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Rudi, der Vollstrecker
Rudi der Vollstrecker
Hi, ich bin’s. Rudi, Rudi Schekonrat. Von den Dieben gefürchtet und im Geheimen der Vollstrecker genannt. Wenn ich komme, dann fürchten sie sich. Sie spüren meine Anwesenheit. Ihr Gläubiger, meine Auftraggeber. Das Licht knipse ich ihnen aus oder drehe ihnen den Saft ab. Wie auch immer man es sagen möchte.
Ich komme, um alte Rechnungen zu begleichen und ich kenne kein Erbarmen.
Jene, die noch ohne Schuld, sollen zittern, wenn sie die Geschichten derer hören, die ich Heim gesucht habe.
Ich bin kein schlechter Mensch. Ich habe Familie, Frau und zwei Kinder. Es ist ein Job, kein fröhlicher, aber ich brauche das Geld und die Bosse brauchen mich.
Jetzt bin ich schon wieder auf dem Weg zu so einem armen Schwein. Ober mich wohl erwartet?
Es ist früh am Morgen. Das Schwarz der Nacht ist verflogen und ein freundlicheres Blau bildet sich am Himmel. Ich fahre in dem Auto, das ich vom Boss bekommen habe.
Als ich vor dem Gebäudekomplex halte, in dem mein Auftrag wohnt, checke ich noch einmal mein Köfferchen. Scheint alles drin zu sein, was ich benötigen werde. Mit ruhigen Händen klappe ich es wieder zu. Routine eben. Ich steige aus dem Wagen, schließe ihn ab und gehe in lässiger Manier in Richtung Eingang. Du musst cool sein, lässig, dann wird’s einfacher.
Ich schaue noch einmal auf den Zettel, den der Boss mir gegeben hat, auf dem steht, was sich das arme Schwein an Schulden gemacht hat. Es kommt ’ne ganze Menge bei raus.
Da muss man hart bleiben. So sehr sie auch immer wieder flehen. Du darfst nie vergessen:
Du bist der Vollstrecker. Ich schlendre in das Gebäude. Ich werde wohl erst mal zu seiner Wohnung gehen und ihn dann ruhig bitten, mir in den Keller zu folgen. Hoffentlich geht es schnell und er jammert nicht zu viel. Da darf man nicht sentimental werden. Job ist Job. Da kann man nicht auf den Einzelnen achten.
Drei Stockwerke bis zu seiner Wohnung. Eine Fußmatte liegt vor der Tür. Ich überbrücke die Zeit in der ich darauf warte, dass jemand auf mein klingeln reagiert damit, sie näher zu betrachten. „Herzlich Willkommen“ steht da in grüner Comicschrift und rundherum auf der braunen Matte sind lustige bunte Tiere abgedruckt. Was weniger freundlich wirkt ist die Tatsache, dass bei einigen die Köpfe fehlen. Abgetreten.
Endlich öffnet ein Mann, um die 40, die Türe. Er sieht verschlafen aus wie er da steht, die Harre zerzaust, mit dem zerknitterten Shirt, der alten Boxershorts und die Hände gähnend vor dem Mund haltend.
Er mustert mich von oben bis unten und schaut mir dann in die Augen. Ich gebe ihm eine Visitenkarte von meinem Boss. Dann nicke ich, er nickt, er zieht sich einen Mantel über, schlüpft schnell in ein Paar Hausschlappen und folgt mir die Treppe herunter bis in den Keller.
Ich öffne die einzige Türe. Wir betreten einen dunklen Raum. Es ist verdammt kalt hier unten. Ich werd’s schnell machen, damit er sich wenigstens nicht noch was abfriert hier unten. Schicksalhafte Grausamkeit.
„Herr Tego, folgendes…“, ich stoppe kurz „…wären sie so freundlich, dass Licht einzuschalten?“
Herr Tego dreht sich um und drückt kurzer Hand auf einen Schalter. Die Neonröhren gehen unter einem Schwall von Klickgeräuschen an. Sie erzeugen ein ekelhaft steriles Licht. Vielleicht ist es aber gerade deswegen goldrichtig für diese Situation.
Ich lege mein schwarzes Köfferchen auf den Boden, hocke mich davor und öffne es.
„Würden sie sich bitte hinten an die Wand zu den Zählern stellen?“
Er tat es. Ich griff mit der Rechten in das Köfferchen, mit der Linken stütze ich mich auf den Boden, um mir das Aufstehen zu erleichtern. Tego’s Augen wurden groß, als er sah, was ich in der Hand hielt. Ich ging langsam auf ihn zu und stoppte, als ich neben ihm stand. Du musst cool bleiben, egal was er macht.
„Herr Tego, haben sie vielleicht noch Rechnungen offen?“ Ich blieb kühl und locker.
„Nicht, dass ich wüsste.“, antwortete er.
Schweißperlen liefen ihm über die Stirn. Er log!
„Herr Tego, sehen sie sich das hier doch bitte mal an.“
Ich reichte ihm den Zettel von meinem Boss aus meiner Jackeninnentasche.
Hastig las er ihn sich durch.
„Dann sind sie also…“, hauchte er.
„Richtig.“, sagte ich leise, „Ich bin Rudi Schekonrat. Stromsperrkassierer. Ich komme im Auftrag der städtischen Werke. Diese Rechnung müssen sie bezahlen oder ich bin gezwungen, ihnen den Strom ab zu schalten.“