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Salz und Pfeffer
Heinz zog seinen Mantel aus und hängte ihn auf einen der vielen Haken, schlüpfte aus den Schuhen und griff automatisch in die Manteltasche um sein Handy herauszuholen. Da fiel ihm wieder ein, daß ihm heute sein Vorgesetzter ja auch das abgenommen hatte, als er von der Arbeit nach Hause geschickt wurde – es war ein Firmenhandy. Er kam nicht einmal mehr dazu, alle privaten Nummern und Mitteilungen zu löschen. Bei einem flüchtigen Blick in den Spiegel fand er, daß er alt aussah, nahm seinen Aktenkoffer und ging damit ins Arbeitszimmer. Heinz öffnete den Koffer, in dem seine persönlichen Sachen waren, die er heute statt der üblichen Arbeitsunterlagen darin verstaut hatte.
Als er das Bild von Sonja herausnahm, das ihn bisher im Büro an sie erinnerte, strich er mit seiner Hand darüber und stellte es auf seinen Schreibtisch, neben das zweite gerahmte Foto des kleinen Mädchens. Er betrachtete sie mit einem Blick, der liebe- und leidvoll zugleich war.
„Wie soll ich dir das bloß erzählen?“, stand in seinen Stirnfalten geschrieben. Minutenlang schaute er so auf das Bild.
Schließlich nahm er sein Bürohäferl, aus dem er immer den Automatenkaffee getrunken hatte, sowie den Salz- und Pfefferstreuer heraus, den er ebenfalls in seiner Schreibtischlade aufbewahrt hatte, und trug beides in die Küche. Den Salz- und Pfefferstreuer hatte ihm seine Frau, Kathi, damals noch geschenkt, als er vor fünfzehn Jahren seinen ersten Arbeitstag in der Firma hatte. Daran mußte er jetzt denken. Klein hatte er damals angefangen und sie liebte ihn so sehr, sie war die Würze in seinem jungen Leben. Heute war alles, was davon übrig blieb, ein Salz- und Pfefferstreuer. Ein sehr praktisches Ding, das beides in einem vereinte. Drehte Heinz den löchrigen Deckel in die eine Richtung, kam Salz, andersrum war es Pfeffer, mit welchem er dem nur auf Schonkost gewürzten Mittagsmenü aus der Kantine die richtige Schärfe geben konnte. Jedesmal dachte er dabei an Kathi und wie gut ihm das Essen bei ihr schmecken würde. Jetzt stellte er den Streuer auf dem Küchenbord ab, das er zuvor noch rasch entstaubte.
Das Häferl deponierte er beim restlichen schmutzigen Geschirr und kehrte der Küche wie gewohnt den Rücken.
Im Wohnzimmer stellte er sich vor den Spielzeugberg, der in der Ecke lag. Drei Tage betrachtete er bereits wieder den traurigen Haufen. „Und dann fahren wir alle gemeinsam ins Schlaraffenland, du und ich und Mama!“, sagte Sonja noch mit freudestrahlenden Augen, nachdem er mit ihr den Stockautobus fertiggebaut hatte – und bevor er sie wieder pünktlich zurückbringen mußte. „Ein bisschen noch, Papa!“, bettelte sie und er hätte so gern „Ja“ gesagt, weitergespielt. Stattdessen erzählte er ihr, daß er im Juni mit ihr auf Urlaub nach Griechenland fahren würde, und wenn sie wolle, könnten sie auch noch drei Tage in London dranhängen, um mit Stockautobussen zu fahren. Sie zeigte sich hellauf begeistert, fiel ihm um den Hals und drückte ihm drei nasse Busserl auf die Wange, während sie mit den Füßen in der Luft strampelte. Aber jetzt kamen ihm fast die Tränen beim Anblick der bunten Steine und Plastikfiguren – da nahm er sein schwarz-weißes Palästinensertuch und breitete es darüber. Umgehängt hatte er es schon Jahre nicht mehr, aber trennen konnte er sich nie davon.
Heinz durchstöberte seine Schallplatten, die er immer hörte, bevor Kathi sein Leben so verändert hatte, und entschied sich für Deep Purple. Genau das, was er jetzt brauchte, um in keine depressive Stimmung zu verfallen. Auf seiner Couch lehnte er sich zurück und versuchte, an andere Dinge zu denken. Die Gedanken waren aber immer nur kurz, gleich zu Ende gedacht, und machten wieder und wieder dem selben Film Platz. Er sah sich immer aufs Neue, wie er die glücklichen Momente erlebte, als er und Kathi geheiratet hatten, als sie nach Jahren des Wartens erfuhren, daß sie bald zu dritt sein würden und wie er Sonja zum ersten Mal in seinem Arm hielt. Danach freuten er und Kathi sich auch noch über seine Beförderung zum Leiter des gesamten Finanzbereichs, womit er nicht nur automatisch dem Vorstand angehörte, sondern sich auch über einen beträchtlichen Gehaltszuwachs freuen konnte. Ein paar Momente des Kinderlachens verschönern den Film noch, bis zum Alter von etwa zwei Jahren. Danach riß er jedesmal ab.
