um ihrer Mutter nicht mit einem flapsigen „Ja, ja“ zu antworten. Sie wusste zwar, dass Mom seit der ziemlich üblen Trennung von ihrem Vater ein wenig wunderlich geworden war, an Tagen wie diesen jedoch gingen der 12-jährigen Johanna die übertriebene Fürsorge, die völlig überflüssigen Belehrungen und der alberne Spitzname mächtig auf den Zeiger. An Tagen wie diesen, wo sich ihre Freundinnen am See beim Sonnen und Baden vergnügen würden, während sie Botengänge für ihre Mutter machen musste. Und dann auch noch in diesem Aufzug: Blank geputzte schwarze Schnallenschuhe, eine blickdichte, blütenweiße Strumpfhose, die vor allem jetzt im Sommer fruchtbar unangenehm zu tragen war und ein knöchellanges Kleid, das sie anderswo nur in Museen oder historischen Filmen sah. Dazu der Bauernzopf, der laut ihrer Mom so gut zu ihr passte und diese altbackene Mütze aus Samt, die gerade mal einem Mönch die Tonsur bedeckt hätte. Selbst ihre Oma hätte nicht mehr ernsthaft verlangen können, dass sie sie trug. Aber zum Glück hatte sie ja vorgesorgt ...
Artig, um ihre Mom nicht aufzuregen, verabschiedete sie sich und machte sich auf den Weg. Sobald sie hinter der nächsten Straßenecke verschwunden war schritt sie, soweit das Kleid und die kneifende Strumpfhose es erlaubten, aus, um so schnell wie möglich ihr erstes Ziel zu erreichen: das Haus ihrer besten Freundin Lena, wo sie vernünftige Klamotten und vor allem ein Fahrrad deponiert hatte. Sie wäre ja wirklich schön blöd, wenn sie den schweren Korb den weiten Weg in das entlegene Waldstück tragen würde.
Lenas Mutter zwinkerte ihr verschwörerisch zu, als Johanna erklärte, „den Rucksack“ abholen zu wollen. „Du weißt ja, wo er steht.“ Fünf Minuten später war Johanna nicht wieder zu erkennen: Die Haare hatte sie locker in einem Pferdeschwanz zusammen genommen, das rote Käppchen aus Samt gegen eine schwarze Baseball-Mütze getauscht. Statt des Kleides trug sie nun ein figurbetonendes T-Shirt und eine Dreiviertel-Jeanshose. Anstelle der Schnallenschuhe hatte sie sich stahlkappenverstärkte Doc Martens angezogen. Nachher bei ihrer Oma würde sie einfach barfuß herumlaufen, aber zum Fahrradfahren waren die Martens schon ziemlich praktisch. Einen großen BW-Rucksack auf dem Rücken holte sie ihr Mountain-Bike aus dem kleinen Schuppen im Garten und trat kräftig in die Pedale.

