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Rudolph, it rains, dear!
Die Welt ist eine unendlich große Scheibe und ich stehe mittendrin. Gestatten? Atlas, Rudolph Atlas ist meine Name und das da neben mir ist meine Gattin, Sophie. Wink doch mal, Sophie!
Wir beide leben auf dieser kleinen Welt und wir halten die große zusammen. Manchmal, wenn es regnet, dann stehe ich immer noch so da und dann kommt Sophie, um mich zu trösten. Nicht, weil ich traurig wegen meiner Arbeit wäre, sondern wegen den Menschen.
Sophie ist Britin, eigentlich walisischen Ursprungs. Und wenn ich so da stehe, meine langen Haare am Kopf kleben und die Regentropfen mir alle Sorgen aus den Gedanken waschen, dann sagt sie zu mir: "Rudolph, it rains, dear! Come on, let's go inside!" Und dann, wenn sie mich so anlächelt - mit ihren fünfundsechzig-milliarden Jahren, die wir fast alle zusammen verbracht haben - dann scheint sie keinen Tag älter geworden zu sein. Dann erinnere ich mich, wie der Herr uns zusammenbrachte. Nun leben wir gemeinsam in dem alten, klapprigen Haus im Makrokosmos und halten die Welt beisammen. Im Garten lebt unser Erdgeist, den haben wir nun auch schon ein Weilchen, und er wird immer größer. Keine Angst, der beißt nicht.
Wenn der Herr zu uns zu Besuch kommt - und das ist nicht oft - dann deckt Sophie immer den Tisch für drei. Wir trinken Tee und reden darüber, wie es ist, die Welt zusammen zu halten. Wir sehen auf die Menschen und wir denken uns, dass es trotzdem gut ist. Jeden Tag, seit Millionen von Jahren, ermutigen wir sie. Jeden Tag lese ich in der Zeitung die neusten Entwicklungen und ich kann nur sagen: weiter so! Es geht voran, wenn auch nur mühsam. Doch ein Äon ist nur ein Augenblick, und es geht voran - glaubt mir nur.
Für den Herrn gibt es die Zeit nicht, darum hat er eigentlich keine. Gerade deshalb schickt er oft auch nur Gabriel zum Tee vorbei. Der bringt dann Blumen mit und Sophie kümmert sich um den Garten. Die Lilien blühen so schön!
Manchmal kommt auch Nikolaus zu Besuch. Er darf schon lange nur noch wie wir die Menschen ermutigen. Dann sitzt er so vor dem Fernseher und sieht in die Ferne. Seine Gehilfen lässt er meistens daheim, auf seinem Hof. Da hat er viele Tiere, und man glaubt es kaum, da hat er doch glatt eines seiner Tiere nach mir benannt.
Jeden Winter kommt er jedenfalls zum Essen und wir unterhalten uns nett, dann muss er aber auch bald schon wieder los. Alle sind so geschäftig an der Arbeit!
Und, ach ich muss jetzt wieder rein! Es regnet und Sophie ruft. Meine Kleider sind schon ganz nass "Rudolph, it rains, dear ..."