Obwohl er keinerlei Melancholie aufkommen lassen wollte, saß er jetzt da und grübelte, suchte nach dem Grund. Er hatte sie doch immer gesehen, solange er und Kathi verheiratet waren. Auch, wenn er oft erst spät heim kam, setzte er sich neben ihr Bett und schaute ihr eine Stunde lang beim Schlafen zu. Er verstand erst nicht, warum er diese Bilder nicht so gut gespeichert hatte. Auch, wenn er daran dachte, erschienen sie nur verschwommen, wie ein Bild aus Wasserfarben, die ineinandergeronnen sind. Und dazu erinnerte er sich an Bilanzen, Statistiken, Pläne für Rücklagen, Lohnnebenkosten, Einsparungsmaßnahmen – die Dinge, die ihm, während er seine Tochter im Schlaf betrachtete, durch den Kopf gingen.
„Verdammt, was war ich für ein Idiot“, stieß er hervor. „Ich wollte das Beste für meine Familie und hab sie dabei den Bach runtergehen lassen, brachte es fertig, die wichtigsten Momente im Leben meiner Tochter zu verpassen, nur oberflächlich, als Hintergrundbild mitzukriegen statt sie zu erleben, hatte ständig irgendwelche Zahlen im Kopf, die mit uns überhaupt nichts zu tun hatten. Und jetzt hab ich sie nicht richtig gespeichert und meine Familie ist kaputt. Dabei wollte ich immer nur gut für sie sorgen. Aber hätte ich nein sagen sollen, als mir die Stelle angeboten wurde? Was hätte Kathi dann gesagt? Hätte ich es überhaupt richtig machen können? – Aber das hilft mir jetzt auch nicht weiter, es ist, wie es ist – und es war ja nicht mehr zu ändern.“
Nun erfüllten die Momente seine Gedanken, als Kathi ihm die bittere Grapefruit servierte.
„Du weißt, daß im Haus meiner Eltern in Mörbisch noch genug Platz für Sonja und mich ist. Jedenfalls wären wir dort weniger allein als hier mit, oder vielmehr ohne dich. Die Umgebung ist sowieso dort viel besser als hier in der Stadt, den See haben wir dort praktisch vor der Haustüre. – Ich gebe dir drei Monate Zeit. Wenn sich bis dahin nichts geändert hat, reiche ich die Scheidung ein.“
Heinz hatte daraufhin mit seinem einzigen Vorgesetzten, mit dem er mittlerweile per Du und etliche Male essen war, gesprochen, ihm gesagt, daß er seiner Familie zuliebe gerne wieder zurück möchte, an seinen alten Platz. Dieser richtete sich aus der gemütlichen Position in seinem Ledersessel auf, stützt sich am Tisch ab und gab erst nur ein „Ich glaub, ich hör nicht richtig?!“, von sich. Danach stand er auf und begann, auf Heinz gar nicht freundschaftlich einzureden, vergaß sogar das Du-Wort.