»Wie nun Rotkäppchen in den Wald kam, begegnete ihm der Wolf.«
Ein Typ in abgerissenen Kleidern lungerte am Wegesrand herum. Seine dunklen Haare standen ihm wirr vom Kopf ab. Aus gelbgrünen Augen unter buschigen, zusammengewachsenen Brauen starrte er Johanna an. Wohl durch dieses Angestarre abgelenkt, achtete sie nicht auf den Weg und – war schon über einen spitzen Stein gefahren, der dem Hinterreifen ihres Bikes den Garaus machte.
PFFFFFFFFFFFFffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffff ...
Shit!“ Fluchend stieg sie unmittelbar vor dem Mann mit dem wölfischen Aussehen vom Rad ab.
„Guten Morgen, mein Kind.“
„Guten Morgen,“, brummelte sie ärgerlich zurück, während sie ihre ganze Aufmerksamkeit dem Fahrrad widmete.
„Wo willst du denn hin, meine Kleine?“, fragte der Landstreicher in ihrem Rücken. Er verströmte einen aufdringlichen Geruch nach ungepflegtem Hundefell.
Aufgebracht fuhr Johanna herum „Ich bin nicht deine Kleine, klar!?“, herrschte sie ihn mit vor Zorn funkelnden Augen an. „Soll meine Omma besuchen gehen. Is krank. Wohnt am andern Ende des Waldes.“
„Das ist aber wirklich sehr lieb von dir, dass du sie besuchen gehst. Da wird sie sich sicher sehr freuen.“
„Das hoffe ich doch sehr. Musste ihretwegen ’n Treffen mit meiner Clique sausen lassen. Und jetzt is auch noch mein Reifen platt, Shit!“
Schnüffelnd sog der „Wolf“ die Luft ein. „Du hast Kuchen in deinem Rucksack, nicht wahr? Hast du den selbst gebacken?“
„Nee, hat meine Mom gemacht.“ ,Und jetzt lass mich endlich in Ruhe!’, setzte Johanna in Gedanken fort.
„Willst du deiner Großmutter nicht noch ein paar Blumen mitnehmen? Da drüben, ein Stück in den Wald hinein, wachsen wunderschöne!“
„Blumen?!“ Fast hätte Johanna ihr Gegenüber angeschrien. Ihr ganzer Tag war im Arsch, und dieser aufdringliche Penner quatschte von Blumen! ,Obwohl ...’ Einen Blumenstrauß mitzunehmen war vielleicht gar nicht so dumm. Ihre Oma freute sich immer darüber, und eigentlich war sie ja auch gar nicht so uncool, die alte Dame. Außerdem konnte sie sich während des Pflückens ein bisschen abregen.
„Da runter, ja?“, vergewisserte sie sich noch, bevor sie ihr Fahrrad endgültig abstellte und durchs Gehölz stapfte. Dass sich der „Wolf“, kaum, dass sie ihm den Rücken zugewandt hatte, eiligst in Richtung des Hauses ihrer Großmutter aufmachte, entging ihr völlig.

