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Samstag
Mit zwei voll bepackten Taschen kam ich von meinen Samstagseinkauf zurück. Ich war gerade im Begriff die Haustüre aufzuschließen, als ich zusammenschreckte. Das war eindeutig ein Klirren! Was ging hier vor? Hatte etwa Gina in der Küche einen Stapel Geschirr umgeschmissen?
Seit uns vor einer Woche meine Frau Erika wegen eines, so fand ich, belanglosen Streits Hals über Kopf verlassen hatte, lebte ich mit Gina alleine hier. 'Eigentlich', dachte ich mir 'ist es ganz gut, wenn Erika mal für ein paar Tage weg ist. Ich brauche einfach mal etwas Ruhe.' Aber von Ruhe konnte hier leider keine Rede sein. Nicht während der letzten Tage, und auch jetzt nicht. Immer ging es nur um Gina.
Ich öffnete vorsichtig die Türe, betrat die Diele und stellte erstmal die beiden Taschen ab. Aus Richtung Küche hörte ich jetzt ein leichtes Schnaufen. Das musste Gina sein. Sie hatte sich vor einigen Tagen eine Erkältung zugezogen, und war seitdem, auch ohne Verwendung von Echolot und Radar, immer bestens zu lokalisieren.
Die letzte Woche lebten wir etwas im Chaos. Vieles ging schief, einiges kaputt, und die Wohnung sah manchmal aus, wie nach einem Einbruch oder Erdbeben. Erika war immer derjenige Pol von uns beiden, der Ruhe in alle Geschehnisse brachte, immer wieder aufräumte und so manches richtete. Sie hatte sich nach ihrem Fortgang noch einmal kurz telefonisch gemeldet, um mir mitzuteilen, dass sie vorläufig bei ihrer Mutter bleiben wolle. Ich konnte das zwar nicht verstehen, akzeptierte es aber.
Ich nahm einige Dosen aus der Einkaufstasche und ging, an unserem Gäste-WC vorbei, in Richtung Küche. Die Türe stand offen und ich schaute hinein. Neben einer zerbrochenen Porzellanschüssel saß sie auf dem Boden und warf mir einen flüchtigen Blick zu, bevor sie ihr Gesicht leicht zu Boden senkte. Es folgte ein leichtes Schluchzen und ein treu fragender Blick.
Ohne ein Wort zu sprechen ging zu ihr hin, ließ mich auf gleiche Augenhöhe zu ihr auf meine Knie nieder, und stellte lautlos die Dosen auf den Boden. Ich konnte mir dabei ein Lächeln nicht verkneifen, rückte etwas näher zu ihr, und streichelte ein wenig ihren Nacken. Ich war mir zwar unschlüssig, ob sie das jetzt mochte, aber irgendwie spürte ich, dass das genau das Richtige war.
"Ich bin zurückgekommen! Und ich wollte dir als Überraschung eine Himbeergrütze zubereiten. Dabei bin ich ausgerutscht und die Schüssel ging zu Bruch", sagte sie mit leiser werdender Stimme. "Irgendwie war das ein sehr missglückter Versuch". "Absolut nicht missglückt! Ich bin froh, Erika, dass du wieder zurück bist", entgegnete ich ihr.
Im selben Moment kam Gina, laut kläffend und immer noch heiser, die Treppe herunter, zu uns in die Küche. Ich weiß nicht, ob sie sich mehr über den frischen Pansen in der Dose, oder über unsere zurückgekehrte Erika freute.
Die Himbeergrütze ließen Erika und ich Himbeergrütze sein. Wichtig war, dass wir wieder zusammen waren.