„Denken Sie mal drüber nach, wie das aussehen würde, wenn ein Vorstandsmitglied wieder zurück in eine normale Abteilung gehen würde. Wie sieht das für die Konkurrenz aus, wie sieht das für die Mitarbeiter aus? Wie sollten sich Ihre Kollegen Ihnen gegenüber verhalten, jetzt, nachdem Sie ganz oben waren? Und glauben Sie wirklich, irgendeine Firma schickt jemanden, der alle Firmengeheimnisse kennt, wieder an einen normalen Arbeitsplatz zurück?! – Nein, mein Lieber. Sie können gerne da bleiben wo Sie sind, Sie wissen, ich bin mit Ihnen hoch zufrieden, aber eine andere Verwendung haben wir für Sie leider nicht mehr. Überlegen Sie sich das gut.“
Heinz hatte wahrlich viel darüber nachgedacht. Er versuchte, auch mit Kathi darüber zu sprechen, aber sie wollte ihn nicht festhalten und sagte nur: „Ich rede dir nicht drein, du mußt wissen, was du tust – entscheide dich selbst.“
Seine Überlegungen verliefen immer im Nichts. Dazu kamen auch noch finanzielle Verpflichtungen, denen er nachkommen mußte und die nun auf sein Gehalt abgestimmt waren. Der Kredit für die neue Wohnung, mit Raten, die er sich als normaler Buchhalter nicht leisten könnte. Die Lebensversicherungen für alle drei und noch so einiges mehr. Das alles überzeugte ihn. Es blieb ihm eigentlich gar nichts anderes übrig, als seinen Platz in der Firma zu behalten, da er ohne Arbeit seine Rechnungen nicht zahlen konnte. Aber er nahm sich fest vor, sich mehr Zeit freizuschaufeln, weniger Termine zu vereinbaren. Das schien ihm ein gangbarer Kompromiß zu sein und sobald die bereits ausgemachten Termine vorüber wären, würde es auf jeden Fall lockerer werden. Heinz arbeitete von jetzt an sogar praktisch ohne Pausen, nur das Mittagsmenü schlang er eilig hinunter. In seinen Salz- und Pfefferstreuer füllte er schon seit Wochen den fehlenden Pfeffer nicht mehr nach, nahm sich nicht einmal mehr dafür die Zeit, nur um allen entsprechen zu können. Gegen den bitteren Nachgeschmack der Grapefruit hätte der Pfeffer auch gar nicht geholfen.
Drei Monate später bekam er Post von Kathis Rechtsanwalt. Heinz hatte nun die Wahl, einerseits einer Scheidung im beiderseitigen Einvernehmen zuzustimmen, wobei das Einvernehmen vor allem den finanziellen Forderungen galt, oder nach einer Scheidungsklage, bei der Kathi noch mehr fordern würde, schuldig geschieden zu werden, weil er Frau und Tochter vernachlässigt hätte. Kathi sah er seit Tagen Listen schreiben, in denen sie festhielt, was sie nach der Scheidung mitnehmen wollte.
„Nimm dir alles mit, was du willst. Mir ist nur wichtig, daß ich Sonja weiterhin sehen kann.“
„Aber natürlich kannst du das – solange du dich an die Spielregeln hältst. Du holst und bringst sie pünktlich, zahlst die Alimente für Sonja und mich und außerdem bekomme ich die Hälfte vom Wert der Wohnung überwiesen, da ich sie ja dir überlasse. Wenn du der einvernehmlichen Scheidung zustimmst, machen wir bei den Alimenten einen Fixbetrag aus, ansonsten werden sie leider mit deinem Einkommen steigen...“
Heinz stimmte zu, auch sein Berater hatte ihm zugeredet, den Vergleich anzunehmen.
Es ging auch einige Zeit gut so, er hatte kaum Probleme, die Vereinbarungen einzuhalten – nur mit dem Betrag für die Wohnung tat er sich schwer, aber er konnte mit der Bank reden und da er ein guter Kunde war, erhöhten sie ihm den Kredit.
Es behagte ihm zwar nicht sehr, daß er immer schon um sechzehn Uhr losfahren mußte, wenn er Sonja ein Wochenende bei sich hatte und sie am Sonntag pünktlich zurückbringen wollte, aber er dachte sich nur: „Was nimmt man nicht alles in Kauf...“
Sonja genoß es, jedes zweite Wochenende mit ihrem Papa zu verbringen. Jetzt hatte er endlich richtig Zeit für sie. Er nahm sich an jenen Wochenenden nichts anderes mehr vor, in seinem Terminkalender stand über beide Tage in rot „Sonja“ geschrieben und wenn er etwas plante, dann waren es besonders tolle Ausflüge, solche, die sich nicht jeder leisten konnte.
Im Büro füllte er den Streuer wieder mit Pfeffer auf. „Irgendwie hat dieses Ding etwas mit mir gemeinsam. Ich komme mir vor, wie zwölf Tage Salz-, und zwei Tage Pfefferstreuer in der Schonkost Leben. Jeweils so, wie man mich gerade braucht. Sehr praktisch...“
Kathi hatte immer noch ein bisschen Fruchtfleisch in ihrer Grapefruit. Heinz hatte ihr die Alimente monatelang bar auf die Hand gegeben, wenn er Sonja abholte. Er kam nicht auf den Gedanken Kathi zu mißtrauen und ließ es sich nicht bestätigen. Sie erkannte seinen Fehler und klagte ihn auf Zahlung. Heinz versuchte, das mit ihr auszudiskutieren, während Kathi aber bereits die Gehaltspfändung einleitete.