»Rotkäppchen aber war nach den Blumen herumgelaufen, und als es soviel zusammen hatte, dass es keine mehr tragen konnte, fiel ihm die Großmutter wieder ein, und es machte sich auf den Weg zu ihr. Es wunderte sich sehr, dass die Türe aufstand ... „ei, du mein Gott, wie ängstlich wird mirs heut zumut, und ich bin sonst so gern bei der Großmutter!“«
Schon als sie die offene Haustür von weitem sah, läuteten bei Johanna sämtliche Alarmglocken. So leise sie konnte näherte sie sich dem Haus ihrer Oma, stellte geräuschlos den Rucksack an der Hauswand ab, legte die Blumen daneben und ging in Gedanken noch einmal alle Tritte und Würfe durch, die sie in ihrem Kampfsportkurs gelernt hatte, während sie sich durch die Tür in die Wohnstube schlich.
Der aufdringliche Geruch nach Hundefell stieg ihr zuerst in die Nase, bevor sie den „Wolf“ überhaupt sah, der vollauf damit beschäftigt war, die Schrankwand im Wohnzimmer nach Wertvollem zu durchwühlen. So sehr war sie darauf konzentriert, keinen Laut von sich zu geben, dass Johanna die knarzenden Bodendielen unter dem großen Teppich völlig vergaß.
Blitzschnell drehte sich der Eindringling um. Seine wölfischen Augen blitzten auf, und sein animalisches Lächeln entblößte ein raubtierhaftes Gebiss, als er sich auf das Mädchen stürzte – stürzen wollte. Denn sein potenzielles Opfer hatte sich nach dem ersten Schreck kurzerhand in die Offensive begeben und ihm sein rechtes Knie zwischen die Beine gerammt. Jaulend brach der „Wolf“ zusammen und krümmte sich wimmernd auf dem Boden.
,Nachtreten ist unsportlich!’, ermahnte sich Johanna, als ihr für einen kurzen Moment der Gedanke kam, den Mann endgültig außer Gefecht zu setzen. Statt dessen zog sie ihr Handy aus der Hosentasche und setzte einen Notruf ab.
,Wo ist meine Omma nur? Was hat der Scheißkerl mit ihr gemacht?’ ging es ihr durch den Kopf, während sie dem Polizisten am Telefon kurz die Lage schilderte und sich im Haus umsah. „Ja, ich habe ihm in die Eier getreten“, bestätigte sie die ungläubige Nachfrage und warf einen flüchtigen Blick in die Küche. „Nein, ich weiß nicht wo meine Omma ist“, erwiderte sie gereizt und hakte auch das Badezimmer ab. „Verdammt, beeilen Sie sich!“, beendete sie das Gespräch, als sie den kurzen Flur zum Schlafzimmer betrat. Plötzlich hielt sie inne. ‚Dieser Geruch-’
Sie agierte intuitiv. Drehte sich in einem Sekundenbruchteil ruckartig um und nutzte den Schwung, um dem „Wolf“, der sich erstaunlich schnell wieder erholt hatte und ihr nachgeschlichen war, einen gezielten Tritt gegen den Kopf zu verpassen. Wie ein gefällter Baum fiel er hinten über und rührte sich nicht mehr. Dieses Mal ging Johanna auf Nummer sicher und band ihm mit den Schnürsenkeln ihrer Schuhe die Füße fest zusammen und die Hände auf den Rücken. Bevor sie sich Tür zum Schlafzimmer zuwandte, drehte sie ihn noch auf den Rücken.
Ihre Großmutter lag leise stöhnend im Bett, hatte außer einem gehörigen Schreck aber zum Glück nichts abbekommen. Schon als kurze Zeit später Polizei und Krankenwagen eintrafen, war sie wieder so fit, dass sie dem Sanitäter, der sie „zur Beobachtung“ mit ins Krankenhaus nehmen wollte, eine deutliche Absage erteilte: „Kommt nicht in Frage, junger Mann! Ich muss mich erst einmal um das Durcheinander kümmern, dass dieser Wüstling hier angerichtet hat. Außerdem fehlt mir nichts, wie Sie selbst gesagt haben.“
Nachdem auch die Befragung durch die Polizeibeamten sowie die Spurensicherung beendet waren und Johanna und ihre Oma das Chaos im Wohnzimmer beseitigt hatten, konnten sie es sich endlich ein wenig gemütlich machen. Der Kuchen wurde angeschnitten und die Flasche Wein geköpft.
„Auf den Schreck kannst du doch bestimmt auch ein Gläschen vertragen, nicht wahr?“
Die nächsten Stunden vergingen wie im Fluge. Immer wieder musste Johanna ihrer bass erstaunten Großmutter erzählen, wie sie den „Wolf“ vermöbelt hatte, und ihre Oma wusste erstaunlich unterhaltsame Geschichten und Anekdoten von früher zu erzählen. Im Laufe des Nachmittags wurde nicht nur der Kuchen alle, sondern auch die Weinflasche leer. Als sie an dem Abend seltsam beschwingt wieder aufbrach, war sich Johanna sicher, dass es sich allemal gelohnt hatte, ihre Freundinnen alleine an den See fahren zu lassen. Sie freute sich schon auf die Gesichter „ihrer Mädels“, wenn sie ihnen morgen alles erzählen würde ... Zu Hause musste sie sich dann aber noch eine gehörige Standpauke von ihrer Mutter anhören. Dabei ging es weniger um ihre „unzüchtige“ Kleidung und das späte Heimkommen, sondern vielmehr darum, dass sie so betrunken war.

 
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Jabberwock schrieb über ihre Geschichte:

Guten Morgen!

Nach den zahl- und hilfreichen Feedbacks zu meiner ersten Version eines modernen Rotkäppchens möchte ich nun die komplett überarbeitete Fassung zur Diskussion stellen.

Auf eure Rückmeldungen freut sich

Jabberwock

So was bitte als seperates Posting unter den Text!

Tja, was soll ich zu der Geschichte sagen. Hier in Fantasy/Märchen steht sie definitiv falsch, denn wenn du mal in die Rubriken-Beschreibung guckst, heißt es da

Entscheidend hierfür ist, dass der Inhalt so in der Realität nicht vorkommen kann, wie er in der Geschichte geschildert wurde.
Du kannst dir also aussuchen, wo ich sie hinverschieben soll.

Zur Geschichte selbst - ja, deutlich besser als der erste Teil, wenn auch meiner Meinung nach eher eine Zusammenfassung als eine richtige Geschichte. Du gehst zu wenig auf die Gefühle und die Gedanken deiner Protagonistin ein, und die Handlung ist so gerafft, dass für die Geschichte kein Platz mehr ist.

gruß
vita
:bounce:

 

Hej Vita!

Danke für dein kurzes aber konstruktives Feedback.

Nach Durchsicht der vorhandenen Rubriken (und nach dem fehlgeschlagenen Experiment "Humor") würde ich sagen: bitte nach "Sonstiges" verschieben. Danke im voraus.

Gruß, J.

 

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