Sein Chef sagte nur mehr: „Mein lieber Freund und Kollege, so sehr wir Sie auch schätzen, aber Sie wissen selbst sehr gut, daß es ein schlechtes Bild macht, wenn ein Mitarbeiter der Finanzabteilung nicht einmal mit seinem eigenen Geld umgehen kann. Wie sollen wir so jemandem Firmengelder anvertrauen? Noch dazu in ihrer Position! – Leider muß ich ihnen sagen, daß wir keinerlei Verwendung mehr für Sie haben. Packen Sie Ihre persönlichen Sachen zusammen und liefern Sie unser Handy gleich draußen im Büro ab. Während der Frist bis zum gesetzlichen Kündigungstermin sind Sie freigestellt. Ich wünsche Ihnen alles Gute.“
„Aber die Pfändung kann ich sicher noch rückgängig machen, das ist doch nur ein Mißverständnis, ich werde eine Zahlungsvereinbarung treffen ...“
„Versuchen Sie, eine Zahlungsvereinbarung zu treffen, dazu kann ich Ihnen nur raten, denn Sie werden sie brauchen. Bei uns hier nützt Ihnen das aber nichts mehr, in der Gehaltsverrechnung zerreißt man sich doch bereits das Maul über Sie, seit die das in der heutigen Post gefunden haben und bald weiß es die ganze Firma!“
Leere erfüllte ihn nun. Auch die Platte war bereits abgespielt. Ein flaues Gefühl breitete sich in seinem Magen aus. „Wie soll ich bloß weiterhin die Alimente zahlen, wenn ich arbeitslos bin? Und den Kredit für die Wohnung? Eine Stelle mit dem Einkommen, das ich hatte, bekomme ich so schnell sicher nicht wieder.“
Woche für Woche studierte Heinz den Stellenmarkt, schrieb Bewerbungen, legte Kopien seiner wirklich guten Zeugnisse bei und bekam auch viele Vorstellungstermine. Er ging sich vorstellen wie arbeiten, verließ das Haus in der Früh und kam nachmittags zurück – trotzdem hatte er keinen Erfolg. Immer scheiterte er an der Frage, warum er denn so einen guten Job aufgegeben habe. In keiner Position im Finanzbereich wollte man jemanden einstellen, der bereits einmal in höheren Sphären schwebte. Und wenn er von der Gehaltspfändung erzählen mußte, weil er danach gefragt wurde, war es erst recht vorbei mit der Chance auf Anstellung.
Er versuchte es auf tieferen Sprossen, bis er sich schließlich sogar als Kassier in einem Supermarkt beworben hatte. Dort sagte man ihm kühl ins Gesicht: „Sie sind einen hohen Lebensstandard gewohnt. Mit dem Verdienst, den Sie bei uns hätten, würden Sie nicht auskommen. Wir können Sie leider nicht einstellen, da gerade bei Leuten wie Ihnen die Gefahr sehr groß ist, daß sie in die Kasse greifen.“
„Ich verstehe Sie nicht, wie meinen Sie das?“
„Wir haben so unsere Erfahrungen, und meistens versuchen solche Leute etwas zu stehlen, die vorher mehr verdient haben. Dem Risiko wollen wir uns nicht aussetzen. Es tut mir leid, ich wünsche Ihnen viel Erfolg.“
Heinz war vollkommen entmutigt, konnte auch die Wochenenden mit Sonja nicht mehr richtig genießen, da er nicht mehr so viel Geld hatte, wie früher. Das tat ihm am meisten weh, als Sonja einmal nicht mitkommen wollte, weil Kathi ihr etwas Besonderes versprochen hatte. Eine Schnellbootfahrt auf der Donau – gemeinsam mit Kathis neuem Freund.
Heinz war gewiß nicht der Typ, bei dem Gefahr bestand, daß er zum Alkoholiker mutierte, aber an dem Tag fiel ihm auch nichts Besseres mehr ein, als sich zuzuschütten. Er fuhr nur ein paar Kilometer von Mörbisch weg und kehrte bei einem der zahlreichen Wirte ein. Achterlweise trank er den Rotwein, verfolgte immer dieselben Gedanken und wurde dabei immer trauriger. Er fragte sich, wie es weitergehen solle und sah sich in Gedanken schon in einer U-Bahn-Station ein paar Euros schnorren. Da tippte ihm Gizela (sprich: Gisella) auf die Schulter und entriß ihn seiner Gedanken.
„Hey, was is los? Fehlt dir bisschen Paprika? Komm, tanz mit mir!“
Erst jetzt bemerkte Heinz die ungarischen Musiker, die inzwischen zu spielen begonnen hatten.
„Nach Tanzen ist mir nicht zumute, aber ich lade dich gern auf ein Getränk ein, wenn du möchtest.“
„Paß auf, ich setze nachher mich zu dir und du mir erzählst alles, was dein Herz bedrückt. Aber erst mußt du locker machen, das geht am besten mit Tanzen. Komm.“ Sie nahm ihn an der Hand und zog ihn auf den freien Platz vor der Bühne. Er versuchte, sich der Musik hinzugeben, sich in ihrem Takt zu bewegen. Irgendwie klang sie traurig und doch so voller Hoffnung, die Violine brachte ihn fast zum Weinen und die Ziehharmonika unterdrückte es, sang von Zukunft und Besserwerden.
Noch bevor das Lied zu Ende war, setzte sich Gizela mit Heinz wieder an seinen Platz, sie bestellten noch zwei Achterl Rotwein, dann nahm sie seine Hand. „Komm, erzähl Gizela, was bedrückt deine Herz. Ich sehe, daß du hast großen Kummer.“
Heinz saß da und fühlte sich, wie ein kleiner Junge, den man fragt: „Was tut dir denn weh?“ Jetzt kamen auch die Tränen aus seinen Augen, die er schon so lange zurückgehalten hatte. Er mußte nachdenken, wie lange es denn schon her war, daß jemand sich dermaßen für ihn, für seine Person, interessiert hatte.
Nach einer Weile begann er, Gizela alles anzuvertrauen. Manchmal brauchte er ein wenig Pause, bestellte noch ein Achterl Rot und hob dann den Faden wieder auf. Erzählte bis zum Schluß, bis er heute ohne Sonja wieder abfahren mußte. Gizela hörte ihm aufmerksam zu und zeigte ihm ihr Mitgefühl, indem sie ihm die Tränen zwischendurch immer wieder wegwischte oder ihre Hand auf seine Schulter legte. Nachdem sie für sich und Heinz einen Marillenschnaps bestellt hatte, ergriff sie das Wort: „So, ich sag dir jetzt, was du mußt machen. Zeige deine Tochter, daß du sie liebst. Ruf an morgen, frage sie, ob schön war die Ausflug. Und zeig nicht Eifersucht auf neuen Freund von Mutter, das is nix gut. Sag ruhig, daß sie gefehlt hat dir und daß du liebst sie. Und vor die nächste Mal du redest mit Kathi, daß sie auch sich halten muß an Spielregel und nix einfach versprechen kann, wenn sie weiß, daß du holst Sonja. Paß auf, daß sie dir nicht ganz entzieht die Mädchen. Sie tut nämlich nix Gutes damit der Kleinen. Wenn ihr wollt streiten, dann alleine. Sonja nix damit zu tun hat.
Und dann gehst du auf Gericht und sagst, du kannst nicht zahlen so viele Alimente. Die müssen senken das, wenn du bist arbeitslos. Dann gehst du auf Arbeitsamt und sagst, du willst Umschulung machen, weil du in deine Branche keine Chance mehr hast. Die werden helfen dir, wenn sehen, daß du willst arbeiten. Jetzt geh nach Hause schlafen. Vergiß nicht, daß du mußt immer kämpfen für deine Recht. Deine Recht ist auch, daß Kathi hält sich an Spielregel – rede mit ihr.“
Heinz spürte, wie Gizela ihm Kraft einflößte. Sie hatte ihn aufgeweckt aus seiner Lethargie, in der man alles mit ihm machen konnte. Ja, ab morgen würde er um seine Tochter kämpfen, sich nicht mehr alles gefallen lassen und das Finanzielle in den Griff bekommen. Er aß noch einen Teller voll ungarisches Kesselgulasch, dankte Gizela und fragte, ob er sie denn wieder sehen könne.
„Mich du kannst jedes Wochenende hier finden. Wenn du willst, einfach schau mal vorbei mit Sonja oder wenn du sie gebracht hast zurück. Ich wünsche dir alles Gute!“
Heinz ging zu seinem Auto. Er öffnete die Beifahrertür, brachte den Sitz in Liegeposition und schloß das Auto von innen ab.
Zeitig in der Früh wurde er von den ersten Sonnenstrahlen geweckt und war guter Laune. Er fuhr gemütlich zurück nach Wien, ohne über die Autobahn zu hetzen und ließ sich Gizelas Worte wieder und wieder durch den Kopf gehen. „Sie hat ja so Recht...“
Zuhause angekommen, ging er in die Küche, wusch das Geschirr ab, entstaubte die Wohnung. Als er schließlich mit allem fertig war, nahm er seinen Salz- und Pfefferstreuer und füllte statt dem fehlenden Pfeffer nun Paprika ein. Paprika scharf. Das mußte wohl die richtige Würze für sein Leben sein.